Der Königsteiner Schlüssel und seine Geheimnisse
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Andreas Babor, Alexandra Gaßmann, Rudolf Schabl und Matthias Stadler (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄH-LER) vom 3.6.2024
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 3.6.2024 führen Sie Folgendes aus:
„‚Wegen des zu erwartenden großen Zustroms von Schutzsuchenden braucht die Regierung von Oberbayern von Beginn an die Unterstützung der Kommunen. Sehr gerne unterstützt die Landeshauptstadt München nach allen Kräften und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln dabei‘.¹ An dieser im Frühjahr 2022 gegebenen Zusicherung hat sich auch nach zwei Jahren nichts geändert. Nichts destotrotz entwickeln sich im Laufe der Zeit Fragen, die sich aus der Entwicklung heraus ergeben und zukünftige Entscheidungen beeinflussen.
‚… Für die Verteilung der Geflüchteten aus der Ukraine auf die einzelnen Bundesländer wird der sogenannte Königsteiner Schlüssel angewendet. Die Länder sind nach § 44 Asylgesetz (AsylG) verpflichtet, die hierfür notwendige Zahl an Unterbringungsplätzen bereitzustellen. Der Freistaat Bayern ist nach der Erstaufnahme verpflichtet, die zugewiesenen Asylsuchenden verteilt auf die gesamte Landesfläche unterzubringen. Nach Maßgabe der Quoten des § 3 der Verordnung zur Durchführung des Asylgesetzes (Asyldurchführungsverordnung – DVAsyl) werden auf den Regierungsbezirk Oberbayern 35,6% und davon 31,6% auf die Landeshauptstadt München verteilt. Insgesamt kommen in der Landeshauptstadt München also etwa 1,75% aller Geflüchteten unter, die nach Deutschland kommen. Kommen also 50.000 Schutzsuchende aus der Ukraine nach Bayern, sind in München 5.625 Menschen unterzubringen, bei 100.000 Ankommenden sind das 11.250 Menschen.
Die Zuständigkeit und Verantwortung für die Unterbringung Geflüchteter in Bayern liegt primär beim Freistaat Bayern. Es ist offensichtlich, dass die staatlichen Unterbringungsmöglichkeiten nicht ausreichen werden. Eine Unterbringung in den dezentralen kommunalen Unterbringungssystemen ist unausweichlich und so seit dem 4.3.2022 auch von der Regierung von Oberbayern eingefordert.‘1
‚… Durch die steigenden Zugangszahlen von Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Herkunftsländern steht die LHM dabei vor großen Herausforderungen. Die ROB hat die LHM bereits im Frühjahr 2022 dazu aufgefordert, 5.625 zusätzliche Bettplätze für Geflüchtete aus der Ukraine bereitzustellen. 80% dieser Kapazität sind als längerfristige Unterkünfte zu schaffen. Die restlichen 20% können auch durch kurz- und mittelfristige Unterbringungsmöglichkeiten erfüllt werden. …‘². So oder ähnlich wird seit Frühjahr 2022 die Ausgangslage für Beschlüsse zu Vorlagen Flüchtlingsunterkünfte etc. betreffend beschrieben.
Auf die Frage ‚Warum kommen so viele Flüchtlinge nach München?‘ wird auf der offiziellen Seite der LHM geantwortet: ‚Nach dem deutschlandweiten Verteilungsschlüssel (Königsteiner Schlüssel) hat der Freistaat Bayern 15,56491 Prozent aller Geflüchteten aufzunehmen, davon wiederum entfallen nach § 3 Abs. 1 DVAsyl 35,6 Prozent auf Oberbayern. Die Landeshauptstadt München wiederum ist aus § 3 Abs. 2 DVAsyl verpflichtet, 31,6 Prozent aller auf Oberbayern entfallenden Geflüchteten aufzunehmen. Die Verteilung der Asylbewerber*innen auf Unterkünfte in München wird nach verfügbaren Kapazitäten durch die Regierung von Oberbayern vorgenommen. (Stand 01/2021)‘³.
Die Sitzungsvorlagen zeigen auf, dass sich die genannte Bettenkapazitäten von 5.625 Bettplätzen lediglich auf Geflüchtete aus der Ukraine beziehen, nicht aber auf Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern.‘“
Zu Ihrer Anfrage vom 3.6.2024 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Wie ist der genaue Wortlaut der Forderungen der ROB vom 4.3.2022 und 17.7.2022?
Antwort:
Die entsprechenden Innenministeriellen Schreiben (IMS) des Bayerische Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration (StMI) wurden zur Beachtung von der Regierung von Oberbayern (ROB) an die kreisfreien Städte und Landkreise im Regierungsbezirk per E-Mail (u.a. vom 4.3.2024 und 17.7.2024) mit entsprechenden Hinweisen weitergeleitet. Die Landeshauptstadt München (LHM) veröffentlicht den verwaltungsinternen E-Mailverkehr zwischen ROB und LHM sowie von IMS nicht, da es sich um Verwaltungsinterna handelt. Für eine Beantwortung der Fragen, die die von der ROB geforderte Kapazitätserweiterung betreffen, sind relevante Hinweise der ROB und relevante Regelungen aus den IMS wörtlich zitiert und werden hier der Beantwortung der neun Fragen vorangestellt:
Am 3.3.2022 erging der Beschluss der Europäischen Union (EU) zur Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG auf ukrainische Kriegsflüchtlinge. Am selben Tag erließ das StMI das IMS vom 3.3.2022 mit weiteren Details zur Verfahrensweise für ukrainische Geflüchtete. In Bezug auf einen Kapazitätsaufbau sind dort keine konkreten An- oder Aufforderungen enthalten.Unter Punkt 4 heißt es: „Für Personen, die einen Unterkunftsbedarf haben, gilt Folgendes: Personen, die in den Gemeinden ohne ANKER-Einrichtung ankommen (…), sollten – solange die Kapazität reicht, in nächstgelegenen Asylunterkünften untergebracht werden, (…) in regulären Unterkünften, ansonsten in Notunterkünften.“
Mit IMS vom 4.3.2022 zum Aufbau von Unterbringungskapazitäten auf 50.000/100.000 Plätze für ukrainische Geflüchtete hat das StMI unter anderem Zielgrößen beim Aufbau von Kapazitäten festgelegt und Handlungshinweise zum zügigen Aufbau von Unterbringungskapazitäten gegeben. Zitat: „Um auf die vermutlich hohe Zahl an Kriegsflüchtlingen vorbereitet zu sein, erfolgt ein stufenweiser Kapazitätenaufbau auf 50.000 bzw. 100.000 Plätze. (…) Damit der Platzausbau gelingt, muss jeder Regierungsbezirk und jede Kreisverwaltungsbehörde ihren Anteil dazu leisten. Dieser bemisst sich nach der Quote nach § 3 DVAsyl (Anmerkung Entwurfsverfasser: Verordnung zur Durchführung des Asylgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes, des Aufnahmegesetzes und des § 12a des Aufenthaltsgesetzes (Asyldurchführungsverordnung – DVAsyl) und damit nach der Bevölkerungszahl. Die für den betreffenden Regierungsbezirk/ Landkreis anzustrebende Zielvorgabe ist der beigefügten Tabelle zu entnehmen. (…) Aufgrund der dynamischen Lage wird die Gesamtzielvorgabe regelmäßig aktualisiert und angepasst.“ Mit entsprechenden Hinweisen hat die ROB dieses IMS zur Beachtung der LHM per E-Mail vom 4.3.2022 zugeleitet. Für die Landeshauptstadt München (LHM) ergab sich für das Szenario 1 (Zugang von 50.000 Personen nach Bayern) die Zielzahl 5.625 Bettplätze (BPL) und für das Szenario 2 (Zugang von 100.000 Personen nach Bayern) die Zielzahl 11.250 BPL.
Mit E-Mail vom 17.7.2022 an die kreisfreien Städte und Landkreise verweist die ROB zum Unterbringungsverfahren und speziell zum Kapazitätsaufbau auf das im IMS vom 4.3.2022 skizzierte Verfahren. Zitat: „Bezüglich des weiterhin erforderlichen Kapazitätsaufbaues bitten wir Sie angesichts der sich stabilisierten Lage und der bereits erzielten Akquiseerfolge sich bis auf Weiteres wieder an dem ‚Konzept 50.000 Plätze‘ gem. dem (…) IMS vom 4.3.2022 (‚Szenario 1‘) zu orientieren. Wie bereits mitgeteilt, kommt es auch angesichts des Rechtskreiswechsels der ukrainischen Kriegsflüchtlinge sowie eines in den letzten Wochen zu beobachtenden spürbaren Anstiegs des Zugangsgeschehens sonstiger Asylsuchender in diesem Rahmen besonders auf die Schaffung langfristiger Unterbringungsmöglichkeiten bzw. regulärer Akquisemaßnahmen im Sinne von Ziff. 5. des (…) IMS vom 25.5.2022 an. In diesem Zusammenhang bitten wir (…), sich bei der seit dem 4.3.2022 neu zu schaffenden Kapazitäten im Bereichlangfristiger Unterbringungsmöglichkeiten an 80% der nach dem ‚Konzept 50.000‘ vorgesehenen Bettplätzen zu orientieren.“ Ziff. 5. des IMS vom 25.5.2022 führt aus:
„Um auch unabhängig von der Ukraine-Krise auf die künftigen regulären Zugänge im Asylbereich ausreichend vorbereitet zu sein, muss der Aufbau und Betrieb regulärer Asylunterkünfte zwingend fortgesetzt werden. Zum einen können hierfür die im Zuge des ‚Konzepts 50.000‘ geschaffenen Unterkünfte, die (…) dauerhaft als Asylunterkünfte geeignete Liegenschaften darstellen, ebenfalls weitergenutzt werden. Dazu zählen vor allem auf langfristige (d.h. über einen Aufenthalt von 6 Monaten angelegte) Unterbringung ausgerichtete Unterkünfte, die als reguläre Gemeinschaftsunterkunft oder dezentrale Unterkunft fortgeführt werden können. Voraussetzung hierfür ist ein bestehender Bedarf im Asylbereich sowie dass keine Nutzungsbegrenzung auf ukrainische Kriegsflüchtlinge erfolgt, sondern die Liegenschaft für alle AsylbLG-Berechtigten zur Verfügung steht. (…) Die bereits vor der Ukrainekrise unternommenen Bemühungen um eine Neuakquise von Liegenschaften soll unvermindert fortgesetzt werden.“ Bei der nach dem Szenario 1 vorgegebenen Zielzahl 5.625 BPL bedeutet dies für die LHM, 4.500 BPL an längerfristigen Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen, und zwar in der Gesamtheit aller zugewiesenen Geflüchteten unabhängig vom Herkunftsland.
Frage 2:
Werden in Flüchtlingsunterkünften, die für Geflüchtete aus der Ukraine geplant und genehmigt wurden, Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern kurz- oder langfristig untergebracht? Wenn ja, wird der Bezirksausschuss oder Stadtrat darüber informiert?
Antwort:
Der durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste verstärkte Zustrom von ukrainischen Geflüchteten hat insbesondere zu Beginn im Frühjahr 2022 einen dringenden und unaufschiebbaren sofortigen Bedarf an Unterbringungskapazitäten im ohnehin angespannten Unterbringungssystem der LHM für Geflüchtete ausgelöst. Zusätzlich zu Asylbegehrenden waren und sind Geflüchtete aus der Ukraine unterzubringen. Unterkünfte werden und wurden durch die LHM für die Unterbringung der von der ROB zugewiesenen Geflüchteten unabhängig vom Herkunftsland geplant. Das IMS vom 25.5.2022 und die E-Mail der ROB vom 17.7.2022 (siehe Wortlaut oben) untermauern, dass 5.625 BPL (davon 4.500 BPL längerfristig) nicht nur für Geflüchtete aus der Ukraine geschaffen werden (sollen).In der Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 12517 heißt es: „Durch die steigenden Zugangszahlen von Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Herkunftsländern steht die LHM dabei vor großen Herausforderungen. Die ROB hat die LHM bereits im Frühjahr 2022 dazu aufgefordert, 5.625 zusätzliche Bettplätze für Geflüchtete aus der Ukraine bereitzustellen. 80% dieser Kapazität sind als längerfristige Unterkünfte zu schaffen. Die restlichen 20% können auch durch kurz- und mittelfristige Unterbringungsmöglichkeiten erfüllt werden.“
Diese Formulierung hat möglicherweise zu der Annahme geführt, dass die Schaffung der 5.625 geforderten Bettplätze ausschließlich für Geflüchtete aus der Ukraine vorgesehen ist. Tatsächlich war es wie bereits beschrieben erforderlich, das Unterbringungssystem für Geflüchtete so zu erweitern, dass neben den Geflüchteten aus anderen Herkunftsländern der hohe Zustrom Geflüchteter aus der Ukraine bewältigt werden kann. Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 12487 enthält beispielsweise folgende Formulierung: „Im Auftrag der ROB ist die LHM aktuell dazu aufgefordert, 5.625 zusätzliche Bettplätze für Geflüchtete bereitzustellen. In Erwartung weiterer Zugänge von ukrainischen Geflüchteten und Geflüchteten aus anderen Herkunftsländern hat die ROB die Landkreise und Kommunen aufgefordert, 80% dieser Kapazität als längerfristige Unterkünfte zu schaffen. Die restlichen 20% können auch durch kurz- und mittelfristige Unterbringungsmöglichkeiten erfüllt werden.“
Sitzungsvorlage Nr. 20-26 / V 12348 führt folgendes aus: „Im Auftrag der ROB ist die LHM aktuell dazu aufgefordert, 5.625 zusätzliche Bettplätze für Geflüchtete bereitzustellen. In Erwartung weiterer ukrainischer Rückkehrer*innen aus Privatunterkünften und einem weiteren Zugang an Geflüchteten aus anderen Herkunftsländern hat die ROB die Landkreise und Kommunen aufgefordert, 80 % dieser Kapazität als längerfristige Unterkünfte zu schaffen. Die restlichen 20 % können auch durch kurz- und mittelfristige Unterbringungsmöglichkeiten erfüllt werden.“
Sollten etwaige Missverständnisse aufgrund der Wortwahl in der Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 12517 entstanden sein und zu der Annahme geführt haben, dass die von der ROB geforderte Kapazitätserweiterung um 5.625 BPL ausschließlich Geflüchtete aus der Ukraine betrifft, bedaure ich das sehr.
Die LHM handhabt die Unterbringung so, dass ukrainische und Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern nicht gemischt untergebracht werden, weil sie sich in der Verantwortung sieht, potenzielle Konflikte unter Geflüchteten möglichst zu vermeiden und denkbaren Problemsituationen durch eine sozial ausgewogene Belegung der Unterkünfte vorzubeugen.Ukrainische Geflüchtete und solche aus anderen Herkunftsländern werden bei der Belegung von Unterkünften u.a. deshalb nicht gemischt untergebracht, weil zum Teil unterschiedliche Betreuungsbedarfe und der Bezug unterschiedlicher Sozialleistungen wie auch die Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber*innen zu genau solchen Situationen führen könnten. Sollten die Bettplatzkapazitäten für die bisher praktizierte getrennte Unterbringung jedoch nicht mehr ausreichen, wird die LHM auch gemischt unterbringen müssen.
Die Bezirksausschüsse, in deren Stadtbezirk die jeweilige Unterkunft für Geflüchtete angesiedelt ist, werden im Rahmen eines stadtweiten Verfahrens frühzeitig in die Planung mit einbezogen. Die Beteiligung erfolgt in der Regel über schriftliche und mündliche Informationen des Amtes für Wohnen und Migration, durch die Teilnahme an Bezirksausschusssitzungen und Bürgerversammlungen sowie förmlich über die Anhörung des betroffenen Bezirksausschusses im Rahmen der Beschlussfassung zum geplanten
Standort. Die Stellungnahme des betroffenen Bezirksausschusses ist grundsätzlich in einer Anlage der Standortbeschlussvorlage zur Errichtung der jeweiligen Unterkunft für Geflüchtete zu der Stadtratssitzung enthalten. Der Stadtrat entscheidet mittels Beschlusses über die endgültige Festlegung eines Standorts.
Eine Aussage, wie sich die Belegung nach Zielgruppen (Einzelpersonen, Paare oder Familie) oder nach Herkunftsländern zusammensetzt, kann zum Zeitpunkt der Erstellung der Beschlussvorlage bis zeitnah vor Eröffnung nicht getroffen werden, da dies immer abhängig vom jeweils aktuellen Zugangs- und Zuweisungsgeschehen ist. Zudem werden in Unterkünfte nach Fertigstellung auch Personen zugewiesen, die zu diesem Zeitpunkt noch in Leichtbauhallen bzw. schließenden Unterkünften innerhalb des Unterbringungssystems der LHM für Geflüchtete untergebracht sind oder aus privaten Notquartieren ausziehen müssen. Der Bezirksausschuss wird zeitnah vor Eröffnung über die geplante Belegung informiert. In der Regel werden für die Anwohnerschaft in Abstimmung mit dem jeweiligen Bezirksausschuss Informationsveranstaltungen in Form von Tagen der offenen Tür durchgeführt. Die Einladungen für die Anwohnerschaft und damit die Informationen zu unter anderem Belegung, Betriebsführung und Betreuung erhalten die Bezirksausschüsse und alle Fraktionen des Stadtrates.
Frage 3:
Stand 2023 waren insgesamt 8.753 Geflüchtete in den verschiedenen Flüchtlingsunterkünften untergebracht. Wie viele Bettenplätze müssen zusätzlich zu den 5.625 Bettenplätzen für Geflüchtete aus der Ukraine für Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern zur Verfügung gestellt werden?
Antwort:
Hierzu wird auf die Beantwortung der Frage 2 verwiesen. Der gesetzlichen Aufgabe zur Unterbringung Geflüchteter im übertragenen Wirkungskreis kommt die LHM nach, indem sie die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine sowie anderen Herkunftsländern sicherstellt. Die Zahl ankommender Geflüchteter bei der ROB ist dabei weiterhin auf einem hohen Niveau. Es ist mit monatlichen Zuweisungen von insgesamt 300 Personen aus der Ukraine und Asylbegehrenden aus anderen Herkunftsländern zu rechnen.
Frage 4:
Hat München neben der Zuteilung über den Königsteiner Schlüssel freiwillig mehr Geflüchtete aufgenommen?
Antwort:
Neben den aus der Verteilungsquote nach § 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung zur Durchführung des Asylgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes, des Aufnahmegesetzes und des § 12a des Aufenthaltsgesetzes (Asyldurchführungsverordnung – DVAsyl) der LHM zugewiesenen Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Herkunftsländern wurde durch die LHM im Jahr 2024 freiwillig ein 5-köpfiger Haushalt aus einem Übergangswohnheim (ÜWH) in das Wohnprojekt im Jungen Quartier Obersendling übernommen. Im Jahr 2023 wurden zwei Personen, im Jahr 2022 insgesamt 19 Personen und im Jahr 2021 insgesamt 49 Personen aufgenommen.
Frage 5:
Wie hoch ist die aktuelle Zahl der Fehlbeleger in den Flüchtlingsunterkünften?
Antwort:
Statuswechsler*innen (sogenannte Fehlbeleger*innen) sind anerkannte Geflüchtete, die nach Zuerkennung des Schutzstatus nicht mehr verpflichtet sind, in Unterkünften zu wohnen. Die Betroffenen werden im Einvernehmen mit der ROB jedoch in dezentralen kommunalen Unterkünften und staatlichen Gemeinschaftsunterkünften im Stadtgebiet München länger als vorgesehen geduldet, um der angespannten Wohnungsmarktsituation und einer Überlastung des Unterbringungssystems der LHM für Wohnungslose zu begegnen.
Die aktuelle Zahl der Statuswechsler*innen in den dezentralen kommunalen Unterkünften für Geflüchtete der LHM beträgt 3.710, davon 2.506 Ukrainer*innen. Die Zahl der Statuswechsler*innen in den staatlichenGemeinschaftsunterkünften beläuft sich derzeit auf 898 (Stand für beide Zahlenangaben: 30.6.2024).
Frage 6:
Wird bei der gesetzlichen Vorgabe der Verteilungsquote nach dem Asylgesetz zwischen kurz-, mittel, oder langfristiger Unterbringungsmöglichkeit unterschieden?
Antwort:
Nein, eine solche Unterscheidung wird bei der gesetzlichen Vorgabe der Verteilungsquote nach der DVAsyl nicht getroffen.
Frage 7:
Welche Unterkünfte werden als „längerfristig“ definiert? Werden hier zum Beispiel auch Geflüchtete in Männerwohnheimen, Frauenhäusern, Wohnprojekte für Alleinstehende, Paare und Familien, Altenheime etc. berücksichtigt?
Antwort:
Als „langfristig“ wird gemäß dem IMS vom 25.5.2022 eine Unterkunft bezeichnet, die über einen Aufenthalt von über sechs Monaten angelegt ist und nach dieser Zeitdauer als reguläre Gemeinschaftsunterkunft oder dezentrale Unterkunft fortgeführt werden kann. Voraussetzung hierfür ist ein bestehender Bedarf im Asylbereich, sowie dass keine Nutzungsbegrenzung auf ukrainische Kriegsflüchtlinge erfolgt, sondern die Liegenschaft für alle AsylbLG-Berechtigten zur Verfügung steht.
Die von der ROB geforderte Kapazitätserweiterung um 5.625 Bettplätze gilt (nur) für das dezentrale kommunale Unterbringungssystem der LHM für Geflüchtete.
Anerkannte Geflüchtete, die im Unterbringungssystem der LHM für wohnungslose Personen versorgt sind, zum Beispiel in Männerwohnheimen, Frauenhäusern, Wohnprojekten für Alleinstehende oder aber ggf. in Altenheimen untergebracht sind, werden nicht dem Unterbringungssystem Geflüchteter zugerechnet.
Frage 8:
Zahlen, die Auskunft über die Anzahl von Geflüchteten mit und ohne Aufenthaltsstatus außerhalb von Flüchtlingsunterkünften in München werden nicht erhoben⁴. Wie werden Zielzahlen ausgewertet?
Antwort:
Geflüchtete mit und ohne Aufenthaltstitel, die nicht in einer Unterkunft für Geflüchtete, sondern in einer Privatwohnung leben, werden bei der Berechnung der Erfüllungsquote nach der DVAsyl grundsätzlich berücksichtigt. Geflüchtete ohne Aufenthaltstitel werden ohne zeitliche Begrenzung eingerechnet, Geflüchtete mit Aufenthaltstitel (Statuswechsler*innen, welche sich in staatlichen und dezentralen kommunalen Unterkünften befinden, sowie Anerkannte in Wohnungen) werden dabei im Grundsatz für die maximale Dauer von drei Jahren ab dem Zeitpunkt der Anerkennung berücksichtigt.
Die konkreten Verteilungsquoten ergeben sich wie bereits beschrieben aus § 3 Abs. 1 und 2 DVAsyl. Die Erfüllung der Verteilungsquote im Münchner Stadtgebiet wird nach der „Erfüllungsquote“ bemessen. Sie generiert sich automatisch aus dem elektronischen Vorgangsverwaltungssystem iMVS (integriertes Migrationsverwaltungssystem) anhand objektiver und für alle Landratsämter und kreisfreien Städte gleichermaßen gültiger Kriterien und wird diesen von der ROB ausgewertet zur Verfügung gestellt. Bei der Quote nach § 3 DVAsyl handelt es sich nicht allein um die Vorgabe für die Gebietskörperschaft Landeshauptstadt München. Es handelt sich bei der Vorgabe um die (Zuteilungs-)Quote für das Stadtgebiet Münchens insgesamt, also für die Unterbringung Geflüchteter in der Zuständigkeit der LHM als auch für das Unterbringungssystem der ROB im Stadtgebiet Münchens. Eine Aufteilung, wer für welchen Anteil der Quotenerfüllung im Stadtgebiet Münchens zuständig ist, besteht nicht.
Frage 9:
Von der in der Asyldurchführungsverordnung festgelegten Quote kann abgewichen werden, wenn angemessener Wohnraum nicht zur Verfügung steht.⁵ Dieses Tatbestandmerkmal erfüllt die LHM. Wurden oder werden dahingehend Gespräche mit der ROB geführt?
Antwort:
Die Verteilungsquote ist wie oben ausgeführt geregelt. Die Erfüllung der Verteilungsquote im Münchner Stadtgebiet wird nach der „Erfüllungsquote“ bemessen (siehe Ausführungen unter der Antwort zu Frage 8). Die Erfüllungsquote Münchens liegt derzeit bei 90,08 Prozent (Stand: 1.7.2024). Somit befindet sich München in der „Unterquotenerfüllung“. Neben zahlreichen Gesprächen zum Thema der Erfüllungsquote auf Arbeitsebene in der Vergangenheit und anlassbezogen auch immer wieder erneut zwischen der LHM und der ROB haben sich in den Jahren 2019 und 2020 Oberbürgermeister Herr Dieter Reiter und die damalige Regierungs-präsidenten Frau Maria Els aufgrund ständiger (durch die ROB bemängelter) Unterschreitung der Erfüllungsquote zur Abweichung von der Verteilungsquote nach § 3 Abs. 2 Satz 2 DVAsyl mehrfach ausgetauscht. Der Oberbürgermeister hat hierbei unter Bezugnahme auf die angespannte Wohn- und Unterbringungssituation im Stadtgebiet Münchens explizit um eine Abweichung von der Verteilungsquote, um einen raschen Aufbau der ROB zu eigenen Kapazitäten staatlicher Gemeinschaftsunterkünfte auf dem Stadtgebiet Münchens sowie auch um Unterstützung der ROB gebeten, sich im Ballungsraum München intensiv um Programme der Wohnraumförderung für Geflüchtete und allgemein für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen einzusetzen, damit sich im Umkehrschluss die Erfüllungsquote verbessert.
Die Senkung der Verteilungsquote für die LHM zöge eine Erhöhung der Verteilungsquoten für andere kreisfreien Städte und Kommunen innerhalb Oberbayerns nach sich. Die Regierung von Oberbayern hat u.a. daher eine Abweichung von der Verteilungsquote unter Hinweis auf die Gleichbehandlung aller oberbayerischer Kommunen seinerzeit nicht in Aussicht gestellt, jedoch durch Erweiterung und Neuinbetriebnahme von staatlichen Unterkünften für Geflüchtete in München ihren eigenen Beitrag geleistet, dass die (gemeinsame) Erfüllungsquote schrittweise erhöht werden konnte.
¹ Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 05983, 17.3.2022
² Sitzungsvorlage 20-26/V 12517, 18.04.2024
³ https://stadt.muenchen.de/infos/fakten-zu-fluechtlingen.html
⁴ Antwortschreiben Az. D-HA II/V1 1612-3-0012 vom 12.10.2023
⁵ § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 DVAsyl