Ist der Münchner Flughafen vor Attacken der Letzten Generation ausreichend geschützt?
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Rathaus Umschau 32 / 2023, veröffentlicht am 15.02.2023
Ist der Münchner Flughafen vor Attacken der Letzten Generation ausreichend geschützt?
Anfrage Stadtrat Professor Dr. Hans Theiss (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 25.11.2022
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 25.11.2022 führten Sie als Begründung aus: „Gestern hat die sog. Letzte Generation mit einer ‚Klebeaktion‘ den Berliner Flughafen für mehrere Stunden lahmgelegt. Dies ist eine weitere Eskalation bzgl. Attacken auf kritische Infrastruktur.“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen anhand der Stellungnahme der Flughafen München GmbH (FMG) und des Kreisverwaltungsreferats Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Gibt es Hinweise auf Attacken der Letzten Generation oder anderer sog. Klimaaktivisten auf den Münchner Flughafen?
Antwort:
Der FMG lagen zum Zeitpunkt der Anfrage keine konkreten Hinweise auf geplante Aktionen der Letzten Generation oder anderer sogenannter Klimaaktivisten vor. Aufgrund von entsprechenden Ankündigungen in den sozialen Netzwerken und Medien bestand jedoch eine abstrakte erhöhte Gefährdungslage in Bezug auf mögliche Störaktionen. In einer Presseerklärung der Letzten Generation vom 2.12.2022 wurden verstärkte Aktivitäten im Raum München angekündigt; der Münchner Flughafen wurde zu diesem Zeitpunkt nicht explizit genannt.
Am 8.12.2022 sind in der Folge im Bereich der nördlichen Start- und Landebahn am Münchner Flughafen vier Personen in den Sicherheitsbereich eingedrungen und haben sich auf dem Rollfeld festgeklebt, sodass der Flugbetrieb auf der Nordbahn für etwa 45 Minuten unterbrochen werden musste.
Im Bereich der südlichen Start- und Landebahn konnte ein paralleler Störversuch von drei weiteren Aktivisten unterbunden werden. Insgesamt wurden sieben Personen festgenommen.
Frage 2:
Wird der Schutz mittels Sicherheitspersonal, Polizei etc. am Münchner Flughafen so schnell wie möglich oder am besten noch heute verstärkt?
Antwort:
Bereits nach der ersten Störaktion durch Klimaaktivisten am Flughafen Amsterdam am 5.11.2022 wurden, abgestimmt zwischen der FMG, der
Bayerischen Landespolizei sowie der Bundespolizei, vorbeugende Maßnahmen veranlasst (insbesondere verstärkte Überwachung der Umzäunung und der Zufahrtstore in den Sicherheitsbereich). Nach der Störaktion am Flughafen Berlin-Brandenburg am 24.11.2022 wurden weitere ad-hoc-Maßnahmen umgesetzt (insbesondere Prüfung der gesamten Umzäunung und zusätzlicher Personaleinsatz für Bestreifungen durch die Bayerische Landespolizei).
Frage 3:
Wie sollen Aktivisten der Letzten Generation für Schäden in Millionenhöhe, die durch Flugausfälle entstehen, haftbar gemacht werden?
Antwort:
Allgemein stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:
In zivilrechtlicher Hinsicht bestehen dem Grunde nach deliktische Schadensersatzansprüche gegen Personen, die sich an Störaktionen wie am Flughafen München, beteiligen. Behinderungen wie etwa durch Sitzblockaden mittels Festkleben oder Fahrradfahrten auf Flugbetriebsflächen stellen anspruchsbegründende Eigentums- und Besitzstörungen gegenüber der FMG als Eigentümerin und Flughafenbetreiberin sowie auch je nach den konkreten Umständen gegenüber operierenden Airlines und Bodendienstleistern dar. Ob derartige Ansprüche auch einzelnen Passagieren wegen verspäteten oder verpassten Flügen zustehen würden, hängt hingegen von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Auch bei Störaktionen z.B. an den Flughafenzufahrten wären unter Umständen Ersatzansprüche insbesondere der FMG als Flughafenbetreiberin gegeben, sofern die Störungen nachweislich auf eine Beeinträchtigung des Flughafenbetriebes abzielen.
Jeweils entstandene Haftungsansprüche könnten nur gegen die jeweils an einer Störaktion beteiligten Aktivisten geltend gemacht werden. Die Höhe der möglichen Ersatzansprüche hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (insbesondere Art und Dauer der Störung).Etwaig gegebene Haftungsansprüche zugunsten der FMG werden entsprechend den geltenden Unternehmensleitlinien durchgesetzt und gegebenenfalls vollstreckt.
Mit Blick auf die Störaktion am Flughafen München am 8.12.2022 konnte aufgrund des schnellen Eingreifens der Einsatzkräfte der Schaden aus Sicht der FMG (schwerpunktmäßig angefallene Kosten des Einsatzpersonals) auf ein geringes Niveau begrenzt werden. Der entstandene Schadensersatzanspruch wird zivilrechtlich gegen die Beteiligten der Störaktion geltend gemacht und durchgesetzt werden.
Es ist der FMG nicht bekannt, ob zu der fraglichen Zeit am Flughafen München operierende Airlines wegen der erfolgten Störungen Ersatzansprüche prüfen. Es gab in diesem Kontext zwar Verspätungen, aber keine Flugausfälle.
Aktuell wurden beziehungsweise werden ferner Schäden, die durch Aktivisten bei verhältnismäßig kleinen Störaktionen im Februar 2022 verursacht wurden (mehrheitlich angefallene Einsatzkosten), konsequent durch die FMG geltend gemacht. In einem Fall wurde diesbezüglich aufgrund der Ablehnung einer freiwilligen Zahlung eine zivilrechtliche Klage erhoben.
Frage 4:
Fühlt sich die Landeshauptstadt München ausreichend gegen Aktionen der Letzten Generation und Co gerüstet?
Antwort:
Das Kreisverwaltungsreferat hat hierzu Folgendes mitgeteilt:
„Die Aktionen der ‚Letzten Generation‘ haben sich bisher überwiegend auf Blockaden des Kraftfahrzeugverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen beschränkt. Die Aktionen erfolgten in der Regel unangekündigt.
Vor allem unangemeldete Aktionen führen dazu, dass daraus resultierende und nicht bekannte Verkehrsbehinderungen die zeitgerechte Hilfe (Hilfsfrist nach Bayerischen Feuerwehrgesetz und Bayerischen Rettungsdienstgesetz) und die Sicherstellung des zweiten Rettungsweges über Hubrettungsfahrzeuge der Feuerwehr nicht mehr flächendeckend gewährleistet werden können.
Der Schutz kritischer Infrastrukturen liegt zunächst in der Verantwortung des jeweiligen Betreibers. Unabhängig von möglichen Aktionen der ‚Letz-ten Generation‘ kann es jederzeit aus diversen Gründen zu vereinzelten Störungen in Einrichtungen der kritischen Infrastruktur kommen. Die Branddirektion unterstützt die Betreiber bei der Bewältigung von Störungen auf deren Anforderung oder im Rahmen ihrer gesetzlich übertragenen Aufgaben. Ausbildung, Ausrüstung und Einsatzkonzepte werden zudem kontinuierlich auf die sich ändernden Verhältnisse in unserer Gesellschaft angepasst. Der Branddirektion liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch keine Erkenntnisse zu möglichen Aktionen der ‚Letzten Generation‘ vor, die eine Intensivierung der bisherigen Vorbereitungen erforderlich macht.
Weiterhin haben wir das Polizeipräsidium München um Einschätzung gebeten. Hierzu wurde Folgendes mitgeteilt:
‚Das Polizeipräsidium München erhebt und wertet behördenübergreifend ständig Lagebilder/-meldungen aus. Im Bedarfsfall wird Kontakt mit den entsprechenden Betreibern, wie z.B. den Stadtwerken München, Firmen etc., aufgenommen und Schutzmaßnahmen besprochen. Zudem wird im weiteren Verlauf Verbindung zu den jeweiligen Institutionen gehalten. Grundsätzlich sei zu erwähnen, dass die Betreiber im Normalfall selbst für die Sicherung ihrer Einrichtungen verantwortlich sind.
Des weiteren wurde durch das Kreisverwaltungsreferat am 9.12.2022 in vorheriger Abstimmung mit dem Polizeipräsidium München eine Allgemeinverfügung erlassen, welche Versammlungen unter freiem Himmel im Zusammenhang mit Klimaprotesten in Form von Straßenblockaden auf bestimmten Straßen sowie an und auf Bundesautobahnen untersagt, sofern die Anzeige- und Mitteilungspflicht nicht eingehalten wurde. Die entsprechende Durchsetzung erfolgt durch die Polizei.
Konzeptionell ist das Polizeipräsidium München auf das Phänomen ‚Klima-Aktivismus‘ eingestellt und vorbereitet.‘
Wie Sie den Stellungnahmen entnehmen können, stehen die Sicherheitsbehörden im steten Austausch und reagieren lageangepasst auf aktuelle Entwicklungen.“
Ergänzend hierzu kann ich Ihnen zur Lage am Münchner Flughafen noch Folgendes mitteilen:
Die Sicherheitsmaßnahmen am Münchner Flughafen entsprechen den europäischen und nationalen luftsicherheitsrechtlichen Anforderungen, die regelmäßig in Audits und Inspektionen überprüft und bestätigt werden.Die Flughafenumzäunung am Flughafen München entspricht vollumfänglich allen geltenden gesetzlichen Anforderungen des Luft- und Luftsicherheitsrechts sowie den weitergehenden Vorgaben der zuständigen Aufsichtsbehörde (Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr).
Am Flughafen München besteht zudem eine bewährte Zusammenarbeit der FMG mit den zuständigen Sicherheitsbehörden, insbesondere der Bayerische Landespolizei und Bundespolizei. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit wurden aufgrund der oben genannten abstrakten Gefährdungslage wie dargestellt präventive Überwachungsmaßnahmen auf dem und im Umkreis um das Flughafengelände intensiviert.
Dennoch konnte die Aktion der Letzten Generation am 8.12.2022 zwar nicht verhindert, die Störung jedoch durch die koordinierte Zusammenarbeit der Behörden auf ein Mindestmaß reduziert werden, sodass der Flugbetrieb auf der Nordbahn nach einer Unterbrechung von knapp 45 Minuten wieder aufgenommen werden konnte. Die Störaktion führte zu geringfügigen Verzögerungen bei einzelnen Starts und Landungen ohne weiteren Folgen. Allerdings musste ein Flugzeug im Landeanflug, das einen medizinischen Notfall an Bord angemeldet hatte und bereits durch den Rettungsdienst vor Ort erwartet wurde, durchstarten und konnte erst 28 Minuten später auf der südlichen Start- und Landebahn landen. Es kam zu keinen Flugausfällen beziehungsweise größeren Störungen im Terminalbereich.
In der Folge wurde die Bestreifung des Flughafengeländes durch die Konzernsicherheit der FMG, der Bayerischen Landespolizei und der Bundespolizei weiter intensiviert und alle Mitarbeiter operativ tätiger Konzernbereiche sensibilisiert, auf potentielle Störungen zu achten. Alle Sicherheitsmaßnahmen am Münchner Flughafen unterliegen weiterhin einer fortlaufenden Überprüfung und Weiterentwicklung in Zusammenarbeit mit allen beteiligten Akteuren, darunter auch der Bayerischen Landespolizei.