Denkmal für Karl Heinrich Ulrichs
Antrag Stadträte Thomas Schmid und Professor Dr. Hans Theiss (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 14.7.2022
Antwort Kulturreferent Anton Biebl:
Mit o.g. Antrag fordern Sie die Landeshauptstadt München auf, am Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz ein Denkmal in geeigneter Art und Weise (z.B. Büste inkl. erklärender Tafel) für Karl Heinrich Ulrichs zu errichten.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag mit Schreiben zu beantworten.
Der Stadtrat hat am 6.11.2002 mit Grundsatzbeschluss über den Umgang mit Wünschen nach Gedenktafeln und Denkmälern entschieden. Da die Anträge nach neuen Gedenktafeln und Denkmälern überhand genommen hatten, wurde diese Form des Gedenkens allein als nicht mehr sinnvoll erachtet. Als Ersatz für Gedenk- und Informationstafeln rief die Stadt die sogenannten Kulturgeschichtspfade ins Leben. Diese Rundgänge durch die Stadtbezirke ent
lang historisch bedeutsamer Orte, Ereignisse und
Wirkungsstätten einzelner Münchner*innen sollen zu einem flächendeckenden Informationsnetz der Geschichte Münchens ausgebaut werden. Seitdem sind bereits 22 Kulturgeschichtspfade erschienen. Die handlichen Broschüren, die auch kostenlos im Internet heruntergeladen werden können, sind mittlerweile als ein viel genutztes Format der Geschichtsvermittlung vor Ort etabliert.
Jenseits der Kulturgeschichtspfade hat der Stadtrat 2002 entschieden, dass alle Anträge für Gedenktafeln und Denkmäler in der AG Gedenktafel, die sich aus Fachleuten aller einschlägigen Referate und je einer Vertretung der Stadtratsfraktionen zusammensetzt, behandelt werden.
Der o.g. Antrag wurde in Sitzung der AG Gedenktafel vom 2.2.2023 behandelt.
Karl Heinrich Ulrichs gilt als Pionier der Lesben- und Schwulenbewegung. Er setzte sich wissenschaftlich mit der Homosexualität auseinander und outete sich zu einer Zeit als homosexuell, in der dies äußerst ungewöhnlich und strafbewehrt war. Er setzte sich zeitlebens für die Rechte von Homosexuellen ein. Sehr eindrucksvoll war seine Rede 1867 auf dem Deutschen Juristentag in München zur Straffreiheit von homosexuellen Handlungen.Ganz ohne Zweifel ist Karl Heinrich Ulrichs eine außergewöhnliche und für die Münchner Stadtgeschichte wichtige Persönlichkeit der Lesben- und Schwulenbewegung. In München wird daher vielfältig an ihn erinnert. 1998 wurde ein Platz im Münchner Glockenbachviertel nach ihm benannt. Seit 2010 widmet ihm der ThemenGeschichtsPfad Lesben und Schwule ein Kapitel, indem seine historische Rede aufgegriffen wird. In der MP3-Version gibt es eine eigene Hörstation dazu. Im August 2017 fand eine Jahrestagung des Fachverbands Homosexualität und Geschichte (FHG) im NS-Dokumentationszentrum München und Forums-Vereinsräumen sowie ein Festakt zum 150. Jahrestag seiner Rede auf dem Deutschen Juristentag in München im NS-Dokumentationszentrum München statt. Des Weiteren erinnerte das NS-Dokumentationszentrum München in der Ausstellung „To be seen!, Queer Lives 1900 - 1950“, vom 7. Oktober 2022 bis 21. Mai 2023 an Karl Heinrich Ulrichs.
Das Gedächtnis an seine Person und Errungenschaften soll auch weiterhin möglichst vielfältig in das öffentliche Bewusstsein getragen werden. Den Antrag zur Errichtung eines Personendenkmals sieht das Gremium der AG Gedenktafel dennoch zurückhaltend. Die Landeshauptstadt München verfolgt bei neuen permanenten Denkmalsetzungen das Ziel, heutige Ideale weniger in Personenverehrungen als in gesellschaftlichen Errungenschaften zu denken. Städtische Denkmäler erinnern deshalb heute an Themen, historische Zusammenhänge und Ereignisse. Diese Konzeption lag auch dem Denkmal für die in München verfolgten Lesben und Schwulen am Oberanger zu Grunde.
In Vorbereitung der Sitzung der AG Gedenktafel vom 2.2.2023 hat das Kulturreferat sich mit dem aktuellen Diskurs in der LGBTIQ* Community befasst. Es herrscht Einvernehmen, dass das Format eines Personendenkmals zunehmend als unzeitgemäß gesehen wird. Darüber hinaus verweist das Gremium auf die Debatte in der LGBTIQ* Community, dass im öffentlichen Raum homosexuelle Cismänner überproportional repräsentiert sind und bei Ehrungen mehr Diversität und Geschlechtergerechtigkeit abgebildet werden solle.
Aufgrund der genannten Ausführungen spricht die AG Gedenktafel keine Empfehlung für die Errichtung eines Personendenkmals für Karl Heinrich Ulrichs aus.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen, und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.