Die Vollversammlung des Stadtrats hat heute über den städtischen Haushalt 2024 sowie über das aktuelle Mehrjahresinvestitions- programm 2023-2027 beraten. Die Haushaltsrede von Oberbürgermeister Dieter Reiter hat folgenden Wortlaut:
„Bei der mittlerweile zehnten Haushaltsrede wäre man versucht, frei nach Miss Sophie aus ,Dinner for One‘, zu sagen: ,Same procedure as every year‘. Aber dieses Jahr ist es nicht so wie in jedem Jahr. Zumindest nicht, was die Zahlen und Fakten des Haushalts 2024 betrifft. Ganz deutlich gesagt: Auch wenn wir durch einige Konsolidierungsmaßnahmen den Überschuss aus laufender Verwaltungstätigkeit noch auf 116 Millionen Euro erhöhen konnten und der Haushalt insgesamt genehmigungsfähig ist: Dies ist, seit ich Oberbürgermeister bin, der Haushaltsentwurf, der mich persönlich am wenigsten zufrieden stellt.
Aber, und das möchte ich schon auch gleich betonen, weil es ja seit kurzem nicht mehr selbstverständlich ist: Mein Kämmerer legt Ihnen heute auf jeden Fall, trotz aller Schwierigkeiten, wie immer einen verfassungskonformen Haushaltsentwurf vor.
Wir müssen also keine neuen Wortschöpfungen bemühen, keine Schulden verstecken, damit heute ein genehmigungsfähiger Haushalt vorgelegt wird, der der Prüfung durch die Regierung von Oberbayern auch sicher standhalten wird.
Und ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Ich bin froh, dass ich mich da auf meine Kämmerei und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlassen kann, auf Christoph Frey ebenso wie damals auf seinen Vorgänger Ernst Wolowicz. Das ist für mich als den politisch Verantwortlichen ein gutes Gefühl, das Olaf Scholz übrigens sicher auch gern hätte. Aber ich gebe meinen Kämmerer auf keinen Fall her, nur damit das klar ist.
Wir hatten uns als Finanzziel vorgenommen, jedes Jahr einen mittleren, dreistelligen Millionenbetrag aus laufender Verwaltungstätigkeit zu erwirtschaften. Und die prognostizierten Einnahmen wären dazu durchaus geeignet. Leider sind wir davon dennoch ziemlich weit entfernt. Das hat natürlich unter anderem auch mit der weiterhin bestehenden weltpolitischen Lage zu tun. Der verbrecherische Angriffskrieg von Putin auf die Ukraine hält an, das unmenschliche Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer hält an. Und die Auswirkungen auf München werden auch 2024 anhalten: Unterbringung und Betreuung der Geflüchteten, Hilfe an unsere Partnerstadt Kyiv, etwas abgeschwächte, aber dennoch auch für 2024 zu erwartende Inflation und hohe Energiepreise.
Und im Oktober dann der unfassbare Terrorangriff der Hamas auf Israel. Ich bin dankbar, dass der Stadtrat bei beiden Themen klare Haltung zeigt: Wir stehen in uneingeschränkter Solidarität an der Seite Israels und der Ukraine – und insbesondere natürlich unserer Partnerstädte Be‘er Sheva und Kyiv.
Und wir reden nicht nur, sondern wir unterstützen und helfen aktiv. Und das wird auch in 2024 Geld kosten – Geld, das wir als Freunde einfach ausgeben müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wenn man sich den Haushaltsentwurf ansieht, sieht man recht deutlich, dass wir uns über die Einnahmeseite wirklich nicht beschweren können. Knapp 9 Milliarden Euro Einnahmen, das ist geradezu fantastisch.
Und an dieser Stelle gilt mein Dank ganz besonders den Münchner Unternehmen, den vielen kleinen und mittelständischen Betrieben ebenso wie den DAX-Konzernen – und natürlich auch den Münchner Bürgerinnen und Bürgern. Sie alle sorgen mit ihren Steuerzahlungen dafür, dass die Einnahmenschätzung trotz der allgemeinen negativen Wirtschaftsstimmung und eher schlechten Prognosezahlen auch für 2024 erfreulich hoch ist. Dass sich München diesem negativen Deutschlandtrend widersetzt, liegt an unseren sehr guten Rahmenbedingungen,
-an einem insgesamt wirtschaftsfreundlichen Klima,
-an guter Industriepolitik,
-einer boomenden Start-Up-Szene,
-daran, dass wir seit vielen Jahren die sicherste Großstadt Deutschlands sind und
-auch an einer guten und zuverlässig funktionieren Verwaltung. Dies jedenfalls bestätigen mir die Vorstände der größten Unternehmen regelmäßig bei unseren Treffen. Und ich werde als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München auch weiterhin alles dafür tun, dass dies so bleibt!
Die Einnahmeseite weiter zu verbessern, wird insgesamt schwierig. Ich will keine Steuersätze erhöhen und die Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger Münchens zusätzlich belasten – weder bei der Gewerbesteuer, weil wir da seit Jahren zwar für die Unternehmen verlässlich, aber trotzdem auf relativ hohem Niveau liegen. Noch bei der Grundsteuer, weil diese Erhöhung letztlich die Mieterinnen und Mieter zahlen würden, was bei unserem Mietniveau nicht vertretbar ist.
Leider verhindert die Staatsregierung aus rein opportunistischen Gründen die Einführung einer Bettensteuer. Mit der Bettensteuer – die uns, davon bin ich überzeugt, an die hundert Millionen jährlich einbringen würde – könnten wir das tun, was die Regierung von Oberbayern ausdrücklich fordert: unsere Einnahmeseite verbessern. Und das, ohne die Münchnerinnen und Münchner oder unsere Unternehmen nennenswert zu belasten. Die Begründung der Staatsregierung – nach Einführung einer solchen Steuer würden weniger Menschen bei uns übernachten – ist einfach nur lächerlich und deutschlandweit bereits mehrfach widerlegt.
In Hamburg beispielsweise, auch keine so ganz kleine Stadt, auch eine Stadt mit touristischem Umland, sind die Übernachtungszahlen nach Ein- führung einer Übernachtungssteuer 2013 sogar um neun Prozent gestiegen! Soviel zur Begründung des Freistaats. Deshalb bin ich auf die gerichtliche Auseinandersetzung gespannt.
Und dann kommt der Bund mit seinem Wachstumschancengesetz um die Ecke. Das ist grundsätzlich ja keine schlechte Idee. Aber es geht halt zu Lasten der Kommunen – bei der Gewerbesteuer bedeutet das für München Mindereinnahmen von bis zu 150 Millionen Euro jährlich. Ich werde alles versuchen, zusammen mit anderen Städten und den kommunalen Spitzenverbänden diese Belastung der Kommunen zu verhindern und hoffe hier auch auf die Unterstützung des Bundesrates.
Also bei den Einnahmen geht für 2024 eher wenig zusätzlich. Daher müssen wir auch an die Ausgabenseite ran, das ist ja nichts Neues. Darauf habe ich ja auch schon in meiner Haushaltsrede letztes Jahr hingewiesen und Sie, liebe Stadträtinnen und Stadträte, um entsprechende Einspar-Vorschläge gebeten. Wenig überraschend kamen da entweder gar keine oder die immer gleichen, wenig zielführenden Vorschläge:
Die CSU wird jetzt sicherlich sagen: Beerdigt die Tram-Westtangente mit ihren knapp 500 Millionen Euro Kosten. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wäre ziemlich absurd. Sowohl verkehrspolitisch als auch finanzpolitisch. Die Verkehrswende funktioniert nicht durch Einsparungen beim ÖPNV, sondern durch verstärkte Investitionen in neue Linien. Außer man provoziert ein Desaster wie der Freistaat bei der S-Bahn – das wollen wir aber nicht.
Aktuell kommt man bei der Berechnung des Nutzen-Kosten-Indikators für die Tram-Westtangente, der wesentlich für die verkehrliche Sinnhaftigkeit auf der einen Seite und für die Förderung des Projektes auf der anderen Seite ist, auf einen Wert von 1,78! Das ist eines der besten Ergebnisse bei Neubauprojekten der vergangenen 20 Jahre! Und er führt nicht nur zu einer Förderung von vermutlich knapp 90 Prozent. Es verdeutlicht auch den sehr hohen gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Tram-Westtangente.
Bei der doch auch von der CSU geliebten U5 nach Pasing können wir von solchen Werten (und von entsprechenden Förderungen) nur träumen. Und trotzdem treiben wir das Projekt voran, weil wir die Stärkung des ÖPNV für die Zukunft unserer Stadt dringend brauchen.
Ja, und sicherlich kommt dann nachher, wie jedes Jahr, auch wieder das beliebte Thema Ausgaben für den Radverkehr. Weil dies ja ein Thema ist, bei dem ein Teil des Hauses immer sagt, dass wir viel zu wenig ausgeben, ein anderer Teil, dass wir viel zu viel ausgeben, habe ich die Kolleginnen und Kollegen von der Kämmerei in diesem Jahr wieder rechnen lassen. Hören Sie bitte gut zu:
Für den Radverkehr beschließen wir heute voraussichtlich nach 20 Millionen in 2023 mehr als das Doppelte, nämlich 44 Millionen für 2024. Und jetzt können Sie in Ihren Wortbeiträgen wieder – wie in jedem Jahr – dies für zu viel oder zu wenig halten. Ich persönlich halte dies in Anbetracht der notwendigen Investitionen in die Sicherheit und den Ausbau unseres Radwegenetzes für angemessen und hoffe, dass davon auch möglichst schnell möglichst viel möglichst effektiv umgesetzt wird. Schaut man sich die Ausgabenseite an, sieht man, dass vor allem die Tarifsteigerungen, die Inflation und weiter steigende Aufwendungen bei der Flüchtlingsunterbringung für steigende Ausgaben sorgen. Wo wir sicherlich nichts sparen wollen und werden ist bei unserem Personal. Auch wenn die jetzt vereinbarten Tarifsteigerungen alleine 2024 den Haushalt um 200 Mio. Euro belasten. Das Geld ist gut angelegt, denn wir brauchen unsere Beschäftigten und wir müssen Ihnen auch in Zeiten des Fachkräfte- und Personalmangels weiterhin einen attraktiven Arbeitsplatz bieten. Das hat natürlich nicht nur mit der Entlohnung zu tun, aber das ist zweifellos im Vergleich mit sonstigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern ein wichtiger Faktor.
Insgesamt haben wir, der Personalreferent wird es sicherlich nachher noch genauer ausführen, seit dem Beginn meiner Amtszeit 8.000 neue Stellen geschaffen. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, die allermeisten davon mit einem einstimmigen Votum oder großen Mehrheiten des Stadtrates. Und ich stehe auch dazu, dass dies notwendig und richtig war, um unseren Service für die Münchnerinnen und Münchner zu verbessern und auszuweiten.
Klar dürfte aber auch sein: Bei der derzeit absehbaren Haushaltssituation müssen wir uns spätestens bei der Planung für den Haushalt 2025 vornehmen, so gut wie keine neuen Stellen mehr zu schaffen. Es macht auch schlicht keinen Sinn, immer neue Stellen zu schaffen, die wir dann eh nicht besetzt bekommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
diese Regierung hat einen Haushalt aufgestellt, mit dem die wichtigen Anliegen der Menschen in unserer Stadt zielgerichtet angegangen werden. Schul- und Kitabau, soziale Hilfen, bezahlbares Wohnen, Ausbau und Sanierung des ÖPNV. Dies sind alles zentrale, wichtige Maßnahmen für eine solidarische Stadtgesellschaft. Ich hoffe, da gibt es auch zwischen den unterschiedlichen Fraktionen einen großen Konsens und die meisten dieser Maßnahmen sind unstrittig.
Rund 2,35 Milliarden Euro investieren wir mit vorliegendem Haushaltsentwurf 2024! Das ist eine gigantische Summe. Und es ist richtig! Wir müssen auch weiterhin in die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder investieren und auch in den nächsten Jahren neue Schulbauten, wie den Bildungscampus in Riem, fertigstellen und auch bestehende Gebäude erneu- ern. Insgesamt wurden aus der Schul- und Kitabau-Offensive 2023 weitere 14 Projekte fertiggestellt! Gut so!!
Wir investieren weiterhin in den Ausbau des ÖPNV, so wie wir 2023 die U5 nach Pasing vorangebracht haben.
Wir tun alles, um den Münchnerinnen und Münchnern, die es am Nötigsten haben, zu helfen. Zum Beispiel mit dem auch 2024 fortbestehenden Wärmefonds. Wir verlängern den Mietenstopp in städtischen Wohnungen und kaufen wie am Hohenzollenkarree Wohnungen, um die Münchnerinnen und Münchner vor drastischen Mietsteigerungen und dem Rauswurf aus ihren Wohnungen zu schützen.
Trotz der vom Kämmerer vorgeschlagenen Konsolidierungen im MIP planen wir den höchsten Investitionsbetrag, der jemals in einem Mehrjahresinvestitionsprogramm gestanden hat: 12,55 Milliarden Euro. Wir investieren bis 2027 allein 4,35 Milliarden in Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen. Über zwei Milliarden in den Wohnungsbau, fast 1,4 Milliarden in den ÖPNV.
Keine andere Stadt in Deutschland investiert in diesem Ausmaß in die Zukunft ihrer Bürgerinnen und Bürger.
Wenn man sich die für 2024 geplanten Investitionen pro Kopf von München, Augsburg und Nürnberg anschaut – den drei größten bayerischen Städten – dann sind unsere (pro Kopf!) doppelt so hoch wie die von Nürnberg und fast dreimal so hoch wie die von Augsburg.
Aber auch ganz deutlich: Zu diesen Ausgaben und Investitionssummen gehört natürlich auch eine negative Seite, nämlich die dafür notwendige Kreditaufnahme. Der Kämmerer plant für 2024 eine Kreditaufnahme von 1,45 Milliarden Euro. Wir bewegen uns also auf einen Schuldenstand von 5 Milliarden zu. Aber wir tun dies transparent und im klaren Bewusstsein, dass wir dies alles nur dann werden realisieren können, wenn wir uns Zins und Tilgung dafür auch leisten können. Das heißt, um es ganz deutlich zu sagen, dass wir in den nächsten Jahren bei ähnlich hohen Einnahmen wie in 2023 mehr Überschüsse erwirtschaften müssen – oder noch deutlicher, weniger ausgeben können, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und dies ist die finanzpolitische Verantwortung zuallererst natürlich der Regierungsfraktionen, ganz klar.
Aber auch die Oppositionsseite trägt hier einen Teil der Verantwortung: Ständige Anträge, die Fakten ignorieren, oder so tun, als würde das Geld dafür vom Himmel fallen, ständige „Freibier für alle“-Wünsche und Proteststürme bei irgendwelchen notwendigen Gebührenerhebungen – das ist auch keine verantwortliche Finanzpolitik, meine Damen und Herren. Anträge wie „Städtische Kitas bieten Betreuung auch außerhalb der üblichen Bürozeiten unter der Woche und an Wochenenden an“ – klar – wir haben eh Erzieherinnen und Erzieher in Hülle und Fülle, oder? Oder: „kostenloser ÖPNV für alle unter 14 Jahren“, nach dem Motto – ist ja kostenlos, kostet also auch nichts – super Idee – warum nicht gleich für alle kostenlos? Die Liste ließe sich noch deutlich fortsetzen, aber das schenke ich mir jetzt.
Jedenfalls appelliere ich deshalb an Sie alle: Lassen sie uns aufhören, so zu tun, als würden eigene Vorschläge mühelos und ohne Einschnitte in anderen Bereichen realisiert, besser:finanziert werden können. Und die des jeweiligen politischen Mitbewerbers völlig aberwitzig, unfinanzierbar und auch noch absolut unnötig sein.
Lassen Sie uns gemeinsam sachlich und in angemessenem Ton diskutieren und demokratische Entscheidungen treffen – kurz: Lassen Sie es uns hier in München im Sinne der Münchnerinnen und Münchner besser machen als in anderen Parlamenten dieses Landes.
Abschließend möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen der Stadtverwaltung einfach Danke sagen, für das, was sie in 2023 für die Stadt und die Bürgerinnen und Bürger geleistet haben.
Und zu guter Letzt doch noch ein Lob an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich hatte letztes Jahr in meiner Haushaltsrede darum gebeten, sich mit der Antrags- und Anfragenflut im Sinne der Verwaltung etwas zurückzuhalten. Und siehe da: Aktuell liegen wir in 2023 bei 816 Anträgen und Anfragen. In 2022 gab es insgesamt 1063 Anträge und Anfragen.Als Chef der Verwaltung sage ich diesbezüglich: Herzlichen Dank. Und: da geht noch mehr – oder lieber – um Missverständnisse zu vermeiden: da geht auch noch weniger!
Ich wünsche Ihnen allen und allen Menschen, die Ihnen wichtig sind, schöne Weihnachten, ein paar insbesondere besinnliche Tage und ein gesundes und friedliches Jahr 2024.“
Achtung Redaktionen: Weitere Informationen zum Haushalt 2024 mit der Rede des Stadtkämmerers Christoph Frey und der Rede des Personal- und Organisationsreferenten Andreas Mickisch sind abrufbar unter
https://stadt.muenchen.de/infos/haushaltsrede24.html.