Prozess zur weiteren Verankerung des wertebasierten Kodex zur Prävention gegen Machtmissbrauch und Übergriffe auch bei städtischen Tochtergesellschaften Deutsches Theater, Münchner Volkstheater und Pasinger Fabrik
Antrag Stadtrats-Mitglieder Kathrin Abele, Roland Hefter, Lars Mentrup, Klaus Peter Rupp, Julia Schönfeld-Knor, Micky Wenngatz (SPD/Volt-Fraktion) und Anja Berger, Mona Fuchs, Marion Lüttig, Thomas Niederbühl, Angelika Pilz-Strasser, Dr. Florian Roth, David Süß (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 8.3.2021
AntwortKulturreferent Anton Biebl:
Herzlichen Dank für Ihren Antrag zur Verankerung des Kodex zur Prävention gegen Machtmissbrauch und Übergriffe auch bei den städtischen Tochtergesellschaften Deutsches Theater GmbH, Münchner Volkstheater GmbH und Pasinger Fabrik GmbH.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt erlaube ich mir, Ihren Antrag per Schreiben zu beantworten, da dem Antrag entsprochen werden kann (Rund-
schreiben Nr. 02/13 Allgemeines Beschlusswesen, Punkt 2.5).
Herzlichen Dank auch für die eingeräumte Fristverlängerung, ohne die eine Implementierung des Prozesses nicht möglich gewesen wäre. Gleich vorweg sei gesagt, dass dieser Prozess noch lange nicht abgeschlossen ist, aber ich bin überzeugt, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben und das Thema damit langfristig und nachhaltig in den Tochtergesellschaften verankern werden.
Das Kulturreferat hat bereits im Jahr 2019 auf Basis des Kodex des Bühnenvereins in enger Zusammenarbeit mit der örtlichen Gleichstellungsstelle einen eigenen „Verhaltenskodex und Wegweiser zur Prävention von sexueller Belästigung und Machtmissbrauch im Kulturreferat“ ausgearbeitet. Dieser wurde von allen Abteilungsleitungen, Institutsleitungen und auch den Gesellschaften des Kulturreferats unterzeichnet.
Anlässlich des 1. Aktionsplanes der LHM der Europäischen Charta zur Gleichstellung von Frauen und Männern wurde eine anonyme Befragung im gesamten Kulturreferat durchgeführt und auf Basis dieser Erkenntnisse der Kodex bis Anfang 2023 grundlegend überarbeitet.
Im Rahmen der Kulturkonferenz des Kulturreferats am 28.3.2023 wurde das Ergebnis allen Abteilungs- und Institutsleitungen und den Geschäftsführungen der Kulturgesellschaften vorgestellt und gemeinsam unterzeich-net. Darauffolgend wird auch der neue Kodex flächendeckend bekannt gegeben und kommuniziert.
Alle Institute und Kulturgesellschaften sind angewiesen, diesen Kodex an alle Beschäftigten auszuhändigen und jährlich bekannt zu geben. Zudem wird der Kodex öffentlich und gut sichtbar ausgehängt unter Angabe aller Ansprechpersonen bei Machtmissbrauch und Übergriffen (vgl. Antragsziffer 3).
Zu Ihren Antragspunkten darf ich Ihnen im Einzelnen Folgendes ausführen:
Antragsziffer 1:
Die städtischen Eigenbetriebe – Münchner Kammerspiele mit Otto Fal- ckenberg Schule und Schauburg – verstetigen die Maßnahmen zur Imple- mentierung des „Verhaltenskodex zur Prävention gegen Machtmissbrauch und Übergriffe“.
Antwort:
Aus der Überzeugung heraus, dass sich Bewusstsein und Haltung kaum durch die Veröffentlichung von Broschüren verändern lassen, schlugen die Betriebsteile des Eigenbetriebs Münchner Kammerspiele jeweils spezifische Wege zur Implementierung eines Verhaltenskodexes ein:
Für den Betriebsteil Münchner Kammerspiele wurde der überarbeitete Verhaltenskodex des Kulturreferates übernommen. Veranlasst durch die Geschäftsführung setzten sich Führungskräfte und Mitarbeiter*innen in mehreren Workshops mit dem Verhaltenskodex und den damit verbundenen theaterspezifischen Themen auseinander, um Sichtweisen und Haltungen zu verändern. Seit 2020 werden die neuen Mitarbeiter*innen, insbesondere der künstlerischen Bereiche, eingebunden und weitere Maßnahmen zu den Themen Inklusion, Diversität und Antirassismus geplant und durchgeführt.
Als weitere Maßnahme liegt der Kodex des Betriebsteils Kammerspiele inzwischen in Leichter Sprache und auf Englisch vor. Der Kodex in Leichter Sprache ist als Wandtapete sehr prominent im Bühneneingang des Theaters angebracht.
Der Betriebsteil der Schauburg hat den Verhaltenskodex des Deutschen Bühnenvereins in 3 Workshops unter Beteiligung aller Mitarbeiter*innen überarbeitet und so eine an die Bedarfe der Schauburg angepasste Version verfasst. Sämtliche Kolleg*innen der Schauburg haben diese Version unterschrieben. Zusätzlich wurde ein Leitfaden für Führungskräfte der Schauburg erstellt.Im Rahmen des Gesamtprozesses fand ein zweitägiger Workshop „Social Justice“ für sämtliche Mitarbeiter*innen mit Publikumskontakt statt. Zusätzlich wird jetzt für alle neuen Mitarbeiter*innen pro Saison ein Onboarding-Workshop für den Verhaltenskodex abgehalten.
An der Otto-Falckenberg-Schule erstellten Schulleiter und Kollegium eine an den Schulbetrieb angepasste Version. Am Anfang jedes Schuljahres werden die neuen Schüler*innen informiert. Im Lehrerkollegium fanden mehrere Workshops zu dem Thema statt.
Allgemein wird bei allen Sicherheitsunterweisungen explizit auf die jeweiligen Kodexe verwiesen. Sie werden in sämtlichen Verträgen der Betriebsteile für verbindlich erklärt und gelten damit auch für alle externen Gäste des Eigenbetriebs.
Die Geschäftsführung des Eigenbetriebs hat neben den inhaltlichen Regelungen ein besonderes Augenmerk auf das Verfahren im Falle von Übergriffen gelegt, um die Schwelle, diese anzusprechen und zu veröffentlichen möglichst niedrig zu halten. Es wurde eine Anleitung zur Vorgehensweise sowie eine Übersicht zahlreicher Ansprechstellen (theaterintern, stadtintern und außerhalb) an sämtliche Kolleg*innen verteilt und in den Theatern und der Schule ausgehängt.
Ziel muss weiterhin sein, dass Betroffene angstfrei selbst tätig werden können. Insbesondere in einer Übergangszeit sind Unterstützer*innen unverzichtbar. Durch die Einrichtung und Bekanntmachung der Ansprechstellen und durch die Art und Weise der Einführung der Verhaltenskodexe soll sichergestellt werden, dass Übergriffe erkannt und bekannt werden. In der Stärkung der Betroffenen und in der konsequenten Nachverfolgung kommt Führungskräften eine besondere Rolle zu. An den Münchner Kammerspielen arbeiten Geschäftsführung und Personalleitung daher seit Jahren an der Weiterentwicklung der Führungskompetenz. Sämtliche Führungskräfte der Verwaltung und Technik durchlaufen eine mehrwöchige Führungsfortbildung.
Durch die jahrelange Thematisierung und durch den vertrauensvollen Umgang mit, in der Zusammenarbeit im Theater unweigerlich auftretender Grenzverletzungen, entsteht mehr und mehr eine Haltungsänderung im gesamten Eigenbetrieb, die dafür sorgt, dass evtl. Übergriffe angesprochen und gut bearbeitet werden können.Antragsziffer 2:
Die städtischen Tochtergesellschaften – Deutsches Theater, Münchner Volkstheater und Pasinger Fabrik – beginnen nun einen Prozess der weite- ren Verankerung des unterzeichneten Verhaltenskodex‘ angelehnt an den Prozess der Münchner Kammerspiele.
Antwort:
Ein Kodex ist lediglich ein Stück Papier – bis er tatsächlich in den Köpfen der Mitarbeitenden verankert ist und gelebt wird. Deshalb schließt sich das Kulturreferat Ihrem Vorschlag gerne an. Es sollen in allen Kulturgesellschaften zur weiteren Verankerung des Kodex nach dem Vorbild der Kammerspiele Workshops stattfinden. Die Kulturgesellschaften werden aufgefordert, entsprechende Workshops anzubieten.
Zudem empfehlen wir den Kulturgesellschaften, den Kodex auch gegen-über Gastspieler*innen zu kommunizieren und einzufordern. Hierzu ist vorgesehen, eine Kurzform des Verhaltenskodex zu erstellen, die den entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen beigefügt werden kann.
Antragsziffer 3:
Die städtischen Tochtergesellschaften benennen Ansprechpersonen für Fälle von Machtmissbrauch und Übergriffen, die niederschwellig zugänglich sind und direkten Kontakt zur Geschäftsleitung haben, darunter befinden sich möglichst Personen verschiedener Geschlechter.
Antwort:
Jede Kulturgesellschaft hat zwei Ansprechpersonen unterschiedlichen Geschlechts benannt und bekanntgegeben (Ausnahme Pasinger Fabrik, zweite Person wird noch ernannt). Die seitens der LHM, POR angebotenen Fortbildungen „AGG – Antidiskriminierung im Arbeitsleben“ und „AGG spezial – Sexuelle Belästigung“ können auch durch die Tochtergesellschaften gebucht werden und sind für alle Führungskräfte – auch in den Gesellschaften – verpflichtend. Daneben empfiehlt die örtliche Gleichstellungsstelle die Teilnahme der o.g. Schulungen auch für die Ansprechpersonen des Kodex gegen Machtmissbrauch.
Referatsspezifische Schulungen für die Führungskräfte und die Mitarbeiter*innen im Kernbereich Kulturreferat werden derzeit durch die örtliche Gleichstellungsstelle konzipiert. Es ist denkbar, das Angebot der Führungskräfte-Schulung gegen Kostenübernahme auch auf die Gesellschaften des Kulturreferats auszuweiten.
Antragsziffer 4:
Die städtischen Tochtergesellschaften entwickeln darüber hinaus ein Gleichstellungskonzept bzw. Zielvereinbarungen und Maßnahmen für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis bei Führungspositionen.
Antwort:
Die Forderung der Antragsziffer 4 wurde im Rahmen der am 1.3.2023 beschlossenen Stadtratsvorlage des Direktoriums „Gleichstellungspolitik stärken“ (20-26/V08285) aufgegriffen und positiv verabschiedet. Dem entsprechend wurden alle Kulturgesellschaften aufgefordert, nach den Vorgaben des Beschlusses und den Ausführungen des Direktoriums (vgl. Mail des Direktoriums, HA I – ZV-Beteiligungsmanagement) ein passgenaues Gleichstellungskonzept zu entwickeln.
Die örtliche Gleichstellungsstelle des Kulturreferats hat die Kulturgesellschaften bereits zum Großteil in Einzelterminen beraten und umfangreiches Arbeitsmaterial zur Verfügung gestellt.
Ziel für 2023 soll es sein, dass in jeder Kulturgesellschaft eine erste Version eines Gleichstellungskonzeptes vorliegt und in den Aufsichtsratssitzungen im zweiten Halbjahr 2023 vorgestellt wird. Auch hier verstehe ich das Thema als fortwährenden Prozess der weiteren Implementierung und Anpassung an die Anforderungen der jeweiligen Gesellschaft.
Antragsziffer 5:
Die Aufsichtsräte der Tochtergesellschaften werden gebeten, entspre- chende Anforderungen für einen Prozess der Implementierung des Kodex‘ an die jeweiligen Geschäftsleitungen zu formulieren, diese regelmäßig zu überprüfen und in die Berichterstattung an den Stadtrat aufzunehmen.
Antwort:
Anlässlich Ihres Antrags im März 2021 hat die Aufsichtsratsvorsitzende die Geschäftsführungen der Kulturgesellschaften zeitnah aufgefordert, in der nächsten Aufsichtsratssitzung das Thema „Prozess zur weiteren Verankerung des wertbasierten Kodex zur Prävention gegen Machtmissbrauch und Übergriffe“ mit auf die Tagesordnung zu nehmen.
Dementsprechend wurde in der jeweils darauffolgenden Aufsichtsratssitzung der Ist-Stand in der Gesellschaft dargestellt und das Thema umfassend diskutiert. Es wurde vereinbart, dass mindestens jährlich die Geschäftsführung an den Aufsichtsrat bzgl. der weiteren Umsetzungs- und Entwicklungsschritte berichtet.
Für die kommenden Aufsichtsratssitzungen 2023 werden die Gesellschaften gebeten, die Neufassung des wertebasierten Kodex zur Präventiongegen Machtmissbrauch und Übergriffe im Aufsichtsrat bekannt zu geben. Zudem werden die Gesellschaften aufgefordert, einen ausführlichen Sachstandsbericht zum aktuellen Umsetzungsstand einzubringen und mit den Aufsichtsratsmitgliedern in die Diskussion des weiteren Prozesses einzutreten.
Mitzeichnung der Gleichstellungsstelle
Das Antwortschreiben wurde der Gleichstellungsstelle für Frauen zugeleitet und von deren Seite mitgezeichnet. Die Gleichstellungsstelle für Frauen nimmt außerdem wie folgt Stellung:
Die Gleichstellungsstelle für Frauen lobt ausdrücklich den Prozess zur Erarbeitung, Implementierung, Evaluierung und Aktualisierung des Verhaltenskodex zur Prävention von sexueller Belästigung und Machtmissbrauch im Kulturreferat. Um Machtmissbrauch und sexuelle Belästigung im Kulturbereich wirksam bekämpfen zu können, ist es notwendig, Handlungssicherheit zu geben und damit diese Themen sichtbar und besprechbar zu machen. Die strukturelle Verankerung eines verbindlichen Wegweisers und Kodex ist im Kulturbereich auch über München hinaus ein Leuchtturmprojekt. Wirksam kann so ein Kodex dauerhaft nur werden, wenn er wie im Antwortschreiben ausgeführt mit begleitenden Maßnahmen wie Workshops, Ansprechpersonen, Handlungsleitfäden, stetiger Kommunikation in die unterschiedlichen Ebenen und Begleitung bei konkreten Vorfällen in der Praxis umgesetzt wird. Ziel ist die Prävention sowie möglichst alle Mitarbeitenden und Führungskräfte zu befähigen Übergriffe zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Die Gleichstellungsstelle unterstützt das im Antwortschreiben angekündigte Vorgehen, den Kodex gegenüber Gastspieler*innen zu kommunizieren und einzufordern.
Die Gleichstellungsstelle für Frauen betont, dass die erfolgreiche Entwicklung und Implementierung des Verhaltenskodex getragen war von dem hohen Engagement der örtlichen Gleichstellungsbeauftragten im Kulturreferat. Eine dauerhafte Implementierung des Kodex und die dafür notwendigen begleitenden Maßnahmen müssen jedoch von den Tochtergesellschaften selbst getragen werden. Die örtlichen Gleichstellungsbeauftragten können diesen Prozess nur fachlich beratend begleiten und keinesfalls die operative Umsetzung gestalten.
In Bezug auf die Entwicklung von Gleichstellungskonzepten bei den städtischen Tochtergesellschaften bittet die Gleichstellungsstelle für Frauen darum, den in den letzten beiden Jahren gestalteten Prozess zur Erarbeitung dieser Konzepte mit hoher Priorität weiterzuverfolgen und die bisher erfolgten Maßnahmen sowie die erarbeiteten Gleichstellungskonzepte der Gleichstellungsstelle für Frauen zeitnah im Jahr 2023 vorzulegen.Dem Wunsch der Gleichstellungsstelle kommt das Kulturreferat gerne nach. Zudem wird auf den Beschluss des Direktoriums „Gleichstellungspolitik stärken“ (20-26/V08285) und die damit einhergehende Beschlussvollzugskontrolle verwiesen.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.