Die Stadt München ehrt am Dienstag, 22. Oktober, vier Menschen aus Ramersdorf-Perlach, die wegen ihrer jüdischen Herkunft im Nationalsozialimus verfolgt, entrechtet und ermordet wurden. Für Elisabeth Stupe, Ellen Selbiger, Ella Stadler und Heinz Herszdörfer werden an ihren ehemaligen Wohnorten Erinnerungszeichen gesetzt. Die Gedenkveranstaltung zu diesem Anlass beginnt um 14.30 Uhr in der Grundschule an der Führichstraße 53. Es sprechen Stadtrat Marian Offman (SPD/Volt-Fraktion) in Vertretung des Oberbürgermeisters, Dr. Ludwig Spaenle, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, Dr. h.c. mult. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, sowie Gunda Wolf-Tinapp vom Bezirksausschuss 16 (Ramersdorf-Perlach).
Susanne Köglmeier, Rektorin der Grundschule, eröffnet die Gedenkveranstaltung. Im Anschluss an die Reden verlesen Schülerinnen und Schüler des Heinrich-Heine-Gymnasiums die Biografien. Nach dem Gedenkakt werden die Erinnerungszeichen an den ehemaligen Wohnorten der Opfer angebracht. Um circa 15.50 Uhr wird das Erinnerungszeichen für Heinz Herszdörfer an der Wilramstraße, auf der Grünfläche neben Nummer 10, angebracht. Danach folgt um circa 16.20 Uhr das Zeichen für Elisabeth Stupe an der Werinherstraße 88. Um circa 16.45 Uhr wird das Erinnerungszeichen für Ellen Selbiger an der Rosenheimer Straße 126 angebracht. Den Abschluss bildet um circa 17.10 Uhr das Anbringen des Erinnerungszeichens für Ella Stadler an der Rimstinger Straße 15.
Biografien der vier NS-Opfer
Ella Stadler wurde 1899 in Stettin (heute Szczecin, Polen) geboren. 1926 heiratete sie einen katholischen Schriftsetzer, ihr Sohn Heinz Jürgen kam 1929 in München zur Welt. Ella Stadler unternahm im Herbst 1936 zwei Suizidversuche. Ende Dezember 1936 wurde sie für drei Monate in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar verlegt. Ihr Ehemann ließ sich 1939 von ihr scheiden, danach war sie der antisemitischen Verfolgung schutzlos ausgesetzt und musste Zwangsarbeit leisten, so in der Graphischen Kunstanstalt in der Lothstraße. 1942 wurde sie einem Bericht zufolge zur Gestapo oder „Arisierungsstelle“ vorgeladen. Als sie ihre Kennkarte aus der Tasche nahm, sei ihr ein Straßenbahnschein herausgefallen – Juden war die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel verboten. Ella Stadler wurde sofort verhaftet und im Herbst 1943 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet.
Ellen Selbiger kam 1887 in Berlin zur Welt und lebte seit 1918 in München. Nach der Trennung von ihrem zweiten Ehemann lebte sie unter anderem in einer Wohnung in der Josephsburgstraße 51. Wegen ihrer jüdischen Herkunft wurde sie gezwungen, die Wohnung im September 1938 zu verlassen und mit vielen anderen Menschen in einer „Judenwohnung“ in der Goethestraße 26 zu leben. Am 20. November 1941 deportierte die Gestapo sie nach Kaunas in Litauen, wo SS-Einsatzgruppen sie fünf Tage später erschossen.
Heinz Herszdörfer (Herschdörfer) wurde 1910 in München geboren und wuchs in Schwabing auf. 1928 übersiedelte die jüdische Familie nach Berlin. 1932 konvertierte Heinz Herszdörfer zum protestantischen Glauben. Ende 1933 kehrte er nach München zurück und lebte in der Wilramstraße 14. 1936 ging er wieder nach Berlin. Am 14. September 1939 ermordete die SS Heinz Herszdörfer im KZ Sachsenhausen.
Elisabeth Stupe wurde 1894 in München als Tochter eines jüdischen Kaufmanns geboren. 1924 heiratete sie einen evangelischen Diplomlandwirt, mit dem sie drei Kinder bekam. 1934 konvertierte Elisabeth Stupe zum protestantischen Glauben. Das bedeutete aber keinen Schutz vor Maßnahmen der Ausgrenzung und Schikane der Nationalsozialisten, sie trafen sie wegen ihrer jüdischen Herkunft im gleichen Umfang. Sie starb im Alter von 42 Jahren am 8. November 1936 in München.
Weitere Informationen unter www.erinnerungszeichen.de und www.map.erinnerungszeichen.de.
Über die Erinnerungszeichen
Erinnerungszeichen werden in München seit 2018 an Orten angebracht, an denen Menschen lebten, die von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Die Erinnerungszeichen bestehen aus gebürstetem Edelstahl und sind vergoldet. Es gibt sie als Wandtafeln an der Fassade und als Stelen auf öffentlichem Grund. Sie enthalten die wichtigsten Lebensdaten, Angaben zum Schicksal und – falls vorhanden – ein Bild. (Siehe auch unter Terminhinweise)