Verkehrswende ernst nehmen: S4 bis Haar
Antrag Stadträte Hans Peter Mehling und Sebastian Schall (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 19.7.2022
Antwort Mobilitätsreferat:
In Ihrem o.g. Antrag fordern Sie, dass alle bislang in Trudering endenden S4-Züge bis Haar durchfahren sollen.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Die o.g. Thematik fällt jedoch nicht in die Zuständigkeit des Stadtrates oder als laufende Angelegenheit in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters, sondern in den operativen Geschäftsbereich der Bayerischen Eisenbahngesellschaft mbH (BEG). Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich. Daher wird der Antrag im Folgenden als Brief beantwortet.
Wir möchten hierzu auf die drei Antwortschreiben zu folgendem Vorgang verweisen:
Und sie ist doch möglich: S4 bis Haar – ein Beitrag zur Verkehrswende? BA-Antrags-Nr. 20-26/B 02875 des Bezirksausschusses des Stadtbezirkes 15 - Trudering-Riem vom 22.7.2021
Wir führen die drei Stellungnahmen der BEG nochmals auf:
1. Stellungnahme BEG
„Betrieblich wäre eine Verlängerung der in der Regel als S4 bis Trudering verkehrenden Taktverstärkerzüge nach Haar grundsätzlich machbar. Allerdings rechtfertigt die Nachfrage des Ostastes der Linien S4 und S6 keinen ganztägigen 10-Minuten-Takt über Trudering hinaus. Diese lag mit rund 34.000 Reisenden montags bis freitags vor Beginn der Corona-Pandemie im Mittelfeld derjenigen Linienäste, bei denen ein 10-Minuten-Takt in der Hauptverkehrszeit (HVZ) angeboten wird.
Würde ein solcher Takt den ganzen Tag angeboten werden, wie es im vorliegenden Antrag gefordert wird, hätte dies eine Präzedenzwirkung auch auf andere Linienäste. Wegen der beschränkten Verfügbarkeit von Fahrpersonal und Fahrzeugen und in Anbetracht der Finanzierungssituation müssen bei möglichen Angebotsausweitungen allerdings Prioritäten gesetzt werden.Hierbei hat der netzweite 20-Minuten-Takt Vorrang vor einer zeitlichen Ausweitung der 10-Minuten-Takte.
Wir behalten selbstverständlich gemeinsam mit der S-Bahn München die Nachfrageentwicklung der Linien im stadtnahen Bereich genau im Auge, um im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen reagieren zu können. Nach den uns vorliegenden Reisendenzahlen bestehen in den Neben- und Schwachverkehrszeiten zwischen Haar/Gronsdorf und München auch beim 20-Minuten-Takt noch ausreichende Kapazitätsreserven.
Mit Inbetriebnahme der 2. S-Bahn-Stammstrecke wird dann das
S-Bahn-Angebot in Richtung Ebersberg deutlich ausgeweitet. Vorgesehen ist ein täglicher und ganztägiger 15-Minuten-Takt der S4 bis Zorneding. Hinzu kommt eine im 30-Minuten-Takt verkehrende Express-S-Bahn mit Halten unter Anderem in Haar und Trudering.“
2. Stellungnahme BEG
„Einer Verlängerung der bislang in Trudering endenden S-Bahn-Fahrten über Trudering hinaus nach Haar wäre fahrplantechnisch zwar theoretisch möglich. Dem entgegen steht jedoch die fehlende verkehrliche Notwendigkeit und der zusätzliche Fahrzeugbedarf bei der S-Bahn München von 2 Triebwagen. Diese stehen gegenwärtig im Fahrzeugumlauf nicht zur Verfügung, da dann die vorgeschriebenen Wartungs- und Reinigungsintervalle im Betriebswerk München-Steinhausen nicht mehr eingehalten werden können.
Bei der Infrastruktur gilt zudem die erhebliche Einschränkung, dass nur aus zwei Triebwagen gebildete S-Bahn-Vollzüge in Haar wenden können. Auf dem Westast der hauptsächlich in Trudering wendenden S4 werden aber für ausreichende Kapazitäten des Öfteren Langzüge mit drei Triebwagen benötigt. Züge mit dieser Länge können das Wendegleis Haar nicht nutzen. Das Anhängen oder Abkuppeln eines weiteren Triebwagens ist wegen der knapp bemessenen Haltezeiten der S4 nicht möglich.
Für ein noch besseres Angebot im Schülerverkehr werden im Zuge der ab Ende 2022 wirksamen Taktverdichtungen montags bis freitags zwischen ca. 12.30 Uhr und ca. 14 Uhr 9 zusätzliche Fahrten zwischen Trudering und Haar (Summe aus Richtung und Gegenrichtung) eingesetzt werden.“
3. Stellungnahme BEG
„Grundsätzlich bedeutet jede zusätzliche Zugfahrt Mehrkosten. Infolge der Beschränkungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Coronavi-rus haben sich die Fahrgeldeinnahmen in einem Maße reduziert, das auch nicht durch Sonderzuweisungen ausgeglichen werden kann. Aus diesem Grund ist die Finanzierungssituation für die Bestellung zusätzlicher Angebote im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) sehr angespannt.
Diese erfolgt nur bei drastischen Angebotsdefiziten. Ein solches Unterangebot sehen wir beim S-Bahn-Fahrplan zwischen Berg am Laim und Haar insbesondere nach den weiteren Verbesserungen im Dezember 2022
nicht.
Die zusätzlichen Triebwagen der Baureihen 420 (sog. Olympia-Zug) und 424 (S-Bahn-Fahrzeuge aus Hannover, die nach einem umfangreichen Umbau ab Ende 2023 zur Verfügung stehen) dienen vor allem dazu, nach den bisherigen Angebotsausweitungen die Qualität auf allen S-Bahn-Strecken zu verbessern und ab Dezember 2022 den netzweiten
20-Minuten-Takt montags bis freitags einzuführen. An einigen Außenästen (z.B. S1 zum Flughafen oder S7 nach Wolfratshausen) bieten die Wendezeiten an den jeweiligen Endbahnhöfen kaum Möglichkeiten, Verspätungen zu eliminieren. Durch die Bereitstellung zusätzlicher Züge kann auf den angespannten Linien die Pünktlichkeit verbessert und damit die Zuverlässigkeit aller anderen Linien gestärkt werden.
Der Fahrplan der S4 bietet kein ausreichendes Zeitfenster für eine Zugbildungsänderung am Ostbahnhof. Die dortige Standzeit ist als sogenannter Einbruchs- und Ausbruchspuffer der mit bis zu 30 Fahrten je Stunde und Richtung ausgelasteten S-Bahn-Stammstrecke notwendig, um die Fahrplanstabilität zu gewährleisten. Auf dem Westast können die Fahrzeiten der S4 zudem nicht ohne Weiteres geändert werden, um eine Ausweitung der Standzeiten am Ostbahnhof zu ermöglichen. Grund dafür sind die hohe Auslastung der Bahnstrecke München – Geltendorf, auf der der S4 keine eigenen Gleise zur Verfügung stehen, sowie die Einbindung des Regionalverkehrs in Knotenbahnhöfe mit knappen Umstiegszeiten wie etwa Geltendorf, Kaufering oder Buchloe.“
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen der BEG Kenntnis zu nehmen und hoffe, dass wir Ihren Antrag damit zufriedenstellend beantworten konnten und dieser als erledigt gelten darf.