Wie verhindert die Stadtverwaltung, dass erneut Schrottimmobilien zu völlig überhöhten Preisen gekauft werden?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Professor Dr. Jörg Hoffmann, Gabriele Neff, Richard Progl und Fritz Roth (FDP BAYERNPARTEI Stadtratsfraktion) vom 24.11.2021
Antwort Kommunalreferentin Kristina Frank:
In Ihrer Anfrage teilten Sie uns mit: „Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 23.11.2021 von der Ausübung eines städtischen Vorkaufsrechts in der Buttermelcherstr. 14. 2019 wurde die Immobilie von der Landeshauptstadt für 11 Millionen Euro erworben, es stellte sich heraus, dass dieses Haus gänzlich marode erworben worden ist. Außerdem bezuschußte die Stadt die Gewofag noch zusätzlich mit 7 Millionen Euro für Investitionen.“
Sie bitten in diesem Zusammenhang um die Beantwortung der folgenden Fragen:
Frage 1:
Wie verhindert die Stadtverwaltung, dass erneut Schrottimmobilien zu völlig überhöhten Preisen gekauft werden?
Antwort:
Die Verwaltung prüft den Sachverhalt hinsichtlich jedes einzelnen Vorkaufsrechtsobjekts innerhalb der eingeschränkt zur Verfügung stehenden Prüfzeit stets sehr sorgsam und unterbreitet dem Stadtrat nach Abschluss der Prüfung einen Entscheidungsvorschlag mit allen relevanten Informationen im Wege einer Beschlussvorlage. Der bauliche Zustand und ggf. vorhandener Sanierungsbedarf ist immer Gegenstand der Beschlussvorlage, insbesondere in den als Anlage beigefügten Stellungnahmen des Sozialreferats (SOZ), der städtischen Wohnungsbaugesellschaft sowie dem vorläufigen Bewertungsgutachten des Bewertungsamts (BewA). So war der schlechte bauliche Zustand des Vorkaufsobjekts Buttermelcherstraße 14 auch Gegenstand aller drei genannten Stellungnahmen. Die GEWOFAG hatte beispielsweise in ihrer Stellungnahme auf einen nach Ersteinschätzung „sehr hohen Instandsetzungsbedarf“ hingewiesen.
Soweit ein Sanierungsbedarf beim jeweiligen Vorkaufsobjekt vorhanden ist, wird dieser vom BewA stets geschätzt und in der gutachterlichen Einschätzung bei der Bestimmung des Verkehrswerts berücksichtigt. Dabei wird in dieser Einschätzung auch stets darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Sanierungskosten deutlich von der Schätzung abweichen kön-nen. So ist dies auch im Fall Buttermelcherstraße 14 erfolgt. Zudem wurde damals durch das BewA auch ein zusätzlicher, verkehrswertmindernder Risikoabschlag wegen der eingeschränkten Besichtigungsmöglichkeiten des Gebäudes angesetzt.
Über die Ausübung des jeweiligen Vorkaufsrechts entscheidet sodann der Stadtrat.
Frage 2:
Wie kann gewährleistet werden, dass innerhalb der Ausübungsfrist die Bausubstanz vertieft überprüft werden kann und nicht nur in Augenschein genommen wird?
Antwort:
Der schlechte Zustand des Gebäudes Buttermelcherstraße 14 wurde seitens des BewA mit hohen Abschlägen i.H.v. 1.730.000 Euro berücksichtigt. Auch in 2021 betrachtet war der Kaufpreis 2019 knapp marktkonform, der aktuelle Bodenwert übersteigt zwischenzeitlich deutlich den Kaufpreis.
Eine vertiefte Prüfung von Immobilien im Sinne einer erschöpfenden, die volle Kubatur in jeder Hinsicht erfassenden Analyse der Bausubstanz ist in der gesetzlichen Frist nicht möglich. Zwingende Maßnahmen für eine Prüfung im marktüblichen Maß (also mit zerstörenden Prüfungen, Messungen der technischen Anlagen, Funktionsprüfungen und mehr als stichprobenartig) wären dafür neben dem Vorhandensein von zusätzlichem technischem und anlagentechnischem Fachpersonal auch noch eine gesetzliche Mitwirkungspflicht der ursprünglichen Vertragsparteien. Derzeit können zudem oftmals nicht alle Wohnungen besichtigt werden, noch stehen alle Unterlagen zur Verfügung.
Frage 3:
Ist es im Zweifelsfall sinnvoller, auf die Ausübung des Vorkaufsrechts zu verzichten als eine Schrottimmobilie zu kaufen?
Antwort:
Es kommt auf den Einzelfall an, ob es sinnvoller ist, auf die Ausübung zu verzichten. In diesem Fall wäre es rein monetär nicht sinnvoll gewesen. In der aktuellen Marktsituation ist häufiger festzustellen, dass der Bodenwert eines freigemachten Grundstücks den Wert eines bebauten Grundstücks übersteigt. Das zeigen im konkreten Fall u.a. Arrondierungsbestrebungen in der Umgebung.Technische oder substanzielle Sachverhalte, die einen Erwerb (unabhängig ob freihändig oder im Wege einer Vorkaufsrechtausübung) als nicht sinnvoll erscheinen lassen, sind dem Grunde nach dennoch grundsätzlich denkbar. Dazu gehören u.a. bestimmte Altlasten im Baugrund oder Schadstoffe im Gebäude genauso wie gewerbemietvertragliche Gegebenheiten.
Auch aus rechtlicher Sicht lässt sich die Frage nicht allgemein, sondern immer nur auf Basis der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantworten. Dabei muss stets das mit der Ausübung des Vorkaufsrechts verfolgte städtebauliche Ziel des Erhalts der angestammten Wohnbevölkerung mit den mit dem Erwerb möglicherweise verbundenen rechtlichen und/oder wirtschaftlichen Risiken – und ggf. besonderen Belangen auf Verkäufer- und Käuferseite – abgewogen werden.
Nach den Festlegungen des Grundsatzbeschlusses vom 15.12.2021 zu den Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9.11.2021 auf die Vorkaufsrechtspraxis in Erhaltungssatzungsgebieten (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 05277) wird der Stadtrat in bestimmten Fällen weiterhin mit der Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts in Erhaltungssatzungsgebieten befasst.
Dies ist insbesondere bei bebauten Grundstücken mit sanierungsrechtlichen Missständen oder Mängeln im Sinne des § 177 Absatz 2 und 3 Satz 1 BauGB (sog. „Schrottimmobilien“) der Fall.
Die Verwaltung informiert den Stadtrat vollumfänglich über alle Gegebenheiten des jeweiligen Vorkaufsrechtsprüfungsfalles, soweit diese in der bei Vorkaufsrechten eingeschränkt zur Verfügung stehenden Prüfzeit ermittelt werden können. Dazu gehören stets auch Informationen über den Zustand des jeweiligen Gebäudes, soweit dieser innerhalb der relativ kurzen Aus-übungsfrist (bis zum 20.6.2021: zwei Monate, danach drei Monate) belastbar ermittelt werden können.
Frage 4:
Wie viele Wohnungen hätte man von dem Geld, das in der Buttermelcherstraße versenkt wurde, im WA1, 2.1 und 2.2 im Werksviertel bauen können?
Antwort:
Vorab ist festzustellen, dass das Werksviertel in guten oder durchschnittlichen Lagen liegt, während die Buttermelcherstraße 14 in einer guten zentralen Lage liegt. Ein lageübergreifender Vergleich fällt im Hinblick auf den immanenten Bodenwertanteil schwer. Die Frage hängt zudem sehr vom Zeitpunkt einer Baumaßnahme ab. Zusammenfassend kann man ab-schätzen, dass in guten und durchschnittlichen Lagen ein Kaufpreis einer Neubauwohnung von ca. 9.300 Euro/m² angesetzt werden musste.
Frage 5:
Wird dem Stadtrat künftig, wie allgemein im geschäftlichen institutionellen Verkehr üblich, ein Verkehrswertgutachten vorgelegt, genauso wie die Ergebnisse einer technischen und Due Diligence Prüfung?
Antwort:
Auch nach Inkrafttreten des Baulandmobilisierungsgesetzes am 21.6.2021 steht der Verwaltung nach dem Gesetz nur eine relativ kurze Prüfungsfrist von drei Monaten ab Eingang des Kaufvertrages bis zur Bekanntgabe eines Ausübungsbescheides zur Verfügung. Die tatsächlich für die Prüfung des Vorkaufsobjekts zur Verfügung stehende Zeit ist deutlich kürzer, da innerhalb der drei Monate die Stadtratsbefassung mit entsprechenden Vorlauffristen und bei einem die Ausübung des Stadtrats befürwortendem Votum des Stadtrats der jeweilige Ausübungsbescheid erstellt und der Verkäufer- und Käuferseite bekanntgegeben werden muss. Zudem bauen die zu erstellenden Gutachten teils in zeitlicher Abfolge aufeinander auf: So benötigen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften vor Anfertigung ihrer eigenen Stellungnahme die Informationen aus den vorher zu erstellenden Stellungnahmen des BewA und des Sozialreferats. So stehen im Ergebnis i.d.R. nur 3,5 Wochen für die jeweilige Prüfung zur Verfügung.
Die dargestellte eingeschränkte Prüffrist unterscheidet die Vorkaufsrechtsprüfung erheblich von der umfassenderen Immobilien-Due Diligence des privaten Geschäftsverkehrs, wo i.d.R. eine größere Zeitspanne zur Verfügung steht und oft auch eine erheblich bessere Datengrundlage zu den Kaufobjekten vorhanden ist.