Die Stadt München will den Rückgang der Artenvielfalt verhindern. Daher hatte der Stadtrat 2018 die „Biodiversitätsstrategie München“ beschlossen und das damalige Referat für Gesundheit und Umwelt – jetzt Referat für Klima- und Umweltschutz – beauftragt, ein Biodiversitätsmonitoring durchzuführen. Dieses untersucht die Entwicklung von Lebensräumen sowie ausgewählten Tier- und Pflanzenarten. Ein Zwischenbericht zeigt nun erste Ergebnisse. Nach Beschluss der Vollversammlung des Stadtrats soll das Monitoring auch in Zukunft durchgeführt werden.
Christine Kugler, Referentin für Klima- und Umweltschutz: „Unser Zwischenbericht zeigt erste Erfolge der Biodiversitätsstrategie München. Teilweise konnten wir dem Artenverlust entgegenwirken. Das Monitoring bestätigt beispielsweise, dass sich die Bestände einiger Tierarten wie der Wechselkröte oder der Helmazurjungfer gehalten oder sogar erholt haben. Die Artenhilfsprogramme – eines der vielfältigen Handlungsfelder der Biodiversitätsstrategie – waren hier also erfolgreich. Nun hat der Stadtrat das Referat für Klima- und Umweltschutz damit beauftragt, auch künftig alle vier Jahre über die Entwicklung der Natur in München zu berichten. Eine wichtige Entscheidung zum Wohle der Natur – und damit auch des Menschen. Mit dem Monitoring leisten wir eine effiziente, zielgerichtete und kostenschonende Naturschutzarbeit. Nur wenn wir negative Veränderungen möglichst rasch erkennen und die Ursachen identifizieren, können wir rechtzeitig gegensteuern. Die Biodiversitätsstrategie dient uns dabei als eine Art ‚Bedienungsanleitung‘.“
München verfügt über ein reiches Naturerbe. Dieses gerät allerdings vielerorts in Konflikt mit der sich immer stärker ausbreitenden Urbanisierung. So sind seit der Jahrtausendwende ungefähr acht Prozent der Biotopflächen durch Überbauung verloren gegangen. Die damit verbundene Flächenkonkurrenz und die versiegelten Flächen stellen für Tiere und Pflanzen eine große Herausforderung dar.
Das Biodiversitätsmonitoring zeigt: Mit der Biodiversitätsstrategie konnten bereits Voraussetzungen geschaffen werden, um dem Flächenverlust etwas entgegenzusetzen – etwa durch die optimale Anlage von neuen Lebensräumen. Allerdings sind historisch gewachsene Naturflächen und Artengemeinschaften – auch dies bestätigt das Monitoring – nur langfristig oder auch gar nicht ersetzbar. Um die Ziele des Stadtrates zur Biodiversitätssicherung zu erreichen, müssen deshalb vor allem solche Flächen und andere wertvolle Biotopflächen erhalten und ausreichend gepflegt werden. Welche Bereiche der Stadt für den Erhalt der biologischen Vielfalt unverzichtbar und damit besonders schützenswert sind, wird künftig in einer „Flächenkulisse Biodiversität“ definiert werden. Dazu kooperiert das Referat für Klima- und Umweltschutz mit einem Fachbüro sowie mit Expert*innen der Technischen Universität München und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.
Fazit des Biodiversitätsmonitorings
Das Fazit des Biodiversitätsmonitorings ist ambivalent. Ein Großteil der Münchner Artenvielfalt konnte erhalten werden. Es gab zwar Artenverluste, doch im Verhältnis zur Siedlungsentwicklung blieben diese bislang moderat – was durchaus als Erfolg der gemeinsamen Arbeit von amtli- chem und Verbandsnaturschutz zu werten ist. Teilweise gab es in den letzten Jahren auch Neuankömmlinge, etwa aus dem Mittelmeerraum. Diese Arten wandern bedingt durch die Klimaerwärmung (zum Teil wieder) ein. Insgesamt zeigt sich allerdings ein deutlich negativer Trend: Die Bestandsgrößen vieler Arten gehen zurück, das heißt, es werden immer weniger Individuen gefunden. Die Gründe: die Zersplitterung der Lebensräume, durch die Restpopulationen zunehmend isoliert werden, die Belastung durch die Erholungsnutzung der Flächen durch den Menschen und in manchen Fällen der Klimawandel. Dass die Biodiversität in München in den letzten Jahrzehnten nicht stärker zurückgegangen ist, liegt insbesondere daran, dass zahlreiche Biodiversitäts-Hotspots bisher von der Überbauung verschont geblieben sind. Durch Biotoppflegemaßnahmen wurden sie in teils gutem Zustand erhalten. Die Daten aus dem Biodiversitätsmonitoring werden jetzt auch in Zukunft eine gute Basis liefern, um passende Artenhilfsprogramme zu entwickeln.
Wie ist es um die Vielfalt einzelner Tiere und Pflanzen bestellt?
Um zu ermitteln, wie es um die Tier- und Pflanzenvielfalt in München steht, orientierten sich die Mitarbeiter*innen des Referats für Klima- und Umweltschutz an Vergleichsdaten aus den späten 1990er Jahren, die damals für das Münchner Arten und Biotopschutzprogramm (ABSP) erhoben wurden. Das Monitoring zeigt: München verfügt über eine immense Vielfalt an Pflanzenarten. Auf einer Fläche von nur 310 Quadratkilometern konnten zumindest zeitweise bis zu 67 Prozent der Artenvielfalt ganz Deutschlands nachgewiesen werden. Dennoch haben viele der untersuchten Arten eine leicht negative Tendenz. Darüber hinaus hat sich der Zustand der untersuchten Biotopflächen etwas verschlechtert.
Auf Seiten der Tiere zeigt das Monitoring ein gemischtes Bild vom Schutz und Bestand unterschiedlicher Arten. Für Brutvögel der offenen Ackerfluren und Siedlungsvögel zeigt sich ein deutlicher Bestandsrückgang. Bei den Amphibien konnten sich die letzten Vorkommen des Kammmolchs im Bereich der Aubinger Lohe halten. Die Bestände des Laubfrosches sind aber weiter zurückgegangen. Für beide Arten sind Artenhilfsprogramme (AHP) gestartet worden. Dass diese erfolgreich sein können, zeigt das Beispiel der Wechselkröte. Hier wurde durch ein schon länger laufendes AHP ein weiterer Rückgang der Bestände verhindert.
Die Bilanz für die Insekten fällt unterschiedlich aus. Drei Schmetterlingsarten konnten gar nicht mehr gefunden werden: Der Grüne Zipfelfalter, der Braune Eichenzipfelfalter und das Braunauge scheinen in München nicht mehr vorzukommen. Besser sieht es bei den Libellen aus. Hier konnten elf der zwölf besonders schützenswerten Arten auch aktuell nachgewiesen werden. Außerdem wurden auch mehrere besonders schützenswerte Wildbienenarten im Stadtgebiet erneut nachgewiesen. Darüber hinaus konnten die bisher in München bekannten Heuschreckenarten erhalten werden.
Bei den Schnecken zeigte sich ein Rückgang der Artenvielfalt – vermutlich aufgrund der Klimaerwärmung und verlängerter Trockenperioden. Auch die im Wasser lebenden wirbellosen Tiere wiesen eine geringere Vielfalt auf. Mögliche Ursachen für den Schwund sind die durch den Klimawandel erhöhte Wassertemperatur sowie eine Verschlechterung der Wasserqualität. Das Monitoring macht deutlich, dass dringender Handlungsbedarf zur Verbesserung der Lebensqualität einiger Gewässer in München besteht.