Mieterschutz gegen Energiepreisexplosion VI: Nebenkostenabrechnungen – Was kommt auf GWG und GEWOFAG Mieter*innen zu?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 18.11.2022
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 18.11.2022 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Die explodierenden Energiepreise, sowie die Inflation werden viele Mieter*innen der GWG und der GEWOFAG in finanzielle Nöte bringen. Ohne Kündigungsmoratorium droht vielen Menschen die Kündigung bis hin zur Wohnungslosigkeit. Neben den steigenden Energiepreisen kommen Erhö- hungen insbesondere bei Dienstleistungen auf die Mieter*innen zu. Die Vermieter*innen haben das Recht nach Abrechnung der Betriebskosten des Vorjahres die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen. Nach Ihnen vorliegenden Informationen fordert die GEWOFAG derzeit Erhöhungen bis zu 250% von Mieter*innen.“
Sie stellen daher nachfolgende Fragen:
Frage 1:
Wie hoch waren die Steigerungen der Nebenkosten im Durchschnitt jährlich in den letzten zehn Jahren bei der jeweiligen Wohnungsbaugesellschaft (bitte jährlich aufschlüsseln)?
Antwort:
Die GEWOFAG teilt hierzu mit, dass die durchschnittlichen monatlichen Betriebskosten seit dem Jahr 2012 von 1,47 Euro/m² auf 1,92 Euro/m² gestiegen sind. Die durchschnittlichen Heizkosten stiegen von 1,12 Euro/m² auf 1,22 Euro/m².
Insgesamt stiegen die Nebenkosten seit 2012 durchschnittlich von 2,59 Euro auf 3,14 Euro/m².
Es handelt sich um Durchschnittswerte. Gerade bei Heizkosten kann es zu stärkeren Schwankungen aufgrund des individuellen Nutzungsverhaltens kommen. In der Darstellung kann keine Unterscheidung bezüglich derzugrundeliegenden Gebäudeausstattung sowie zwischen Wohnungen mit oder ohne zentraler Warmwasserversorgung getroffen werden.
Die GWG München teilt hierzu mit, dass die Betriebs- und Heizkosten im Zehn-Jahresvergleich relativ stabil sind. Durchschnittlich über den Betrachtungszeitraum 2012 bis 2021 verzeichnet die GWG München 2,84 Euro/m² Betriebs- und Heizkosten (ohne Betrachtung der Energiekostensteigerungen ab 2022). Im Durchschnitt ergibt sich über den Betrachtungszeitraum 2012 bis 2021 nur eine geringe Kostenveränderung, hohe Kostensteigerungen sind nicht zu verzeichnen.
Eine Unterteilung in durchschnittliche Betriebskosten und durchschnittliche Heizkosten hat die GWG München nicht vorgenommen.
Frage 2:
Mit welchen Preissteigerungen kalkulieren derzeit GWG und GEWOFAG bei folgenden Dienstleistungen für das Jahr 2023: Hausmeisterleistungen, Versicherungsprämien, Leistungen für Gartenpflege, weitere Dienstleistungen (Bitte einzeln aufschlüsseln)?
Antwort:
Die GEWOFAG teilt hierzu mit, dass eine ganzheitliche Kalkulation der in 2023 entstehenden Kosten zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist, da die derzeitigen Preisentwicklungen und Preisanpassungsklauseln in den unterschiedlichen Dienstleistungsbereichen von der GEWOFAG nicht vorhergesehen werden können. Eine Aussage zu laufenden Vergabeentscheidungen für das kommende Jahr kann ebenfalls noch nicht getroffen werden. Vor dem Hintergrund schwer kalkulierbarer Preisentwicklungen beweist sich die Entscheidung der GEWOFAG, den Bereich der Hausmeister*innen und Gärtner*innen als Service-Partner*innen innerhalb des eigenen Konzerns anzusiedeln, nach Ansicht der GEWOFAG als richtig. Neben dem hohen Qualitätsanspruch ist so auch eine moderate und sozialverantwortliche Preisgestaltung gegenüber den Mieter*innen der GEWOFAG gewährleistet.Bei der Abfallentsorgung kam es in 2022 zu einer Preissteigerung i.H.v. rund 30%, welche sich auf die Betriebskosten niederschlagen wird. Im Bereich der Gebäudeversicherungen ist in 2023 mit einem Kostenanstieg zu rechnen; Verhandlungen hierzu laufen derzeit.
Die GWG München geht aufgrund der allgemeinen derzeitigen Wirtschaftslage von weiteren Kostensteigerungen aus. Die GWG München überprüft regelmäßig ihre Versorgungs-, Dienstleistungs- und Versicherungsverträge und verhandelt Anpassungen. Außerdem optimiert die GWG München ständig ihre Anlagen im Betrieb, um Energie einzusparen. Im Einzelnen führt die GWG München aus, dass der Abfallwirtschaftsbetrieb München zum 1.1.2022 die jährlichen Abfallgebühren im Durchschnitt um 29,12% erhöht hat.
Bei den Leistungen für die Gartenpflege geht die GWG München in 2023 nicht von einer signifikanten Erhöhung der Kosten aus, da sie sich durch eine entsprechende Ausschreibung bis zum 31.12.2024 die Konditionen gesichert hat.
Versicherungsverträge der GWG München unterliegen fortlaufend einer Prüfung, ob Verbesserungen der Prämienkonditionen möglich sind. Bei der Gebäudeversicherung mit Fälligkeit 1. Januar 2020 wurde eine EU-Ausschreibung durchgeführt. Durch einen Neuabschluss gelang es, Prämienforderungen des bisherigen Versicherers nicht ganz, aber deutlich abzufedern. Die Kosten der Versicherung liegen im GWG München Bestand bei durchschnittlich 0,17 Euro je m² Wohnfläche und Monat (gleich Münchner Mietspiegel im Jahr 2021). Für das Jahr 2023 geht die GWG München von einer leichten Prämienerhöhung aus.
Die Hausmeister-Kosten der GWG München liegen zwischen 0,26 und 0,28 Euro je m² Wohnfläche und Monat. Zum Vergleich: Der Durchschnitt laut Münchner Mietspiegel Jahr 2021 liegt hier bei 0,35 Euro je m² Wohnfläche und Monat. Für das Jahr 2023 geht die GWG München ebenfalls nur von einer leichten Erhöhung der Kosten aufgrund von Tarifanpassungen aus.
Frage 3:
Wie werden Erhöhungen bis zu 250% kalkuliert und diese gerechtfertigt? Gibt es bei der GWG entsprechend ähnlich hohe Nebenkostenvorauszahlungserhöhungen?
Antwort:
Durch ein gezieltes Vorauszahlungsmanagement der GEWOFAG wurden
bereits mit der Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2021 im Juli 2022 bei über 32.000 Mieter*innen die Vorauszahlungen auf das zum Zeitpunktder Abrechnung vorliegende Energiekostenniveau angehoben. Ziel dieser Maßnahme war, die Höhe der zu erwartenden Nachforderungen in den Folgeabrechnungen für die Mieter*innen möglichst gering zu halten. Dabei kam es zu Anpassungen von 50 -70% der Vorauszahlungen gegen-über dem Abrechnungsergebnis des Vorjahres. Eine Gesamtanpassung der Vorauszahlungen um 250% ist der GEOWFAG nicht bekannt und kann im Höchstfall durch einen individuell übermäßigen Verbrauch im Bereich der Heizungsenergie/Warmwasser begründet sein. Mit diesen Maßnahmen sowie Projekten zur energetischen Sanierung und Energieeinsparungen im eigenen Bestand versucht die GEWOFAG, die weltpolitisch bedingten Preisentwicklungen und die damit einhergehenden massiven Preiserhöhungen bei den Stadtwerken München teilweise abzufedern.
Auch die GWG München passte im Rahmen der Erstellung der Betriebskostenabrechnungen für das Abrechnungsjahr 2021 die Vorauszahlungsbeträge entsprechend der entstandenen Abrechnungsergebnisse an. Nach Auskunft der GWG München gibt es durch den Gesetzgeber einen eng gefassten Ablauf und Spielraum, um die Vorauszahlungen durch die Vermieter*innen zu erhöhen. Pauschale Anpassungen aufgrund von Vermutungen und Schätzungen sind hierbei nicht vorgesehen. Die GWG München erarbeitet derzeit eine Variante, um im Rahmen des gesetzlich Möglichen die Vorauszahlungsanpassung anhand des Vorauszahlungsergebnisses mit einem zu erwartenden Kostenerhöhungsfaktor für die Zukunft nach oben zu korrigieren.
Aktuell sieht die GWG München eine Anpassung der Vorauszahlungen für Heizkosten ab dem 1.3.2023 um 150% vor, um hohen Nachzahlungen entgegenzuwirken. Der durch den Aufsichtsrat der GWG München genehmigte Wirtschaftsplan für die Jahre 2023 bis 2027 kalkuliert mit einer Verdreifachung der Energiekosten für Gas und Fernwärme gegenüber dem Jahr 2021. Aufgrund staatlicher Maßnahmen wie beispielsweise die angedachte Gaspreisbremse oder das bereits verabschiedete Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz (EWSG) ist demgegenüber eine geringere Anpassung der Heizkostenvorauszahlungen vorgesehen.
Frage 4:
Wie hoch sind die derzeitigen Nebenkostenrückstände von Mieter*innen bei der jeweiligen Wohnungsbaugesellschaft zum 31. Oktober 2022?
Antwort:
Die GEWOFAG teilt hierzu mit, dass es zum 20. November 2022 Rückstände in Höhe von 373 TEuro gab. Der größte Teil der Rückstände entfällt auf noch nicht fällige Ratenbeträge. Die GEWOFAG hat im Zuge der Be-triebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2021 ca. 500 Ratenvereinbarungen mit Mieter*innen getroffen, um das Begleichen bestehender Nachzahlungen über moderate monatliche Raten zu ermöglichen.
Bei der GWG München bestand zum Stichtag 31.10.2022 ein Saldo aus den Betriebs- und Heizkostenabrechnungen in Höhe von 134 TEuro. Durch das Jobcenter und andere staatliche Hilfsstellen zu begleichende Abrechnungen stehen aufgrund eines Bearbeitungsstaus noch aus. Für die restlichen Nachforderungsbeträge wurden bereits Ratenzahlungsvereinbarungen mit den Mieter*innen vorbereitet.
Frage 5:
Wie viele Widersprüche zu Nebenkostenabrechnungen wurden von Mieter*innen bei den jeweiligen Wohnungsbaugesellschaften (bitte getrennt aufführen) zur Nebenkostenabrechnung 2021 eingelegt?
Antwort:
Die GEWOFAG hat im Rahmen des Abrechnungszyklus 2021 insgesamt
ca. 6.000 Anfragen zur Betriebs- und Heizkostenabrechnung erhalten. Der Großteil der Anfragen bezog sich auf Themen wie Zahlungsabwicklung, Ratenvereinbarungen, Nachfragen zur Kostenentwicklung, Vorauszahlungskalkulation oder Wünsche nach noch höheren Vorauszahlungen, um eine evtl. Nachzahlung im kommenden Jahr abzumildern. Aus den Anfragen resultierten ca. 450 Widersprüche, die sich auf einzelne Abrechnungen bezogen und individuell beantwortet wurden. Bei ca. 40.000 Abrechnungen ergibt sich hiermit eine Quote von 1,1%. Dieser Wert liegt im Branchendurchschnitt im unteren Mittel.
Bei der GWG München gab es hinsichtlich der Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2021 300 Einsprüche bzw. Rückfragen. Die GWG München geht davon aus, dass alle Einsprüche und Rückfragen wie in den letzten Jahren direkt mit den Mietparteien geklärt werden können.
Frage 6:
Wie wird gegenüber Mieter*innen die Forderung bei Nichtleistung einer Monatszahlung aus Kaltmiete, Betriebskosten und Energiekosten verbucht: als Mietschulden oder getrennt als Kaltmiet-, Betriebs- und Energie- kostenschulden?
Antwort:
Die GEWOFAG verdichtet auf dem jeweiligen Mieterkonto alle Bestandteile der monatlich laufenden Miete zu einer laufenden Forderung. Es er-folgt kein Ausweis von einzelnen Forderungsbestandteilen in der laufenden monatlichen Miete. Forderungen aus Nebenkostenabrechnungen oder anderen Leistungen werden selbstverständlich einzeln ausgewiesen.
Bei den Mieterkonten der GWG München wird monatlich die entsprechende zu leistende Miete ins „Soll“ gestellt. Die Einbuchung erfolgt getrennt nach den jeweiligen vereinbarten Konditionen, z.B. Grundmiete Wohnen, Grundmiete Abstellplatz Kfz, Vorauszahlung Betriebskosten, Vorauszahlung Heizkosten (zusätzlich bei Altverträgen Vorauszahlung Kaltwasserkosten, Pauschale Betriebskosten, Pauschale Heizkosten). Die entsprechende Art und Variante der monatlichen Sollstellung ergibt sich aus den jeweiligen individuellen vertraglichen Vereinbarungen.
Frage 7:
Wie viele ihrer Mieter*innen werden nach Schätzungen der GWG und GE- WOFAG im kommenden Jahr jeweils mit Zahlungsrückständen konfrontiert sein?
Antwort:
Nach Aussage der GEWOFAG ist eine Hochrechnung der zu erwartenden Nachzahlungsbeträge aktuell noch nicht möglich, da zunächst die Verbräuche des Jahres 2022 zum 31.12.2022 erst ermittelt werden müssen. Diese unterliegen neben dem Nutzungsverhalten der Mieter*innen den jährlichen Klimabedingungen. Zudem kann aktuell noch keine finale Aussage darüber getroffen werden, inwieweit die staatlichen Instrumente der Dezember-Soforthilfe sowie der Umsatzsteuerreduzierung ab 1.10.2022 wesentlich entlastend wirken. Die GEWOFAG rechnet jedoch mit deutlich höheren Kosten als noch für 2021. Schlussendlich ist aber vor allem das eigene Handeln der Mieter*innen in Bezug auf Heizung- und Warmwasser ein ganz entscheidender Faktor in der Nachzahlungsentwicklung.
Da die GEWOFAG durch ein angepasstes Vorauszahlungsmanagement
frühzeitig auf die starken Preisentwicklungen reagiert hat, erhofft sie sich, gegenüber den Mieter*innen durch sozialverantwortliches Handeln hohe Nachzahlungsbeträge zu vermeiden. Die hierbei größte Herausforderung der GEWOFAG ist es, mit den Mieter*innen in einen gemeinsamen Dialog zur Forderungsbegleichung zu kommen. Ist dieser Dialog einmal gestartet und wird erfolgreich umgesetzt, erfolgen keinerlei beitreibungsrelevante Maßnahmen, auch wenn dieser Prozess sich über Monate oder Jahre hinziehen sollte. Mieter*innen sollten daher aktiv Kontakt mit den Vermietern*innen aufnehmen, um den oben aufgeführten Prozess anzustoßen. Die GEWOFAG hat im Bereich der Kommunikation und Hilfestellung gegenüber ihren Mieter*innen die Angebote in den letzten Jahren kontinuier-lich ausgebaut und steht den Kunden*innen mit umfangreichen Informationen z. B. auf der Homepage, in der Mieterzeitung, in der Mieter-App bzw. dem Mieter Portal sowie mit einer speziell für Zahlungsthemen implementierten Hotline zur Verfügung.
Die GWG München rechnet ab 2022 mit einer signifikanten Erhöhung der Energiekosten, da deutschlandweit die Preise für Strom, Erdgas, Fernwärme, Diesel und Heizöl steigen. Zurückzuführen ist dies auf den ungewöhnlich langen Winter 2020/2021, den Krieg Russlands gegen die Ukraine und die von der Bundesregierung neu eingeführte CO₂-Bepreisung für geringere Emissionen. Deshalb müssen sich Mieter*innen – verglichen mit den Vorjahren – auf deutlich höhere Strom- und Heizkosten einstellen. Auch die GWG München kann keine genaue Prognose über die Höhe der zu erwartenden Preissteigerungen und Nachzahlungen abgeben, da sich die Preisentwicklungen aktuell stetig ändern. Die GWG München geht jedoch ebenso wie die GEWOFAG von einer Mehrbelastung bei den Energiepreisen aus. Zudem rechnet die GWG München mit weiteren Kostensteigerungen aufgrund der allgemeinen derzeitigen Wirtschaftslage. Die Abrechnungsergebnisse werden jedoch immer auch durch das individuelle Verhalten und den Verbrauch der Nutzer*innen beeinflusst.
Die GWG München rechnet damit, dass ca. 80% der Mieter*innen die Nebenkostennachzahlungen termingerecht begleichen. Für die restlichen 20% der Mieter*innen wird sich die GWG München um verträgliche Lösungen in Form von Ratenzahlungsvereinbarungen bemühen. Zudem wird sie die betroffenen Haushalte im Rahmen des Sozialmanagements bei der Beantragung staatlicher und kommunaler Unterstützungsleistungen begleiten.