Räder mit Sicherheitsmängeln – auch in München im Einsatz?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Professor Dr. Jörg Hoffmann, Gabriele Neff, Richard Progl und Fritz Roth (FDP BAYERNPARTEI Stadtratsfraktion) vom 29.2.2024
Antwort Referentin für Klima- und Umweltschutz, Christine Kugler:
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet.
Zunächst bedanke ich mich für die gewährte Fristverlängerung.
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Laut Bericht des SPIEGEL vom 15. Februar 2024 wurden im grün-regierten Hannover durch einen niederländischen Fahrradhersteller verkaufte Lastenräder aus dem Verkehr gezogen, da sie eklatante Sicherheitsmängel aufwiesen.“
Die einzelnen Punkte Ihrer Anfrage kann ich wie folgt beantworten:
Frage 1:
Wie viele dieser Räder hat die Stadt in der Vergangenheit bezuschusst?
Antwort:
Im Förderprogramm München emobil (FEM) hat die LHM zwischen 2016 und 2021 insgesamt 1.959 Lastenpedelecs des Herstellers Babboe gefördert. Im nachfolgenden Förderprogramm Klimaneutrale Antriebe (FKA) wurden seit 2022 bereits 1.058 Anträge für Fahrzeuge von Babboe eingereicht und gefördert.
Von den 3.017 bereits geförderten Fahrzeugen des Herstellers Babboe sind 146 Räder vom Rückruf betroffen, was sich allerdings nicht auf die Förderung auswirkt. Zum Vergleich: In Summe wurden im gleichen Zeitraum insgesamt 10.748 Lastenfahrräder und -pedelecs gefördert. Der Hersteller Babboe hat daran zwar einen relativ hohen Anteil von 28%. Die vom Rückruf betroffenen Modelle des Herstellers manchen dagegen nur einen sehr kleinen Anteil von 1,3% der Gesamtmenge aus.
Frage 2:
Wie wird gewährleistet, dass die betroffenen Räder der Verkehrssicherheit genügen?
Antwort:
Im Gegensatz zu anderen motorisierten Fahrzeugen unterliegen (Lasten-) Fahrräder und Pedelecs keiner regelmäßigen technischen Überwachung durch Institutionen wie dem TÜV, sondern die Verantwortung für Funktionsfähigkeit und Sicherheit liegt bei den Nutzer*innen selbst. So ist dies auch bei durch die LHM geförderten Fahrzeugen. Der/Die Antragsteller*in trägt hier die Verantwortung dafür, dass das Fahrzeug der Verkehrssicherheit genügt. Ein Fahrrad zählt dann als verkehrssicher, wenn es entsprechend der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) ausgerüstet ist. Dafür nötig sind eine helltönende Klingel, zwei voneinander unabhängige Bremsen sowie zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale, die mit gelben Rückstrahlern ausgestattet sind. Außerdem sind Reflektorstreifen an den Reifen oder gelbe Speichenreflektoren sowie ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten vorgeschrieben. Die StVZO macht keine Angaben über den Rahmen von Fahrrädern.
Bei der verhältnismäßig jungen Fahrzeugkategorie der Lastenräder und -pedelecs gibt es eine sehr hohe Varianz an Formen und Größen. Hier ist in den letzten Jahren durch den zunehmenden Markthochlauf auch eine sehr große Anzahl an neuen Hersteller*innen dazu gekommen, die in unterschiedlichen Preisklassen und mit unterschiedlichen Qualitätsansprüchen produzieren. Um auf diesem sich dynamisch entwickelnden Markt für mehr Sicherheit zu sorgen, wurde von der Fahrradwirtschaft 2019 die DIN 79010 „Fahrräder - Transport- und Lastenfahrrad Anforderungen und Prüfverfahren für ein- und mehrspurige Fahrräder“ neu entwickelt. DIN-Normen sind Empfehlungen des Deutschen Instituts für Normung, die auf gesicherten Ergebnissen aus Wissenschaft, Technik und Erfahrung basieren. Somit ist es die Entscheidung der Hersteller*innen, ob sie ihre Produkte nach den Empfehlungen der Norm richten. Für Verbraucher*innen stellt die Einhaltung der Normen ein gutes Kriterium beim Kauf dar, wohingegen für die Hersteller*innen die Beachtung derselben keine Verpflichtung darstellt. Der niederländische Lastenrad-Hersteller Babboe hat diese deutsche Norm (noch) nicht bei der Entwicklung seiner vom Rückruf betroffenen Fahrräder berücksichtigt. Allerdings gibt er auf seiner Internetseite an, dass die von ihm hergestellten Räder den Normen DIN EN ISO 4210 (Sicherheitsanforderungen für Fahrräder) und EN 15194 (Fahrräder – Elektromotorisch unterstützte Räder) genügen und schreibt: „Alle Babboe Lastenräder sind geprüft und entsprechen damit internationalen Rechtsvorschriften und Normen.“ Etwaige Herstellungsfehler, wie sie nun zu der Rückrufaktion geführt haben, sind also ein Versäumnis des Unternehmens und liegen nicht in der Verantwortung der LHM.
Frage 3:
Werden betroffene Räder aus dem Verkehr gezogen?
Antwort:
Die Verantwortung für eventuelle Rückrufaktionen liegt ausschließlich beim Hersteller. Babboe hat eine Rückrufaktion für die Modelle CITY(-E), MINI(-E), City Mountain, Pro Trike/Transporter, sowie Slim Mountain angekündigt und führt diese aktuell durch. Laut dem Hersteller wird dabei den betroffenen Personen ein (zum Teil höherwertiges) Ersatzlastenrad oder eine andere geeignete Alternative angeboten, sowie eine Entschädigung für entstandene Unannehmlichkeiten. Bei betroffenen Rädern, die älter als fünf Jahre sind, wird der Wert des Fahrrads erstattet. Außerdem wird seitens des Herstellers allen Kund*innen ein kostenfreier Sicherheitscheck angeboten. Der Aufruf, Babboe Lastenräder nicht weiter zu benutzen, gilt mit Stand (10.6.2024) nicht mehr.
Frage 4:
Gibt es einen verkehrssicherheitstechnischen Kriterienkatalog/Prüfmaßstab für alle Gefährte, die die Stadt unmittelbar selbst finanziert oder fördert? Wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Die Förderrichtlinie Klimaneutrale Antriebe zielt darauf ab, die Münchner Bürger*innen und auch Unternehmen bei der (persönlichen) Umstellung auf nachhaltige Mobilität zu unterstützen und so einen Beitrag zur Erreichung der städtischen Klimaschutzziele zu leisten. Deshalb werden Fahrzeuge ohne lokale CO2-Emissionen gefördert. Verkehrssicherheit ist nicht Teil des Kriterienkatalogs, da die Antragsteller*innen selbst die Verantwortung hierfür tragen und die LHM auch keine Möglichkeiten und Kapazitäten hat, die Fahrzeuge daraufhin zu überprüfen.
Allerdings bietet das Mobilitätsreferat für alle Bürger*innen, die die Verkehrssicherheit ihres Fahrrads überprüfen lassen möchten, regelmäßig kostenlos sogenannte Radl-Sicherheits-Checks an unterschiedlichen Orten an. Diese sind niederschwellig und für alle Interessierten zugänglich. Termine und Orte hierzu können hier eingesehen werden:
https://muenchenunterwegs.de/angebote/fahrrad-sicherheitschecks