Einbau eines Abluftkamins im Landshuter Allee-Tunnel
Antrag Stadtrats-Mitglieder Daniel Stanke, Markus Walbrunn und Iris Wassill (AfD) vom 4.11.2022
Antwort Baureferentin Dr.-Ing Jeanne-Marie Ehbauer:
In Ihrem Antrag vom 3.11.2022 fordern Sie das Baureferat auf, umgehend mit der Planung eines sog. Tunnelkamins am südlichen Ende des Landshuter Allee-Tunnels zu beginnen und den Stadtrat über den voraussichtlichen Zeit- und Kostenrahmen zu informieren.
Gleichzeitig wird der Oberbürgermeister gebeten, in Nachverhandlung mit den Vereinen „Deutsche Umwelthilfe“ und „Verkehrsclub Deutschland“ zu treten, um das kürzlich vereinbarte stufenweise Dieselfahrverbot in München ab Februar 2023 auszusetzen.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlauben wir uns, Ihren Antrag mit Schreiben zu beantworten. Wir können Ihnen zu den beiden, Ihrem Antrag zugrundeliegenden Antragspunkten in Abstimmung mit dem Referat für Klima- und Umweltschutz Folgendes mitteilen.
A) Eignung eines Abluftkamins im Landshuter Allee-Tunnel zur Einhaltung des Stickstoffdioxid-Jahresmittelgrenzwertes an der LÜB-Station Landshuter Allee
Vorrangiges Ziel Ihres Antrags ist es, die Stickstoffdioxid (NO2)-Messwerte an der Messstelle Landshuter Allee des vom Landratsamt für Umwelt (LfU) betriebenen lufthygienischen Landesüberwachungssystems Bayern (LÜB) durch einen Abluftkamin so zu verbessern, dass dies zum Entfall der Notwendigkeit von Dieselfahrverboten führt. Als Beispiel wird von Ihnen eine vergleichbare Abluftanlage am Petueltunnel genannt.
Im Gegensatz zu einem offenen Straßenquerschnitt werden die Emissionen aus dem Fahrzeugverkehr in einem Straßentunnel nicht gleichmäßig verteilt, sondern strömen, aufgrund des geschlossenen Querschnitts, am Ausfahrtsportal aus.
Im ca. 1.475m langen Petueltunnel werden ca. 90% des Luftvolumens der nördlichen Tunnelröhre vor der Ausfahrt am Westportal über einen bis zu 9m breiten und 7m hohen Abluftkanal abgesaugt. Zwei Axialventilatoren mit je 355kW sorgen dafür, dass in einer Sekunde bis zu 360m³ Tunnelabluft über einen 35m hohen Abluftkamin ausgeblasen werden.Durch das Ausblasen mit hoher Geschwindigkeit werden die Fahrzeugemissionen in höhere Luftschichten befördert und dort verdünnt. Damit konnten beim Petueltunnel die Auflagen der Regierung von Oberbayern aus dem Planfeststellungsverfahren eingehalten werden.
Der Landshuter Allee-Tunnel weist mit ca. 360m nur ein Viertel der Länge des Petueltunnels auf. Entsprechend stellt sich die Frage, wie viel Fahrzeugemissionen dort von einem Abluftkamin überhaupt erfasst werden könnten, um die Messergebnisse an der LÜB-Messtelle Landshuter Allee positiv zu beeinflussen.
Um dieser Frage nachzugehen, hat ein auf Luftreinhaltung, Klima und Aerodynamik spezialisiertes Ingenieurbüro (nachfolgend als „Gutachter“ bezeichnet) Untersuchungen im Auftrag des Baureferats durchgeführt.
Für den Bereich der Landshuter Allee und die Umgebung des Landshuter Allee-Tunnels liegen bereits vielfältige Luftmessdaten und Ergebnisse von mikroskaligen Modellierungen vor, auf die der Gutachter seine Untersuchungen stützen kann.
Zunächst ist zur lufthygienischen Situation im Stadtgebiet und an der Landshuter Allee Folgendes festzustellen:
Während die lufthygienischen Grenzwerte für Feinstaub seit 2012 (PM10) bzw. seit Inkrafttreten des Grenzwertes seit 2015 (PM2,5) im Stadtgebiet München eingehalten werden, ist dies flächendeckend für Stickstoffdioxid (NO2) noch nicht der Fall. Gemäß einer in der 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans München enthaltenen Immissionsprognose des Landesamts für Umwelt konzentrieren sich die Straßenabschnitte mit einer prognostizierten Stickstoffdioxid-Jahresmittelgrenzwertüberschreitung im Bezugsjahr 2022 auf vier Abschnitte am Mittleren Ring, darunter die Landshuter Allee auf Höhe der LÜB-Station. Die LÜB-Station Landshuter Allee befindet sich in der Landshuter Allee ca. 220m südwestlich vom Tunnelausfahrtsportal und wird vom Landesamt für Umwelt betrieben, welches für die Beurteilung der Luftqualität in München zuständig ist.
Die an der LÜB-Station Landshuter Allee gemessenen Stickstoffdioxid-Jahresmittelwerte weisen in den letzten Jahren eine deutliche Abnahme auf. Der gemessene Jahresmittelwert sank dort von 66μg/m³ im Jahr 2018 auf 63μg/m³ im Jahr 2019, 54μg/m³ im Jahr 2020, 51μg/m³ im Jahr 2021 auf einen vorläufigen Wert von 49µg/m³ im Jahr 2022.In den Jahren 2020 und 2021 überlagern sich Minderungswirkungen im Zuge der Luftreinhalteplanung mit coronabedingten außergewöhnlichen Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens. Entsprechend der am 11.1.2023 in Kraft getretenen 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans der Landeshauptstadt München ist ohne die Festsetzung von weiteren Maßnahmen auch in den kommenden Jahren bis 2026 ein Stickstoffdioxid-Jahresmittelwert über 40μg/m³ an der Messstelle Landshuter Allee zu erwarten. Dies wird auch durch den vorläufigen Jahresmittelwert für 2022 bestätigt, der mit 49μg/m³ ebenfalls deutlich über dem zulässigen Grenzwert liegt. Dieser gemessene Jahresmittelwert im Jahr 2022 liegt über dem für 2022 prognostizierten Jahresmittelwert (48µg/m³), gemäß in der 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans enthaltenen Immissionsprognose des Landesamtes für Umwelt.
Um den Einfluss des Tunnelportals auf die Messwerte an der LÜB-Station Landshuter Allee abzuschätzen, wurde vom Gutachter die stündliche Zeitreihe der Stickstoffdioxid-Messdaten der LÜB Station Landshuter Allee von 2021 ausgewertet und mit Hilfe von Windmessdaten der ca. 1,5 km nördlich der Luftmessstelle gelegenen meteorologischen Messstation München Stadt des Deutschen Wetterdienstes (DWD), sogenannte Schadstoffwindrosen auf der Grundlage der erfassten Stundenwerte gebildet.
Aus der Kombination der stündlichen Zeitreihen der Luftschadstoffmessungen an der LÜB-Station Landshuter Allee und der Windmessung der DWD-Station München-Stadt wurde gutachterlich eine räumliche Zuordnung der Konzentrationen hergestellt.
Der Gutachter kommt in seiner Auswertung zu folgendem Ergebnis:
„Nachdem der bestehende Landshuter Allee-Tunnel nördlich der Luftmessstelle gelegen ist, werden die Tunnelfortluftbeiträge bei Winden aus dem nördlichen Richtungssektor ebenso wie die Beiträge der ebenerdigen Fahrbahnen entlang dem Straßenraum zur Luftmessstelle transportiert. Bei Winden aus dem südlichen Richtungssektor werden die Beiträge der ebenerdigen Fahrbahnen entlang dem Straßenraum zur Luftmessstelle transportiert. Nachdem die Auswertungen und Darstellungen der Schadstoffwindrosen für Stickstoffdioxid (NO2) und Stickstoffmonoxid (NO) keine wesentlichen Konzentrationsunterschiede bei den nördlichen und südlichen Windrichtungssektoren aufweisen, ist aus den Messdaten kein prägender Beitrag oder Einfluss der nördlich gelegenen Tunnelstrecke auf die Messwerte an der Luftmessstelle Landshuter Allee abzuleiten.Mikroskalige prognostische Modellsimulationen mit detaillierter Berücksichtigung der Gebäudeumströmung (…) zeigen vergleichbare Verhältnisse, indem im Bereich des südlichen Tunnelportals und an der westlichen Randbebauung der Landshuter Allee auf der Länge der Ausfahrtrampe erhöhte Stickstoffdioxid-Konzentrationen berechnet sind.
Im weiteren südlichen Verlauf der Landshuter Allee werden die berechneten Stickstoffdioxid-Konzentrationen durch die Beiträge auf den Fahrbahnen geprägt; eine erkennbare Erhöhung der Stickstoffdioxid-Konzentrationen, die an der Luftmessstelle auf Beiträge aus dem südlichen Tunnelportal zurückzuführen sind, kann aus den Berechnungsergebnissen nicht abgeleitet werden. (…)
Dementsprechend ist aus den fachlichen Zusammenhängen ableitbar, dass eine mögliche Freisetzung wesentlicher Anteile der Tunnelfortluft des Landshuter Allee-Tunnels über einen Abluftkamin und über das umliegende Dachniveau zu einer jahresbezogenen Schadstoffminderung in den Portalbereichen und an der direkt benachbarten Randbebauung mit einer Reichweite bis etwa 100m Abstand führt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch mit Abluftkamin gewisse Tunnelfortluftfreisetzungen über die Portalbereiche beibehalten werden, da mit der Kolbenwirkung der Fahrzeuge mit Schadstoffen belastete Tunnelfortluft ausgetragen wird und zeitweise auf den Betrieb der mechanischen Abluftanlage in verkehrsschwachen Zeiten verzichtet wird und diese Beiträge etwa 10% der Tunnelfortluftbeiträge umfasst. In weiteren Abschnitten der Landshuter Allee und auch am bestehenden Standort der Luftmessstelle Landshuter Allee (LÜB) sind geringe jahresmittlere Minderungen durch die Wirkung einer Kaminentlüftung zu erwarten, die voraussichtlich kaum zu Änderungen der ganzzahligen NO2-Jahresmittelwertdarstellungen führen, d.h. zu Änderungen um weniger als 1μg/m³.“
Neben dem lufthygienischen Beitrag der geforderten Maßnahme spielt auch die bauliche Umsetzung eine wesentliche Rolle, da gesetzlich eine schnellstmögliche Grenzwerteinhaltung vorgegeben ist.
Mit Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates vom 22.7.2020 (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 00527) wurden die Planungen für einen neuen Tunnel in der Landshuter Allee eingestellt. Für den Fall, dass die Grenzwerte der Luftschadstoffemissionen nicht eingehalten werden können, wurden bereits für den Neubau des Landshuter Allee Tunnels Standorte für die Abluftkamine untersucht.Da am Abluftkamin – analog Petueltunnel – ein eigenes unterirdisches Betriebsgebäude errichtet werden muss, war als Kaminstandort zur Entlüftung der westlichen Tunnelröhre des Landshuter Allee-Tunnels (Neuplanung) ein Bereich südlich der Arnulfstraße vorgesehen.
Aus Platzgründen kommt für den bestehenden Landshuter Allee-Tunnel kein anderer Standort in Frage. Zur Realisierung eines Abluftkamins müsste somit die Abluft am Ende der westlichen Tunnelröhre über eine Wandöffnung abgesaugt und über einen Abluftkanal bis zur Arnulfstraße gefördert werden.
Nachdem der Landshuter Allee-Tunnel Teil der Bundesstraße B2 R (Mittlerer Ring) ist, wäre für die Genehmigung dieser Maßnahme zwingend ein Planfeststellungsverfahren erforderlich. Die Planung, Genehmigung und Ausführung würde mehrere Jahre dauern.
Die Maßnahme könnte somit das von Ihnen angestrebte Ziel, das Dieselfahrverbot durch einen Abluftkamin zu verhindern, schon aus terminlicher Sicht nicht erreichen.
Da der Nutzen des von Ihnen geforderten Abluftkamins nur sehr gering ist (Stickstoffdioxid-Jahresmittelwert verbessert sich voraussichtlich um weniger als 1μg/m³), hat das Baureferat davon abgesehen hierfür genaue Baukosten zu ermitteln, da eine seriöse Baukostenbetrachtung immer eine Planung des Vorhabens voraussetzt.
Wir können jedoch aufgrund unserer Erfahrung von Investitionen in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe sowie dauerhaften Unterhaltskosten für den Betrieb des Abluftkamins ausgehen.
Nachdem das Ziel, die Stickstoffdioxid-Messwerte an der Messstelle Landshuter Allee zu verbessern, durch den Einbau eines Abluftkamins im Landshuter Allee-Tunnel nur unwesentlich unterstützt werden kann und der zeitliche sowie finanzielle Aufwand der Maßnahme in keinem Verhältnis zum Nutzen steht, kann aus fachlicher Sicht der Einbau eines Abluftkamins am bestehenden Landshuter Allee-Tunnel nicht empfohlen werden.
B)Forderung nach Nachverhandlungen mit den Vereinen „Deutsche Umwelthilfe“ und „Verkehrsclub Deutschland“
Im Rahmen der Aufstellung der 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans wurden alle möglichen Maßnahmen zur zeitnahen Einhaltung des Stickstoffdioxid-Jahresmittelgrenzwertes betrachtet und mit fachgutachterlicherUnterstützung geprüft. Unter den geprüften Maßnahmen war auch die Nachrüstung des Landshuter Allee-Tunnels mit einem Abluftkamin.
Wie unter A) ausgeführt, stellt ein Abluftkamin aufgrund der geringen Wirksamkeit keine substanziierte Maßnahme dar. Daneben schließt auch der zeitliche Umsetzungshorizont einen Abluftkamin als geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung des Stickstoffdioxid-Grenzwertes aus.
Vor diesem Hintergrund besteht keine Basis für Nachverhandlungen, zudem war die Thematik von Abluftkaminen bereits Gegenstand der Arbeiten zur 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans bzw. der Vergleichsgespräche.
Das Referat für Klima- und Umweltschutz hat dieses Antwortscheiben mitgezeichnet.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass der Antrag damit abschließend behandelt ist.