Das Münchner Waisenhaus feiert dieses Jahr sein 125-jähriges Bestehen. Als eines von insgesamt drei städtischen Kinder- und Jugendheimen bietet das Waisenhaus 137 Kindern und Jugendlichen im Alter von 0 bis 21 Jahren einen geschützten Ort zum Aufwachsen. Die Kinder und Jugendlichen leben in insgesamt 16 Wohngruppen mit einem heilpädagogischen Tagesablauf, der ihnen Struktur und Sicherheit gibt, sowie die Möglichkeit, sich zu entfalten und zu entwickeln. Das Münchner Waisenhaus legt viel Wert auf Mitbestimmung und Beteiligung der Kinder und nimmt mit der Implementierung der Traumapädagogik eine Vorreiterrolle unter den stationären Jugendhilfeeinrichtungen ein.
Sozialreferentin Dorothee Schiwy: „Traumapädagogik legt großen Wert auf Geborgenheit und Vertrauen. Es geht darum, die früheren Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen anzuerkennen und zu bearbeiten, um ihnen ein stabiles und unterstützendes Zuhause auf Zeit mit guten individuellen Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Die Kinder und Jugendlichen haben oft starke familiäre Belastungen und dadurch emotionale Anpassungsschwierigkeiten. Um damit besser umgehen zu können, werden die Fachkräfte traumapädagogisch ausgebildet und geschult. Ein kommunales Projekt dieser Größenordnung ist bundesweit einmalig.“
Das Münchner Waisenhaus kann auf eine bewegte Historie zurückblicken. Gegründet vor 125 Jahren, hat es sich stetig den wechselnden Anforderungen der Kinder- und Jugendhilfeversorgung angepasst. Die Nähe zu den Englischen Fräulein in Nymphenburg war maßgeblich für die Standortwahl. Der Orden übernahm 1861 die Leitung des Münchner Waisenhauses, dessen Träger seit 1809 die Waisenhausstiftung München ist. Ein besonders einschneidendes Ereignis war das Jahr 1945, als mehrere Luftangriffe das Gebäude weitgehend zerstörten. Nur ein Teil des Nordflügels blieb erhalten. Doch die Ruine bot die Chance für einen Neuanfang: Während des Wiederaufbaus entwickelte sich hier das sogenannte Familienprinzip, bei dem Jungen und Mädchen verschiedener Altersstufen zusammen mit ihren Betreuer*innen in einzelnen Gruppen lebten. Dieses neuartige Konzept überzeugte den Stadtrat, der schließlich die Trennung vom Orden beschloss und die Kosten für den Wiederaufbau übernahm. Das Konzept der Familienerziehung setzte nicht nur im Münchner Waisenhaus, sondern im gesamten deutschsprachigen Raum neue Maßstäbe. Am 12. Juli feiert das Münchner Waisenhaus das 125-jährige Bestehen mit einem abwechslungsreichen Programm für die Kinder und Jugendlichen.