Versorgungssicherheit und Klimaschutz: Mit gutem Beispiel voran III: Energiepartnerschaft zwischen den Stadtwerken München und der Münchner Stadtentwässerung
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Rathaus Umschau 37 / 2023, veröffentlicht am 22.02.2023
Versorgungssicherheit und Klimaschutz: Mit gutem Beispiel voran III: Energiepartnerschaft zwischen den Stadtwerken München und der Münchner Stadtentwässerung
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 13.5.2022
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
Im o.g. Antrag fordern Sie, dass die Stadtwerke München GmbH und die Münchner Stadtentwässerung eine enge Kooperation bei der Erzeugung und Bereitstellung erneuerbarer Energien eingehen sollen.
„Ziele dabei sind:
-Erzeugte Gase, Strom und Wärme gemeinsam mit möglichst hohem Wirkungsgrad zu nutzen und so Kosten und CO2-Ausstoß zu senken.
-Den Versorgungsgrad mit erneuerbaren Energien zu steigern und bei der Unabhängigkeit von Energieimporten einen Schritt weiterzukommen.
-Die Anlagen und Speicher so zu fahren, dass sie beiden Unternehmen als Puffer bei niedrigem Energiebedarf sowie zur Abdeckung von Spitzenlast zur Verfügung stehen.
-Die Eigentumsverhältnisse an Erzeugungsanlagen und Netzen so zu ordern, dass sich Steuerlast, Netzentgelte etc. mindern.
-Die Bereitstellung von Grundstücken für das jeweils andere Unternehmen zur Erzeugung und Bereitstellung von Energie.“
Dabei gehen Sie auch explizit auf die Windenergieanlage auf dem Fröttmaninger Müllberg ein und schlagen vor, das Windrad auf die MSE zu übertragen, welche der SWM im Gegenzug Flächen zur Photovoltaik zur Verfügung stellen könnte.
Ich erlaube mir, Ihren Antrag anstelle einer Stadtratsvorlage als Brief zu beantworten.
Wir haben die Münchner Stadtentwässerung in Abstimmung mit der Stadtwerke München GmbH um Stellungnahme gebeten, die wir Ihnen nachfolgend im Wortlaut wiedergeben dürfen:
„Die Münchner Stadtentwässerung sammelt das Schmutz- und Niederschlagswasser der gesamten Landeshauptstadt München sowie von 29 Umlandgemeinden und reinigt es in zwei Großkläranlagen. Das ist ihre Kernaufgabe der Daseinsvorsorge und dient im Wesentlichen dem Gewässerschutz. Dabei wird konsequent auf die Erzeugung regenerativen Stroms durch die Nutzung des bei der Klärschlammbehandlung anfallenden Faul-gases in den eigenen Blockheizkraftwerken gesetzt. Zur Erhöhung der Stromgewinnung wurden in den letzten Jahren die Anlagen der Faulgasverstromung sukzessiv optimiert und erneuert. Durch die zusätzliche Inbetriebnahme einer Photovoltaikanlage im April 2022 mit einem jährlichen Ertrag von ca. 4,1GWh kann nun der Strombedarf im Klärwerk Gut Großlappen zu über 80% und im Klärwerk Gut Marienhof zu über 90% durch eigenerzeugten Strom klimaneutral gedeckt werden. Mit dem geplanten Ausbau weiterer erneuerbarer Energiesysteme sollen alle in den vorhandenen Prozessen zur Verfügung stehenden Ressourcen selbst genutzt und, auch im Hinblick auf einen steigenden Bedarf durch anstehende weitere Reinigungsanforderungen, eine bilanzielle Stromautarkie für die Abwasserreinigung erreicht werden.
Dies ist für die MSE nicht nur aus Sicht des Klimaschutzes ein wichtiges Ziel. Die Abwasserentsorgung und -behandlung in München zählt zur kritischen Infrastruktur und besitzt Systemrelevanz für eine gesicherte Daseinsvorsorge. Um diese für das Wohlergehen der Bevölkerung so wichtige Dienstleistung aufrechterhalten zu können, wird auf eine möglichst große Unabhängigkeit bei der Stromversorgung gesetzt. Die aktuelle Energiekrise zeigt anschaulich, wie volatil und unsicher sich der Energiemarkt entwickeln kann, und hat dieses Vorhaben weiter gestärkt. Eine gesicherte Eigenenergieversorgung ermöglicht außerdem eine vorausschauende Gebührenpolitik im Hinblick auf Energiepreisschwankungen. Ein weiterer Effekt zeigt sich bei der optimierten Steuerlast im Bereich der Energie- und Stromsteuer sowie den Energieumlagen. So kann z.B. das anfallende Faulgas stromsteuerfrei für die betriebseigenen Anlagen verstromt werden. Durch die Eigenversorgung entfällt darüber hinaus die beim Energieeinkauf anfallende Umsatzsteuer. Diese müsste aufgrund der fehlenden Möglichkeit des Vorsteuerabzugs für hoheitliche Aktivitäten der MSE direkt an die Gebührenzahler*innen weitergegeben werden.
Ergänzend wird aktuell daran gearbeitet, auch die in den Prozessen anfallende Wärme noch effizienter im eigenen Betrieb zu nutzen und einen möglichst hohen Eigenversorgungsgrad, ohne externe zusätzliche Wärmeversorgung, zu erreichen. Neben dem Strom kann dann auch die Wärme optimal da genutzt werden, wo sie entsteht. Lange Transportwege und damit möglicherweise einhergehende Energieverluste werden zudem vermieden.
Die MSE strebt also eine optimale Nutzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen an, um eine Eigenversorgung in den Bereichen Strom und Wärme zu erreichen und somit eine klimaneutrale, sparsame und wirtschaftliche Abwasserreinigung auch in Zukunft sicher gewährleisten zukönnen. Nichtsdestotrotz ist die Kooperation mit einem Energieversorger zur Schaffung von Flexibilitäten und der optimalen Auslegung der Anlagen (z.B. bei Lastspitzen) unerlässlich. Hier arbeitet die MSE seit vielen Jahren im Klärwerk Gut Großlappen, auf städtischem Grund, mit den Stadtwerken München eng zusammen. Technisch bedingte Erzeugungs- und Lastspitzen werden durch die bestehenden Netze gegenseitig ausgeglichen. Für den Photovoltaikpark befindet sich die Überschussstromeinspeisung aktuell in Prüfung und die Rahmenbedingungen werden geschaffen. Außerdem sichern die Stadtwerke durch einen städtischen Rahmenvertrag die noch vorhandene Eigenstromversorgungslücke im Klärwerk ab. Aufgrund der Größe und Auslegung der Anlagen und der Kritikalität der Dienstleistung hat die Münchner Stadtentwässerung jedoch keine offenen Nutzungspotentiale für Dritte und kann nicht als Puffer bzw. Speicher für einen Energieversorger in der Größenordnung der Stadtwerke München auftreten.
Auch im Rahmen der fortwährenden Überlegungen zur zukünftigen Energiebewirtschaftung bei der Münchner Stadtentwässerung besteht ein laufender Austausch mit den Stadtwerken München.
Im Antrag Nr. 20-26/A 02736 wird auch die Bereitstellung von Grundstücken zur Erzeugung von Energie und konkret die Übertragung der 23 Jahre alten Windenergieanlage auf dem Fröttmaninger Müllberg an die Münchner Stadtentwässerung angeregt. Die Windenergieanlage auf dem Fröttmaninger Berg verkauft den produzierten Strom im Rahmen eines mehrjährigen Stromabnahmevertrages (Power Purchase Agreement – PPA) an eine externe Firma. Erst nach Ablauf dieses Vertrages könnte der Strom an die MSE verkauft werden bzw. die MSE diesen (im Falle einer Übertragung) nutzen.
Grundsätzlich sind Flächen, insbesondere für Ver- und Entsorgung, in München rar. Gerade im Klärwerksgelände gibt es kaum mehr zusammenhängende nutzbare Flächen. Die MSE steht in Zukunft vielfältigen neuen Herausforderungen gegenüber. Durch den bekannten und anhaltenden Zuzug nach München und in die umliegenden angeschlossenen Umlandgemeinden müssen die biologischen Entsorgungskapazitäten in den Klärwerken erweitert werden. Dies ist in den bereits beengten Verhältnissen, ganz besonders im Klärwerk Gut Großlappen, eine anspruchsvolle Aufgabe. Daneben werden weitere potenzielle Reinigungsanforderungen erwartet, wie die 4. Reinigungsstufe für die Entfernung von Spurenstoffen und eventuell von Mikroplastik, sowie eine geforderte Reduzierung der Phosphoreinträge. Zuletzt sei noch zu erwähnen, dass für das benannte Ziel der bilanziellen Energieautarkie Flächen für den Ausbau der regenerativen Energie-gewinnung benötigt werden. Im Bereich der Klärwerke stehen also keine freien Flächen zur Verfügung.
Weitere erwähnte Flächen auf Speicherbecken und Kanaltrassen werden aufgrund ihrer Lage im Stadtgebiet meist städtebaulich anderweitig genutzt (z.B. Spielplätze, Veranstaltungsflächen, Parkplätze …). Die Münchner Stadtentwässerung besitzt nur wenige dieser Flächen. Eine Nutzung für Photovoltaik wäre daher primär stadtplanerisch im Einzelfall zu prüfen. Kanaltrassen liegen in der Regel im öffentlichen Straßenraum und können nicht überbaut werden. Bei der Beurteilung des Nutzungspotentials entsprechender Flächen ist zu beachten, dass bei der Planung und Durchführung von Baumaßnahmen im Bereich von Entwässerungsanlagen bestimmte Mindestanforderungen zum Schutz der öffentlichen Abwasseranlage zu berücksichtigen sind (z.B. Einhaltung von Schutzzonen).“
Das RKU hat dieses Schreiben am 8.12.2022 mitgezeichnet.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.