Tram-Aus im Englischen Garten: Was nun?
Anfrage Stadtrat Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 13.3.2024
Antwort Mobilitätsreferent Georg Dunkel:
Ihre Anfrage vom 13.3.2024 bezieht sich auf das Schreiben des Staatsministers Dr. Florian Herrmann an Oberbürgermeister Reiter bezüglich der Tram durch den Englischen Garten vom 12.3.2024. In diesem lehnt die Bayerische Staatsregierung die Tram durch den Englischen Garten ab, da eine Realisierung der Trambahnstrecke nicht ohne massive, nicht denkmalverträgliche Eingriffe erfolgen könne. Geschäftsgrundlage sei gewesen, dass die Planungen nicht über die Breite der heutigen Busstraße hinausgehen.
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die Geschäftsordnungsfrist konnte aufgrund der in der Zwischenzeit geänderten Sachlage nicht eingehalten werden. Die in der Anfrage aufgeworfenen Fragen beantwortet das Mobilitätsreferat in Abstimmung mit den Stadtwerken München (SWM) wie folgt:
Frage 1:
Wie verbindlich waren die Zusagen der Staatskanzlei zur Tram durch den Englischen Garten? Können bereits entstandene Kosten für die Projektplanung gegenüber dem Freistaat geltend gemacht werden?
Antwort:
Nach einem Ortstermin mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer hat die Bayerische Staatsregierung in der Kabinettssitzung am 5. September 2017 folgenden Beschluss gefasst:
„1. Der Ministerrat stimmt der Aufnahme von Planungen der Landeshauptstadt München für eine Tramstrecke mit Radweg durch den Englischen Garten zu.
2. Die Staatsregierung wird die Prüfung einer natur- und denkmalverträglichen Lösung, die auch eine Prüfung von Alternativen umfassen soll, konstruktiv begleiten.
3. Eine endgültige Beschlussfassung des Ministerrats erfolgt nach Abschluss der Meinungsbildung und Planungen durch die Landeshauptstadt München.“
In dem Beschluss sind keine Vorgaben bezüglich Flächenverbrauch und Versiegelung vorgegeben. Eine Tramstrecke mit Radweg, zusammen nicht breiter als die heutige Bustrasse, wurde weder damals noch zu einemspäteren Zeitpunkt gefordert. Zudem hätte diese Forderung eine entsprechende Planung mit einer Tramstrecke mit Radweg inkl. Haltestelle am Chinesischen Turm und ggf. einem gesonderten Rasengleis (welches durch den Stadtratsbeschluss im Dezember nicht weiter prioritär verfolgt werden sollte) von vornherein ausgeschlossen. Hingegen ist den SWM zugesichert worden, dass die Staatsregierung die Prüfung einer natur- und denkmalverträglichen Lösung konstruktiv begleiten wird. Bisher waren alle Versuche zum konstruktiven Austausch mit dem Freistaat leider gescheitert.
Herr Oberbürgermeister Reiter hatte sich mehrmals in den Jahren 2022 und 2023 an die Bayerische Staatsregierung gewandt. Herr Staatsminister Dr. Florian Herrmann teilte daraufhin mit Schreiben vom 15.3.2023 an Herrn Oberbürgermeister Reiter mit, dass sich der Ministerrat nach Vorliegen der konkreten Planungsunterlagen durch die Landeshauptstadt München erneut mit der Angelegenheit befassen und darüber entscheiden werde, ob die Maßnahme zur Umsetzung gebracht werden kann. Dabei werde maßgebend sein, ob die Planungen mit den Belangen des Natur- und Denkmalschutzes in Einklang gebracht werden können. Von der Beibehaltung der Breite der Busstraße als unabdingbare Voraussetzung war hier wiederum nicht die Rede. Für die Landeshauptstadt München war daher der Ministerratsbeschluss von 2017 zur Planung und zum Bau der Tram Nordtangente nach wie vor gültig.
Der Projektbeirat hatte mit seiner Stellungnahme die straßenbündige Variante in Mittellage als einzige der untersuchten Varianten für das Gartendenkmal Englischer Garten empfohlen. Demzufolge vertritt der Projektbeirat, dem u.a. Experten der Gartendenkmalpflege und des Denkmalschutzes der unteren und höheren Denkmalschutzbehörde und des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege angehören, eine andere Auffassung als die Bayerische Staatsregierung. Leider hat sich die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen an diesem Gremium nicht beteiligt, die Stellungnahme des Projektbeirats liegt dort aber vor.
Bisher betragen die Planungskosten ca. 5,4 Mio. Euro. Zusätzlich wurde bereits ein hoher Betrag in die Entwicklung von Akkutrams investiert. Entsprechend dem von der CSU gestellten Antrag (Antrag Nr. 14-20/04134 vom 1.6.2018) wurde die oberleitungsfreie Querung des Englischen Gartens geprüft und in der Planung berücksichtigt. Die für die Zulassung notwendige Test-Akku-Trambahn – eine Sonderanfertigung – wurde bereits von Siemens entwickelt und an die SWM ausgeliefert.Aktuell sehen die SWM/MVG keine Grundlage dafür, dass die entstandenen Kosten vom Freistaat zurückerstattet werden.
Frage 2:
Was bedeutet das „Aus“ der Tram durch den Englischen Garten für die Verkehrswende?
Antwort:
Die Tram Nordtangente zählt neben der Tram Münchner Norden und der Tram-Westtangente zu den wichtigsten ÖPNV-Ausbauprojekten der LHM und ist damit ein zentraler Baustein für die Stärkung des ÖPNV und der Verkehrswende in München. Durch das kurze Teilstück zwischen Leopoldstraße und Tivolistraße durch den Englischen Garten können eine Ost-West-Verbindung zwischen dem Tramnetz westlich und östlich und somit zahlreiche Linienverbindungen geschaffen werden, die umsteigefreie Tangentialverbindungen ermöglichen und das ÖPNV-Netz in der Innenstadt entlasten. Die Fahrgastprognose für die Tangente zwischen Elisabethplatz und Tivolistraße geht von täglich ca. 18.000 Fahrgästen aus, die neue Tramverbindung nutzen würden. Der Entfall des Abschnittes durch den Englischen Garten mit seiner hohen Vernetzungswirkung steht damit den Zielen der Mobilitätsstrategie 2035 sowie des Nahverkehrsplans der Landeshauptstadt München zur weiteren Stärkung des Umweltverbunds und hier insbesondere des notwendigen ÖV-Ausbaus d entgegen.
Frage 3:
Halten die SWM an der Neubaustrecke zum S-Bahnhof Johanneskirchen fest?
Antwort:
Mögliche Auswirkungen der neuen Position der Staatskanzlei zur Strecke durch den Englischen Garten auf die Neubaustrecke zum S-Bahnhof Johanneskirchen werden aktuell durch die Stadtwerke München (SWM) geprüft.
Frage 4:
Wird die MVG die Pläne zur Tram-Nordtangente weiterverfolgen? Können die Pläne in modifizierter Form umgesetzt werden?
Antwort:
Eine Alternativroute durch den Englischen Garten existiert nicht. Da der Englische-Garten-Tunnel am Isarring von der Landeshauptstadt aufgrund des sehr hohen Eingriffs in den Baumbestand nicht weiterverfolgt wird,gibt es auch keine Überlegungen dort eine neue Tramverbindung zu schaffen.
Im Rahmen der Vorplanung wurde zusätzlich zu den oberirdischen Varianten auch mittels einer Machbarkeitsstudie eine Tunnelvariante an gleicher Stelle wie die oberirdische Lösung geprüft. Die Machbarkeitsstudie kommt zum Ergebnis, dass ein Tunnel für die Durchquerung des Englischen Gartens mit der Tram grundsätzlich technisch machbar ist, jedoch mit gravierenden Nachteilen hinsichtlich Haltestellenlage, Eingriff in den Baumbestand, Gewässerökologie, Denkmalschutz sowie Baukosten verbunden ist: Eine Weiterverfolgung der Tunnelvariante wurde daher als nicht zielführend erachtet.
Die Stadtwerke München (SWM) und das Mobilitätsreferat waren für Kompromissvorschläge zur Reduzierung der Trassenbreite durch den Englischen Garten offen. Bei dem auf Bitten der Landeshauptstadt München und den Stadtwerken am 8. Juli 2024 stattgefundenen Gespräch hat der Freistaat Bayern seine Ablehnung des Abschnittes der Tram-Nordtangente durch den Englischen Garten gegenüber den Stadtwerken München (SWM) und dem Mobilitätsreferat abschließend bekräftigt. Die Stadtwerke München werden nun die Planung der Tram Nordtangente unter diesen politischen Rahmenbedingungen nicht mehr weiter vorantreiben. Dies betrifft auch die Abschnitte Franz-Joseph-Straße und Leopoldstraße (Franz-Joseph-Straße bis Münchner Freiheit). Wenn sich die politischen Rahmenbedingungen ändern, werden die Planungen wieder aufgenommen.
Frage 5:
Wird die Stadtspitze das Gespräch mit der Staatsregierung suchen, um die Staatskanzlei zu einem Umdenken zu bewegen?
Antwort:
Die Landeshauptstadt München und die Stadtwerke München (SWM) haben sich bis zuletzt dafür eingesetzt, dass das Projekt weiterverfolgt und umgesetzt wird. Bei dem Gespräch am 8. Juli 2024 mit der Staatsregierung beharrte diese jedoch trotz der auf Falschbehauptungen hinsichtlich der Trassenbreite und der Verkehrssicherheit beruhenden Argumentation auf ihrer Haltung.
Frage 6:
Welche Alternativen könnte es geben?
Antwort:
Siehe Antwort zu 4.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.