Wird der MVG-Ticketkauf zu einem Glücksspiel?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 16.8.2023
Antwort Mobilitätsreferent Georg Dunkel:
Wir bitten die verspätete Beantwortung zu entschuldigen. Wir bedanken uns für die gewährten Fristverlängerungen.
In Ihrer Anfrage vom 16.8.2023 legen Sie folgenden Sachverhalt zu Grunde:
„Bürgerinnen und Bürger melden uns verstärkt den Abbau von kritischer MVG-Infrastruktur, den Ticketautomaten. Teilweise wird der einzige Automat im fußläufigen Umkreis abgebaut, teilweise ausgerechnet der Automat, der barrierefrei zugänglich war. Umwelt- und klimafreundliche Mobilität für alle heißt auch, dass der Ticketkauf für alle aufrecht erhalten bleiben muss. Ansonsten nötigt die MVG ihre Nutzerinnen und Nutzer zum Schwarzfahren, d.h. zum Begehen einer Ordnungswidrigkeit.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet.
Als Fazit ist festzuhalten, dass aufgrund der zunehmenden Digitalisierung vermehrt Nutzerinnen und Nutzer auf digitale Angebote umsteigen. Um die Vertriebskosten zugunsten der Fahrgäste möglichst gering zu halten, reduziert die MVG schrittweise das Angebot an stationären Fahrscheinautomaten. Dabei wird jedoch seitens der MVG sichergestellt, dass Kundinnen und Kunden auch weiterhin analog und mit Bargeld Fahrtickets beziehen können.
An jedem U-Bahnhof befinden sich stationäre Automaten, welche Bargeld in Form von Münzen und Banknoten annehmen. In jedem Bus und jeder Tram wird es weiterhin mobile Automaten geben, die ebenso das Vollsortiment verkaufen und Bargeld annehmen. Beide Gerätetypen sind mit dem „Facharbeitskreis Mobilität“ der Landeshauptstadt München abgestimmt und ermöglichen einen barrierefreien Ticketverkauf.
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen haben wir die SWM/MVG um Informationen gebeten. Uns wurde Folgendes mitgeteilt:
Frage 1:
Plant die MVG eine Reduktion der Fahrkartenautomaten?
Antwort:
„Die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft geht mit einem Rückgang des herkömmlichen Fahrkartenverkaufs und einem vermehrten Umstieg der Nutzer auf digitale Produkte einher. Eine kontinuierliche MVG-Kundenzufriedenheitsanalyse (2008 - 2023) verdeutlicht deutlich die abnehmende Relevanz der Fahrscheinautomaten für unsere Kunden. Während im Jahr 2016 noch 54% der Befragten einen Fahrscheinautomaten bevorzugten, sind es im Jahr 2023 nur noch 34%.
Um dieser Entwicklung und Nachfrage gerecht zu werden, wird das Vertriebsnetz der MVG kontinuierlich optimiert und angepasst, um die Vertriebskosten zugunsten der Fahrgäste möglichst gering zu halten.
Aufgrund des Rückgangs des herkömmlichen Fahrkartenverkaufs an den Verkaufsstellen und den Automaten wird das Angebot reduziert, da ein wirtschaftlicher Betrieb bei geringen Verkaufszahlen nicht möglich ist.“
Frage 2:
Wenn ja, um wie viel Prozent sollen die Automaten in welchem Zeitraum reduziert werden?
Antwort:
„Die MVG betreibt aktuell 461 stationäre und in jedem Bus und jeder Straßenbahn mobile Fahrausweisautomaten. Beim aktuellen Fahrzeugbestand sind 945 mobile Automaten im Einsatz. Insgesamt gibt es also derzeit 1.406 Fahrzeugautomaten.
Bis 2029 ist geplant, 206 stationäre Automaten schrittweise abzubauen. In jedem Bus und jeder Straßenbahn bleibt es bei der Ausstattung mit mobilen Fahrausweisautomaten. Im Ziel ergibt sich eine Reduzierung um knapp 15% bis 2029. Der bisherige Standard von mindestens zwei Automaten pro U-Bahnhofskopf in München wird auf einen Automaten pro U-Bahnhofskopf reduziert, wobei besonderes Augenmerk auf den barrierefreien Zugang zum Ticketverkauf gelegt wird. Ausgenommen von der Reduzierung sind größere Umsteigebahnhöfe (wie Marienplatz, Hauptbahnhof etc.) und Bahnhöfe mit hohem Fahrgastaufkommen (Messestadt, Theresienwiese etc.). Die Auswahl der Automaten, die abgebaut werden sollen, erfolgt anhand einer Kombination aus Kriterien wie dem Jahresumsatz im Vorjahr, Synergieeffekten an Bahnhöfen mit Umbaumaßnahmen und dem Abbau des Automaten am anderen U-Bahnhofskopf eines Standorts. Diese Kriterien werden jährlich neu bewertet.“
Frage 3:
Kann eine Vorher-/Nachher-Karte der Automatenstandorte im Rahmen der Beantwortung der Anfrage zur Verfügung gestellt werden?
Antwort:
„Grundsätzlich befindet sich an jedem Kopf einer U-Bahnhaltestelle im Sperrengeschoss mindestens ein Automat. Die Erreichbarkeit des Sperrengeschosses kann unter https://www.mvg-zoom.de/ eingesehen werden. Eine Übersicht der MVG-Ticketpartner (Verkaufsstellen) kann unter https:// www.mvg.de/services/fahrgastservice/ticket-partner.html abgerufen werden.“
Frage 4:
Wie stellt die MVG sicher, dass Kundinnen und Kunden weiterhin offline, mit Bargeld sowie barrierefrei ihre Fahrtickets beziehen können?
Antwort:
„An jedem U-Bahnhof befinden sich stationäre Automaten, welche Bargeld in Form von Münzen und Banknoten annehmen. In den Fahrzeugen sind mobile Geräte verbaut, die ebenso das Vollsortiment verkaufen und Bargeld annehmen. Beide Gerätetypen sind mit dem ‚Facharbeitskreis Mobilität‘ der Landeshauptstadt München abgestimmt und ermöglichen einen barrierefreien Ticketverkauf.“
Frage 5:
Wird mit dem Abbau der Ticketautomaten wieder verstärkt der Verkauf im haltestellennahen Einzelhandel angeboten, wie z.B. in Lotto-Geschäften oder in Bäckereien?
Antwort:
„Wie unter Punkt 1 erwähnt, wird das MVG-Vertriebsnetz kontinuierlich an der Nachfrage ausgerichtet. Da wir in den letzten Jahren einen verstärkten Umsatzrückgang bei den MVG-Ticketpartnern verzeichnen mussten, ist es wirtschaftlich nicht sinnvoll, das Angebot auszubauen.“
Frage 6:
Werden an den ehemaligen Automaten-Standorten Hinweisschilder auf die nächstgelegenen alternativen Ticket-Verkaufsstellen mit Angabe zur Barrierefreiheit angebracht, um eine reibungslose Umstellung zu gewährleisten?
Antwort:
„Die Standorte der ehemaligen Automaten wurden komplett zurückgebaut. Grundsätzlich kann auf unseren Standard verwiesen werden, dass an jedem U-Bahnkopf im Sperrengeschoss mindestens ein Automat zur Verfügung steht.“
Frage 7:
Wird die Option geprüft, dass Fahrtickets wieder bei den Busfahrern er- worben werden können, um Menschen, die kein Ticket an Automaten be- ziehen konnten, nicht zum Schwarzfahren zu verleiten?
Antwort:
„Der Fahrerverkauf wurde bereits zur Euroeinführung aus wirtschaftlichen- und betrieblichen Gründen sowie im Sinne der Kundenorientierung (u.a. Verlängerung der Fahrtzeiten, Pünktlichkeit) durch den Automatenverkauf ersetzt. Eine Rückkehr zum Fahrerverkauf ist nicht geplant.“
Frage 8:
Welchen Stellenwert nimmt die Umsetzung der UN-Behindertenrechts- konvention auf einen barrierefreien ÖPNV beim Abbau der Automaten ein? Es ist davon auszugehen, dass ein überdurchschnittlicher Prozentsatz von Menschen mit körperlicher Behinderung auch feinmotorische Schwierigkei- ten bei der Nutzung von Handy-Apps hat. Allein deswegen stellt die Um- stellung auf Handy-Tickets keine ausreichende Alternative dar.
Antwort:
„Für die MVG hat der barrierefreie Ticketverkauf einen hohen Stellenwert. Aus diesem Grunde wurden 2010 erstmalig Automaten beschafft, die intensiv mit dem Facharbeitskreis Mobilität der Landeshauptstadt Münchenabgestimmt wurden, um einen barrierefreien Ticketverkauf am Automaten zu ermöglichen.
Die Automaten sind in den U-Bahnhöfen und Fahrzeugen größtenteils barrierefrei zu erreichen.“
Frage 9:
Ganz konkret: Wie wird sichergestellt, dass der Ticketkauf in der Phantasie- straße (Wasserburger Landstraße) wieder möglich wird?
Antwort:
„Ein Ticketkauf ist hier im Bus möglich. An den mobilen Fahrausweisautomaten in den Fahrzeugen kann jetzt auch eine Streifenkarte erworben werden. Bei der Aufstellung des Automaten an diesem Standort war der Kauf von Streifenkarten noch nicht möglich und daher damals ein wesentlicher Grund für die Ausrüstung der Haltestelle mit einem stationären Automaten. Dieser Grund ist nun entfallen.“
Frage 10:
Ganz konkret: Wie wird sichergestellt, dass an der U-Bahn-Station Gise- lastraße wieder barrierefrei Tickets bezogen werden können? (Derzeit sind Tickets nur noch im Sperrengeschoss erhältlich. Das Sperrengeschoss ist jedoch nicht barrierefrei mit dem Aufzug erreichbar. Der Ticketautomat an der Oberfläche wurde abgebaut.)
Antwort:
„Hier verweisen wir auf den nächsten U-Bahnhof Universität oder Münchner Freiheit und die Möglichkeit des Vorratskaufes von nicht entwerteten Tickets im bestehenden Vertriebsnetz der MVG oder der Partner innerhalb des MVVs.“
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen gemäß den obigen Ausführungen der SWM/ MVG hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.