Wie sieht die Baumbilanz der Landeshauptstadt München wirklich aus?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Hans Hammer und Heike Kainz (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 23.9.2022
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 23.9.2022 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird. Der Bitte um Fristverlängerung bis Ende März 2023 wurde nicht widersprochen. In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus: Sie stellen dar, dass die städtische Baumbilanz des Baureferats für öffentliche Flächen gemäß der Rathaus Umschau vom 11.2.2022 positiv ausfällt, während die Anzahl von Bäumen auf Privatgrundstücken jedoch gemäß Medienberichten zurückgehe. Vor diesem Hintergrund stellen Sie folgende Fragen:
Frage 1:
Sind die 700 aus natürlichem Aufwuchs entwickelten Bäume, die in der Baumbilanz erwähnt werden, in der Differenz von 646 neuen Bäumen (2.343 Pflanzungen minus 1.697 Fällungen) enthalten oder handelt es sich hierbei um zusätzliche Bäume?
Antwort:
Die vom Baureferat genannten 700 Bäume, die durch gezielte Förderung des Jungwuchses entwickelt werden konnten, sind in der Baumbilanz des Baureferates nicht erfasst.
Frage 2:
Handelt es sich bei diesen 700 Bäumen ausschließlich um Bäume, die sich auf städtischen Flächen befinden?
Antwort:
Ja.
Frage 3:
Liegen der Stadt München Zahlen oder Schätzungen über den natürlichen Aufwuchs von Bäumen auf privaten Flächen vor?
Antwort:
Nein. Der zusätzliche Aufwuchs unterliegt nicht der Baumschutzverordnung, die erst Bäume mit einem Stammumfang ab 80 cm (bzw. bei mehr-stämmigen Gehölzen ab 40 cm, s. Baumschutz-verordnung, §1, Abs. 2) gilt. Im Rahmen der Gartenpflege unterliegt der natürliche Aufwuchs einer starken Dynamik.
Frage 4:
Liegen der Stadt München Zahlen oder Schätzungen über „freiwillige“ Pflanzungen auf privaten Grundstücken vor, d.h. Pflanzungen, die nicht aufgrund einer Verpflichtung zur Pflanzung erfolgen?
Antwort:
Nein.
Frage 5:
Liegen der Stadt München Zahlen vor, wie die Baumbilanz im Bauleitplanverfahren insgesamt aussieht und wie die Bilanz in Bauleitplanverfahren auf zuvor unbeplanten Flächen aussieht? Lässt sich hier ein Saldo ermitteln (bspw. Pflanzungen aufgrund von Festsetzungen im Bebauungsplanverfahren gegenüber Fällungen im Zuge von Baumaßnahmen)?
Antwort:
Für jeden einzelnen aktuellen Bebauungsplan wird eine Baumbilanz ermittelt. Ziel ist stets eine positive oder zumindest ausgeglichene Baumbilanz. In einigen Bebauungsplänen, insbesondere auf ehemaligen Kasernenflächen, in denen Baumbestände im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung ausgeglichen werden, war es aufgrund fehlender Flächen nicht immer möglich (und rechtlich auch nicht erforderlich), die rechnerisch erforderliche Anzahl an Ersatzbäumen gemäß Baumschutzverordnung nachzuweisen (s. Stadtratsbeschluss „Baumschutz in der Landeshauptstadt München“ vom 28.7.2021, Ziff. 2.5., S. 17 unten). Die Bebauungspläne, die Baumfällungen bzw. Eingriffe lediglich durch Baurechtsschaffung vorbereiten, werden stets im Rahmen von Baugenehmigungen umgesetzt. Die Baumbilanz, die als Ergebnis der Auswertung der Bescheide nach der Baumschutzverordnung erstellt wurde (siehe: https:// stadt.muenchen.de/infos/baumschutz-muenchen), berücksichtigt somit indirekt auch die Festsetzungen und Hinweise zu den Bäumen der Bebauungspläne.
Frage 6:
Liegen der LH Zahlen vor, wie viele Bäume auf ökologischen Ausgleichsflächen, die im Zusammenhang mit Baumaßnahmen geschaffen wurden, neu gepflanzt werden bzw. durch natürlichen Aufwuchs entstehen? In welchem Umfang mussten, veranlasst durch öffentliche wie private Baumaßnahmen, in den vergangenen zehn Jahren pro Jahr Ausgleichsflächen geschaffen werden und auf welchem Anteil daran werden Bäume gepflanzt bzw. sollen Bäume entstehen?
Antwort:
Nein, zu den im Rahmen von Ausgleichsflächen gepflanzten Bäumen liegen keine vollständigen Daten vor. Auf Nachfrage zu „sonstigen Pflanzmaßnahmen“, die im Rahmen der Erstellung der Baumbilanz abgefragt wurden (https://stadt.muenchen.de/infos/baumschutz-muenchen), haben die Stadtgüter und die Städtische Forstverwaltung Angaben zu Pflanzungen auf Ausgleichsflächen gemacht. Hierbei ist zu beachten, dass die Pflanzgrößen zur Entwicklung von Ausgleichsflächen wesentlich kleiner sind als bei Ersatzbäumen gemäß der Baumschutzverordnung. Im Ökoflächenkataster werden insbesondere Angaben zur Größe und dem jeweiligen Entwicklungsziel der Ausgleichsflächen zusammengefasst. Somit dokumentiert das Ökoflächenkataster für die Jahre 2011 - 2020 nach dem aktuellen Stand die Verpflichtung zur Herstellung von Ausgleichsflächen in der Größenordnung von ca. 23 ha im Zusammenhang mit Baugenehmigungsverfahren und ca. 221 ha im Zusammenhang mit Bebauungsplänen, damit insgesamt von ca. 244 ha. Somit ist davon auszugehen, dass im Zeitraum von 2011 - 2020 durchschnittlich pro Jahr ca. 24 ha Ausgleichsflächen rechtswirksam angeordnet oder festgesetzt wurden.
Unberücksichtigt bleiben hierbei Ausgleichsflächen aus Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren, die von den jeweils zuständigen Behörden, wie z.B. der Regierung von Oberbayern, dem Eisenbahnbundesamt und der Autobahndirektion gemeldet werden müssen. Diese wurden bisher im Ökoflächenkataster nur unvollständig erfasst. Die Entwicklung von Einzelbäumen, die mit der Ersatzpflanzung gemäß Baumschutzverordnung vergleichbar sind, spielt bei der Entwicklung von Ausgleichsflächen jedoch eine eher untergeordnete Rolle. Meist umfassen die Entwicklungsziele artenreiches Grünland, Heckenstrukturen und Feldgehölze mit Staudensäumen, gehölzfreie Magerrasen und Gewässer. Ausgleichsflächen dienen z.T. gleichzeitig spezifischer artenschutzfachlichen und -rechtlich erforderlichen Artenschutzmaßnahmen.
Frage 7:
Kann die Baumbilanz für München insgesamt (städtische und private Flächen) für die letzten fünf Jahre ermittelt werden und, wenn ja, wie sieht diese aus?
Antwort:
Der Stadtratsbeschluss „Baumschutz in der Landeshauptstadt München“ vom 28.7.2021 macht unter Ziff. 2.5. Angaben zur Gesamtbaumbilanz von städtischen und privaten Flächen im Zeitraum 2010 - 2019. Die Baumbilanz für 2021 ist abrufbar unter https://stadt.muenchen.de/infos/baumschutz-muenchen . Die Gesamtbaumbilanz 2021, die auch die Angaben des Baureferats-Gartenbau berücksichtigt, umfasst
-8.587 (durchgeführte bzw. genehmigte) Baumfällungen und
-7.144 (durchgeführte bzw. genehmigte) Ersatzpflanzungen.
Im Internet werden die Zahlen näher erläutert. Die Gesamtbaumbilanz 2022 umfasst
-7.785 (durchgeführte bzw. genehmigte) Baumfällungen und
-6.387 (durchgeführte bzw. genehmigte) Ersatzpflanzungen.
Die Baumbilanz 2022 wird zeitnah mit Erläuterungen auf der o.g. Internetseite eingestellt.
Frage 8:
Lassen sich die ökologischen Auswirkungen der Ausgleichsflächen beziffern oder zumindest schätzen? Gibt es eine Klimabilanz zu diesen Maßnahmen? Lässt sich zumindest der Umfang der jährlichen Ausgleichsmaßnahmen beziffern? Sowohl der Stadt als auch der privaten Vorhabensträger?
Antwort:
Für jeden einzelnen Bebauungsplan wird eine Eingriffs-Ausgleichs-Bilanz erstellt. Voraussetzung für einen abgewogenen Bebauungsplan ist in aller Regel eine ausgeglichene Eingriffs-Ausgleichsbilanz. Ziel der Kompensationsmaßnahmen ist es gemäß §15, Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz, die beeinträchtigte Funktion des Naturhaushaltes in gleichartiger Weise wiederherzustellen und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederherzustellen oder zu gestalten. Insofern orientieren sich die ökologischen Wirkungen der einzelnen Kompensationsmaßnahmen jeweils an der Art des einzelnen Eingriffs. Zum Umfang der jährlichen Ausgleichsmaßnahmen siehe Pkt. 6.