Fernwärmepreiswucher trotz Erneuerbare Energien: Wie erklären sich die absurden Fernwärmepreise in den unterschiedlichen Netzen der SWM?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 23.1.2023
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 23.1.2023 führten Sie als Begründung aus: „In Zeiten sehr hoher Preise fossiler Energieträger zahlt es sich nun auch wirtschaftlich aus, wenn schon länger auf Erneuerbare Energien gesetzt wurde. Dies zeigen viele Umlandgemeinden, die bei der Fernwärmeerzeugung seit Jahren auf Geothermie setzen und im Gegensatz zu München wesentliche Teile Ihrer Fernwärme dadurch abdecken können. Die Stadtwerke München betreiben insgesamt vier Fernwärmenetze in der Region München, die in drei Versorgungsgebiete aufgeteilt sind: München Stadt (inkl. Riem), Region Süd (Taufkirchen), Region Südost (Ottobrunn). Diese Gebiete haben jeweils unterschiedliche Klauseln, die die Preise der Fernwärme bestimmen. Die anteilige Zusammensetzung der Fernwärme aus 2021 zeigt, dass das Münchner Netz zu etwa 25% über Geothermie und Müllverbrennung, zu etwa 50% aus Gasverbrennung und zu etwa 25% aus der Kohleverbrennung erzeugt wird1. Das Netz in Taufkirchen zu knapp 80% aus Erneuerbaren (Geothermie, Holz und Biogas) und zu nur 20% aus Gasverbrennung. Die Fernwärme in Ottobrunn hingegen wird zu 95% über die Verbrennung von Erdgas erzeugt.
Wer nun aufgrund der stark gestiegenen Erdgaspreise vermutet, die Fernwärmepreise in Taufkirchen wären die günstigsten und die in Ottobrunn die teuersten, wundert sich mit dem Blick auf die Preise, die auf der Seite der SWM veröffentlicht sind und jeweils zum 1. Januar 2023 angepasst wurden. Nach diesen sind die Verbrauchspreise in Ottobrunn mit Abstand am günstigsten (von 74 auf 97 Euro/MWh)2. In München zahlt man mehr als das Doppelte (von 162 auf 210 Euro/MWh)3. Taufkirchen ist seit 2023 genauso teuer wie München (von 197 auf 210 Euro/MWh)4. Bei beiden Netzen wurden die letzten Preiserhöhungen gemäß der jeweils gültigen Klausel nicht oder nur teilweise durchgeführt. Die Preise wären ansonsten noch wesentlich höher. In München bei 389 Euro/MWh (Ausschöpfung 54%) und in Taufkirchen 564 Euro/MWh (Ausschöpfung 37,2%)5. Dieser Vergleich zeigt sehr deutlich, wie absurd die Preisgestaltung der SWM ist und dass die hinterlegten Preisformeln weit entfernt von den realen Kosten sind.Der Blick auf die Umlandgemeinden macht deutlich, dass der Verbrauch- spreis für Taufkirchen viel zu hoch ist. In allen Gemeinden, deren Fern- wärme wie in Taufkirchen mit Erneuerbare Energien erzeugt wird, wurden die Preise zum 1. Oktober angepasst. Die Verbrauchspreise in Aschheim (99 Euro/MWh6), Garching (106 Euro/MWh7), Ismaning (68 Euro/MWh8), Unterföhring (87 Euro/ MWh9) und Unterhaching (83 Euro/MWh10) sind oft weniger als halb so hoch wie in Taufkirchen. Ein Fakt, der Fragen aufwirft.“
1https://www.swm.de/dam/doc/geschaeftskunden/fernwaerme/kennzeichnung-waermelieferung. pdf
2https://www.swm.de/dam/doc/geschaeftskunden/fernwaerme/2023/preisblatt-waerme-muenchen-suedost-zum-01012023.pdf
3https://www.swm.de/dam/doc/geschaeftskunden/fernwaerme/2023/preisblatt-m-fernwaer-me-zum-01012023.pdf
4https://www.swm.de/dam/doc/geschaeftskunden/fernwaerme/2023/preisblatt-waerme-muenchen-sued-zum-01012023.pdf
5https://www.swm.de/dam/doc/geschaeftskunden/fernwaerme/2023/preisgleitfaktoren-preisblatt-region-sued-zum-010123.pdf
6https://afk-geothermie.de/wp-content/uploads/2022/09/Preisblatt-2022-2023.pdf 7Preisliste_Verbrauchskosten_Garching_ab_01_10_2022_w925ocN.pdf (ewg-garching.de) 8https://waermeversorgung-ismaning.de/wp-content/uploads/221013_Preisblatt_ab_Okt._22_BA23. pdf
9https://www.geovol.de/fileadmin/user_upload/dokumente/vertraege_formulare/240_Strasse_Haus-nummer_-_Kundennummer_PBL31_221003.pdf
10https://geothermie-unterhaching.de/wp-content/uploads/2022/11/Preisblatt_FW_Unterha-ching_08.11.2022.pdf
Die in Ihrer Anfrage gestellten Fragen können anhand einer Stellungnahme der SWM wie folgt beantwortet werden:
Frage 1:
Wie lässt sich erklären, dass die Kund*innen des Fernwärmenetz in Taufkirchen trotz eines EE-Anteils von 80% solche extreme Preise zahlen müssen? Entspricht die hinterlegte Preisänderungsklausel den tatsächlichen Kosten der Fernwärmeerzeugung in Taufkirchen?
Antwort der SWM:
„Die Preisänderungsklauseln für das Versorgungsgebiet München Region Süd sind entsprechend den gesetzlichen Vorgaben so ausgestaltet, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme (Kostenentwicklung) als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (Marktelement) angemessen berücksichtigen.Die in den Preisänderungsklauseln verwendeten Indizes orientieren sich an den Kosten der SWM für Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme und – wie gesetzlich vorgeschrieben – an den derzeitigen Verhältnissen am Wärmemarkt in München und Umgebung, der noch wesentlich durch den Einsatz von Erdgas und Heizöl geprägt ist.
Die Erzeugung der Fernwärme für das Versorgungsgebiet München Region Süd erfolgt zu über 2/3 aus Holz und Erdgas. Der in der Preisänderungsklausel verwendete Holzindex ist in Folge des russischen Angriffskrieges vom 1. Quartal 2022 bis zum 1. Quartal 2023 um über 82% gestiegen, der Preis für Erdgas hat sich im gleichen Zeitraum mehr als vervierfacht.“
Frage 2:
Wie erklärt sich, dass die Verbrauchspreise anderer Gemeinden im Umland, deren Fernwärme zu großen Teilen über Erneuerbare gedeckt wird, so viel günstiger sind?
Antwort der SWM:
„Die Preise der Umlandgemeinden können nicht ohne Weiteres mit den Münchner Fernwärmepreisen verglichen werden. Es handelt sich bei den Wärmeversorgern im Umland um (verhältnismäßig junge) Unternehmen, die aufgrund politischer Entscheidungen gegründet wurden. Sie haben von den Eigentümergemeinden finanzielle Mittel für die Errichtung der Geothermie-Anlagen und den Ausbau von ökologischen Fernwärmenetzen erhalten. Dabei handelt es sich um Mittel im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich. In Unterföhring hat die Gemeinde bis Ende 2021 über das gemeindeeigene Unternehmen GEOVOL rund 83 Millionen Euro in die
geothermische Wärmeversorgung investiert. In Ismaning hat der Gemeinderat im März 2011 einstimmig die Erschließung von Tiefengeothermie als Wärmequelle beschlossen und dafür rund 72 Mio. Euro investiert. In Unterhaching betrug das gesamte Investitionsvolumen etwa 105 Millionen Euro.
Die SWM dagegen finanzieren ihre Geothermie-Anlagen aus eigener Kraft, ohne Unterstützung der Landeshauptstadt München. Demgemäß müssen die Investitionskosten über die Zeitdauer durch den Arbeitspreis der Fernwärme refinanziert werden. Die SWM erhalten keine Zuschüsse oder Darlehen von der Stadt, sondern führen stattdessen jährlich Beträge im dreistelligen Millionenbereich an den Haushalt der Landeshauptstadt München ab.“
Frage 3:
Ist für das Versorgungsnetz Region Süd eine Änderung der Preisklauseln geplant?
Antwort der SWM:
„Die SWM überprüfen die verwendeten Preisänderungsklauseln regelmäßig und passen diese bei Bedarf an. Kurzfristig ist keine Veränderung geplant.“
Frage 4:
Wieso ist die Fernwärme in Ottobrunn im Vergleich zu München so viel günstiger, obwohl nach eigenen Angaben der SWM von 2021 die Abhängigkeit der Fernwärme von der Verbrennung von Erdgas (95%) wesentlich größer ist als in München?
Antwort der SWM:
„Grundsätzlich:
Die Versorgungsgebiete München Region Südost und München Region Süd haben die SWM 2018 bzw. 2019 im Rahmen des Erwerbs der Regionalversorger Energieversorgung Ottobrunn bzw. der Bioenergie Taufkirchen übernommen. In diesem Zuge sind die SWM in die bestehenden Kundenverträge eingetreten und führen die Versorgung der übernommenen Kund*innen unter Berücksichtigung der vorgefundenen Gegebenheiten und Verträge fort. Im Fall der Bioenergie Taufkirchen haben die SWM dabei eine Vielzahl unterschiedlicher Preisänderungsklauseln in eine einheitliche Preisänderungsklausel überführt.
Im Fall des Versorgungsgebietes München Region Südost sehen die Verträge, in die die SWM eingetreten sind, derzeit nur eine jährliche Preisanpassung jeweils zum 1.1. vor, die sich zudem an länger zurück liegenden Preisen des Einsatzstoffes Gas orientiert. Aktuell ist aufgrund der vertraglichen Regelungen der Gaspreis bis zurück in den Oktober 2021 der Referenzpreis für den Fernwärmepreis 2023.
Durch den deutlich längeren Referenzzeitraum für die Preisbildung fließen sowohl Preissteigerungen als auch Preissenkungen auf den Energiemärkten immer erst verspätet in den Arbeitspreis der Kund*innen ein. Die Verwerfungen auf den Energiemärkten durch den russischen Angriffskrieg sind daher bislang nur zum Teil in die Fernwärmepreise des Versorgungsgebietes München Region Südost eingeflossen.“
Frage 5:
Aus welchen Quellen wird die Fernwärme in Ottobrunn in 2022 gespeist? Handelt es sich in Ottobrunn um ein Heizwerk oder ein Heizkraftwerk, das auch Strom erzeugt?
Antwort der SWM:
„Die Kennzeichnung der Wärme – auch für das Versorgungsgebiet München Region Südost – ist für das Jahr 2021 auf der Homepage der SWM dargestellt:
https://www.swm.de/dam/doc/geschaeftskunden/fernwaerme/kennzeichnung-waermelieferung.pdf
Demnach erfolgte die Erzeugung der Wärme 2021 zu 95% aus Erdgas und zu 5% aus Geothermie. Für das Jahr 2022 liegen noch keine Werte vor.
Mit dem Anschluss des Versorgungsgebietes München Südost an die Geothermie Kirchstockach wurde die Wärme zu einem kleineren Teil aus der Geothermieanlage bereitgestellt und zum größeren Teil aus einem gasbefeuerten Blockheizkraftwerk (BHKW), welches die SWM am Standort der Geothermie errichtet haben. Der mit dem BHKW erzeugte Strom wurde zudem für den Betrieb der Geothermieanlage eingesetzt. Die ursprünglich für die Wärmeversorgung verwendeten BHKW wurden inzwischen deinstalliert.“
Frage 6:
Das Fernwärmenetz um Ottobrunn befindet sich in der Umstellung auf die Versorgung mit Geothermie. Hat dieser Wechsel eine Auswirkung auf die Preisgestaltung der Fernwärme?
Antwort der SWM:
„Siehe auch Antworten zur Frage 3 und 5:
Mit dem Anschluss des Versorgungsgebietes München Südost an die Geothermie Kirchstockach wurde die Wärme zu einem kleineren Teil aus der Geothermieanlage bereitgestellt und zum größeren Teil aus einem gasbefeuerten Blockheizkraftwerk (BHKW), welches die SWM am Standort der Geothermie errichtet haben.
Die SWM überprüfen die verwendeten Preisänderungsklauseln regelmäßig und passen diese bei Bedarf an.“
Frage 7:
Haben die SWM für die beiden Fernwärmenetze in Ottobrunn und in München unterschiedliche Strategien für den Gaseinkauf oder wie erklärt sich die Wahl der sehr unterschiedlichen Gasindizes?
Antwort der SWM:
„Wie bereits in der Antwort auf Frage 4 ausgeführt, haben die SWM das Versorgungsgebiet München Region Südost im Rahmen des Erwerbs der Regionalversorger Energieversorgung Ottobrunn übernommen. In diesem Zuge sind die SWM in die bestehenden Kundenverträge eingetreten und führen die Versorgung der übernommenen Kund*innen derzeit unter Berücksichtigung der vorgefundenen vertraglichen Preisanpassungsklauseln fort.“
Frage 8:
Die Preisklauseln der drei Versorgungsgebiete sind sehr unterschiedlich und nutzen zum Beispiel unterschiedliche Gasindizes, die zu stark unterschiedlichen Preisen führen. Müssen die SWM nicht selbst zugeben, dass die durch die AVBFernwärmeV festgelegten Vorgaben Tür und Tor offen stehen für eine willkürliche Preisfestsetzung, die nicht den wahren Kosten der Energieversorger entsprechen?
Antwort der SWM:
„Nein, die Preisänderungsklauseln der SWM sind entsprechend den gesetzlichen Vorgaben so ausgestaltet, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme (Kostenentwicklung) als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (Marktelement) angemessen berücksichtigen. Die von SWM festgelegten Preisänderungsklauseln für die Versorgungsgebiete München Stadt, Martinsried, Unterföhring sowie München Region Süd verwenden soweit möglich auch identische Indizes. Das gilt auch für den verwendeten Erdgasindex. Insofern ist die Annahme in der Frage unzutreffend.
Die im Versorgungsgebiet München Region Südost verwendete Preisänderungsklausel wurde für die übernommenen Verträge noch von der Energieversorgung Ottobrunn entwickelt.“
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.