Kinderbetreuungssituation bei Auszubildenden?
Anfrage Stadträtin Alexandra Gaßmann (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 20.6.2023
Antwort Stadtschulrat Florian Kraus:
Auf Ihre Anfrage vom 20.6.2023 nehme ich Bezug.
Sie haben Ihrer Anfrage folgenden Text vorausgeschickt:
„Die Kinderbetreuungssituation in München stellt sich für Auszubildende schwierig dar. Gerade in Mangelberufen wie z.B. im Bereich der Pflegekräfte oder der Fachkräfte in den Heilberufen (MFA/PTA/ZFA) kann eine fehlende Zusage durch das Verfahren über den städtischen KITA-Finder dazu führen, dass die jungen Menschen die Ausbildung abbrechen müssen.“
Für die gewährte Fristverlängerung bedanke ich mich.
Zu den von Ihnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Wie wird sichergestellt, dass im Vergabeverfahren des Kitafinders die besondere Situation von Auszubildenden berücksichtigt wird, so dass der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung ermöglicht werden kann?
Antwort:
Vorab möchte ich darauf hinweisen, dass der kita finder+ kein Vergabeverfahren darstellt.
Der kita finder+ stellt ein Hilfsmittel dar, um den Eltern den Zugang zur Anmeldung wesentlich zu erleichtern und daneben den Einrichtungsleitungen technische Unterstützung bei der Platzvergabe zu bieten. Jedoch ist der kita finder+ keineswegs ein vollständiges Platzvergabesystem, da sich mit ihm alleine keine Platzvergabeentscheidungen treffen lassen. Als rein IT-technisches System kann der kita finder+ nicht die von den Eltern geforderte Gerechtigkeit bei der Platzvergabe schaffen.
Die Angebote der Kindertagesbetreuung in München sind auf eine Vielzahl an Trägern verteilt. Die städtischen Kindertageseinrichtungen sowie die Einrichtungen in sog. Betriebsträgerschaft (auf der Basis eines Überlassungsvertrages mit der Landeshauptstadt München) wenden die Vorgaben der städtischen Kindertageseinrichtungssatzung an. Diese Satzung, nicht der kita finder+, ist die Grundlage für die Vergabeentscheidungen der hierfür zuständigen Einrichtungsleitungen.Andere Träger haben ihre eigenen Kriterien festgelegt, wie vorzugehen ist, wenn an einer Einrichtung mehr Anmeldungen als verfügbare Plätze vorhanden sind. Die vom kita finder+ aufgenommenen Daten liefern den Leitungen bzw. Trägern die Informationen, die sie benötigen, um die Plätze entsprechend den jeweils für sie geltenden Regeln vergeben zu können. Im weiteren Verlauf der Beantwortung dieser Frage und der Frage 2 stelle ich auf die Platzvergabe in den Einrichtungen ab, die die städtische Kindertageseinrichtungssatzung anwenden:
Personen in Schul-, Hochschul- und Berufsausbildung werden hinsichtlich der sich hieraus für das Kind ergebenden Dringlichkeit eines Betreuungsplatzes mit berufstätigen Eltern gleichgestellt. Das bedeutet, dass die Kinder in die höchste Dringlichkeitsstufe A eingereiht werden.
Kriterien, die vorrangig noch vor den Dringlichkeitsstufen zu berücksichtigen sind und zu einer Platzzusage führen können, wie die Rangstufe, der Geschwistervorrang und die Priorisierung, finden selbstverständlich auch bei Kindern von Auszubildenden Anwendung.
Frage 2:
Kann das Vergabeverfahren sicherstellen, dass die unterschiedlichen Arbeitszeiten bzw. Berufsschulzeiten bei der Betreuung berücksichtigt werden?
Antwort:
Arbeits- bzw. Ausbildungszeiten sind bei der Anmeldung eines Kindes anzugeben, denn sie sind maßgeblich für die Festsetzung der Punktezahl und damit für die Reihung der Kinder nach Dringlichkeit innerhalb der Dringlichkeitsstufe A.
Die Kindertageseinrichtungen bemühen sich im Rahmen ihrer Kapazitäten, den Eltern Buchungszeiten anzubieten, mit denen ihre Anwesenheit in der beruflichen Schule bzw. an der Ausbildungsstelle zuzüglich anfallender Wegezeiten abgedeckt werden können.
Frage 3:
Welche Möglichkeiten der Unterstützung des RBS, der städtischen Berufsschulen bzw. der einschlägigen Berufskammern und Betriebe gibt es zudem?
Antwort:
Sofern das Ausbildungsverhältnis aus Sicht der Ausbildungsbetriebe aufrechterhalten werden kann, nehmen die städtischen Schulen vor Ort im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch auf die besondere Lebenssituation derSchüler*innen-Eltern Rücksicht. So werden in Absprache mit den Schulleitungen, Lehrkräften und Schüler*innen individuelle und angemessene Lösungen gesucht und transparente Vereinbarungen zum weiteren Schulbesuch getroffen.
In der Regel handelt es sich dabei um Vereinbarungen, die es den Schüler*innen ermöglichen, später in den Unterricht kommen oder früher aus dem Unterricht gehen zu dürfen, sofern sie beispielsweise eine Bestätigung der jeweiligen Kindertageseinrichtung über die Betreuungszeiten ihrer Kinder vorlegen können. Aber auch die Umstellung des Stundenplans oder eine Versetzung in eine Parallelklasse mit einem anderen Stundenplan sind denkbar. Einige berufliche Schulen bieten auch spezielle „Eltern-Klassen“ für Vorbereitungskurse oder Ausbildungen an, die generell in Teilzeit geführt und/oder zu besonderen Zeiten angeboten werden, um den speziellen Bedürfnissen von Eltern gerecht zu werden.
Im Rahmen der bereits angelaufenen Arbeiten an einer Neufassung der Platzvergabekriterien in der Kindertageseinrichtungssatzung werden wir die Belange von Auszubildenden thematisieren. Zielsetzung wird sein, eine Unterbrechung oder gar einen Abbruch der Ausbildung zu verhindern. Hierfür muss für Auszubildende, die auf keinerlei anderweitige familiäre oder gesellschaftliche Unterstützungsangebote zurückgreifen können, der Zugang zu Kinderbetreuungsplätzen möglichst erleichtert und beschleunigt werden.
Zu dem Vorhaben fand bereits ein Austausch mit der Gleichstellungsstelle für Frauen statt, die wie folgt Stellung bezieht:
„Die Gleichstellungsstelle für Frauen unterstützt die im Schreiben angekündigte Maßnahme, im Rahmen einer Neufassung der Platzvergabekriterien in der Kindertageseinrichtungssatzung die Belange der Auszubildenden neu zu bewerten. Eine stabile Kinderbetreuungsversorgung der Auszubildenden mit Kind ist nicht nur eine persönliche Unterstützung und Schutz vor elterlicher Überlastung, sondern hat eine erhebliche volkswirtschaftliche und gleichstellungsbezogene Wirkung. Wenn die Kinderbetreuung in der Ausbildung nicht gewährleistet ist, muss sie in der Regel abgebrochen werden. Eine Arbeitskraft ohne Abschluss, die eine Kinderbetreuung gewährleisten muss, ist extrem von Arbeitslosigkeit und Armut bedroht. Sie trägt ein sehr hohes Risiko, mit dem Anfang ihres beruflichen Wegs bereits in eine, in der Regel dauerhafte, staatliche Unterstützung verwiesen zu sein, statt dass sie ihre Ressourcen für den Arbeitsmarkt und ihre eigene Wirtschaftskraft entfalten kann. Insbesondere sind vondieser Lebenslage Mädchen* und junge Frauen* betroffen, so dass sich daraus auch eine strukturelle geschlechterbezogene Ungleichbehandlung ableitet. Aus Sicht der GSt ist in der Satzungsänderung für diese Personengruppe Unterbringungspriorität geboten.“
Das Referat für Bildung und Sport erkennt die hohe Notwendigkeit eines Betreuungsplatzes für ein Kind eines Elternteils in Ausbildung selbstverständlich uneingeschränkt an. Bei der Neufassung der satzungsgemäßen Platzvergabekriterien wird das Referat für Bildung und Sport die Situation der Auszubildenden und der bis zu lebenslangen Folgen einer in dieser Lebensphase fehlenden Kinderbetreuung in die Erwägungen und Gewichtungen einstellen.
Ergänzend habe ich eine Stellungnahme des Referats für Arbeit und Wirtschaft eingeholt, die ich Ihnen im Folgenden wörtlich übermittle:
„Berufsausbildungen finden grundsätzlich in Vollzeit statt. Im Jahr 2005 eröffnete das Berufsbildungsgesetz (BBiG) die Möglichkeit einer Berufsausbildung in Teilzeit. Hierfür musste jedoch ein ‚berechtigtes Interesse‘ vorliegen. Dies war vor allem bei Auszubildenden gegeben, die Kinder oder pflegebedürftige Angehörige hatten.
Seit dem 1.1.2020 wurden durch deine Novelle des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) die Möglichkeiten der Aufnahme einer Berufsausbildung in Teilzeit erweitert. Eine Teilzeitberufsausbildung steht nun grundsätzlich allen Auszubildenden einer dualen Berufsausbildung offen.
Die gesetzlichen Anforderungen für die Aufnahme einer Teilzeitberufsausbildung sind in § 7a BBiG sowie inhaltsgleich in § 27b Handwerksordnung (HwO) geregelt. Dort ist insbesondere festgehalten, dass die Kürzung der täglichen oder der wöchentlichen Ausbildungszeit nicht mehr als 50 Prozent betragen darf und sich die Dauer der Teilzeitberufsausbildung entsprechend verlängert, höchstens jedoch bis zum Eineinhalbfachen der Dauer, die in der Ausbildungsordnung für die betreffende Berufsausbildung in Vollzeit festgelegt ist.
Es ist zu berücksichtigen, dass sich die Teilzeitregelungen des BBiG auf den betrieblichen Teil der dualen Berufsausbildung beziehen. Hinsichtlich der Organisation des schulischen Teils müssen sich Ausbildungsbetriebe, Auszubildende und Berufsschule abstimmen.Der Berufsbildungsbericht 2023 verweist darauf, dass bislang die Möglichkeit, eine duale Berufsausbildung in Teilzeit zu absolvieren, nur selten in Anspruch genommen wird. Im Jahr 2021 wurden nach den Daten der Berufsbildungsstatistik der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder (Berufsbildungsstatistik zum 31. Dezember) lediglich 2.148 neue Berufsausbildungsverträge in Teilzeit abgeschlossen, das entspricht einem Anteil von 0,5% an allen Neuabschlüssen im genannten Ausbildungsjahr. Der Teilzeitanteil fiel im Jahr 2021 bei den weiblichen Auszubildenden (1,1%) höher aus als bei den männlichen (0,1%).
Im Netzwerk Teilzeitausbildung haben sich Bildungsträger, Beratungsstellen und Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt aus ganz Deutschland zusammengeschlossen. Unter der Adresse https://netzwerk-teilzeitberufsausbildung.de/ werden zahlreiche Informationen zur Teilzeitausbildung zur Verfügung gestellt.“
Ich bitte um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen und gehe gleichzeitig davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.