Leerstehende Wohnungen – Verschont die Stadt den Freistaat?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Professor Dr. Jörg Hoffmann, Gabriele Neff, Richard Progl und Fritz Roth (FDP BAYERNPARTEI Stadtratsfraktion) vom 3.8.2023
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 3.8.2023 führen Sie Folgendes aus:
„Wohnungen, die ohne triftigen Grund länger als drei Monate leer stehen, gelten als ‚zweckentfremdet‘. Dies stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit bis zu 500.000 Euro geahndet werden.
Das zuständige Münchner Sozialreferat spricht sich dafür aus, dass der Freistaat Bayern die Regelungen zur Zweckentfremdung bzw. deren Nachweis noch verschärft. Ausgerechnet mehrere Häuser im Eigentum des Freistaats sind nun kürzlich in einer Beschlussvorlage des Sozialausschusses aufgetaucht als ‚leerstehend‘ – und das schon seit mehreren Jahren. Die Immobilien werden laut Vorlage der Stadt vom Freistaat ‚in ihrem aktuellen Zustand‘ überlassen, die Kosten für die Instandsetzung übernimmt die Stadt.
Die Nachfragen unserer Fraktion wurden vom Leiter des Amtes für Wohnen und Migration im Ausschuss nicht zufriedenstellend beantwortet.“
Für die gewährte Verlängerung der Frist für die Beantwortung Ihrer Anfrage bedanke ich mich.
Zu Ihrer Anfrage vom 3.8.2023 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters wie folgt Stellung:
Nachfolgend gehe ich gerne auf Ihre gestellten Fragen ein. Darüber hinaus wird ergänzend auch auf die Ausführungen in der Antwort des Sozialreferats auf Ihre Anfrage Nr. 20-26/F 00479 vom 14.10.2022 („Wie viele Grundstücke des Freistaats Bayern werden durch dauerhaften Leerstand zweckentfremdet?“) verwiesen.
Das Sozialreferat legt dem Stadtrat ferner jährlich eine ausführliche statistische Zusammenfassung zum Vollzug des Zweckentfremdungsrechts vor. Die entsprechenden Sitzungsvorlagen sind im Ratsinformationssystem abrufbar.
Zuletzt erfolgte eine solche Bekanntgabe mit entsprechenden Angaben für das Jahr 2022 in der Sitzung des Sozialausschusses am 22.6.2023 (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 09416).
Frage 1:
Wie viele Verfahren wegen Zweckentfremdung wurden von der LH Mün- chen bisher satzungsgemäß eingeleitet? Bitte getrennt auflisten nach pri- vaten und staatlichen Eigentümern.
Antwort:
Das Sozialreferat leitet sowohl bei jedem begründeten Verdacht auf eine mögliche Zweckentfremdung von Wohnraum als auch nach einer Antragstellung zur Genehmigung einer Zweckentfremdung ein entsprechendes Verwaltungsverfahren ein.
Im Rahmen dieser Verfahren müssen die jeweiligen Besonderheiten jedes einzelnen Sachverhalts zwingend individuell geprüft und gewürdigt werden.
Aus der nachstehenden Übersicht geht hervor, wie viele Verwaltungsverfahren (in Bezug auf Wohneinheiten, WE) vom Sozialreferat hinsichtlich einer möglichen Zweckentfremdung von Wohnraum seit dem erstmaligen Inkrafttreten der Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) am 1.1.2009 eingeleitet wurden.
Die Angaben in vorstehender Tabelle berücksichtigen sämtliche eingeleitete Verfahren.
Enthalten sind sowohl Verfahren, die aufgrund eines gestellten Antrags zur Genehmigung einer Zweckentfremdung eingeleitet wurden, als auch Verfahren, die das Sozialreferat von Amts wegen einleitete, z.B. nach einem eingegangenen Hinweis auf eine mögliche Zweckentfremdung.Sofern ein Antrag gestellt wurde, wurden bzw. werden (bei derzeit noch laufenden Verfahren) die jeweiligen Verfahren mit der Entscheidung über den Antrag beendet.
Bei Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet wurden, erfolgte bzw. erfolgt eine Verfahrensbeendigung, wenn sich der Verdacht auf eine Zweckentfremdung nicht bestätigte bzw. bestätigt.
In den übrigen Fällen, in denen eine illegale (und auch nicht genehmigungsfähige) Zweckentfremdung gegeben war bzw. ist, wurde bzw. wird mit verwaltungsrechtlichen Mitteln auf eine zeitnahe Beendigung der Zweckentfremdung und eine anschließende Aufnahme der bestimmungsgemäßen Nutzung der jeweiligen Räume zu Wohnzwecken hingewirkt.
Das Sozialreferat ist – wie die gesamte öffentliche Verwaltung – an den rechtsstaatlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden.
Für die Einleitung und Durchführung von zweckentfremdungsrechtlichen Verfahren ist es daher unerheblich, wer Eigentümer*in des betreffenden Wohnraums ist.
Für jede*n Eigentümer*in gelten die selben Maßgaben und Kriterien zum Vorliegen, zur Zulässigkeit bzw. zur Genehmigungsfähigkeit einer Zweckentfremdung von Wohnraum.
Eine rechtliche Bevorzugung oder Benachteiligung einer*s speziellen Eigentümer*in nur aufgrund seiner rechtlichen Natur ist strikt unzulässig.
Ferner ist das Sozialreferat an den ebenso rechtsstaatlichen Grundsatz des Gesetzesvorrangs gebunden. Ein Handeln des Sozialreferats entgegen geltender rechtlicher Bestimmungen verbietet sich aufgrund dessen selbstverständlich.
Auch hinsichtlich des hier gegenständlichen Wohnraums in Hartmannshofen wurden Verwaltungsverfahren eingeleitet, um die Sachverhalte zu prüfen.
Das Sozialreferat trat im Rahmen dieser Verfahren in Bezug auf jeden einzelnen Wohnraum schriftlich an die zuständige Immobilienverwaltung des Freistaats Bayern heran, um die genauen Umstände des jeweiligen Leerstands zu ermitteln.Da nach Darstellung des Freistaats Bayern für die Landeshauptstadt München keine rechtfertigenden Gründe für die Leerstände ersichtlich waren (vgl. § 4 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ZeS) wurden vom Sozialreferat formelle Anhörungsverfahren – als Voraussetzung für etwaige Anordnungen mit Zwangsgeldandrohungen zur Beendigung einer Zweckentfremdung – durchgeführt.
Parallel zu den Verwaltungsverfahren haben sich Herr Oberbürgermeister Reiter sowie ich mich persönlich beim Freistaat Bayern für ein zügiges Verfahren eingesetzt. Denn Leerstände der öffentlichen Hand sind für Bürger*innen in unserer Stadt schwer nachvollziehbar.
Eine gesonderte statistisch auswertbare Erhebung, ob es sich bei der*dem jeweiligen Eigentümer*in um eine natürliche (Privat-)Person oder um eine (Gebiets-)Körperschaft des öffentlichen Rechts – oder auch um eine juristische Person wie z.B. eine GmbH – handelt, erfolgt mangels rechtlicher Erforderlichkeit für das Verfahren nicht.
Frage 2:
Gab es Fälle von Zweckentfremdung durch weitere öffentliche Eigentümer? Wenn ja, welche und wie viele?
Antwort:
Eine Aufstellung, welche und wie viele Zweckentfremdungen gegebenenfalls durch weitere öffentlich-rechtliche Stellen erfolgten, bedingt einen unverhältnismäßig hohen Rechercheaufwand.
Frage 3:
In wie vielen Fällen und in welcher Höhe wurden bisher Strafen verhängt? Wurden diese auch tatsächlich gezahlt?
Antwort:
Die illegale Verwendung oder Überlassung von Wohnraum für andere als Wohnzwecke stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 500.000 Euro je Wohneinheit geahndet werden kann (vgl. § 14 Abs. 1 ZeS).
Das Bußgeld dient als Sanktionsmittel für eine begangene Ordnungswidrigkeit (in diesem Fall die illegale Zweckentfremdung von Wohnraum).
In nachfolgender Tabelle sind die Höhen der in den vergangenen 10 Jahren im Rahmen entsprechender Ordnungswidrigkeitenverfahren festgesetzten Bußgelder dargestellt.
Bei den aufgeführten Werten handelt es sich um die vom Sozialreferat festgesetzten (verhängten) Beträge. Diese Beträge sind nicht zwangsläufig auch tatsächlich in voller Höhe vereinnahmt worden.
Im Zuge eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen einen Bußgeldbescheid kann die Höhe eines konkreten Bußgeldes gerichtlicherseits neu festgesetzt (gemindert) werden.
Werden rechtskräftig festgesetzte Bußgelder tatsächlich von der*dem Pflichtigen nicht (oder nicht in voller Höhe) entrichtet, werden grundsätzlich entsprechende Maßnahmen zur finanziellen Beitreibung durchgeführt.
Frage 4:
Hat das Sozialreferat bei institutionellen Eigentümern bisher auf Strafen verzichtet?
Wenn ja, warum?
Antwort:
Wie bereits ausgeführt, unterliegt das Sozialreferat dem Grundsatz der Gleichbehandlung.
Der Umstand, wer Eigentümer*in eines Wohnraums ist, hat keine Auswirkungen für das im Falle einer (möglichen) Zweckentfremdung von Wohnraum vom Sozialreferat durchzuführende Verfahren.
Sollte sich im Rahmen der jeweiligen Prüfung ergeben, dass eine illegale Zweckentfremdung vorliegt, werden in jedem entsprechenden Sachverhalt durch das Sozialreferat sowohl verwaltungsrechtliche (zur Beendigungder illegalen Zweckentfremdung) als auch ordnungswidrigkeitenrechtliche Maßnahmen (zur Sanktionierung) vorgenommen.
Frage 5:
Was hat die LHM bewogen, die leerstehenden Wohnungen des Freistaats in Hartmannshofen auf eigene Kosten wieder in Stand zu setzen (siehe Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 09647) statt wie in § 13 (3) der Wohnraumzweckentfremdungssatzung (ZeS) vorgesehen, dies dem Freistaat als Eigentümer anzuordnen?
Antwort:
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 ZeS kann durch das Sozialreferat eine Instandsetzung unbewohnbaren Wohnraums angeordnet werden, wenn diese mit
einem vertretbaren Aufwand möglich ist.
Der Erlass einer solchen Anordnung ist durch das Sozialreferat im Falle der angesprochenen sitzungsvorlagengegenständlichen Anwesen (von Ihnen angesprochene Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 09647) nicht erfolgt, da die Voraussetzungen für eine solche Anordnung nicht gegeben sind.
Es handelt sich bei den betreffenden Immobilien nicht um unbewohnbaren Wohnraum.
Die gegenständlichen, vom Freistaat Bayern zur Nutzung übernommenen, Häuser weisen bei der Übernahme vielmehr einen bewohnbaren Zustand auf.
Mit den in vorgenannter Sitzungsvorlage verwendeten Begriffen „Instandsetzung“/„Instandhaltung“ sind Reparaturen kleineren Umfangs im laufenden Betrieb gemeint und keinesfalls Arbeiten größeren Ausmaßes, die erst die Voraussetzungen für die beabsichtigte Nutzungsaufnahme schaffen würden.
Zusammenfassend wird festgestellt, dass das Sozialreferat den Freistaat Bayern aus den dargestellten Gründen keinesfalls „verschont“, sondern alle Prüfungen und Verfahren ohne Rücksichtnahme auf die rechtliche Natur der*des Eigentümer*in durchführt.
Ich hoffe, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.