Versorgungssicherheit und Klimaschutz: Mit gutem Beispiel voran
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 12.5.2022
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
Sie beantragen, für nachfolgende Vorschläge eine Neubewertung im Lichte von Krieg, Gas-Notfallplan und Klima-Urteil und begründen Ihren Antrag damit, dass die Fraktion ÖDP/München-Liste diese Ideen als Änderungsanträge für die Beschlüsse zum Klima Grundsatzbeschluss II und zur Studie Klimaneutrale Wärme eingebracht hatte, sie jedoch von der Stadtratsmehrheit abgelehnt wurden. Um die Gas- und Kohle-Importabhängigkeit zu verringern, sollten diese Vorschläge laut Ihrem Antrag erneut überdacht werden.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, teilen wir Ihnen auf diesem Wege zu Ihrem Antrag Folgendes mit.
Zu Ihrem Vorschlag Nr. 1 nehmen das Referat für Klima- und Umweltschutz sowie das Referat für Stadtplanung und Bauordnung (GEWO- FAG, GWG) wie folgt Stellung:
1. Für den städtischen Wirkungsbereich wird ein sofortiger Planungsstopp von Gasheizungen beschlossen, auch für den Baubestand.
Im Neubau auf städtischem Grund oder bei der Vergabe städtischer Grundstücke werden bereits jetzt standardmäßig Festsetzungen im Bebauungsplanverfahren getroffen, die den Einsatz von Erdgas ausschließen (vgl. Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 03873 vom 7.7.2021, Beschlusspunkt 4; Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 03873 vom 18.12.2019, Beschlusspunkt 3a).
Im Baubestand sind aus rechtlicher Sicht insbesondere Fragen des Bestandsschutzes und der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zu berücksichtigen. Kürzlich ist ein Rechtsgutachten vergeben worden, das die kommunalen Möglichkeiten beleuchtet, den Einsatz von fossilen Energieträgern auch im Bestand zurückzudrängen (vor allem über Verbrennungsbeschränkungen, vgl. Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V05040 vom 19.1.2021, Beschlusspunkt 9). Dabei werden verschiedene Differenzierungen von Plangebieten beleuchtet (neu überplante Gebiete, Gebiete mit bestehenden Bebauungsplänen, unbeplanter Innenbereich). Das Gutachten wird vom Referat für Klima- und Umweltschutz zusammenmit dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung (HA II) betreut. Über die Ergebnisse wird im Rahmen der weiteren Beschlussvorlage(n) zur kommunalen Wärmeplanung berichtet werden.
Das Referat für Klima- und Umweltschutz verweist im Hinblick auf Frage 1) auch auf seine kürzlich veröffentlichte Stellungnahme zum Stadtratsantrag Nr. 20-26 A 02741 „Versorgungssicherheit und Klimaschutz: Mit gutem Beispiel voran VIII: Erdgas als Auslaufmodell“ vom 13.5.22.
Die GEWOFAG plant bereits seit Mitte 2022 keine neuen gasbetriebenen Heizungsanlagen. Notwendige Instandsetzungen und Wartungen
bereits bestehender gasbetriebener Heizanlagen in Bestandsgebäuden werden jedoch noch durchgeführt.
Weiter teilt die GEWOFAG mit, dass erste Erfahrungen aus Umsetzungsprojekten Einschränkungen bei der Umstellung großer Wohngebäude auf Luftwärmepumpen erkennen lassen. Aufgrund der Größe der Wohngebäude werden in diesem Falle effektivere, monovalent eingesetzte Wasserwärmepumpen favorisiert, welche nach Ansicht der GEWOFAG aber nicht zu einem massiven Anstieg der Heizkosten für die Mieterschaft führen sollten. Die GEWOFAG sucht in jedem Einzelfall nach machbaren technischen Antworten für die unterschiedlichsten Gebäudetypologien, Rahmenbedingungen und Anforderungen.
Die GWG München plant bei der Entwicklung künftiger Bauprojekte sowohl in der Bestandssanierung als auch im Neubau nicht mehr mit dem Einbau von Gasheizungen. Vielmehr ist der Anschluss an das Fernwärmenetz der SWM oberste Priorität. Wo dies grundsätzlich möglich ist, prüft die GWG München zur Wärmeversorgung vor allem den Einsatz von Wärmepumpen bzw. Solarthermie.
Die GWG München hält jedoch einen Einbaustopp von Gas-Heizungen auch im Bestand für kontraproduktiv. Wie bereits ausgeführt, rüstet die GWG München möglichst viele Bestandsgebäude auf Fernwärme um. Bei Gebieten, bei denen ein Fernwärmeausbau durch die SWM erst mittelfristig geplant ist, können aber Lücken in der Wärmeversorgung entstehen, die die GWG München füllen muss. Sollte der Einbau von Erdgaskesseln verboten werden, müssten zunächst Wärmepumpen oder Biomasse eingebaut werden, obwohl später ein Fernwärmeanschluss möglich wäre. Dies wäre mit höheren Installationskosten verbunden und würde dazu führen, dass zusätzlich die Wohnungen energetisch modernisiert werden müssten, damit sich die Wärmequelle lohnt. Nach Auskunft der GWG München ist eine Wärmepumpe in einem Altbau zwar technisch in der Lage diesen zu heizen, jedoch mit einergeringen Jahresarbeitszahl. Die baulichen Maßnahmen für eine solche Zwischenlösung würden zusätzliche Kosten generieren, wodurch indirekt die Umstellung auf Fernwärme eingeschränkt werden würde.
Zu den Vorschlägen Nr. 2 bis Nr. 11 nimmt die Stadtwerke München GmbH, teils ergänzt durch das Referat für Klima- und Umweltschutz, wie folgt Stellung:
2.Die Nutzung von Biomasse als Wärmeenergieträger wird in der Wärmestrategie nicht vollständig ausgeschlossen, sondern an die Bedingung geknüpft, dass nur heimisches bzw. zertifiziertes Substrat eingesetzt werden darf und ein Mindestwirkungsgrad erreicht wird.
Es ist nicht klar, ob sich die Frage auf dezentrale oder zentrale Anlagen bezieht. In der Studie „Klimaneutrale Wärme München 2035“ werden im Fernwärmenetz im Szenario „Fokus Fernwärme“ 3 Biomasse-Anlagen für die zentrale Wärmeversorgung (im dezentralen Bereich werden diese aufgrund der Feinstaub- und Anliefer-Problematik ausgeschlossen) angesetzt. Die SWM führen gerade eine Ökobilanz-Studie zur Biomasse durch, so wie vom Stadtrat gewünscht. Für die Verbrennung in den Biomasse-Anlagen ist heimisches Wald-Restholz und -Schadholz angedacht, wofür keine stoffliche Nutzung möglich ist.
3.Die Finanzierungskosten für neue Geothermieanlagen werden mit Amortisationen von 20, 30 und 40 Jahren versehen. Beim Kostenvergleich mit anderen Systemen werden jeweils die Vollkosten, vor allem die Kosten zur Energiebeschaffung über den jeweils gleichen Zeitraum von 20, 30 und 40 Jahren betrachtet.
Die Fragestellung ist nicht ganz klar und vermischt diverse wirtschaftliche Sichtweisen. Bei den Abschreibungen von Investitionsgütern halten die SWM selbstverständlich die Vorgaben des HGB ein. Bei der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit von Neuinvestitionen (nicht nur, aber natürlich auch in Geothermie) werden grundsätzlich Kostenvergleiche (Szenarien) mit allen Kostenbestandteilen durchgeführt. Dies beinhaltet explizit auch die Kosten für Energiebeschaffung und Abgaben darauf. Wesentliche Voraussetzung für eine wirtschaftlich darstellbare Umsetzung der Wärmewende mit Ausbau der Tiefen-Geothermie ist die Förderung aller Maßnahmen in Höhe von 40% der Gesamtinvestitionen für Erzeugungsanlagen und Netze im Rahmen des BEW-Förderprogramms.
4.Die Ausschöpfung des vollen Potentials der möglichen 16 Geothermieanlagen im Bereich der Münchner Fernwärme (Stand: März 2012) ist um fünf Jahre vorzuziehen und mindestens bis 2035 fertig zu stellen.
Wie in vielen Anfragen bereits klargestellt, ist die im Jahr 2012 (vor zehn Jahren!) vorgestellte Planung von 16 Geothermie-Anlagen längst nicht mehr die konkrete Planungsgrundlage der SWM. Dies hat diverse bereits mehrfach dargelegte Gründe, die sich aus der technologischen und strategischen Weiterentwicklung der letzten zehn Jahre ergeben haben.
Der letzte Stand der Ausbaustrategie wurde im Rahmen der Studien Ende 2021 vorgestellt und in den Stadtratsbeschlüssen Anfang des Jahres 2022 bestätigt und mit konkreten Aufgaben an die SWM versehen. Die SWM entwickeln die Geothermie-Strategie laufend weiter, mit dem Ziel, sowohl den Anteil der Geothermie weiter zu steigern, als auch die Umsetzung der konkreten Projekte zu beschleunigen. Dazu ist auch ein enger Austausch mit der Verwaltung der LHM entstanden.
5.Um eine künftige Abhängigkeit von Wasserstoff zu reduzieren, werden weitere Anlagen, die für Grund- und Mittellast konzipiert sind und mit gasförmigen Brennstoffen betrieben werden, zu Gunsten eines beschleunigten Ausbaus der Geothermie nicht mehr errichtet.
Wie in der vorherigen Frage erläutert, wird der Geothermieausbau weiter vorangetrieben. Auch untersuchen die SWM den Einsatz von anderen Technologien zur Einbindung in das Fernwärmenetz, insbesondere von Großwärmepumpen und Biomasse-Anlagen. Der Ausbau all dieser Technologien führt auch dazu, dass gasförmige Anlagen weniger betrieben werden. Nach derzeitigem Erkenntnisstand bleibt der Einsatz von Anlagen mit gasförmigen Brennstoffen jedoch unverzichtbar.
6.Die SWM werden beauftragt zu prüfen, inwieweit das Müllheizkraftwerk saisonal, d.h. in Zeiten starker Wärmenachfrage mit höherer Leistung und in Zeiten schwacher Wärmenachfrage mit geringerer Leistung betrieben werden kann, um den Bedarf an teurem Gas bzw. Wasserstoff zu reduzieren.
Die Müllheizkraftwerke werden in erster Linie zur Entsorgung der Abfälle eingesetzt. Der Anfall von diesen Abfällen liegt nicht in der Kontrolle der SWM. Die Müllheizkraftwerke verfügen über Müllbunker, die eine Lagerkapazität von wenigen Tagen haben. Weiterhin könnenaus der Wärme aus der Abfallverbrennung flexibel Strom und Wärme (besser: Fernwärme) in unterschiedlichen Verhältnissen erzeugt werden. Eine saisonale Verschiebung der Wärmeerzeugung aus den Müllheizkraftwerken würde eine saisonale Verschiebung des Müllanfalls am Kraftwerk bedeuten. Eine starke Schwankung der Müllmengen über das Jahr wird beim Restmüll nicht beobachtet.
7.Die SWM öffnen das Fernwärmenetz für die Einspeisung von Abwärme. Dem Stadtrat wird ein Regelwerk zur kostendeckenden Vergütung der eingespeisten Wärme zur Behandlung vorgelegt.
Die SWM sehen eine Einspeisung von Abwärme in Fernwärmenetze grundsätzlich positiv, sofern dadurch Brennstoffe eingespart und CO2-Emissionen reduziert werden können. Bei jeder Abwärmequelle ist jedoch deren Lage in Bezug auf das Fernwärmenetz, deren Verfügbarkeit und vor allem deren Temperaturniveau zu berücksichtigen. Aufgrund dieser sehr individuellen Parameter ist ein pauschales Regelwerk zur kostendeckenden Vergütung nicht zielführend. Insbesondere im Münchner Fernwärmesystem ist zu berücksichtigen, dass in Zukunft der Großteil der Wärme durch Tiefen-Geothermie mit minimalem Strom-
einsatz erzeugt wird. Abwärmequellen auf niedrigem Temperaturniveau hingegen erfordern einen hohen Stromeinsatz, um die Wärme auf das Temperaturniveau der Fernwärme anzuheben. Die SWM werden im Zuge der Wärmewende gemeinsam mit dem Referat für Klima- und Umweltschutz die in München verfügbaren Abwärmepotentiale unter den oben genannten Kriterien untersuchen und bewerten.
8.Die SWM werden beauftragt, die Umstellung der Dampfnetze auf Heißwasser umgehend wieder aufzunehmen.
Die SWM haben die Umstellung des restlichen Dampfnetzes in der
Münchner Innenstadt bereits wieder aufgenommen, im Sommer 2022 wurde das erste Teilgebiet erfolgreich umgestellt. Sukzessive werden in den nächsten Jahren weitere Gebiete umgestellt, um auch das Fernwärmenetz in der Innenstadt für die in Zukunft CO2-freien Wärmequellen (Tiefen-Geothermie) tauglich zu machen. Weitere Informationen können der SWM-website (www.swm.de) sowie Veröffentlichungen in der Presse entnommen werden.
9.Über die Potentiale und Maßnahmen einer Absenkung der Rücklauftemperatur wird dem Stadtrat in einer eigenen Beschlussvorlage noch 2022 berichtet.Die SWM setzen seit Langem Maßnahmen zur Absenkung der Rücklauftemperaturen um. Diese beinhalten einerseits die Überwachung der vertraglich vereinbarten maximalen Rücklauftemperatur bei Neubauobjekten. Andererseits bieten die SWM den Fernwärmekunden eine kostenlose Beratung durch Sachverständige an, wodurch die Objekteigentümer Umsetzungsvorschläge zur Erreichung niedrigerer Rücklauftemperaturen erhalten.
Auf das Antwortschreiben zum Stadtratsantrag Nr. 20-26/A 03142 vom 12.10.2022 „Energieversorgung auf dem Prüfstand V: Restwärme bei der Geothermie besser nutzen - Einsatz von Wärmepumpen zur
Rücklaufauskühlung untersuchen“ wird ergänzend verwiesen.
10. Die LHM strebt eine enge Kooperation mit der Kaminkehrer-Innung an, um die Dekarbonisierung auch außerhalb der Fernwärmeversorgung voranzutreiben.
Die SWM arbeiten gemeinsam mit dem Referat für Klima- und Umweltschutz intensiv an der kommunalen Wärmeplanung. Ziel ist es dabei, für alle städtischen Quartiere die optimale Lösung für eine CO2-neutrale Wärmeversorgung zu identifizieren. Die SWM arbeiten sowohl an Ausbau und Dekarbonisierung der Fernwärme als auch an Lösungen für eine klimaneutrale dezentrale Wärmeversorgung. Hierbei konzentrieren sich die SWM, entsprechend der Wärmestudie von FfE und Öko-Institut, in erster Linie auf Wärmepumpen sowohl für Ein- und Mehrfamilienhäuser als auch im Rahmen von Nahwärmenetzen.
Das Referat für Klima- und Umweltschutz nimmt zum Vorschlag Nr. 10 wie folgt Stellung:
„Bereits in der Vergangenheit gab es Kontakte zur Kaminkehrer-Innung durch das damalige Referat für Gesundheit und Umwelt. Eine regelmä-ßige Übermittlung von Kaminkehrerdaten an die Stadt war damals aber nicht erfolgversprechend. Das bayerische Klimaschutzgesetz (Art. 6) und vermutlich das bevorstehende Bundesgesetz zur kommunalen
Wärmeplanung könnte die Datenlage aber verbessern (Pflicht zur Übermittlung von Daten an die Kommune). Ebenso bietet sich die Einbindung der Kaminkehrer-Innung in ausgewählte Beteiligungsformate zur kommunalen Wärmeplanung an.“
11.Die Landeshauptstadt München und die Stadtwerke München setzen sich gegenüber dem Bund ein für eine Modifizierung a. der Fernwärmeverordnung zur Schaffung von mindestens kostende- ckenden und verpflichtenden Anreizen für eine effektive Energieausnutzung (Großes Delta T), Einführung eines Effizienzfaktors, d.h. der Volumenstrom muss aufwandsgerecht in die Preisberechnung einfließen
Die SWM befürworten eine möglichst effektive Energieausnutzung durch die Fernwärmekunden, welche durch niedrige Rücklauftemperaturen erreicht wird (siehe auch Antwort zu 9.). Die SWM begrüßen daher auch die in der Anfrage geforderte Schaffung von mindestens kostendeckenden und verpflichtenden Anreizen hierzu.
b. des Eichrechts, Zulassung von Mehrtarif-Wärmezählern möglichst bereits in einer 2. Generation zur minuten- und gradgenauen Erfassung und Bewertung der Energieausnutzung
Die SWM befürworten die eichrechtliche Zulassung von Mehrtarif-Wärmezählern, welche eine Bewertung der Energieausnutzung des Fernwärmekunden gemäß Rücklauftemperatur ermöglichen. Die Umsetzung in den Fernwärmetarifen bedeutet jedoch vertragliche Änderungen bei allen Kunden, und erfordert daher weitergehende Betrachtungen und Abwägungen.
Das Referat für Klima- und Umweltschutz ergänzt zu a) und b) wie folgt: „Das Referat für Klima- und Umweltschutz unterstützt diese Forderung ebenfalls. Verstärkte Kontakte zur Bundesebene könnten über die Zusammenarbeit im Rahmen der Mission „100 klimaneutrale und smarte Städte 2030“ etabliert werden (9 deutsche Städte).“
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.