Berichte über falsche Anschuldigungen: Wie bearbeitet die Stadtverwaltung Meldungen und Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern?
Anfrage Stadträtin Dr. Evelyne Menges (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 19.4.2024
Antwort Kreisverwaltungsreferentin Dr. Hanna Sammüller-Gradl:
Mit Schreiben vom 19.4.2024 haben Sie gemäß § 68 GeschO eine Anfrage an Herrn Oberbürgermeister Dieter Reiter gestellt, zu deren Beantwortung das Kreisverwaltungsreferat (KVR) beauftragt wurde.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Die Presse berichtet derzeit über Personen, die aufgrund von Anschuldigungen anderer Menschen Post vom Kreisverwaltungsreferat sowie Steuerbescheide bekommen haben sollen (‚Der Geisterhund von Bogenhausen‘, tz vom 15.4.2024 sowie ‚Unsere Katze soll ein Kampfhund sein‘, tz vom 19.4.2024). Offenbar wurden die Meldungen und Beschwerden über ein beim Kreisverwaltungsreferat angesiedeltes Online-Portal getätigt. Diese Vorgänge geben Anlass zu weiteren Fragen.“
Die in Ihrer Anfrage gestellten Fragen kann ich wie folgt beantworten:
Frage 1:
Wie werden Meldungen und Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern über das Meldeportal der Stadt München bearbeitet? (siehe: https://stadt.muenchen.de/buergerservice/freizeit-hobby/meldungen.html)
Antwort:
Über das oben zitierte Portal können seit September 2021 Bürger*innen unter dem Motto „Mach München besser!“ Schäden und Verschmutzungen im Stadtgebiet München digital an die Stadtverwaltung melden. Hier kann beispielsweise auf überfüllte Mülleimer, beschädigte oder verschmutzte Verkehrsschilder hingewiesen werden. Die Plattform wird vom IT-Referat verwaltet. Eine direkte Meldung von Hundevorfällen ist hier jedoch nicht möglich.
Im unteren Bereich der Meldeplattform findet man unter der Rubrik „Tiere, Pflanzen und Natur“ jedoch einen Link zum Thema Hundehaltung und kommt so auf die KVR-Seite mit dem Online-Formular zur Meldung eines Hundevorfalles. Erfahrungsgemäß erfolgt der Einstieg eher über das KVR-Online-Formular, das über den Suchbegriff „Hund“ zu finden ist, alsüber das allgemeine Meldeportal der Landeshauptstadt München, das in der Frage erwähnt wurde.
Im aktuellen Beschluss des IT-Ausschusses vom 13.12.2023 (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 11275) führte das IT-Referat zur Meldeplattform „Mach München besser!“ Folgendes aus:
„… Derzeit erfolgt bei ‚Mach München besser!‘ die Bearbeitung der eingehenden Meldungen direkt in den jeweiligen Fachbereichen. Es gibt keine zentrale Stelle, die die Meldungen sichtet, bewertet und Standardfragen im ersten Schritt beantwortet, bevor die Meldungen an die Fachbereiche zur weiteren Erledigung gegeben werden…“
Die Meldeplattform „Mach München besser!“ hat einen eigenen FAQ-Bereich, siehe: https://machmuenchenbesser.de/faq.
Die über das Portal eingehenden Meldungen werden an den zuständigen Fachbereich weitergeleitet und dort zu den Arbeitszeiten so rasch wie möglich, im Regelfall innerhalb weniger Werktage, bearbeitet. Die Meldenden können Mitteilungen zu Statusänderungen abonnieren und erhalten eine E-Mail, sobald die Meldung erledigt ist. Aus Datenschutzgründen dürfen manche Meldungen nicht veröffentlicht werden.
Das KVR weist darauf hin, dass die beiden in der Anfrage benannten Fälle nicht über das o.g. Portal, sondern über das Sammelpostfach hunde. kvr@muenchen.de bzw. das Online-Formular „Mitteilung zu einem Vorfall mit Beteiligung eines Hundes“ (https://stadt.muenchen.de/service/info/hauptabteilung-i-sicherheit-und-ordnung-praevention/1083020/) bekannt wurden. Unabhängig davon wird jede Meldung – egal ob persönlich, telefonisch, schriftlich, per E-Mail oder online nach dem gleichen sicherheitsrechtlichen Verwaltungsverfahren bearbeitet.
Der Ablauf der Bearbeitung von Meldungen, die beim KVR eingehen, kann der Antwort zur Frage 3.2 entnommen werden.
Frage 2:
Wie werden Meldungen und Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern bearbeitet, die telefonisch eingehen?
Antwort:
Bei telefonischen Meldungen und Beschwerden, die beim KVR eingehen, werden die Anrufer*innen grundsätzlich gebeten, die Meldung über unserOnline-Formular einzureichen. Dies stellt sicher, dass alle relevanten Daten und Informationen vollumfänglich erhoben und bewertet werden können. Bei priorisierten Vorfällen (z. B. Hund beißt Kind) wird selbstverständlich bereits aufgrund einer telefonischen Meldung mit der Bearbeitung begonnen.
Frage 3:
Wie geht die Sicherheitsbehörde solchen Anzeigen konkret nach? Der Ablauf ist beispielhaft am Thema „Vorfälle mit Hunden“ [zu] darzustellen.
Antwort:
Das KVR zeigt im Folgenden den verwaltungsrechtlichen Ablauf aus dem Bereich der Gefahr-, bzw. Kampfhunde auf. Das Vorgehen anderer Sachgebiete aus dem Bereich Sicherheit und Ordnung kann aufgrund anderer Sachverhalte sowie abweichender Rechtsgebiete hiervon abweichen.
Frage 3.1:
Wie ist der Ablauf bei anonymen Anzeigen?
Antwort:
Als anonyme Anzeige wird hier eine Anzeige verstanden, bei denen keine Personalien der meldenden Person(en) bekannt sind.
Eine subjektive Angst vor Hunden und die Befürchtung, bei Nennung des Namens evtl. künftig unter Repressalien leiden zu müssen, kann dazu führen, dass Meldende lieber anonym bleiben möchten. Es ist ein zentrales Bedürfnis der Menschen, frei von Furcht und Unsicherheitsgefühlen leben zu können. Das KVR nimmt aus diesem Grund auch anonyme Meldungen aus der Bevölkerung zu Gefahrhunden ernst und geht diesen nach, solange keine klaren Zweifel an der Glaubwürdigkeit der meldenden Person bestehen. Das KVR sieht dies als Teil unseres Auftrages zum Schutz von Mensch und Tier.
Den genauen Ablauf entnehmen Sie bitte der Antwort zu Frage 3.2.
Frage 3.2:
Wie ist der Ablauf bei Anzeigen, in denen ein Name genannt wird?
Antwort:
Das KVR verweist dazu auf den Internetauftritt unter https://stadt.muenchen.de/infos/hundeverordnung oder www.muenchen.de/hunde. Unter der Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ wird Folgendes ausgeführt: „Bekommt das Kreisverwaltungsreferat von einem Vorfall Kenntnis und sind die Daten der betreffenden Hunde haltenden Person bekannt, leitet das Kreisverwaltungsreferat ein Verwaltungsverfahren ein und hört zum gemeldeten Vorfall an. Zum Teil werden auch Zeugen befragt oder weitere Ermittlungen angestellt.
Je nachdem, ob ein Nachweis des in Frage stehenden Verhaltens möglich ist oder wie das Verhalten des Hundes beziehungsweise der haltenden Person in der Situation war, kann das Kreisverwaltungsreferat weitere Schritte einleiten.
Dies geht – je nach Einzelfall – von einer schriftlichen Belehrung über die Anordnung z. B. der sicheren Verwahrung eines Hundes im Haltergrundstück, eines Leinen- und/oder Maulkorbzwangs bis hin zur Anordnung einer Haltungs- und Betreuungsuntersagung. Für den Fall des Verstoßes gegen eine Anordnung wird ein Zwangsgeld angedroht. Bei tatsächlichem Verstoß wird dieses fällig erklärt und ein erhöhtes Zwangsgeld angedroht, falls erneut die Anordnungen nicht eingehalten werden. Zudem kann ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet werden.“
Ergänzend hierzu kann Folgendes mitgeteilt werden:
Das KVR muss als Sicherheitsbehörde grundsätzlich jeder Meldung nachgehen. Hierbei wird selbstverständlich je nach Gefahrenlage priorisiert. Die Sachverhalte werden ermittelt, mögliche Hundehalter*innen um Stellungnahme gebeten (Anhörung nach dem Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG) und ggf. Geschädigte wie Zeug*innen befragt und je nach Aktenlage weitere Behörden hinzugezogen. Je nach Ermittlungsergebnis werden Verfahren eingestellt, Belehrungen ausgesprochen oder Anordnungen gegenüber den Hundehaltenden nach dem Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) getroffen.
Frage 3.3:
Wie viele solcher Vorfälle gibt es jährlich?
Antwort:
Im Jahr 2023 gingen mehr als 620 Meldungen zu Kampf- und/oder Gefahrhunden ein.
Frage 3.4:
Wie viele der angezeigten Vorfälle sind berechtigt?
Antwort:
Aus der subjektiven Sicht der Meldenden sind weitgehend alle Mitteilungen berechtigt. Objektiv sowie rechtlich betrachtet, erfordern natürlich nicht alle Meldungen ein Handeln oder Einschreiten der Ordnungsbehörde, weshalb auch nicht alle Meldungen im weiteren Verfahrensverlauf zu Belehrungen oder sicherheitsrechtlichen Anordnung führen. Der Erlass einer sicherheitsrechtlichen Anordnung setzt aber auch nicht notwendigerweise voraus, dass es bereits zu einem Beißvorfall oder sonstigen Zwischenfällen, wie z. B. Anspringen, gekommen sein muss. Dem KVR ist es wichtig, dass den Bürger*innen mit dem Meldeformular ein niederschwelliges Angebot zur Meldung von Hundevorfällen zur Verfügung steht, um als Sicherheitsbehörde gegebenenfalls schon präventiv tätig werden zu können.
Konkrete und wissentliche Falschmeldungen von Vorfällen über Personen, die keine Hundehalter*innen sind, stellen die absolute Ausnahme dar.
Frage 3.5:
Wie sind Anhörungsschreiben formuliert?
Antwort:
Bevor eine, in die Rechte eines Hundehaltenden eingreifende, sicherheitsrechtliche Anordnung getroffen werden kann, ist die beteiligte Person zwingend nach Art. 28 BayVwVfG über die beabsichtige Maßnahme, beispielsweise Leinenzwang, anzuhören.
Das Anhörungsschreiben informiert die betroffene Person umfassend darüber, dass und warum ein Verwaltungsverfahren nach dem LStVG gegen sie läuft. Das Anschreiben ist klar und bestimmt formuliert und geht auf den konkreten Vorfall ausführlich ein.
Den Hundehaltenden wird im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht die Möglichkeit (unter einer Fristsetzung) eröffnet, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Sofern die anzuhörende Person an der Aufklärung des Sachverhaltes nicht mitwirkt, wird nach Aktenlage entschieden.
Das Anhörungsschreiben erhält jedoch auch einen Hinweis, wonach ein etwaig fälschlich angeschriebener Adressat dies selbstverständlich aufklären kann. Sofern bereits im Vorfeld Unsicherheiten in Bezug auf Adressaten eines Anhörungsschreibens bestehen, werden die Schreiben zur Aufklärung der Bürger*innen noch mit einem individualisierten Zusatz versehen.
Frage 3.6:
Wie viele Meldungen enden in einem Gerichtsverfahren?
Antwort:
Nicht alle Meldungen ziehen eine sicherheitsrechtliche Anordnung, gegen die eine Klage möglich wäre, nach sich. Durchschnittlich enden jährlich ca. neun Meldungen im Bereich Gefahr- und Kampfhunde in einem Gerichtsverfahren. Das von der Landeshauptstadt München im Bereich der Gefahr- und Kampfhunde entwickelte und praktizierte Verfahren hat sich über Jahre hinweg bewährt und als effektiv erwiesen. Das hat zur Folge, dass in den überwiegenden Fällen, die vom KVR getroffenen Maßnahmen vor Gericht standhalten.
Frage 3.7:
Bei wie vielen der gemeldeten Vorfälle läuft parallel dazu ein Strafverfahren?
Antwort:
Diese Frage kann von Seiten des KVR nicht beantwortet werden, da Strafverfahren von der Polizei eingeleitet werden. Bei Vorfällen mit verletzten Personen kommt in der Regel ein Strafverfahren wegen Körperverletzung in Betracht, siehe auch Antwort zu Frage 4.
Frage 3.8:
Bei wie vielen Meldungen und Beschwerden sind Beweismittel wie z. B. Fotos oder Videoclips dabei?
Antwort:
Verletzungsnachweise werden in aller Regel vorgelegt und auch von Seiten des KVR im Bedarfsfall nachgefordert.
Weitere Beweismittel in Form von Fotos oder Videoclips werden nur in vereinzelten Fällen vorgelegt.
Frage 4:
Wie ist das Zusammenwirken zwischen Sicherheitsbehörden, KVR und Stadtkämmerei bei der Bearbeitung von Meldungen und Beschwerden?
Antwort:
Die Einbindung der am Verfahren zu beteiligenden Stellen ist durch langjährige, vertrauensvolle Zusammenarbeit geprägt und lebt vom gegenseitigen Informationsaustausch.
In allen Fällen erfolgt von Seiten des KVR eine Abfrage bei der Stadtkämmerei (Hundesteuer) sowie beim Polizeipräsidium München bezüglich frü-herer Erkenntnisse zur Hundehaltung. In welchen Fällen ein Strafverfahren durch die Polizei eingeleitet wird, entzieht sich unserer Kenntnis.
Frage 5:
Wie kann jemand der keinen Hund angemeldet hat, einen Hundesteuerbescheid bekommen, ohne dass zuvor geprüft wurde, ob er tatsächlich Halter eines Hundes ist?
Antwort:
Die Stadtkämmerei hat beide in der Anfrage genannten Fälle geprüft und teilt hierzu mit, dass keine Hundesteuerbescheide ergangen sind. Bei den in der Presse genannten Schreiben handelt es sich um Anfragen an die Bürger*innen. In diesen werden sie unter Bezugnahme auf die Meldung des KVR gebeten, falls sie einen Hund halten, diesen anzumelden oder mitzuteilen, wer Halter*in ist. Dies entspricht dem regulären Vorgehen bei Mitteilungen über eine mögliche Hundehaltung. Zunächst schreibt die Stadtkämmerei die Betroffenen an und bittet um Rückmeldung. Erfolgt diese nicht bzw. kann der Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt werden, erfolgen je nach individueller Sachlage weitere Ermittlungen wie beispielsweise erneute Anschreiben, Überprüfung durch den Zentralen Au-ßendienst der Stadtkämmerei etc.
Eine Anmeldung ohne Mitwirkung der Hundehalter kommt nur in besonderen Ausnahmefällen und bei belastbarer Beweislage vor.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.