Gesundheitsvorsorge bei Geflüchteten erweitern
Antrag Stadträtin Alexandra Gaßmann (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 13.6.2022
Antwort Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek:
Sie beantragen, dass der Leistungsumfang für Geflüchtete im Bereich der Infektionskrankheiten erweitert werden muss, um gerade in den anfänglich genutzten Gemeinschaftsunterkünften Ausbrüche, von z.B. Scabies und Pediculus (Menschenläuse) zu vermeiden. Da das Gesundheitsreferat im Zuge des Infektionsschutzes regelmäßig Vor-Ort-Begehungen zur Überwachung der hygienischen Verhältnisse in Gemeinschaftsunterkünften vornimmt und bei Bekanntwerden von übertragbaren Krankheiten sofort medizinische Ermittlungen durchführt und Maßnahmen zum Infektionsschutz anordnet sowie schon weiterführende Initiativen des Gesundheitsreferats über die Regierung von Oberbayern zur Verbesserung der medizinischen Beratung in Flüchtlingsunterkünften Erfolg hatten, erlaube ich mir, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, Ihren Antrag per Brief zu beantworten.
Zu Ihrem Antrag vom 13.6.2022 teilen wir Ihnen deshalb Folgendes mit:
Geflüchtete Menschen haben in Deutschland gesetzlich verankerte Ansprüche auf Leistungen im Krankheitsfall sowie auch auf bestimmte Vorsorgeleistungen. Die Anspruchsgrundlagen sind dabei abhängig vom individuellen Aufenthaltsstatus, in Frage kommen dabei insbesondere Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und dem Sozialgesetzbuch V (gesetzliche Krankenversicherung). Die hieraus erwachsenden Leistungen unterscheiden sich gerade im Hinblick auf Infektionserkrankungen grundsätzlich nicht, neben der Behandlung akuter Erkrankungen sind beispielsweise auch StIKO-empfohlene Impfungen jeweils umfasst.
Regelmäßig und anlassunabhängig finden auf Basis des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) Vor-Ort-Begehungen durch Mitarbeiter*innen des Gesundheitsreferats (GSR) statt zur Überwachung der allgemeinen hygienischen Verhältnisse in den Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge und Asylbewerber*innen. Die*der jeweilige Betreiber*in ist in den Prozess eingebunden und wird über die Ergebnisse sowie über ggf. notwendige Maßnahmen ausführlich informiert.
Bei Bekanntwerden übertragbarer Erkrankungen werden die entsprechenden medizinischen Ermittlungen durchgeführt sowie die jeweils notwendigen Maßnahmen zum Infektionsschutz angeordnet, z.B. einevorübergehende Absonderung. Darüber hinaus kann zu notwendigen Behandlungsmaßnahmen beraten und ggf. zur Frage geeigneter Ansprechpartner*innen unterstützt werden. Für die Gespräche mit den Betroffenen können im Bedarfsfall auch Dolmetscher*innen hinzugezogen werden.
Eine Sonderstellung nimmt die Tuberkulose ein. In Bezug auf diese Infektionserkrankung besteht für Menschen, die in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, eine gesetzliche Verpflichtung nach § 36 IfSG zur Duldung der Untersuchung auf eine ansteckungsfähige Tuberkulose. Dass diese Untersuchungen, ebenfalls bei allen Betroffenen der Ukraine-Flüchtlingskrise durchgeführt werden, war dem GSR von Anfang an ein sehr großes Anliegen, insbesondere auch im Sinne des Gesundheitsschutzes der Münchner Bevölkerung. Das Tuberkuloseaufkommen an sich, wie auch das Vorkommen von besonders schwer zu therapierenden Erregerstämmen, ist in der Ukraine deutlich höher als in Deutschland. Das GSR verfolgt daher dieses Anliegen in enger Zusammenarbeit mit dem Sozialreferat (SOZ) kontinuierlich weiter.
Zu den im Antrag speziell aufgeführten Erkrankungen ist aus infektiologischer Sicht Folgendes zu sagen:
Die Krätze, eine durch Milben übertragene Erkrankung, ist in vielen Ländern, auch osteuropäischen, noch sehr viel verbreiteter als in Deutschland. Bei Bekanntwerden entsprechender Hautauffälligkeiten erfolgt umgehend eine zumeist zweimalige Salbenbehandlung oder eine Medikamentengabe für die Betroffenen und ggf. für das Umfeld, zudem ist eine Reinigung der Wäsche (Bettwäsche, Kleidung, Kuscheltiere etc.) angezeigt. Dabei sind auch bei erfolgreicher Behandlung oftmals noch einige Zeit Hautveränderungen zu sehen, die aber keine Ansteckungsfähigkeit mehr aufweisen. In manchen Fällen sind auch Absonderungsmaßnahmen angezeigt. Unter bestimmten Umständen können auch allgemeine Maßnahmen in der Unterkunft wie Verwendung von Einmal-Bettwäsche empfohlen werden. Läuse kommen auch in Kindertageseinrichtungen und (Grund-) Schulen in Deutschland – so auch in München – unabhängig von hygienischen Standards immer wieder vor und werden sich aufgrund ihrer Übertragungseigenschaften wohl niemals ausrotten lassen. Sie werden ebenfalls bei Auftreten behandelt. Läuse sind lästig, übertragen aber keine Krankheiten. Vorbeugemaßnahmen im engeren Sinne außer allgemeine Hygienemaßnahmen gibt es für beide der genannten Fälle nicht. Mehrmalige Übertragungen sind möglich, die Folgen für das Gesundheitssystem aber zumeist überschaubar.Dem GSR ist es ein Anliegen, an dieser Stelle nochmals zu betonen, dass eine gesellschaftliche Stigmatisierung aufgrund von Läusen oder Krätze jeder Grundlage entbehrt und nicht zu tolerieren ist.
Darüber hinaus unterstützt das GSR bereits seit Jahren durch vielfältige grundsätzliche Aktivitäten die Gesundheitsvorsorge für Menschen in Unterkünften:
Insbesondere ist hier der aufsuchende medizinische Dienst in Unterkünften für Flüchtlinge und Wohnungslose zu nennen, dessen Tätigkeitsspektrum vielfältige Aufgabenbereiche umfasst wie die ganzheitliche Beratung und Anleitung zu gesundheitlichen Themen, ein Case Management und auch die Begleitung durch Fachkräfte des GSR in das versorgende Gesundheitssystem, auch Sprechstunden und Gruppenveranstaltungen können angeboten werden. Für die Beratungen stehen Dolmetscher*innen des Bayerischen Zentrums für transkulturelle Medizin zur Verfügung. Zielgruppen sind insbesondere Schwangere, Kinder und Jugendliche sowie Familien mit erhöhtem gesundheitlichen Beratungsbedarf und vulnerable Menschen.
Für die Flüchtlingsunterkünfte für Ukrainer*innen konnte darüber hinaus auf Initiative des GSR in Zusammenarbeit mit der Regierung von Oberbayern (ROB) erreicht werden, dass dort regelmäßig Sanitätsdienste vor Ort sind mit dem Ziel einer niedrigschwelligen Ansprechbarkeit bei gesundheitlichen Auffälligkeiten bzw. Problemen. Das Angebot wurde sehr gut angenommen und unterstützt nicht zuletzt auch die frühzeitige Erkennung übertragbarer Erkrankungen.
Dieses aufgrund der besonderen Umstände initiierte Projekt hat sich aus Sicht aller Beteiligten für diese Zielgruppe sehr bewährt und neben der vorübergehenden Sicherstellung der medizinischen Versorgung bis zur Integration der Geflüchteten in den ambulanten und ggf. stationären Versorgungssektor für die Betroffenen auch maßgeblich zur Entlastung des Münchner Versorgungssystems beigetragen.
Darüber hinaus standen von Anfang an gesonderte Unterkünfte für vulnerable Gruppen zur Verfügung.
Des Weiteren ist es dem GSR ein großes Anliegen, einen adäquaten Impfschutz für alle Geflüchteten sicherzustellen. Hierzu gibt es beispielsweise seit Jahren umfassende Impfangebote für ankommende Asylbewerber*innen am Standort Heidemannstraße, und auch sonst unterstützt das GSR die niedergelassenen Ärzt*innen durch Beratungs- und subsidiäre Impfan-gebote. Es ist geplant, die Angebote in den nächsten Jahren weiter auszubauen.
Auch in Bezug auf die Ukraine-Flüchtlingskrise wurden von Anfang an in enger Kooperation mit dem SOZ mobile Impfangebote, insbesondere auch für Corona, gemacht, wobei besonders auf eine kultursensible und sprachlich adäquate Information und Aufklärung Wert gelegt wurde. Diese mobilen Angebote mussten allerdings im weiteren Verlauf aufgrund geringer Nachfrage eingestellt werden.
In Ergänzung dazu hat sich das GSR von Anfang der Ukraine-Flüchtlingskrise an auch für Angebote der Gesundheitsvorsorge nicht-infektiöser Erkrankungen besonders eingesetzt.
So hat das „Mental Health Center Ukraine“ von Refugio München seine Arbeit am 2.5.2022 aufgenommen, es wurde unverzüglich Kontakt mit Schwangerschaftsberatungsstellen, Suchtberatungen und Einrichtungen der psychosozialen und psychiatrischen Beratung aufgenommen, um Angebote vor Ort in den Unterkünften zu planen bzw. in die Einrichtungen zu vermitteln. Ziel war es, eine stabile Kooperationsstruktur aufbauen, auch unter den Herausforderungen einer wiederholt notwendigen Umstrukturierung der Unterkünfte.
Ferner wurden Dolmetschereinsätze für ärztliche Praxen und Kliniken sowie für den mobilen ärztlichen Dienst für die Unterkünfte organisiert; dafür wurden Dolmetscher*innen des Bayerischen Zentrums für transkulturelle Medizin aufgestockt und geschult.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.