Dauerhafter Massen-Leerstand von 1.500 Wohnungen in der Studentenstadt: Welche Gründe gibt es und welche Konsequenzen zieht die Stadt?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 24.2.2023
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 24.2.2023 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung im Benehmen mit dem Sozialreferat wie folgt beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Ein ganzes Jahr dauerte es, bis das Sozialreferat vom Massen-Leerstand in der Studentenstadt in Freimann erfahren hat. Nach einem Brand mit Todesfolge im Februar 2021 wurde zunächst das rote Haus 13 mit 180 Wohnungen leergezogen. In den folgenden Monaten wurden auch das HSH (616 Wohnungen) und das orange Haus 12 (440 Wohnungen) entmietet. Das blaue Haus 11 (246 Wohnungen) war schon vor dem Brand leer und befindet sich seitdem in der Kernsanierung (Fußnote 1: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-studentenwerk-brandschutz-wohnheime-1.5620235?reduced=true).
Etwa 1.500 Wohnungen stehen damit leer. Es ist wahrscheinlich Europas größter zusammenhängender Leerstand, der dem Stadtrat ein Jahr lang komplett verborgen blieb. Ein skandalöser Vorgang und ein Drama für die Münchner Studierenden. Dringend benötigter bezahlbarer Wohnraum für Studierende entfällt, wodurch die Abhängigkeit vom Einkommen der Eltern weiter zunimmt, um es sich leisten zu können in München zu studieren. Die Studentenstadt ist geprägt von einem hohen Grad an Selbstverwaltung und Gemeinschaft. Auch deswegen ist der Leerstand ein herber Schlag für die Studierenden.
Nun soll die BayernHeim die Sanierung der Häuser übernehmen, die Markus Söder 2018 im Wahlkampf gegründet hat, um von der Privatisierung von 33.000 landeseigenen Wohnungen fünf Jahre zuvor abzulenken. Bis 2025 sollten 10.000 Wohnungen entstehen. Jedoch wurden bislang ledig- lich 234 Wohnungen gekauft (Fußnote 2 https://www.br.de/nachrichten/bayern/landtag-streitet-ueber-markur-soeder-projekt-bayernheim,TUh814G). Die BayernHeim wird nach eigenen Angaben nicht einmal 10% ihres Ziels erfüllen. Ein solches Luftschloss-Unternehmen nun mit der Sanierung der Studentenstadt zu beauftragen, scheint wieder dem Wahlkampf geschul-det zu sein und nicht dem Erhalt von bezahlbarem Wohnraum. Auch die Stadt ist hier gefragt, um diesen Zustand zu beenden.“
Zu den von Ihnen gestellten Fragen nehmen wir wie folgt Stellung:
Vorbemerkung:
Nach Bekanntwerden der Leerstände in den Studentenwohnheimen der Studentenstadt wurde vom Sozialreferat umgehend ein zweckentfremdungsrechtliches Verfahren eingeleitet. Entsprechende Unterlagen zur Klärung der Gesamtsituation wurden angefordert und eine Ortsermittlung vorgenommen. Im weiteren Verfahrensablauf wurde dann festgestellt, dass die Zweckentfremdungssatzung (ZeS) vorliegend nicht einschlägig ist. Nach § 1 Abs. 2 ZeS gilt die Satzung nur für freifinanzierten und nicht auch für geförderten Wohnraum. Nach entsprechender Prüfung liegt hier aufgrund der Belegungsbindung (Student*innen) und der Mietpreisbindung kein freifinanzierter Wohnraum vor. Die sogenannte Studentenstadt mit seinen leerstehenden Gebäuden ist somit bezüglich der Geltung der Zweckentfremdungssatzung wie sonstiger geförderter Wohnraum zu behandeln. Eine Zuständigkeit der Landeshauptstadt München ist somit nicht eröffnet. Auch ist – im Gegensatz zum „klassischen“ geförderten Wohnraum für das die Landeshauptstadt München ein Bindungsrecht inne hat – auch nicht die im Sozialreferat angesiedelte Wohnraumüberwachung zuständig. Denn der Landeshauptstadt München ist keine Belegungsbindung, deren Einhaltung zu überwachen wäre, auferlegt. Für die Einhaltung der Belegungsbindung und somit auch für die Leerstände ist der Freistaat Bayern als Förderungsgeber selbst zuständig.
Frage 1:
Bei wem sieht die Stadt München die Schuld für den jahrelangen Massen-Leerstand in der Studentenstadt?
Frage 2:
Wie ist der aktuelle Zeitplan für die Sanierungsmaßnahmen in der Studen- tenstadt aufgeschlüsselt nach den jeweiligen Häusern?
Frage 3:
Wer soll die Wohnheime nach der Sanierung betreiben?
Antwort:
Der Landeshauptstadt München liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Die Fragestellungen fallen in den alleinigen Verantwortungsbereich des Eigentümers.
Frage 4:
Welche Bauanträge und/oder Vorbescheide liegen der Stadt aktuell für das Gelände der Studentenstadt vor, wann wurden diese gestellt und was wird dabei jeweils beantragt?
Antwort:
Dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung – Lokalbaukommission liegen hierzu keine Anträge vor.
Frage 5:
War der Leerzug in der Studentenstadt tatsächlich aus brandschutztechnischen Gründen in allen betroffenen Häusern notwendig?
Antwort:
Nach Aussage des Referates für Stadtplanung und Bauordnung – Lokalbaukommission erfolgte die Räumung aufgrund offenbar gewordener Brandschutzmängel, welche im Betrieb nicht behoben werden konnten. Es handelte sich um einen Einsatz des Kreisverwaltungsreferates – Branddirektion.
Frage 6:
Laut Aussage des Sozialreferates hat es erst durch eine SZ-Anfrage im Februar 22 vom Leerstand in der Studentenstadt erfahren, also ein Jahr nach den ersten Leerzügen und zu einem Zeitpunkt, als bereits etwa 1.500 Wohnungen leer standen (Fußnote 3: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-studentenstadt-leerstand-1.5534147?reduced=true). Welche Bußgelder hat man deswegen dem Studentenwerk wegen nicht Meldung des Leerstandes gemäß § 14 der städtischen Zweckentfremdungssatzung in Rechnung gestellt und wie ist der Stand des Bußgeldverfahrens?
Antwort:
Nach Aussage des Sozialreferates wird ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet, da die Zweckentfremdungssatzung nicht anwendbar ist. Im Übrigen besteht auch keine Meldepflicht für Leerstände. Eine rechtliche Verpflichtung für die Verfügungsberechtigte oder für sonstige Personen, dem Sozialreferat leerstehenden Wohnraum anzuzeigen, besteht in München nicht. Jede inhaltliche Änderung der Münchner Zweckentfremdungssatzung muss zwingend inhaltlich von den Bestimmungen des Bayerischen Zweckentfremdungsgesetzes (ZwEWG) als Ermächtigungsgrundlage für die städtische Satzung gedeckt sein. Die Regelungen des Bayerischen Zweckentfremdungsgesetzes treffen jedoch keine Regelung zu einer Anzeigepflicht bei leerstehendem Wohnraum.
Frage 7:
Welchen Stand hat das Zweckentfremdungsverfahren, das laut einem SZ-Artikel vor einem Jahr eingeleitet wurde? Welches zeitliche Limit setzt das Sozialreferat für eine „nachweislich zügige“ Sanierung der Wohnhäuser?
Antwort:
Nach Aussage des Sozialreferates wurde das Zweckentfremdungsverfahren eingestellt (siehe Vorbemerkung).
Frage 8:
Laut Presse sollen mit dem Haus 10 etwa 62 weitere Wohnungen leer gezogen werden (Fußnote 4: http://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-studentenstadt-freimann-leerstand-wohnheim-1.5749759?reduced=true). Wurde dies dem Sozialreferat diesmal gemeldet? Mit welcher Begründung wird dieses Haus leer gezogen?
Frage 9:
Gibt es Pläne, weitere Häuser in der Studentenstadt leer zu ziehen, bevor die beiden großen Häuser 9 und 12 fertig saniert sind?
Frage 10:
Wie viel Wohnraum für Studierende fehlt nach Schätzung des Sozialreferates aktuell in München?
Frage 11:
Wie hat sich die Wartezeit für die Wohnplätze des Studentenwerkes in den letzten Jahren entwickelt?
Antwort:
Nach Aussage des Sozialreferates liegen hierzu keine Informationen vor.
Frage 12:
Welche Mittel hat die Stadt bislang genutzt, um den Druck auf das Studentenwerk und die Staatsregierung zu erhöhen, damit es tatsächlich zu einer schnellen Sanierung der 1.500 Wohnungen kommt? Ist die Stadt bereit, selbst aktiv zu werden, um den schädlichen Leerstand abzustellen?
Antwort:
Nach Aussage des Sozialreferates appellierte Herr Oberbürgermeister Reiter mit Schreiben vom 1.6.2022 an Herrn Ministerpräsident Dr. Söder, die Leerstände so schnell wie möglich zu beenden und die Apartmentswieder Wohnzwecken zuzuführen (es wird auf die Rathaus Umschau vom 3.6.2022 verwiesen). Des Weiteren unterstützt Herr Oberbürgermeister Reiter jährlich aktiv die Wohnungssuche von Student*innen, indem er regelmäßig zum Semesterstart mittels Pressemeldung in der Rathaus Umschau an die Münchner*innen appelliert, Wohnraum an Student*innen zu vermieten.
Eine rechtlich durchsetzbare Handhabe gegenüber dem Eigentümer, den Leerstand in der sogenannten Studentenstadt zu beenden, besteht nicht (siehe Vorbemerkungen). Vielmehr muss sich der Freistaat Bayern seiner Verantwortung bewusst werden und schnell tragbare Lösungen finden.
Frage 13:
Inwieweit ist die Selbstverwaltung der Studentenstadt in die Sanierungsplanungen einbezogen?
Antwort:
Der Landeshauptstadt München liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Die Fragestellung fällt in den alleinigen Verantwortungsbereich des Eigentümers.
Frage 14:
Wie ist der aktuelle Stand zur Aufstellung bzw. Überarbeitung eines Bebau- ungsplanes für die Studentenstadt (Fußnote 5: https://risi.muenchen.de/risi/dokument/v/6352705)?
Antwort:
Im Rahmen der bereits stattfindenden Nachverdichtungsplanungen östlich der Ungererstraße wird der Bereich des Busbahnhofes Studentenstadt sowie der P+R-Anlage Studentenstadt in einem künftigen Bauleitplanverfahren, soweit dies erforderlich ist, berücksichtigt werden, wobei in diesem Zuge auch eine Wohnbebauung geprüft wird. Zu einem künftig notwendigen Bauleitplanverfahren gibt es aktuell noch keinen neuen Planungsstand.