Kommunales Vorkaufsrecht
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 20.2.2023
Antwort Komunalreferentin Kristina Frank:
Ich nehme Bezug auf Ihre Anfrage vom 20.2.2023, die ich mit Blick auf § 68 der Geschäftsordnung des Stadtrates gerne schriftlich wie folgt beantworten möchte:
In Ihrer Anfrage führen Sie aus, dass Vorkaufsrechte (VKR) ein Instrument seien, „mit dem Kommunen wertvollen Wohnraum vor dem Zugriff durch Immobilienspekulanten bewahren könnten.“
Zunächst möchte ich mich für die gewährten Fristverlängerungen bedanken.
In diesem Zusammenhang bitten Sie um die Beantwortung der folgenden Fragen:
Frage 1:
Welche Arten des kommunalen Vorkaufsrechts existieren?
Antwort:
Wir möchten zunächst darauf hinweisen, dass wir unter dem Begriff „kommunales Vorkaufsrecht“ die der Kommune kraft Gesetzes zustehenden VKR verstehen.
Diese können zur Anwendung kommen, wenn ein Kaufvertrag unter Dritten über ein Grundstück abgeschlossen wird. Als nicht von diesem Begriff umfasst sehen wir VKR an, die zugunsten der Landeshauptstadt München (LHM) aufgrund von ihr abgeschlossener zivilrechtlicher Vereinbarungen bestehen.
Die kommunalen (gesetzlichen) VKR sind im Baugesetzbuch (BauGB) und im Bayerischen Naturschutzgesetz (BayNatschG) geregelt.
1. VKR nach dem BauGB
Im BauGB wird zwischen den sog. „allgemeinen“ VKR nach § 24 BauGB und den „besonderen“ VKR nach § 25 BauGB unterschieden. Das Bestehen eines VKR nach § 24 BauGB ist als Annex grundsätzlich an die Existenz einer wirksamen städtebaulichen Maßnahme (z.B. ein Bebauungsplan (B-PLAN) oder eine Sanierungssatzung) geknüpft und dient dazu, die Zielsetzung dieser konkreten städtebaulichen Maßnahme zu fördern oder zusichern. So hat beispielsweise das Inkrafttreten einer Sanierungssatzung kraft Gesetzes die Entstehung eines kommunalen VKR für die vom Satzungsgebiet umfassten Grundstücke zur automatischen (Neben-)Folge. Das besondere VKR nach § 25 BauGB (sog. „Satzungsvorkaufsrecht“) setzt hingegen voraus, dass sich die jeweilige Gemeinde ein VKR gezielt mittels einer Vorkaufssatzung eingeräumt hat. Derartige Satzungen bestehen im Stadtgebiet Münchens derzeit nur für die Entwicklungsbereiche Nord und Nordost.
1.1 Allgemeine VKR nach § 24 BauGB
Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BauGB steht der Gemeinde ein VKR zu beim Kauf von Grundstücken in folgenden Fällen:
- Nr. 1: Im Geltungsbereich eines rechtskräftigen B-PLAN, bei dem für die veräußerte Fläche eine öffentliche Zweckbestimmung (z.B. als Verkehrs- oder öffentliche Grünfläche) festgesetzt ist. Weiter ist geregelt, dass bereits bei einem sich noch in Aufstellung befindlichen B-PLAN von dem VKR für diese Flächen Gebrauch gemacht werden kann, wenn dessen öffentliche Auslegung begonnen hat.
- Nr. 2: In einem Umlegungsgebiet. Zur Erschließung oder Neugestaltung von Gebieten können bebaute und unbebaute Grundstücke durch Umlegung in der Weise neu geordnet werden, dass nach Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete, zu den Festsetzungen des B-PLAN passende Grundstücke entstehen.
- Nr. 3: In einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet (1. Alt.) und einem städtebaulichen Entwicklungsbereich (2. Alt.)
Die Sanierungsgebiete werden vom zuständigen Referat für Stadtplanung und Bauordnung (PLAN) identifiziert und vom Stadtrat jeweils als Satzung beschlossen. Bei der Frage nach der Ausübung des VKR in Sanierungsgebieten prüft die Stadtsanierung, ob die Ausübung dazu beitragen kann, die Durchführung der Sanierung zu fördern, zu erleichtern oder zu unterstützen. Dies ist abhängig von den im jeweiligen Sanierungsgebiet vom Stadtrat beschlossenen Sanierungszielen. Damit unterliegt jeder Vorkaufsrechtsfall einer Einzelfallprüfung. In der Regel wird die Einhaltung der Sanierungsziele bereits über den Vollzug der jeweiligen Sanierungssatzung (u.a. mittels Genehmigungspflichten) sichergestellt, so dass nur selten für die Erreichung der Sanierungsziele von dem VKR Gebrauch gemacht werden muss.
Die Fallgruppe des städtebaulichen Entwicklungsbereichs meint eine durch (Entwicklungs-)Satzung festgelegte städtebauliche Entwicklungsmaßnahme, besser bekannt unter der Abkürzung „SEM“.-Nr. 4: Im Geltungsbereich einer Satzung zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus (1. Alt.) und einer Erhaltungssatzung (2. Alt.).
Stadtumbaumaßnahmen sind Maßnahmen, durch die in Gebieten, die von erheblichen städtebaulichen Funktionsverlusten betroffenen sind, Anpassungen zur Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen vorgenommen werden.
Erhaltungssatzungen (EHS) dienen in Form der sog. „Milieuschutzsatzungen“ dem Schutz der angestammten Wohnbevölkerung vor Verdrängung und Gentrifizierung. Mit ihnen sollen gewachsene Bevölkerungsstrukturen und die bewährte „Münchner Mischung“ bewahrt werden. Derzeit (Stand: 16.5.2023) existieren im Stadtgebiet der LHM 35 Milieuschutzsatzungen. Von dem VKR auf Basis der Milieuschutzsatzungen kann jedoch seit der Entscheidung des BVerwG vom 9.11.2021 (Az.: 4 C 1.20) nur noch sehr eingeschränkt Gebrauch gemacht werden.
- Nr. 5: Für unbebaute Flächen im sog. planungsrechtlichen Außenbereich, bei denen im Flächennutzungsplan (FNP) eine Nutzung als Wohnbaufläche oder Wohngebiet dargestellt ist. Das VKR kann auch bereits dann ausgeübt werden, wenn ein Beschluss gefasst und ortsüblich bekannt gemacht wurde, einen FNP aufzustellen. Dieses VKR hat die Zielsetzung der beschleunigten Bereitstellung von Wohnbauland (vgl. zu Einzelheiten: Grundsatzbeschluss vom 5.5.2021, Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V01925).
- Nr. 6: Für unbebaute Flächen im sog. planungsrechtlichen Innenbereich, die vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können. Dieses VKR gilt in Teilen des unbeplanten und im beplanten Innenbereich. Auch dieses VKR hat die Zielsetzung, Flächen für den Wohnungsbau verfügbar zu machen (vgl. zu Einzelheiten: Grundsatzbeschluss vom 5.5.2021, Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V01925).
- Nr. 7: In Gebieten, die zum Zweck des vorbeugenden Hochwasserschutzes von Bebauung freizuhalten sind, insbesondere in Überschwemmungsgebieten. Als städtebauliche Maßnahme kommt die Festsetzung im B-PLAN in Betracht, bestimmte Flächen von Bebauung freizuhalten. (Nur) wasserrechtlich festgesetzte Überschwemmungsgebiete reichen nicht aus. Für Letzteres ist das wasserrechtliche VKR der Länder in § 99 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) einschlägig (hierzu bei der Antwort zu Frage 3 im Detail).
- Nr. 8: An Grundstücken im beplanten oder unbeplanten Innenbereich, auf denen Missstände vorliegen müssen, von denen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das soziale oder städtebauliche Umfeld ausgehen.Hierbei handelt es sich i.W. um die Fallgruppe der sog. „Schrottimmobilien“.
1.2 Besondere VKR nach § 25 BauGB
Weiterhin hat die LHM die Möglichkeit, von dem besonderen VKR auf Grundlage einer speziell zur Begründung eines VKR aufgestellten gemeindlichen Satzung nach § 25 BauGB Gebrauch zu machen:
- Nr. 1: Im Geltungsbereich eines B-PLAN kann die Gemeinde durch Satzung ihr VKR an unbebauten Grundstücken begründen.
- Nr. 2: In Gebieten, in denen eine Gemeinde städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht, kann sie zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung durch eine Vorkaufssatzung Flächen festlegen, an denen ihr ein VKR zustehen soll. Bei der LHM existieren derzeit zwei entsprechende Satzungen für die städtebaulichen Entwicklungsbereiche im Norden und Nordosten des Stadtgebiets.
- Nr. 3: Im Geltungsbereich eines B-PLAN an brachliegenden Grundstücken oder im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) an unbebauten oder brachliegenden Grundstücken besteht auf satzungsrechtlicher Grundlage ein VKR, wenn diese Grundstücke planungsrechtlich vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können. Dieses VKR steht allerdings unter einem doppelten Regelungsvorbehalt. Es muss sich um ein durch Verordnung des Freistaates Bayern bestimmtes Gebiet handeln, für das eine angespannte Wohnungsmarktlage besteht (§ 201 a BauGB). Die entsprechende Verordnung des Freistaats Bayern ist am 16.9.2022 in Kraft getreten und zunächst bis zum 31.12.2026 begrenzt (Begrenzung ist durch BauGB vorgegeben).
Darüber hinaus muss die Gemeinde durch Satzung ein Gebiet bzw. Gebiete bestimmen, in dem/denen sie von diesem Recht Gebrauch machen will. Eine städtische Satzung existiert derzeit nach Mitteilung des PLAN noch nicht.
2. VKR nach dem BayNatSchG
Darüber hinaus besteht für Gemeinden ein naturschutzrechtliches VKR nach Art. 39 BayNatSchG i. W. für folgende Grundstücke:
- Nr. 1: Grundstücke, auf denen sich oberirdische Gewässer (z. B. Flüsse, Bäche, Seen, Weiher) befinden oder die daran angrenzen.
- Nr. 2: Grundstücke, die ganz oder teilweise in Naturschutzgebieten (Schwarzhölzl, Allacher Lohe, Panzerwiese und Hartelholz, Südliche Fröttmaninger Heide), in Nationalparken, als solchen einstweilig sichergestellten Gebieten sowie unter bestimmten Voraussetzungen in geplanten Naturschutzgebieten liegen.
- Nr. 3: Grundstücke, auf denen sich Naturdenkmäler, geschützte Landschaftsbestandteile (zum Beispiel verschiedene innerörtliche Gehölzbiotope) oder als solche einstweilig sichergestellte Schutzgegenstände befinden.
Frage 2:
Welche Arten wurden in München bisher in welchem Umfang angewendet?
Antwort:
Bei der Beantwortung der Frage wurde davon ausgegangen, dass unter dem Begriff „Anwendung“ sowohl die Ausübung von VKR als auch deren Abwendung durch eine entsprechende Verpflichtungserklärung der Käuferseite zu verstehen ist. Die VKR sollen nach dem jeweiligen Gesetz die Erreichung der jeweiligen städtebaulichen oder naturschutzrechtlichen Ziele sicherstellen.
Dies kann in erster Linie durch eine geeignete Verpflichtungserklärung der Käuferseite erfolgen, durch die die Ausübung des VKR abgewendet wird, d.h. in diesen Fällen ist eine Ausübung nicht mehr durch das Gemeinwohl gerechtfertigt und damit unzulässig. Nur wenn keine geeignete Abwendungserklärung abgegeben wird, ist die Möglichkeit eröffnet, das VKR auszuüben. Bei einer Abwendung sind die Erreichung der jeweiligen städtebaulichen oder naturschutzrechtlichen Ziele sichergestellt, ohne dass die Kommune dafür i.d.R. Finanzmittel aufwenden muss.
Aus den genannten Gründen wird in der nachfolgenden Aufstellung sowohl auf die Ausübungs- als auch auf die Abwendungsfälle eingegangen. Ergänzend sei angemerkt, dass der Vorkaufsrechtsstelle durch die Notariate pro Jahr im Schnitt ca. 1.800 Prüffälle zugeleitet werden. Bei diesen Fällen ist zu ermitteln, ob überhaupt ein VKR vorliegt. Dies macht zum Teil Abfragen bei anderen Fachdienststellen erforderlich. Zur Beantwortung der Frage wurde aus verwaltungsökonomischen Gründen ein Zeitraum vom Jahr 2018 bis zum Stichtag 16.5.2023 herangezogen.
2018:
Im Jahr 2018 wurde das VKR für 8 Objekte in Erhaltungssatzungsgebieten ausgeübt. Es wurden 32 Abwendungserklärungen für Objekte in Erhaltungssatzungsgebieten entgegen genommen. Andere VKR wurden nicht ausgeübt bzw. es wurden keine Abwendungserklärungen entgegen genommen.
2019:
Im Jahr 2019 wurde das VKR für 13 Objekte in Erhaltungssatzungsgebieten ausgeübt. Es konnten 17 Abwendungserklärungen für Objekte in Erhaltungssatzungsgebieten und 4 Abwendungserklärungen zum Schutz der naturschutzrechtlichen Belange entgegen genommen werden.
2020:
Im Jahr 2020 wurden durch das VKR insgesamt 21 Objekte in Erhaltungssatzungsgebieten erworben. Darüber hinaus gab es eine Ausübung im Zusammenhang mit Gemeinbedarfsfestsetzungen in Bebauungsplänen, zwei Ausübungen für Grundstücke in Gebieten der Vorkaufssatzungen in den Entwicklungsbereichen Nord und Nordost, sowie eine Ausübung nach dem BayNatSchG. Zusätzlich konnten 11 Objekte in Erhaltungssatzungsgebieten mittels Abgabe einer Abwendungserklärung geschützt werden. Weiterhin konnten 9 Abwendungserklärungen zum Schutz der naturschutzrechtlichen Belange sowie zwei Abwendungserklärungen für Objekte im Bereich eines förmlich festgelegten Sanierungsgebiets entgegen genommen werden.
2021:
Im Jahr 2021 wurde das VKR für 9 Objekte in Erhaltungssatzungsgebieten ausgeübt. Weiterhin gab es eine Ausübung für eine Straßenfläche, d.h. im Zusammenhang mit Gemeinbedarfsfestsetzungen in B-Plänen, drei Aus-übungen für Objekte in Gebieten der Vorkaufssatzungen in den Entwicklungsbereichen Nord und Nordost sowie zwei Ausübungen für Teilflächen an Bachufern nach dem BayNatSchG. Durch Abwendungserklärungen konnten 6 Objekte in Erhaltungssatzungsgebieten, 7 Grundstücke für naturschutzrechtliche Belange sowie 5 Grundstücke im unbeplanten Innen- und Außenbereich geschützt werden.
2022:
Im Jahr 2022 konnte die LHM das VKR für zwei Grundstücke in Erhaltungssatzungsgebieten ausüben. Des Weiteren gab es Ausübungen für jeeine im B-PLAN festgesetzte öffentliche Straßen- und Grünfläche, für ein Grundstück im Gebiet der Vorkaufssatzung im Entwicklungsbereich Nord, für zwei Flurstücke im planungsrechtlichen Außenbereich sowie für zwei Grundstücke nach BayNatSchG. Eine Abwendungserklärung zum Schutz der naturschutzrechtlichen Belange wurde in dem Jahr entgegen genommen.
2023:
Im Jahr 2023 wurde das VKR bislang in einem Fall nach dem BayNatSchG ausgeübt. Hierbei handelt es sich um einen Landschaftsbestandteil. Es konnte zusätzlich eine Abwendungserklärung zum Schutz der naturschutzrechtlichen Belange entgegen genommen werden.
Aufgrund des Urteils des BVerwG vom 9.11.2021 ist die Vorkaufsrechtspraxis in Erhaltungssatzungsgebieten seither erheblich eingeschränkt, was sich in den o.g. Zahlen widerspiegelt.
Frage 3:
Warum wurden andere Arten nicht angewendet?
Antwort:
-Zu § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB (Umlegung): In München wird die sog. „einvernehmliche gesetzliche Umlegung“, d.h. eine auf Kooperation mit den Privaten angelegte Kombination des Baulandmodells der Sozialgerechten Bodennutzung (SoBoN) mit den formellen Instrumenten und Verfahrensregelungen der gesetzlichen (amtlichen) Umlegung, praktiziert. Daher besteht für die Anwendung dieses Vorkaufsrechtstatbestands derzeit kein Bedarf.
- Zu § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 2. Alt. (städtebaulicher Entwicklungsbereich): Es ist derzeit keine Entwicklungssatzung, mit der ein solcher Bereich festgelegt wird (Stichwort: Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme – SEM), aufgestellt. Daher kann dieser VKR-Tatbestand derzeit nicht zur Anwendung kommen.
- Zu § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. BauGB (Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus): Im Stadtgebiet der LHM existiert derzeit keine sog. Stadtumbausicherungssatzung (zur Definition einer sog. Stadtumbaumaßnahme s. o. Ziff. 1.1 bei Frage 1 ).
- Zu § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BauGB (Hochwasserschutz): Vom gemeindlichen VKR zum Hochwasserschutz wurde bisher nicht Gebrauch ge-
macht, da auf Länderebene ein wasserrechtliches VKR nach § 99 a WHGi. V. m. Art. 57 a Bayerisches Wassergesetz (BayWG) besteht. Voraussetzung für Letzteres ist, dass das veräußerte Grundstück im sog. Vorkaufsrechtsregister des Wasserwirtschaftsamtes (WWA) geführt wird. In dieses Register werden Flächen aufgenommen, die von geplanten staatlichen oder kommunalen Hochwasserschutzmaßnahmen betroffen sind. Wenn die LHM eine Hochwasserschutzmaßnahme plant, meldet sie die betreffenden Flächen an das WWA zur Aufnahme in das Register. Das Notariat nimmt bei einem sich anbahnenden Grundstücksgeschäft Einsicht in das Register. Ist die Fläche erfasst, fragt er beim WWA an, ob das VKR ausgeübt wird. Das WWA wiederum fragt bei der LHM an, ob das VKR ausgeübt werden soll oder nicht. Zuständig für die Ausübung des VKR ist der Freistaat Bayern. Per Stand 16.5.2023 gab es im relevanten Zeitraum keine dahingehende Anfrage des WWA bei der VKR-Stelle.
- Zu § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BauGB (sog. „Schrottimmobilien“): Dieser VKR-Tatbestand ist erst durch das Baulandmobilisierungsgesetz 2021 ins BauGB aufgenommenen worden. Nach derzeitiger Beschlusslage
(vgl. Grundsatzbeschluss vom 20.10.2021 ; Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 04244) wird eine Vorkaufsrechtsprüfung bei sog. Schrottimmobilien eingeleitet, „sofern der Vorkaufsrechtsstelle durch den Stadtrat, die Stadtratsfraktionen, einzelne Stadträt*innen, die Bezirksausschüsse oder andere Referate einschlägige Fälle mitgeteilt werden“. Solche Fälle wurden der VKR-Stelle im maßgeblichen Zeitraum seit Erlass des Grundsatzbeschlusses nicht gemeldet. Die VKR-Stelle fragt zudem in regelmäßigen Abständen bei anderen Referaten an, ob entsprechende Objekte bekannt geworden sind.
- Zu § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB (VKR an unbebauten Grundstücken im Geltungsbereich eines B-PLAN): Nach Mitteilung des PLAN kann das VKR nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB bei der LHM mangels einer entsprechenden Satzung derzeit nicht angewandt werden. Der Erlass einer diesbezüglichen Satzung sei bislang nicht erwogen worden, da keine Notwendigkeit bestehe. Hintergrund sei zum einen, dass das VKR nach z.B. § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB bei im B-PLAN festgesetzten Gemeinbedarfsflächen vorrangig anzuwenden ist. Zum anderen fänden in der Verwaltungspraxis der LHM die Verfahrensgrundsätze der SoBoN vorrangig Anwendung.
- Zu § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB (VKR im Geltungsbereich eines B-PLAN an brachliegenden Grundstücken oder im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) an unbebauten oder brachliegenden Grundstücken):Zwar ist die zur Anwendung dieses erst durch das Baulandmobilisierungsgesetz 2021 ins BauGB aufgenommenen VKR-Tatbestands notwen-
dige Rechtsverordnung der Bayerischen Staatsregierung zur Bestimmung der Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt am 16.9.2022 in Kraft getreten (siehe Ziff. 1.2 bei Frage 1.). Eine für die Anwendung des VKR zusätzlich erforderliche Satzung, mit der Gebiete zur Anwendung des VKR bezeichnet werden müssten, ist derzeit nach Mitteilung des PLAN nicht vorhanden.
Frage 4:
Gab es oder gibt es für folgende Gebiete Vorkaufsrechte bzw. wurden der Stadt München diese Flächen bzw. Immobilien angeboten: -Paketposthalle
-Ratold/Raheinstraße
-Fauststraße 90
-Truderinger Acker
-Seidlstraße 15-19
-Botanikum
Antwort:
- Paketposthalle:
Es bestand in den letzten Jahren und besteht derzeit (Stand: 16.5.2023) kein kommunales (gesetzliches) VKR.
Das Objekt wurde der LHM nicht freihändig zum Kauf angeboten.
- Ratoldstraße/Raheinstraße:
Bei den Objekten handelt es sich um Grundstücke, die im Rahmen einer Bebauungsplanung (B-PLÄNE Nr. 1119 und Nr. A2108 (i. A.)) einer Wohnbaulandentwicklung zugeführt werden sollen. Einige wenige Flurstücke ragen in das Vorkaufssatzungsgebiet Nord. Auch hier liegen alle verkauften Objekte innerhalb des Umgriffs des bereits aufgestellten B-PLAN. Die Eigentümerin der Flurstücke und Planungsbegünstigte hat sich im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags den Regularien der SoBoN unterworfen. Im Verkaufsfall an einen Dritten ist sie verpflichtet, diesen zur Übernahme aller Verpflichtungen aus dem städtebaulichen Vertrag zu verpflichten. Der LHM muss die wirksame Übernahme der Verpflichtungen durch die Käuferseite nachgewiesen werden. Wenn dies nicht erfolgt, erteilt die LHM keine Zustimmung zur Verpflichtungsübernahme. In diesem Fall bleibt die Verkäuferseite ggü. der LHM weiter verpflichtet.
Aufgrund bestehender SoBoN-Bindungen des städtebaulichen Vertrags wurden für die wenigen, von einem VKR betroffenen Flurstücke keine VKR-Prüfungsverfahren eingeleitet. Durch das Bestehen der Bindungenwäre eine Ausübung des VKR nicht durch das Wohl der Allgemeinheit zu rechtfertigen und damit unzulässig gewesen.
Lediglich eines der Objekte, das (sanierungsbedürftige) Bestandsobjekt Raheinstraße 3, wurde der LHM freihändig zum Kauf angeboten. Der Erwerb wurde nach Beurteilung des Zustands und des Sanierungsaufwands abgelehnt.
- Fauststraße 90:
Auch hier bestand in den letzten Jahren und besteht derzeit (Stand: 16.5.2023) kein kommunales (gesetzliches) VKR.
Die LHM hat hier einen Bannwald, der im Umgriff des B-PLAN mit Grünordnung Nr. 2119 (Fauststraße (südlich)), östlich des Schanderlwegs liegt, erworben. Weitere Verhandlungen führten zum Abschluss eines städtebaulichen, bebauungsplanbegleitenden Vertrags.
- Truderinger Acker:
Im Fall des VKR-Tatbestands nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB (VKR an unbebauten Flächen im sog. planungsrechtlichen Außenbereich) muss das Außenbereichsgrundstück unbebaut sein und der Flächennutzungsplan (FNP) eine Nutzung als Wohnbaufläche oder als Wohngebiet darstellen. Der FNP weist hinsichtlich des Truderinger Ackers nur teilweise die Darstellung „Allgemeines Wohngebiet“ aus. Ansonsten sind die Flächen als Allgemeine Grünfläche bzw. Sportflächen dargestellt. Daher wären bei einem Vorkaufsrechtsfall die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB vorliegend nur für Teilflächen erfüllt gewesen.
Das KR verhandelte Mitte des Jahres 2012/Anfang des Jahres 2013 mit den Eigentümer*innen über den Erwerb einer Teilfläche des Truderinger Ackers, die für die Freilegung und den naturnahen Ausbau des Hachinger Baches benötigt wurde. Da aber schon die Durchführung eines B-PLAN-Verfahrens für das gesamte Areal in Aussicht stand, verwiesen die Eigentümer*innen wegen dieser Flächen auf das Baulandmodell der SoBoN und boten an, deren Abtretung an die LHM im Städtebaulichen Vertrag zu regeln.
Die Kaufverhandlungen für die Bachflächen wurden daher damals bis auf Weiteres zurückgestellt.
Im Jahr 2014 wurde der Antrag des Bezirksausschusses des 14. Stadtbezirkes vom 25.9.2014 (Antrag Nr. 14-20/B 00464), das gesamte Areal zu erwerben, zum Anlass genommen, noch einmal auf die Grundstückseigentü-mer*innen zuzugehen und die (freihändige) Erwerbsmöglichkeit der LHM für die gesamte Fläche abzufragen. Eine Einigung war im Hinblick auf den Kaufpreis sowie für eine von den Eigentümer*innen gewünschte partielle Rückkaufoption von realisierten Wohnungen leider nicht möglich. Details der Verhandlungen können aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht dargelegt werden.
- Seidlstraße 15-19:
Für dieses Gewerbegrundstück bestand in den letzten Jahren und besteht derzeit (Stand: 16.5.2023) kein kommunales (gesetzliches) VKR.
Es wurde der LHM bislang nicht freihändig zum Kauf angeboten.
- Botanikum:
Auch hier bestand in den letzten Jahren und besteht derzeit (Stand: 16.5.2023) kein kommunales (gesetzliches) VKR.
Die Flächen des Botanikums befinden sich bereits teilweise in städtischem Eigentum. Die sich in privater Hand befindlichen restlichen Flächen wurden der LHM bislang nicht freihändig zum Kauf angeboten.