Fortbildungsangebot des Pädagogischen Instituts erweitern – Umgang mit Antisemititmus an Schulen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Beatrix Burkhardt, Michael Dzeba, Alexandra Gaßmann, Heike Kainz, Winfried Kaum und Jens Luther (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 25.1.2023
Antwort Stadtschulrat Florian Kraus:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Bei den von Ihnen mittels Antrag vom 25.1.2023 vorgebrachten Anregungen handelt es sich jedoch um eine laufende Angelegenheit, die für die Stadt München keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine erhebliche Verpflichtung erwarten lässt. Daher obliegt deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister, weshalb eine Beantwortung auf diesem Wege erfolgt.
Für die gewährte Fristverlängerung bedanke ich mich.
In Ihrem Antrag baten Sie darum, das Fortbildungsangebot des Pädagogischen Instituts zum Thema „Umgang mit Antisemitismus an Schulen“ für das pädagogische Personal zu erweitern. Dabei soll das Themenportal „Bayern gegen Antisemitismus“ (https://www.gegen-antisemitismus.bayern.de) in geeigneter Weise eingebunden werden.
Hierzu kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Das Thema Umgang mit Antisemitismus hat bereits jetzt einen besonderen Stellenwert in der Arbeit des RBS gegen Diskriminierung sowie gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit von Menschen.
München trägt nicht nur aufgrund seiner historischen Rolle als „Hauptstadt der Bewegung“ im Nationalsozialismus eine besondere Verantwortung, wenn es um die Bekämpfung von Antisemitismus und allen Ideologien der Ungleichwertigkeit von Menschen sowie um das aktive Erinnern an die NS-Zeit und deren Opfer geht. Die Entwicklungen der letzten Jahre, etwa die Konjunktur von Verschwörungserzählungen und das damit verbundene Aufleben gerade auch antisemitischer Welt- und Feindbilder sowie der Anstieg antisemitischer Aussagen und Vorfälle, zeigen, dass Antisemitismus kein abgeschlossenes historisches Phänomen ist.
Im Sinne einer stabilen demokratischen Gesamtgesellschaft muss die gesamte Münchner Stadtbevölkerung ein klares Zeichen gegen jede Form von Antisemitismus und für Demokratie setzen. Gerade der Bildungsbe-reich spielt dabei eine herausragende Rolle. Demokratiebildung gilt als einer der zentralen Schwerpunkte im Referat für Bildung und Sport. Mit Jugendlichen eine kritische und wachsame Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen einzuüben sowie zu Zivilcourage und widerständigem Verhalten im Falle der Gefährdung von Menschenrechten und Demokratie zu ermutigen, ist uns ein zentrales Anliegen.
Entsprechend der Referatsverfügung „Handreichung zum Vorgehen bei Vorfällen bei menschenfeindlichen und volksverhetzenden Hintergründen im schulischen Bereich“ sind die städtischen Münchner Schulen zudem seit Februar 2022 auch dazu verpflichtet, antisemitische Vorfälle bei der Fachstelle für Demokratie (FgR) zu melden.
Infolge der Meldepflicht ist eine weitere Zunahme der Anfragen von Schulen nach antisemitismus- bzw. diskriminierungskritischen Bildungsangeboten bzw. Angeboten zum Umgang mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu erwarten.
Das Pädagogische Institut – Zentrum für Kommunales Bildungsmanagement (RBS-PI-ZKB) bietet den Schulen für die Demokratiebildung sowie speziell zur Aufklärung, Prävention und Intervention bezüglich Antisemitismus, Rassismus und allen Ideologien der Ungleichwertigkeit von Menschen bereits vielfältige Unterstützungsangebote und Maßnahmen an. Diese sind vor allem Maßnahmen zur Fortbildung und fachlichen Betreuung von Lehrkräften, aber auch Maßnahmen für Kinder und Jugendliche sowie geeignete Bildungsmaterialien und Beratungsangebote.
Der Fachdienst Politische Bildung im PI-ZKB arbeitet hierzu eng mit dem Zentralen Schulpsychologischen Dienst (ZSPD), den Fachbereichen Allgemeinbildende und Berufliche Schulen, dem Fachbereich Internationale Bildungskooperationen sowie darüber hinaus mit mehreren Hochschulen, Institutionen und Stellen zusammen.
Fortbildungsangebote zum Umgang mit Antisemitismus zielen einerseits darauf, Lehrkräfte und Pädagog*innen zu sensibilisieren, wachsam und veränderungsfähig/-bereit werden zu lassen. Zugleich sollen sie dazu befähigt werden, antisemitische Handlungen, aber auch institutionell und strukturell eingeschriebene Wahrnehmungs-, Argumentations- und Handlungsmuster zu identifizieren und ihnen bewusst entgegenzuwirken.
Einzelne Fortbildungsmaßnahmen des PI-ZKB rücken Antisemitismus speziell in den Fokus. In anderen werden mehrere Ideologien der Ungleichwertigkeit von Menschen (z.B. auch Rassismus, Sexismus, Klassismus, LGBTIQ*-Feindlichkeit, Ableismus usw.), auch in ihrer intersektionalen Verwobenheit, thematisiert:Seit 2018 bietet der Fachdienst Politische Bildung im Bildungsprogramm für Münchner Lehrkräfte einmal im Schuljahr eine zentrale, ganztägige Fortbildung in Zusammenarbeit mit der Anne Frank Bildungsstätte in Frankfurt/Main an: „Weltbild Antisemitismus – immer die Anderen?“¹ Die Fortbildung informiert über Merkmale, Struktur und Funktionen des Antisemitismus in seinen aktuellen Erscheinungs formen, stellt pädagogische Handlungsstrategien im Umgang mit Antisemitismus vor und führt in didaktische und methodische Ansätze für die pädagogische Arbeit gegen Antisemitismus ein. Konkrete Fälle aus der pädagogischen Praxis bieten dabei wichtige Anhaltspunkte.
Eine Fortführung dieses Formats ist auch für die Folgejahre vorgesehen. Zudem wird das Angebot noch erweitert (siehe S.7: Perspektiven).
Aber auch in Fortbildungen, in denen Antisemitismus nicht speziell im Fokus steht, wie zu Fake News und Hate Speech, zum Thema Verschwörungsmythen, sowie in Fortbildungen zum Themenfeld Diversitätsbewusstsein und Antidiskriminierung, spielt der Umgang mit Antisemitismus ebenfalls eine wichtige Rolle. Einige Beispiele für entsprechende Veranstaltungen aus den letzten Jahren:
- „Fakt oder Fake?“ Bewusster Umgang mit Lügen und Hetze im Netz
- Wie begegne ich Vielfalt und Diskriminierung im pädagogischen Alltag? Einführung in den Anti-Bias-Ansatz (jeweils zwei Tage)
- Menschenrechte – Maßstab für professionelles pädagogisches Handeln
- Exponiert oder ignoriert? Vom Umgang mit religiös-weltanschaulicher Vielfalt in der Schule.
Die Auseinandersetzung mit Diskriminierung und gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit ist zudem auch Gegenstand der PI-ZKB- Weiterbildungsreihe „Schule der Vielfalt – diskriminierungskritische Pädagogik und Schulentwicklung“ (Zusatzqualifikation), die insgesamt 19,5 Tage (im Zeitraum von 2,5 Jahren) umfasst. Die Qualifikationsreihe ist inzwischen zum sechsten Mal angelaufen und umfasst mittlerweile Teams von insgesamt 97 Lehrkräften an 29 Münchner Schulen.
Auf Anfrage können zudem auch schulinterne Fortbildungen (SchiLf) zum Thema Antisemitismus organisiert und an den Schulen durchgeführt werden.
Lehrkräfte bzw. Schulen, die an Fortbildungen des Fachdienstes Politische Bildung teilnehmen, werden neben weiteren Hinweisen auf Unterstützungsangebote zum Thema sowie auf Literatur, Materialien und Medien auch auf das Portal „Bayern gegen Antisemitismus“ aufmerksam gemacht (siehe unten).
Über das Fortbildungsprogramm für das pädagogische Personal hinaus bieten der Fachdienst Politische Bildung sowie weitere Bereiche des PI-ZKBden Münchner Schulen noch weitere Möglichkeiten im Kontext einer Auseinandersetzung mit dem Thema Antisemitismus:
Besondere Angebote, sowohl für Schüler*innen als auch für Lehrkräfte und Schulsozial-pädagog*innen, werden den Schulen im Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ (SOR-SMC) bereitgestellt, dessen regionale Koordinationsstelle ebenfalls am PI-ZKB angesiedelt ist. In München sind inzwischen über 80 Schulen Teil des SOR-SMC-Netzwerks, davon sind 40 Prozent städtische Schulen. Über das Netzwerk werden ihnen regelmäßig weitere Bildungsangebote unterbreitet sowie Materialien zum Umgang mit Ideologien der Ungleichwertigkeit bzw. gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit angeboten. Bei den jährlich im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus stattfindenden SOR-SMC-Vernetzungstagen für Schulen in München und Oberbayern wurden bspw. in den vergangenen Jahren regelmäßig auch Workshops zum Thema Antisemitismus angeboten – darunter mehrere Workshops für Schüler*innen mit Referent*innen der Bildungsstätte Anne Frank sowie ein Workshop für Lehrkräfte in Zusammenarbeit mit der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus.
Seit 2015 bietet der Fachdienst Politische Bildung zudem jeweils auf die Bedarfe der einzelnen Schulen abgestimmte Veranstaltungen zur Politischen Bildung für Schüler*innen an (Workshops an den Schulen, Seminare in Schullandheimen, Exkursionen in München und Umgebung). Das fächerübergreifende Angebot gilt für alle öffentlichen Münchner Schulen, v.a. für Schüler*innen ab der 7. Jahrgangsstufe. Anfragen können sowohl von Lehrkräften als auch den Schüler*innen selbst gestellt werden. So können beispielsweise Workshops, Seminare oder auch Gespräche mit Zeitzeug*innen zur Auseinandersetzung mit Antisemitismus in der Gegenwart und Vergangenheit organisiert werden.
An den Schulen selbst findet eine Prävention von Antisemitismus zudem im Kontext der Vermittlung von Wissen über das Judentum im Unterricht (etwa Ethik- und Religionsunterricht), im Kontext von Begegnung (Exkursionen zu Synagogen, ins Jüdische Museum), aber auch als Teil der Gedenk- und Erinnerungskultur in der postnationalsozialistischen Gesellschaft statt. Auch hierzu finden die Schulen Unterstützung durch das PI-ZKB, etwa im Kontext von Fortbildungen zur Fachdidaktik (etwa Ethik, Religionslehre und Geschichte und in Form von Zuschüssen für Besuche von Synagogen und Gedenkstätten.
Der Fachbereich Internationale Bildungskooperationen des PI-ZKB bietet zudem seit Jahren internationale Begegnungsprojekte mit Israel für Schüler*innen und neuerdings auch für Lehrkräfte an. Darüber hinaus werden Schulpartnerschaften mit der neuen Partnerstadt Be‘er Scheva initiiert und unterstützt.Außerhalb des Referats für Bildung und Sport bzw. des PI-ZKB ist zudem die Anlaufstelle bei Diskriminierung und rechtem Hass an Münchner Schulen, angesiedelt bei der Fachstelle für Demokratie (FgR), bei Vorfällen mit menschenfeindlichen und/oder volksverhetzenden Hintergründen bzw. allgemein zu den Themen Antisemitismus, Rassismus und weiteren Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie Fragen zur Unterstützung im Umgang mit Vorfällen ansprechbar und vermittelt entsprechende Kontakte (z.B. zur Betroffenenberatungsstelle BEFORE, zum Bildungskollektiv „Die Pastinaken“, zur Europäischen Janusz Korczak Akademie e.V. oder zur Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus – RIAS Bayern). Weitere Unterstützungsangebote, wie z.B. Beratung und Fortbildung zu antisemitismuskritischer Pädagogik für päd. Fachkräfte und antisemitismuskritische Workshops für Schüler*innen werden den Schulen auch von der Stelle für Politische Bildung im Stadtjugendamt (S-II-KJF/JA) kostenfrei angeboten.
Auch das städtisch geförderte Bildungskollektiv „Die Pastinaken“ sowie die Europäische Janusz Korczak Akademie e.V. führen Workshops zum Thema Antisemitismusprävention an Münchner Schulen durch. Die Fortbildungsangebote des Fachdienstes Politische Bildung am PI-ZKB zu diskriminierungskritischer Bildung sowie zu Hate Speech, zu Fake News und zu Verschwörungserzählungen und speziell auch zum Thema Antisemitismus werden kontinuierlich aktualisiert und – vorbehaltlich der Bereitstellung entsprechender Ressourcen – (Personal und Sachmittel) weiter ausgebaut.
Entsprechend der Anfrage ist ab März 2024 die regelmäßige Durchführung einer zusätzlichen zentralen Fortbildung für Lehrkräfte zum Umgang mit Antisemitismus an Schulen im Umfang von zwei ganzen Tagen geplant, in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). In der Fortbildung mit dem Titel „Antisemitismus? Gibt es bei uns nicht. Oder etwa doch?“ werden auch Unterrichtsmaterialien zum Thema vorgestellt sowie Möglichkeiten zu deren Einsatz erörtert und diskutiert. 2 Lehrkräfte bzw. Schulen, die an den Maßnahmen des Fachdienstes Politische Bildung zum Thema teilnehmen, werden stets auf weitere Unterstützungsangebote sowie weiterführende Literatur, Materialien und Medien zum Thema, so auch weiterhin auf das Themenportal „Bayern gegen Antisemitismus“ (https://www.gegen-antisemitismus.bayern.de) aufmerksam gemacht. Dieses hält für Lehrkräfte – zusätzlich zu den in diesem Schreiben bereits genannten pädagogischen Anlaufstellen in München – eine Vielzahl an weiteren Informationen zum Thema bereit.Abschließend möchte ich betonen, dass die enorme Wichtigkeit und Bedeutung der Prävention von und Intervention bei Antisemitismus sowie allen Ideologien der Ungleichwertigkeit von Menschen dem Referat für Bildung und Sport (RBS) sehr bewusst ist. Es existieren bereits zahlreiche und vielschichtige Maßnahmen, die entsprechend den gesellschaftlichen Entwicklungen laufend aktualisiert, ergänzt und weiterentwickelt und im Rahmen der jeweiligen Aufgaben und Zuständigkeiten sowie in Abhängigkeit von den Ressourcen kontinuierlich auf- und ausgebaut werden.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
1 Im März 2020 musste die Fortbildung wegen des pandemiebedingten Lockdowns leider kurzfristig ausfallen; im Folgejahr fand sie online statt.
2 siehe: https://zwst-kompetenzzentrum.de/antisemitismus-gibts-bei-uns-nicht-oder-etwa-doch; Link zum Material: https://zwst-kompetenzzentrum.de/wp-content/uploads/2022/01/YV_ANTIS_DIG_HR_singlepages.