Geldverschwendung oder konkreter Nutzen: Was bringt die von der PR-Firma Heller & Partner erstellte sog. „Studie“ „Gender Living“ den GEWOFAG-Mieter*innen?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 13.4.2023
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 13.4.2023 haben Sie gemäß §68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
Die verspätete Beantwortung Ihrer Anfrage bitten wir zu entschuldigen, ebenso das Versäumnis, rechtzeitig um Fristverlängerung zu bitten.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Im Zeitraum von 2016 bis 2021 hat die Lobbyisten-Agentur Heller und Partner im Auftrag der städtischen Wohnungsgesellschaft GEWOFAG die sog. Studie Gender Living – Neue Wohntendenzen erarbeitet. Die Studie präsentiert keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, sondern vertont die Wünsche der Immobilienbranche.
Zudem wurde ein Imagefilmchen mit zahlreichen Immobilienunternehmern als Protagonisten gedreht und eine Podiumsdiskussion abgehalten, bei der Immobilienunternehmer*innen, Politiker*innen und Verwaltungsvertreter*innen anwesend waren.
Bezahlt hat die Studie die Landeshauptstadt München.“
In diesem Zusammenhang haben Sie folgende Fragen:
Frage 1:
Die Ergebnisse der „Studie“ namens „Gender Living‘" sind nicht gerade revolutionär. Manches ist Allgemeinwissen („Räume und Potenziale effizient nutzen“), anderes entstammt wohl einem Wunschzettel der Immo-Branche („Günstiger Bauen durch schlankere Regularien“). Welchen konkreten Nutzen hat diese so genannte „Studie“ denn für die Landeshauptstadt München, die GEWOFAG und ihre Mieter*innen?
Antwort:
Nach Auskunft der GEWOFAG lagen die Studie „Gender Living – die Zukunft des Wohnens“ sowie deren Ergebnisse der GEWOFAG ab September 2018 vor. Die Studie enthält nach wissenschaftlichen Standards erarbeitete Erkenntnisse zu Trends der Bau- und Wohnungswirtschaft. DieStudie enthält Expert*innen-Interviews sowie Befragungen von Fokusgruppen und gibt fundierte Anregungen zur Weiterentwicklung des Wohnens, aber keine konkreten Handlungsempfehlungen.
Viele der in den zehn Erkenntnissen angenommenen Zukunftsthemen
haben sich bewahrheitet (z.B. „Das digitale, vernetzte Zuhause“). Einige der Erkenntnisse waren bereits bei Vorlage der Studie branchenbekannt und manche schon damals integraler Teil der baulichen Aktivitäten der GE-WOFAG (z.B. „Wohnen für Hilfe“, integrierte Pflege und Barrierefreiheit). Andere Erkenntnisse (z.B. „Neue Bedeutung von Service-Levels“) spielten und spielen für die GEWOFAG nur eine sehr untergeordnete Rolle.
Die Erkenntnisse der Studie wurden den Mitarbeiter*innen der GEWO-FAG, die in planerische Aufgaben eingebunden sind, 2018 zur Verfügung gestellt. Aus diesem Grund sind sie für die GEWOFAG von Bedeutung, auch wenn der Einfluss nicht konkret in jedem Bauprojekt durchdekliniert werden kann. Die Verwendung von modularen Bauweisen hat durch die Ergebnisse der Studie in den planerischen Überlegungen der GEWOFAG Auftrieb erhalten. Gleiches gilt für das in der Studie enthaltene Ergebnis, dass der vermehrte Einsatz von Holz als Baustoff wünschenswert ist.
Frage 2:
Mit wem auf Seiten der GEWOFAG und der Stadtverwaltung hat die Agentur vorab die Inhalte der „Studie“ abgesprochen? Die Stadtverwaltung wird ja eingebunden gewesen sein, wenn die Stadt so horrende Summen für eine „Studie“ zahlt.
Antwort:
Die Beauftragung zur Erstellung der Studie „Gender Living“ erfolgte durch die GEWOFAG Wohnen GmbH. In die Beauftragung der Agentur „Heller & Partner“ war die damalige Geschäftsführung eingebunden. Aufgrund der seither erfolgten Geschäftsführerwechsel kann nicht mehr nachvollzogen werden, ob und mit wem auf Seiten der Stadtverwaltung die Inhalte der Studie abgesprochen wurden, weil solche Abstimmungen regelmäßig der Geschäftsführungsebene selbst vorbehalten waren. Dem Beteiligungsmanagement des Referates für Stadtplanung und Bauordnung ist keine Absprache bekannt. Zukünftig wird bei vergleichbaren Fällen darauf geachtet werden, dass eine frühzeitige Absprache zwischen den betroffenen Stellen der Stadtverwaltung und der städtischen Wohnungsbaugesellschaft erfolgt. Die Studie wurde ausschließlich durch die GEWOFAG bezahlt.
Frage 3:
Von wem und wie wurde und wird die „Studie“ seit ihrer Erstellung verwendet, bei der GEWOFAG und der Stadt München?
Antwort:
Die Studie wurde den Fachabteilungen der GEWOFAG in gedruckter und/ oder digitaler Form zur Verfügung gestellt. Ein (allerdings nicht quantifizierbarer) Einfluss auf planerische Ansätze der GEWOFAG ist – wie am Ende von Frage 1 geschildert – gegeben. Den damaligen Mitgliedern des Aufsichtsrates der GEWOFAG Holding GmbH wurde angeboten, die Forschungsstudie auf Nachfrage zur Verfügung zu stellen.
Frage 4:
Den Film nutzt die Agentur als Werbung in eigener Sache, weil potenzielle Neukunden darin sehen können, wie gut sie mit der Politik vernetzt ist. Er steht bis heute prominent auf der Firmen-Webseite, direkt unter zwei Filmen mit den CSU-Politikern Innenminister Joachim Herrmann und Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Aber worin liegt der konkrete Nutzen des Films für die Stadt, die GEWOFAG und den Wohnungsmarkt?
Antwort:
Nach Auskunft der GEWOFAG wurde der Imagefilm im Nachgang zur Podiumsveranstaltung, auf der die Studie vorgestellt und über deren Ergebnisse diskutiert wurde, produziert. Er stellt den Nutzer*innen, die nicht die gesamte Studie lesen möchten, die wichtigsten Inhalte daraus kompakt vor. Ziel des Imagefilms war es, die öffentliche Wahrnehmung der GEWO-FAG als größte Vermieterin Münchens wie auch die Marke des Unternehmens zu stärken.
Frage 5:
Wer auf Seiten der Stadt München hat die Inhalte des Werbefilms vor und während dessen Erstellung geprüft?
Antwort:
Nach Auskunft der GEWOFAG wurde der durch die Agentur Heller & Partner erstellte Imagefilm durch die GEWOFAG geprüft. Eine zusätzliche Prüfung durch das Referat für Stadtplanung und Bauordnung als Betreuungsreferat der GEWOFAG hat nicht stattgefunden.
Frage 6:
Auf dem Podium saßen neben dem Lobbyisten Stadträte der großen Fraktionen, Stadtbaurätin Merk, Vertreter von Immobilienverband BfW und Architektenkammer und „natürlich“ Unternehmer Büschl. Wer hat diese Personen ausgewählt?
Antwort:
Die damalige Geschäftsführung der GEWOFAG hat die von der Agentur Heller & Partner vorgeschlagene Zusammensetzung des Podiums freigegeben. Es handelt sich um eine durchaus nachvollziehbare Zusammenstellung, die dem Thema gerecht wurde: Diskutiert hatten Vertreter*innen der Stadtverwaltung, der Bayerischen Architektenkammer, der Wohnungs- und Bauwirtschaft, der GEWOFAG sowie Fachpolitiker der großen Fraktionen im Münchner Stadtrat.
Frage 7:
Wer hat die Personen, insbesondere die Immobilienunternehmer, ausgewählt, die zu der Veranstaltung eingeladen wurden?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 6.
Frage 8:
Wie kann die Stadt künftig sicherstellen, dass Stadträt*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen nicht für die Zwecke von Immobilienunternehmern eingespannt und ausgenutzt werden können, und dann auch noch die Stadt dafür bezahlt?
Antwort:
Veranstaltungen, an denen Stadträt*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen teilnehmen, werden sorgfältig ausgewählt und sind immer mit den jeweiligen Aufgabenbereichen verknüpft. So nehmen Stadtratsmitglieder in geeigneten Fällen als gewählte Vertretungen der Bürgerschaft und Verwaltungskräfte als Fachexpert*innen teil.