Dicke Luft in München 3 – Förderung von Luftreinigern in stark betroffenen Gebieten!
Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 22.2.2024
Antwort Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek:
Mit diesem Antrag wird angeregt, ein Förderprogramm für Luftreiniger in von Luftverschmutzung stark betroffenen Gebieten einzurichten.
In der Begründung zu diesem Antrag wird unter anderem ausgeführt, dass die Luft am Mittleren Ring noch immer gesundheitsgefährdend schlecht sei und die LHM nicht genug unternehmen würde, um die Luftqualität zu verbessern. Aufgrund dieser Situation könnten Bürger*innen ihre Fenster nicht länger zum Lüften öffnen, da dabei Abgase in die Wohnungen ziehen. Deshalb sollten diese bei der Anschaffung von Luftreinigern unterstützt werden.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag vom 22.2.2024 als Brief zu beantworten und teile Ihnen unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Referats für Klima und Umweltschutz (RKU) Folgendes mit:
Abgase aus Verbrennungsmotoren verursachen Emissionen unterschiedlicher Art. In diesem Zusammenhang sind vor allem Kohlendioxid (CO2), Stickoxyde (NOx), Kohlenmonoxid (CO), Schwefeldioxide (SO2), flüchtige organische Verbindungen (VOC) und Feinstaub von Bedeutung. Hinreichend bekannt ist auch, dass die genannten Luftschadstoffe akute und chronische Gesundheitsrisiken bergen können wie beispielsweise Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen, die vor allem vulnerable Personen gefährden können. Die gesundheitlichen Auswirkungen beim Einatmen der Schadstoffe hängen von vielen Faktoren, wie zum Beispiel der Anatomie des Respirationstraktes, den physiologischen Bedingungen, der Expositionskonzentration und dem allgemeinen Gesundheitszustand der betroffenen Personen ab.
Die sich in Wohnräumen aus dem Verkehr ergebenden Schadstoffkonzentrationen werden wiederum stark durch die Entfernung vom Ursprungsort bestimmt. Je näher die Exposition an der Schadstoffquelle ist, umso mehr ist von erhöhten Belastungen auszugehen. Mit zunehmender Entfernung vom Emittenten verringern sich die Konzentrationen erheblich aufgrund von Verdünnungsprozessen mit der Umgebungsluft.Da es auf den ersten Blick naheliegend und einfach erscheint, Schadstoffe, die in Wohnungen vorhanden sind, aus der Luft herauszufiltern, werden zunehmend von verschiedenen Herstellern mobile Luftreiniger angeboten. Geworben wird damit, dass die Geräte Innenräume von Schadstoffen befreien können. In der Regel arbeiten diese Geräte mit Luftumwälzung und Filtern. Auch wenn manche Geräte eine mögliche (Fein-)Staubreduzierung bewirken können, so können aufgrund unterschiedlicher physikalischer Wirkprinzipien üblicherweise nicht alle Schadstoffe mit demselben Gerät minimiert werden.
Hinzu kommt, dass bislang keine harmonisierten Prüfvorgaben für den Nachweis der Wirksamkeit von Luftreinigern existieren, so dass aus gesundheitlicher Sicht weder beurteilt werden kann, ob diese Geräte tatsächlich einen positiven gesundheitlichen Nutzen haben oder gegebenenfalls sogar nachteilige Wirkungen. Es gibt zudem keine Studien, die belegen, dass die Luftschadstoffe wirksam aus den Wohnungen herausgefiltert werden und welche gesundheitlichen Auswirkungen die Luftfilter haben.
Insgesamt kann somit aufgrund der derzeitigen wissenschaftlichen Datenlage nicht bestätigt werden, dass die ungezielte Verwendung von Luftreinigern eine sinnvolle Maßnahme zur Reduzierung von Schadstoffen in Innenräumen und einen gesundheitlichen Vorteil für Personen in Innenräumen darstellt. Unabhängig von der zweifelhaften Wirksamkeit und dem gesundheitlichen Nutzen sind auch der Aufwand für die Pflege und Instandhaltung der Geräte sowie die Folgekosten für Filterwechsel, Reinigung und Stromversorgung nicht zu unterschätzen.
Mittel der Wahl sollte daher die bestmögliche Reduzierung der Schadstoffemissionen an ihrem Entstehungsort bleiben. Dazu ergreift die Landeshauptstadt München eine Vielzahl von Maßnahmen, die unter anderem im städtischen Luftreinhalteplan dokumentiert sind.
Da das RKU mit dem Luftreinhalteplan federführend befasst ist, hat das Gesundheitsreferat (GSR) das RKU um eine ergänzende Stellungnahme gebeten.
Zur Frage nach spezifischen Luftreinigern für den Innenraum, die allgemeine Emissionen bzw. Verkehrsemissionen filtern können, teilte das RKU Folgendes mit:
„Es gibt spezielle Luftreiniger, die Feinstaub und auch Stickoxide aus der Raumluft filtern können. Für den Hausgebrauch werden Filter mit adsorbierenden Medien empfohlen. Bei anderen Systemen besteht die Gefahr zusätzliche Belastungen in den Innenraum einzutragen. Für die Reduzierungder Feinstäube müssen die Luftreiniger mindestens mit einem wirksamen HEPA Filter der Klasse H13 ausgestattet sein.
Die Reduktion der gasförmigen Verkehrsemissionen erfolgt üblicherweise mit einem Aktivkohlefilter. Somit werden üblicherweise mehrere Filterstufen mit unterschiedlichen Filtermedien in Kombination eingesetzt. Die Luftreiniger kosten in der Regel zwischen 500 und 2.000 Euro. Hersteller sind z.B. Dyson, Philips oder IQAir. Beide darin verbaute, oben genannte Filtermedien müssen regelmäßig, je nach Abscheideleistung, in der Regel mindestens jährlich ausgetauscht werden. Durch den regelmäßigen Austausch der beiden Filtermedien ist von erhöhten Folgekosten auszugehen (z.B. kostet der Dyson Purifier Big+Quiet Formaldehyde 999 Euro in der Anschaffung. Dazu kommen die Folgekosten von jährlich 198 Euro für den Austausch der beiden Filtermedien. Beim IQAir GC ChemiSorber kostet das Gerät 1.749 Euro und die Austauschfilter zusammen 677 Euro). Neben den hohen Kosten ergeben sich weitere Nachteile. Im Betrieb liegen diese in der Lärmentwicklung der Geräte und dem Auftreten von Zugluft. Aus den Erfahrungen aus der Corona Pandemie ist festzuhalten, dass die Luftreiniger oft nur kurz in Betrieb waren, weil Sie als störend wahrgenommen wurden. Auch die Größe eines Filters könnte als weiterer Gegenstand im Raum negativ wahrgenommen werden.“
Zur Frage des GSR, ob dem RKU Erkenntnisse zur Wirksamkeit von solchen Luftreinigern als Individualmaßnahme (in Wohnungen) zur Reduzierung von Stickoxiden vorliegen, wurde Folgendes mitgeteilt:
„Es liegen keine eigenen Erkenntnisse zur Wirksamkeit solcher Luftreiniger vor. In den gängigen Testberichten wurde in der Regel nicht die Abscheidung von Stickoxiden untersucht.
Bei den Produkttests zur Abscheidung von Partikeln und z.B. Formaldehyd gibt es große Qualitätsunterschiede, so dass dies vor dem Kauf eines Luftreinigers unbedingt geprüft werden müsste. Dazu folgende Hinweise:
- Derzeit liegen keine Vorschriften oder Normen für Luftreiniger und deren Betrieb vor, die die Effizienz/Abscheideleistung sicherstellen.
- Die Luftreiniger sollten vordringlich im Raum aufgestellt werden und nicht an der Wand platziert werden, damit sie eine gute Reinigungsleistung erzielen können.
- Des Weiteren muss die Leistung des Luftreinigers auf das zu einigende Raumvolumen abgestimmt werden.
Aus lufthygienischer Sicht ist es grundsätzlich in Frage zu stellen, Schadstoffe erst immissionsseitig zu reduzieren.
Wesentlich effizienter ist es, die Schadstoffe an ihrem Entstehungsort zu minimieren, weil dort ein wesentlich kleineres Luftvolumen gereinigt werden muss. Somit werden die Bevölkerung und die Umwelt effektiver von der Schadstoffbelastung geschützt.“
Des Weiteren wurde seitens des GSR die Frage an das RKU gerichtet, ob es bezüglich des Forschungsprojektes des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) bereits Zwischenergebnisse zur Effektivität beim Einsatz von Filtergeräten an der Landshuter Allee gibt. Hierzu wurde seitens des RKU folgendes mitgeteilt:
„Zum vom Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) initiierten Forschungsprojekt ‚Reinigen neue Luftfiltersysteme die Stadtluft von urbanem Stickstoffdioxid?‘ liegt dem Referat für Klima- und Umweltschutz bislang nur ein Zwischenbericht der Universität Bayreuth mit Stand 30.9.2022 vor. Nach diesen bisherigen wissenschaftlichen Auswertungen ist eine Stickstoffdioxid-mindernde Wirkung nur im Nahbereich der einzelnen Luftreinigungssysteme nachweisbar. In der ‚Bekanntgabe über Stickstoffdioxid; Messergebnisse 2022, Ausnahmemöglichkeiten für soziale Härtefälle und Kurzbericht zum Forschungsprojekt REINELUFFT?‘ vom 18.4.2023 (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 09161) wurde der Zwischenstand des Projektes dem Stadtrat dargelegt. Da dem Referat für Klima- und Umweltschutz bislang keine neueren Erkenntnisse zum Projektstand vorliegen, wird auf diese Sitzungsvorlage verwiesen. Sobald der Abschlussbericht zu dem Forschungsprojekt vorliegt, werden sie dem Stadtrat bekannt gegeben.“
Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass das RKU als Fachreferat für Fragen der Luftreinhaltung ebenso wie das GSR den Einsatz individueller Filteranlagen im häuslichen Umfeld bereits aus fachlichen Gesichtspunkten, insb. der zweifelhaften Wirksamkeit und dem nicht belegbaren medizinischen Nutzen, nach aktuellem Wissensstand nicht befürworten können. Daneben besteht ein ungeklärtes Folgekostenrisiko. Der Fokus der Bemühungen sollte darauf liegen, Schadstoffe an ihrem Entstehungsort zu minimieren, nicht, sie nachträglich abzufiltern. Nur so kann ein effektiver Schutz der Bevölkerung und der Umwelt vor übermäßiger Schadstoffbelastung gewährleistet werden. Diese Einschätzung des RKU und des GSR steht zudem im Einklang mit der Auffassung des Umweltbundesamtes zu diesem Thema, welches ebenfalls der Minimierung der Entstehung von Luftschadstoffen Priorität zuweist.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.