Führt die Umstellung des Kohleblocks des Heizkraftwerks (HKW) Nord 2 auf Erdgas zu mehr oder weniger CO2-Emissionen?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 7.3.2023
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
in Ihrer Anfrage vom 7.3.2023 führten Sie als Begründung aus: „Die Stadtwerke München (SWM) haben kürzlich öffentlich angekündigt, die Umstellung des Blocks 2 im Heizkraftwerk Nord von Steinkohle auf Erdgas um ein weiteres Jahr zu verschieben. Eine Behandlung dazu soll in Kürze im Stadtrat stattfinden.1 Der Kohleblock soll nach aktuellem Beschluss in einer CO2-optimierten Fahrweise bis zum Ende der Systemrele- vanz des Blocks laufen. Die Systemrelevanz endet spätestens mit der Fer- tigstellung der SuedOstLink-Stromtrasse nach Bayern, die nach aktuellen Angaben im Jahr 2027 fertiggestellt sein soll.2 Ein Umbau von Kohle- auf Gasverbrennung könnte – abhängig von der Fahrweise und der Betriebs- laufzeit – zu höheren CO2-Emissionen führen als eine baldige Beendigung der Kohleverbrennung. Dabei gilt für den Vergleich der Verbrennung von Erdgas zu der von Steinkohle (also ohne Berücksichtigung der Met- han-Emissionen bei Förderung und Transport von Gas) die grobe Faustformel: CO2-Emissionen Erdgas = 2/3 von Kohle. Somit würden allein durch eine nur wenige Jahre längere Betriebslaufzeit mehr CO2-Emissionen am Standort Nord entstehen. Vorteile ergäben sich, wenn die Betriebslaufzeit des mit Erdgas betriebenen Blocks mit dem Ende der Systemrelevanz gekoppelt und nur in Teillast entsprechend einer CO2-optimierten Fahrweise genutzt werden würde. Deutlich klimafreundlicher sähe die Situation aus, wenn nach dem Umbau auf Erdgas-Betriebsfähigkeit der Erdgasblock befristet auf (Warm-oder Kalt-) Stand-by-Betrieb gehalten und – unter Einhaltung der juristischen Voraussetzungen aus der ‚Systemrelevanz‘ für das überregionale Stromnetz – faktisch nicht oder nur wenige Tage pro Jahr gefahren werden würde. Zudem ist auch ungeklärt, ob eine Umstellung der Kohleblocks auf Erdgas innerhalb der aktuell gültigen Genehmigung des Blocks 2 als ‚Abfallbeseitigungsanlage‘ (Planfeststellung 1991) zulässig ist oder nicht.
Schon zur Vermeidung etwaiger Verzögerungen – durch Einspruch der Re- gierung von Oberbayern oder durch etwaige Klagen seitens der Gemeinde Unterföhring oder von Bürger*innen – ist es erforderlich, die Rechtslage frühzeitig eindeutig zu klären.“1https://www.merkur.de/lokales/muenchen/steinkohle-verbrennung-in-muenchen-stadtwerke-wol-len-block-auch-den-naechsten-winter-weiter-laufen-lassen-92059615.html 2https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wirtschaft/sued-ost-link-strom-leitung-bau-100.html
Die in Ihrer Anfrage gestellten Fragen können auf der Basis einer Stellungnahme der SWM wie folgt beantwortet werden:
Vorbemerkung der SWM:
„Ziel der Umstellung des Brennstoffs von Kohle auf Gas im HKW Nord 2 ist die Reduktion von CO2-Emissionen bei gleichzeitiger Sicherung der Fernwärmeversorgung. Der schnellstmögliche Ausstieg aus der Kohlenutzung im HKW Nord ist ein wichtiger Baustein der SWM Klimastrategie. Die SWM sehen sich grundsätzlich als Energieversorgungsunternehmen in der Verantwortung, die Landeshauptstadt München beim Erreichen der Klimaschutzziele bestmöglich zu unterstützen. Gleichzeitig wird mit der Maßnahme dem Ergebnis des Bürgerbegehrens von 2017 entsprochen, die CO2-Emissionen des Block 2 deutlich zu senken. Die Brennstoffumstellung hat sich nach intensiver Prüfung als technisch mögliche Option dargestellt. Leider musste die bereits im Laufe des Jahres 2022 vorgesehene Umstellung aufgrund der Unsicherheit im Hinblick auf die Versorgung mit Erdgas verschoben werden. Diese ist jetzt für die Heizperiode 2024/25 vorgesehen.“
Frage 1:
Welche Fahrweise des künftigen Block 2 im „dauerhaften Erdgasbetrieb“ ist vorgesehen? Wird die im Stadtrat 2019 (technisch Kohle-bedingte) beschlossene CO2-optimierte Fahrweise (In der Heizperiode von November bis März 60% Leistung, 12 Wochen Stillstand im Sommer und 24% Leistung im restlichen Jahr) mindestens eingehalten oder untertroffen?
Antwort der SWM:
Der Gas-Block wird in den Wintermonaten zur Stützung der Fernwärmeversorgung zwingend benötigt. Die Fahrweise und damit die CO2-Emissionen werden von der Außentemperatur in diesen Monaten und von der Verfügbarkeit der anderen Anlagen zur Fernwärmeerzeugung abhängen. Zudem hängt die Fahrweise des systemrelevanten Blocks auch von der Anforderung des Übertragungsnetzbetreibers ab. Aus heutiger Sicht gehen wir davon aus, dass der gasgefeuerte Block 2 deutlich weniger laufen wird als bisher und die CO2-Emissionen damit ebenfalls stark sinken werden.
Frage 2:
Könnte bzw. wird das HKW Nord 2 mit Erdgas in einem (Warm-) Stand-by-Betrieb gefahren werden, mit dem die Bedingungen der „Systemrelevanz“ für Netz-Notfälle eingehalten werden?
Antwort der SWM:
Die SWM sind an der Erarbeitung von entsprechenden Betriebskonzepten und werden dazu auch die Abstimmung mit dem Übertragungsnetzbetreiber suchen.
Frage 3:
Wird eine klimafreundlichere Fahrweise nicht gewählt, bei der unter Einhaltung der Bedingungen möglich ist? (vom Netzbetreiber zu finanzierende)
Antwort der SWM:
Siehe Antwort Frage 2.
Frage 4:
Welches Betriebslaufzeit-Ende ist nach der Umstellung auf Erdgas vorgesehen? Ist beabsichtigt, das Ende der Betriebslaufzeit des Blocks2 (Kohle oder Gas) an das Ende der „Systemrelevanz“ (2027-2030) zu koppeln? Wenn nein, warum nicht?
Antwort der SWM:
Das Betriebslaufzeitende mit Erdgas ist nicht an das Ende der Systemrelevanz gekoppelt, sondern hängt vom Fortschritt des Ausbaus der Erneuerbaren Energien ab. Wir gehen von einer Fernwärmebesicherung bis max. zum Jahr 2035 aus, in welchem der Block 2 auch sein technisches Lebensdauerende erreichen wird.
Das Ende der Systemrelevanz von Block 2 hängt maßgebend von einer Prüfung der Bundesnetzagentur auf Basis von Einschätzungen des Übertragungsnetzbetreibers ab. Dafür wird die Fertigstellung der geplanten Übertragungsleitung SuedOstLink eine wichtige Rolle spielen. Eine belastbare Grundlage für die Annahme, dass die Systemrelevanz von Block 2 in den Jahren 2028/2030 oder ggf. sogar früher entfällt, gibt es aus unserer Sicht nicht. Vielmehr zeigen die bisherigen Leitungsausbauvorhaben, dass es immer wieder zu deutlichen Verzögerungen bei der Realisierung solcher Projekte kommt. Dementsprechend lassen sich keine belastbaren Prognosen zum Entfall der Systemrelevanz von Block 2 abgeben.
Frage 5:
Mit welchen jährlichen Kosten rechnen die SWM für CO2-Zertifikate für den Block 2 bei einer Umstellung auf Erdgas im Vergleich zur Verbrennung von Kohle?
Antwort der SWM:
Da die Kosten für CO2-Zertifikate vom jeweils aktuellen CO2-Preis abhängen, ist es uns nicht möglich diese zu benennen. Aufgrund der zukünftig deutlich verminderten Fahrweise und des gegenüber Steinkohle geringeren spezifischen CO2-Emissionsfaktors werden diese jedoch deutlich niedriger liegen als bei Kohlebetrieb.
Frage 6:
Mit welchen jährlichen und gesamten CO2-Emissionen rechnen die SWM beim Betrieb mit Erdgas und Steinkohle für die jeweils angestrebte Betriebslaufzeit?
Antwort der SWM:
Die SWM haben hierzu eine Abschätzung der CO2-Emissionen für den Betrachtungszeitraum 2023 bis 2028 (siehe Tabelle) erstellt.
Frage 7:
Welche Umbaumaßnahmen sind für die Umstellung des Blocks 2 auf einen „dauerhaften Erdgasbetrieb“ notwendig und wie hoch sind die Investitionen dafür?
Antwort der SWM:
Für einen „dauerhaften Erdgasbetrieb“ müssen über die nächsten Jahre diverse Maßnahmen ergriffen werden. Nachfolgende Aufstellung zeigt die dabei wichtigsten Themen:
- Anpassung Erdgassystem von Gasreduzierstation über Verteilstation bis Brenner-Modifizierung der komplexen Luftführung und Umsetzung verschiedener Maßnahmen zur Wirkungsgraderhöhung
- Optimierung von Regelungen in der Blocksteuerung, Anpassungen
an den Einrichtungen zur Nox-Abscheidung sowie Änderungen an der bestehenden Emissionsmesstechnik
Zu den Investitionskosten können wir derzeit keine belastbaren Angaben machen, da wir uns aktuell noch in der Planungsphase befinden.
Frage 8:
Ist der Umbau des Kohleblock 2 ohne vorherige Änderungsgenehmigung rechtlich zulässig? Liegen die hierzu relevanten Pläne, Gutachten, Hersteller-Angaben usw. – öffentlich und auch der Genehmigungsbehörde – vor? Hat die Genehmigungsbehörde rechtskräftig entschieden, dass der beabsichtigte Umbau im Rahmen des bisherigen Planfeststellungsbeschlusses (1991) ohne vorherige Änderungsgenehmigung rechtsgültig möglich ist?
Antwort der SWM:
Wir sehen aus heutiger Sicht kein Erfordernis einer immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung bei einer Umstellung von Block 2 auf Erdgasbetrieb.
Alle Maßnahmen, die für einen Brennstoffwechsel erforderlich werden, bewegen sich nach heutigem Kenntnisstand im Rahmen der bestehenden Genehmigungslage.
Wir bedauern, mit der vorliegenden Zuleitung, die vorgegebene Frist von sechs Wochen überschritten zu haben. Maßgeblicher Grund für die Verfahrensdauer ist der Abstimmungsbedarf mit der SWM.
Die SWM haben uns mitgeteilt, dass Themen wie z.B. der Zeitpunkt der Umstellung des Block 2 und verschiedene damit zusammenhängende Randbedingungen sich noch in Prüfung befanden.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.