Neue Vorgaben vom Rat der deutschen Rechtschreibung – Wann und wie setzt die Landeshauptstadt die Regeln um?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Professor Dr. Jörg Hoffmann, Gabriele Neff, Richard Progl, Fritz Roth (FDP BAYERNPARTEI Stadtratsfraktion) und Andreas Babor, Michael Dzeba, Hans Hammer, Winfried Kaum, Hans-Peter Mehling, Dr. Evelyne Menges, Alexander Reissl, Rudolf Schabl, Professor Dr. Hans Theiss (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 17.9.2024
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Auf Ihre Anfrage vom 30.7.2024 nehme ich Bezug.
In Ihrer Anfrage verweisen Sie auf die seit 1.7.2024 geltenden neuen Vorschriften des Rats der deutschen Rechtschreibung und insbesondere auf den Abschnitt zu Sonderzeichen im Wortinneren, wie sie Gender-Befürworter benutzen, wonach diese Wortbinnenzeichen nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie gehören.
Zu Ihren Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Aus welcher Ermächtigung, aus welchem Gesetz leitet der Oberbürgermeister ab, im Amtsverkehr der Landeshauptstadt München eine eigene, von der amtlichen Rechtschreibung abweichende Rechtschreibung anzuordnen?
Antwort:
Die Landeshauptstadt München ordnet keine eigene, von der amtlichen Rechtschreibung abweichende Rechtschreibung an. Das Ziel der Landeshauptstadt München ist eine respektvolle Kommunikation, die Menschen aller Geschlechter gleichberechtigt adressiert. Die AGAM lässt in der konkreten Ausgestaltung viel Spielraum für die unterschiedlichen Bedarfe und Anwendungspraxen. Hierfür sind geschlechterdifferenzierte Formulierungen in Kombination mit geschlechtsinklusiven Begriffen, Gendersternchen, Unterstrich und die Ausformulierung unterschiedlicher Geschlechter möglich.
Die Landeshauptstadt München übt hier ihre verfassungsrechtliche Organisationshoheit aus (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 Bayerische Verfassung). Es gibt keine gesetzlichen oder sonstigen rechtlich verbindlichen Vorgaben, wonach Kommunen in ihren Veröffentlichungen oder Schreibendie Verwendung von Gendersternchen untersagt wäre. Auch die amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung entfaltet gegenüber Kommunen keine rechtliche Verbindlichkeit. Die einschlägigen Regelungen des Freistaats Bayern gelten nur für seine Behörden.
Nach der Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus und dem Staatsministerium der Finanzen und für Heimat auf eine schriftliche Anfrage im Landtag vom 27.8.2019 (Landtagsdrucksache 18/3531) fallen Vorgaben zur Verwendung gendergerechter Sprache als Ausfluss des kommunalen Selbstverwaltungsrechts in die Organisationshoheit der Gemeinden, Landkreise und Bezirke. Die Gemeinden, Landkreise und Bezirke können daher im Rahmen von Art. 23 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) ebenso wie beispielsweise zur formalen Gestaltung für dienstliche Dokumente oder dazu, welche Regeln der Rechtschreibung anzuwenden sind, auch die jeweilige Verwaltung bindende Regelungen zur Verwendung gendergerechter Sprache aufstellen (siehe auch Antwortschreiben des IT-Referats vom 4.4.2024 zur schriftlichen Anfrage Nr. 20-26/F 00895 „Wie digital ist München? (XI) Gendergerechte Sprache in der Stadtverwaltung“, S. 2).
Für den Schulbereich ordnete der Freistaat Bayern mit der seit 1.8.2023 geltenden Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 1.6.2023 (BayMBl. Nr. 301), die an die Stelle der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 8. Mai 2006 (Az.: VI.4-5 S 4400.4-6.38 301) trat, eine gesonderte Regelung an. Eine eigene städtische Vorgabe für den Unterricht an den Münchner Schulen und Bildungseinrichtungen gibt es neben der vorgenannten KMBek des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus nicht. Demnach bleibt es auch im kommunalen Schulbereich bei der Nichtanwendung von Gender-Sonderzeichen, weil die Amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung in der jeweils gültigen Fassung die verbindliche Grundlage des Unterrichts an allen Schulen ist.
Frage 2:
Welche übergeordnete Behörde ist für die Einhaltung der geltenden Rechtschreibregeln durch die Landeshauptstadt München zuständig?
Antwort:
Rechtsaufsichtsbehörden für die kreisfreie Landeshauptstadt München sind die Regierung von Oberbayern und als obere Rechtsaufsichtsbehördedas Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration (Art. 110 bayerische Gemeindeordnung).
Die Regierung von Oberbayern kam 2022 anlässlich einer Bürgereingabe zur Zulässigkeit der Verwendung von sogenannten Gendersternchen in Veröffentlichungen und Schreiben der Landeshauptstadt München zum Ergebnis, dass ein rechtsaufsichtliches Einschreiten nicht geboten und auch nicht zulässig ist, da die Verwendung von Gendersternchen nicht gegen geltendes Recht verstößt. Deshalb kam sie auch der in der Eingabe enthaltenen Bitte einer rechtsaufsichtlichen Weisung an die Landeshauptstadt München zur Verwendung der deutschen Sprache gemäß der amtlichen Rechtsschreibung nicht nach.
Frage 3:
Bis wann und wie gedenkt die Landeshauptstadt ihrer Verpflichtung nachzukommen, in ihrer Korrespondenz, in allen Schriftwerken, Satzungen, in der AGAM etc. die korrekten Schreibweisen umzusetzen?
Antwort:
Die Landeshauptstadt München hat mit Ausnahme des Schulbereichs keine einschlägige Verpflichtung.
Frage 4:
Wurde seit Beschluss des Rechtschreibrats vom 15. Dezember 2023 seitens der Landeshauptstadt bereits an der Umsetzung der neuen Regeln gearbeitet? Wenn ja, mit welchem Ergebnis bzw. welchem aktuellen Stand? Wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Die Landeshauptstadt München arbeitet nicht an der Umsetzung der neuen Regeln, weil sie dazu nicht verpflichtet ist. Im Schulbereich bleibt es beim Vollzug der Vorgaben des Freistaats Bayern zur Anwendung der Amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung.