Mögliche Auswirkungen der Cancel Culture auf die Angebotsvielfalt der Stadtbibliothek
-
Rathaus Umschau 50 / 2023, veröffentlicht am 13.03.2023
Mögliche Auswirkungen der Cancel Culture auf die Angebotsvielfalt der Stadtbibliothek
Antrag Stadtrats-Mitglieder Daniel Stanke, Markus Walbrunn und Iris Wassil (AfD) vom 25.8.2022
Antwort Kulturreferent Anton Biebl:
Ihrer Anfrage vom 25.8.2022 legen Sie folgenden Sachverhalt zugrunde: „Mögliche Auswirkungen der Cancel Culture auf die Angebotsvielfalt der Stadtbibliothek
Aktuell bewegt wieder einmal ein Fall von medialer Cancel Culture die Gemüter. So stoppte der Ravensburger Verlag den Verkauf seiner ‚Der junge Häuptling Winnetou‘-Kinderbücher, nachdem das Werk im Internet von Sei- ten linker Aktivisten, wegen angeblicher ‚kultureller Aneignung‘ in die Kritik geraten war.
In den vergangenen Jahren häufen sich die Fälle, in denen Bücher und Filme, die für den ‚woken‘ Zeitgeist anstößige Elemente enthalten, aus der Öffentlichkeit verschwinden, mit ‚Triggerwarnungen‘ versehen oder sprachlich neugefasst werden. Prominentestes Beispiel dürfte dabei vor einigen Jahren die Überarbeitung von Astrid Lindgrens ‚Pippi Langstrumpf‘ gewesen sein.
Dies wirft die Frage auf, ob sich auch die Münchner Stadtbibliothek den Auswirkungen dieses linken Ungeists ausgesetzt sieht.“
Ihre Anfrage, deren frühere Bearbeitung aufgrund von Abstimmungsprozessen innerhalb der Stadtverwaltung leider nicht möglich war, beantworte ich wie folgt:
Frage 1.1:
Führt die Münchner Stadtbibliothek „Der junge Häuptling Winnetou“-Bücher in ihrem Sortiment?
Antwort:
Ja, ein Exemplar ist vorhanden.
Frage 1.2:
Falls 1.1 verneint wird, warum nicht?
Antwort:
S. o.Frage 1.3:
Falls 1.1 verneint wird, ist für den Fall, dass das Buch wieder in den Handel kommt, ein Erwerb des Buches angestrebt?
Antwort:
S. o.
Frage 1.4:
Falls auch 1.3 verneint wird, warum nicht?
Antwort:
S. o.
Frage 2.1:
Wird im Rahmen des Auswahlverfahrens, ob einzelne Titel oder Autoren in das Sortiment der Münchner Stadtbibliothek aufgenommen werden, durch die 13 zuständigen Lektoren geprüft, ob diesen „rassistische“, „sexistische“, „kolonialistische“, „nationalistische“ oder sonstige tatsächliche oder vermeintliche gesellschaftspolitische Verfehlungen und Anstößigkeiten zuzurechnen sind?
Antwort:
Nein, eine solche Prüfung wird nicht vorgenommen. Soweit strafrechtlich relevante oder jugendgefährdende Inhalte in Rede stehen, erfolgt die Prüfung durch die dazu befugten Behörden.
Frage 2.2:
Wie gestaltet sich der Ablauf des Auswahlverfahrens genau und auf welche einschlägigen Definitionen, Kriterien und Maßstäbe wird im Rahmen der Prüfung zurückgegriffen, um zu ermitteln, ob die Aufnahme des Werks angezeigt ist oder nicht?
Antwort:
Für den Bestandsaufbau der Münchner Stadtbibliothek wird regelmäßig der aktuelle deutsche Medienmarkt gesichtet. Bei der Auswahl wird in allen Bereichen nach der für die Münchner Stadtbibliothek einheitlich definierten Bestandsausrichtung entschieden.
Frage 2.3:
Wurden in der Vergangenheit Bücher aus dem Angebot der Stadtbibliothek entfernt, da man ihnen „rassistische“, „sexistische“, „kolonialistische“, „nationalistische“ oder sonstige gesellschaftspolitische Verfehlungen zumaß?
Antwort:
Nein. Medien werden nur dann aus dem Bestand genommen, wenn sie
nicht mehr der für die Münchner Stadtbibliothek einheitlich definierten Bestandsausrichtung entsprechen.
Frage 2.4:
Falls 2.3 bejaht wird, um welche Titel handelte es sich und wann wurden sie aus dem Angebot entfernt?
Antwort:
S. o.
Frage 2.5:
Wurden in der Vergangenheit Bücher, denen man „rassistische“, „sexistische“, „kolonialistische“, „nationalistische“ oder sonstige gesellschaftspolitische Verfehlungen zumaß, nach ihrem Verschleiß oder sonstigen Verlust, nicht mehr ersetzt und so aus dem Angebot der Stadtbibliothek „entfernt“?
Antwort:
Nein. Verschlissene oder verlustig gegangene Medien werden grundsätzlich nur ersetzt, wenn sie weiterhin der für die Münchner Stadtbibliothek einheitlich definierten Bestandsausrichtung entsprechen.
Frage 2.6:
Falls 2.5 bejaht wird, um welche Titel handelte es sich und wann wurden sie aus dem Angebot „entfernt“?
Antwort:
S. o.
Frage 3.1:
Gibt es Fälle, in denen sich Bürger oder Organisationen (Vereine, Parteien, etc.) an die Stadtbibliothek wenden, um diese zu bewegen, bestimmte Werke aus ihrem Sortiment zu nehmen?
Antwort:
Ja, selten. Viel öfter erreichen uns Bitten, Medien anzuschaffen, die wir bislang noch nicht im Bestand haben.
Frage 3.2:
Falls 3.1 bejaht wird, wie viele Fälle dieser Art gab es in den vergangenen 5 Jahren?
Antwort:
Wir dokumentieren diese Fälle nicht, können daher nur schätzen, dass es in den vergangenen fünf Jahren zwischen fünf und acht solcher Anfragen gab.
Frage 3.3:
Falls 3.1 bejaht wird, um welche Organisationen handelt es sich? (Bitte die Namen der einzelnen Organisationen angeben, die in den vergangenen fünf Jahren entsprechende Ersuche vorbrachten.)
Antwort:
Es handelte sich nicht um Organisationen, sondern um Privatpersonen. Mit größter Sorge beobachten wir allerdings, dass in den USA rechtsnationale und fundamental-christliche Organisationen vermehrt derartige Forderungen nach einer Reduktion der Bestandsvielfalt in Bibliotheken stellen, teils sogar unter Anwendung von Gewalt.
Frage 3.4:
Falls 3.1 bejaht wird, wie reagierte man seitens der Münchner Stadtbibliothek auf diese Aufforderungen? (Bitte den jeweiligen Einzelfall kurz darstellen.)
Antwort:
Kritische Hinweise zu einzelnen Titeln in unserem Bestand werden genauso von unserem Lektorat geprüft wie Anschaffungswünsche. (Das gilt für alle Einzelfälle gleichermaßen.)