Dawonia-Leerstand I: Ungererstr. 96, 98, 100 und Luxemburger Str. 2, 4
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 14.9.2022
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 14.9.2022 führen Sie Folgendes aus:
„Die Wohnanlage der Dawonia (früher GBW) in der Ungererstr. 96, 98,100 und Luxemburger Str. 2, 4 in Schwabing-Freimann soll nach Aussagen von Bewohner*innen abgerissen werden. Die insgesamt 60 Wohnungen sind aus der gleichen Bausubstanz wie die Wohnblöcke der Dawonia entlang der Luxemburger und Stengelstraße, die in zwei Bauabschnitten in den letzten Jahren modernisiert wurden. Durch diese Maßnahmen und angekündigte Mieterhöhungen, durch die sich die Mieten verdreifachen sollten, wurde dort ein Großteil der Mieterschaft schon vertrieben. Der Plan der Dawonia scheint nun zu sein, den restlichen Wohnblock abzureißen und durch Eigentumswohnungen im Luxussegment zu ersetzen. Eine soziale und auch eine ökologische Katastrophe angesichts der grauen Energie, die eine solche Maßnahme verschwendet. Jedoch gilt für Mieter*innen, die zum Zeitpunkt der Privatisierung mindestens 60 Jahre waren, ein lebens- langer Kündigungsschutz durch die Sozialcharta. Immer mehr Wohnungen stehen im Wohnblock leer oder werden vorübergehend von Bauarbeitern belegt. Der Leerstand soll in Teilen schon seit Jahren bestehen. Die Dawonia ist für ihre gnadenlose Profitmaximierung auf dem Rücken der Mieter*innen bekannt. Seit der Privatisierung der ehemals landeseigenen Wohnungen für einen Spotpreis im Jahr 2013 durch den heutigen Ministerpräsidenten Markus Söder wurde eine Vielzahl an Mieter*innen verdrängt. Die ärgsten Befürchtungen der Gegner*innen der Privatisierung wurden noch übertroffen. Durch Modernisierungen, permanente Mieterhöhungen oder Aufteilung in Eigentumswohnungen nutzt die Dawonia alle Möglichkeiten, um die maximale Wertschöpfung aus ihrem Wohnungsbestand herauszuholen. Gleichzeitig ist die Dawonia dafür bekannt, nur sehr wenig Geld für die Instandhaltung in die Hand zu nehmen, da dies den Profit schmälert. Die Privatisierung von 32.000 Wohnungen bleibt eine Ursünde der damaligen Landesregierung. Es gilt nun alles dafür zu tun, die verbliebenen Bewohner*innen zu schützen und der Wohnungsspekulation in der Landeshauptstadt München ein Ende zu bereiten.“
Auf Grund der Komplexität der Anfrage waren Stellungnahmen mehrerer Referate erforderlich. Eine fristgemäße Bearbeitung war daher nicht mög-lich. Dies wurde mit Schreiben vom 20.9.2022 mitgeteilt. Für die Fristverlängerung bedanke ich mich.
Zu Ihrer Anfrage vom 14.9.2022 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Wurde der beschriebene Leerstand über den städtischen Leerstandsmelder angezeigt? Welche Kenntnisse hat die Stadt München über den bestehenden Leerstand? Wie hat sich dieser entwickelt?
Antwort:
Die Dawonia Management GmbH stellte einen Antrag auf Abbruch der Anwesen Ungererstraße 96, 98, 100 und Luxemburger Straße 2, 4. Dadurch wurden die Leerstände selbst durch die Antragstellerin angezeigt. Der Landeshauptstadt München ist der bestehende Leerstand bekannt. Mit Bescheid vom 4.8.2020 musste der Antrag auf Abbruch von Wohnraum abgelehnt werden, da kein zuverlässiges Angebot von Ersatzwohnraum vorgelegt werden konnte. Die Dawonia Management GmbH bot als Ausgleichsmaßnahme für den durch Abbruch verlorengehenden Wohnraum einen Ersatzwohnraum durch Errichtung eines Neubaues auf demselben Grundstück an. Ein verlässliches Angebot zur Errichtung von Ersatzwohnraum liegt dann vor, wenn sich seine öffentliche-rechtliche Zulässigkeit aus prüfbaren Unterlagen ergibt. Ein verlässliches Angebot liegt ausschließlich bei einem genehmigten beziehungsweise genehmigungsfähigen Bauantrag vor, da hierzu ein konkretes Bauvorhaben benannt und bewilligt wird beziehungsweise wurde. Bisher stellte die Dawonia Management GmbH nur einen Antrag auf Vorbescheid, ein verlässliches Angebot für den Ersatzwohnraum kann darin nicht überprüft werden. Bei dem bestehenden Leerstand handelt es sich nach Kenntnis der Landeshauptstadt München um gerechtfertigten Leerstand, siehe Antwort auf Frage 2 und 3.
Frage 2:
Ist die Stadt dem Leerstand nachgegangen? Welche Maßnahmen hat die Stadt bisher ergriffen, um den Leerstand zu beenden? Falls keine Maßnahmen ergriffen wurden: weshalb nicht?
Antwort:
Die Landeshauptstadt München ist dem Leerstand nachgegangen und hat entsprechende Stellungnahmen und Nachweise der Eigentümerin angefordert und erhalten. Die Leerstände werden vom Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration, geprüft und auf Einhaltung der öffentlich-rechtli-chen Vorschriften überwacht. Leerstände sind dann nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 Vollzug der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) gerechtfertigt und nicht zu beanstanden, wenn der Wohnraum aufgrund geplanter Umbaumaßnahmen vorübergehend leersteht beziehungsweise abgebrochen werden soll. Bedauerlicherweise verlängern Rechtsstreite das Baugenehmigungsverfahren. Dieser Umstand ist in die Betrachtung, ob Maßnahmen (z.B. eine Wiederbelegungsanordnung) erlassen werden können, mit einzubeziehen. Nach derzeitigem Sach- und Rechtsstand sind Maßnahmen von Seiten des Sozialreferates, Amt für Wohnen und Migration, nicht möglich.
Frage 3:
Liegt für den Wohnblock ein gültiger Bauantrag vor und wann wurde dieser genehmigt? Welche Maßnahmen beinhaltet ein solcher Bauantrag? Wurde für das Objekt eine Abrissgenehmigung beantragt und genehmigt?
Antwort:
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung teilt dazu mit:
Für die Anwesen Ungererstraße 96, 98, 100 und Luxemburger Straße 2, 4 liegt aktuell kein gültiger Bauantrag vor. Für die Anwesen wurde mit Antrag vom 19.1.2021 in der Fassung vom 20.5.2021 ein Antrag auf Vorbescheid gestellt und am 4.8.2021 vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung, Lokalbaukommission, ein Vorbescheid für den Neubau einer Wohnanlage mit Tiefgarage erlassen. Gegen den Vorbescheid wurde durch den Nachbarn Klage erhoben. Dadurch hat sich die Planung des Bauprojekts verzögert. Der Rechtsstreit ist noch anhängig.
Die Dawonia Management GmbH teilte mit, dass sie davon ausgeht den rechtshängigen Rechtsstreit mittels Prozessvergleich zu beenden und den Bauantrag sowie den Antrag auf Genehmigung der Zweckentfremdung im ersten Quartal 2023 zu stellen. Aktuell ist für das Objekt keine Abrissgenehmigung beantragt und genehmigt.
Das Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration, wird das Verfahren weiterhin engmaschig überwachen. Sollten sich ungerechtfertigte Verzögerungen im Verfahren ergeben, die von der Dawonia Management GmbH zu vertreten sind, wird unverzüglich der Erlass einer entsprechenden Wiederbelegungsanordnung eingeleitet.
Frage 4:
Ist der Stadt bekannt, ob anstelle von günstigem Wohnraum teure Eigentumswohnungen entstehen werden, die für den übergroßen Teil der Gesellschaft nicht bezahlbar sind?
Antwort:
Gemäß Vorbescheid vom 4.8.2021 hat die Dawonia Management GmbH in einer Absichtserklärung vom 27.7.2021 bestätigt, dass im Baugenehmigungsverfahren 40 % der zu befreienden Geschossfläche für sozialen Wohnungsbau umgesetzt wird. Ob zusätzliche Eigentumswohnungen entstehen sollen, ist nicht bekannt. Die Anwesen liegen nicht im Umgriff einer Erhaltungssatzung, so dass die Begründung von Wohnungseigentum nicht dem Genehmigungsvorbehalt nach § 172 Abs. 1 Satz 4 Baugesetzbuch (BauGB) unterliegt.
Frage 5:
Ist der Stadt bekannt, ob in der Wohnanlage Menschen wohnen, die zum Zeitpunkt der Privatisierung (Mai 2013) mindestens 60 Jahre waren und deswegen nach der Sozialcharta ein lebenslanges Wohnrecht besitzen?
Antwort:
Ob und wie viele Menschen in der Wohnanlage zum Zeitpunkt der Privatisierung 60 Jahre waren, ist nicht bekannt und auch nicht mehr ermittelbar. Die Sozialcharta ist zudem im Zweckentfremdungsrecht nicht maßgeblich, da diese nur das privatrechtliche Verhältnis zwischen der Dawonia Management GmbH und den Mieter*innen betrifft. Eine Einflussnahme auf miet-/privatrechtliche Belange ist mit Hilfe des Zweckentfremdungsrechts nicht möglich.
Frage 6:
Wie hoch beziffert die Stadt München den Bodenwertzuwachs des gesamten Grundstückes vom Zeitpunkt der Privatisierung der GBW 2013 bis heute?
Antwort:
Das Bewertungsamt teilt hierzu mit:
Der konkrete Bodenwertzuwachs kann nur im Rahmen von ausführlichen Verkehrswertgutachten ermittelt werden. Die dazu notwendigen Unterlagen sind jedoch nicht verfügbar.
Hilfsweise sind in nachfolgender Tabelle die Höhe der Bodenrichtwerte zum Zeitpunkt 31.12.2012 bzw. 1.1.2022 zu entnehmen:
Zur Erläuterung: die Angabe 1400/1,0 M bedeutet, dass der Bodenrichtwert (BRW) hier 1.400 Euro pro m² Grundstück betrug, bei der Nutzungsart M (Geschossbaugebiet) und bei der wertrelevanten Geschossflächenzahl 1,0.