Die Vollversammlung des Stadtrats hat am 27. November einstimmig die umgehende Wiederaufnahme des Verfahrens zur Ausweisung des Wasserschutzgebiets Reisach/Gotzing beschlossen. Oberbürgermeister Dieter Reiter wurde zudem gebeten, die zuständige Behörde schriftlich zur Wiederaufnahme und zum Abschluss des Verfahrens zum Erlass einer Wasserschutzgebietsverordnung aufzufordern. Dies ist nun durch Schreiben an den Landrat von Miesbach, Olaf von Löwis of Menar, und den Bürgermeister von Miesbach, Dr. Gerhard Braunmiller, erfolgt. Die Schreiben haben folgenden Wortlaut:
Schreiben an Landrat Olaf von Löwis of Menar
„Wie Sie sicherlich bereits der Presse entnehmen konnten, hat sich der Stadtrat der Landeshauptstadt München (LHM) in der öffentlichen Sitzung der Vollversammlung vom 27.11.2024 intensiv mit der Wassergewinnung aus dem Mangfalltal befasst. Der Stadtrat hat einstimmig beschlossen, dass das Verfahren zur Ausweisung des Wasserschutzgebiets für die Grundwasserfassung Reisach und die Gewinnungsanlagen in Thalham und Gotzing wiederaufgenommen und zum Abschluss gebracht werden soll. Anlass der Stadtratsbefassung war die Entscheidung des Umweltausschusses des Bayerischen Landtags vom 14.11.2024 über die Petition u.a. der Stadt Miesbach.
Die Landeshauptstadt München ist besorgt, dass die gesetzlich geforderte Ausweisung eines Wasserschutzgebiets für die wichtigste Gewinnungsanlage Münchens aufgrund der Entscheidung des Umweltausschusses sich erneut über Jahre verzögern könnte. Unsere Position ist Ihnen spätestens seit unserem letzten Schreiben vom 09.11.2022 bekannt: Die Landeshauptstadt München gewinnt zum Zwecke der öffentlichen Wasserversorgung seit Anfang des 20. Jahrhunderts Wasser aus der Grundwasserfassung Reisach auf Basis der seinerzeitigen Rechtslage. Diese Altrechte sind nach unserer Auffassung auch nach der heutigen Rechtslage aufrechterhalten worden.
Die zuständigen Behörden des Freistaats haben dies über die Jahrzehnte, die die Diskussion um die Wasserschutzgebiete andauert, immer wieder bestätigt. Das Landratsamt Miesbach hat im Jahr 2017 in einer eigenstän- digen, sehr detaillierten Begutachtung selbst festgestellt, dass die Altrechte der LHM/SWM bestehen.
Ungeachtet der Frage des Bestands der Altrechte gilt: Die Ausweisung eines Wasserschutzgebiets setzt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht voraus, dass eine wasserrechtliche Gestattung zur Grundwasserentnahme vorliegt. Der Einwand, es gebe kein Altrecht, ist daher unerheblich. Für das in Ihrem Zuständigkeitsbereich liegende Wasserschutzgebiet Mühlthaler Hangquellen, in dem die Stadtwerke München Wasser gewinnen und für das seit dem Jahr 2000 eine Schutzgebietsverordnung existiert, hat dies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits 2002 rechtskräftig entschieden. Auf die Rechtslage haben wir Sie bereits im November 2022 hingewiesen. Auch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) und die Regierung von Oberbayern haben sich entsprechend geäußert. Sie selbst haben mit Schreiben vom 25.11.2022 betont, dass Sie sich der herausragenden Bedeutung der Reisacher Grundwasserfassung bewusst sind und nicht das Ziel verfolgen, einen weiteren Betrieb der Grundwasserfassung zu unterbinden. Mit Schreiben vom 25.11.2022 haben Sie mir hierzu Folgendes erklärt: ,Auch hat das Nichtbestehen von Altrechten keine rechtlich zwingenden Auswirkungen auf die Möglichkeit der Ausweisung von Wasserschutzgebieten. Deshalb kann ich Ihnen an dieser Stelle versichern, dass ich das Verfahren mit der gebotenen Sorgfalt zeitnah und rechtstaatlichen Grundsätzen entsprechend führen werde.‘
Ich bitte Sie daher förmlich um Bestätigung, dass Sie das Verfahren zur Ausweisung des Wasserschutzgebietes Reisach/Gotzing/Thalham trotz des Beschlusses des Umweltausschusses vom 14.11.2024 zum Abschluss bringen.“
Schreiben an Bürgermeister Dr. Gerhard Braunmiller
„Mit Bezug auf Ihre E-Mail vom 26.11.2024 teile ich Ihnen mit, dass sich der Stadtrat der Landeshauptstadt München in der öffentlichen Sitzung der Vollversammlung vom 27. November 2024 intensiv mit der Wassergewinnung aus dem Mangfalltal befasst hat.
Einstimmig hat der Stadtrat beschlossen, dass das Verfahren zur Ausweisung des Wasserschutzgebiets Thalham/Reisach/Gotzing wiederaufgenommen werden soll. Die Landeshauptstadt München hat daher einen entsprechenden Antrag beim Landratsamt Miesbach gestellt.
Die Behandlung Ihrer Petition durch den Umweltausschuss des Bayerischen Landtags vom 14.11.2024 ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar. Die Sach- und Rechtslage wurde unvollständig und unzutreffend behandelt. Insbesondere wurde in der Sitzung des Petitionsausschusses weder unseren Stadtwerken Gelegenheit zur Erwiderung auf die Petition gegeben noch dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, das die Position der Landeshauptstadt gestützt hätte. Diese Einseitigkeit eines politischen Entscheidungsgremiums halte ich nach wie vor für verstörend und entspricht nicht meinem Demokratieverständnis.
Die Landeshauptstadt München gewinnt zum Zwecke der öffentlichen Trinkwasserversorgung seit Anfang des 20. Jahrhunderts Wasser aus der Reisacher Grundwasserfassung auf Basis der seinerzeitigen Rechtslage. Diese Altrechte sind nach unserer Auffassung auch nach der heutigen Rechtslage aufrechterhalten worden. Die zuständigen Behörden des Freistaats haben dies über die Jahrzehnte, die die Diskussion um die Wasserschutzgebiete andauert, immer wieder bestätigt. Das Landratsamt Miesbach hat im Jahr 2017 in einer eigenständigen, sehr detaillierten Begutachtung selbst festgestellt, dass die Altrechte der LHM/SWM bestehen.
Und völlig unabhängig von der Frage des Bestands der Altrechte gilt so oder so: Die Ausweisung eines Wasserschutzgebiets setzt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht voraus, dass eine wasserrechtliche Gestattung zur Grundwasserentnahme vorliegt. Der Einwand, es gebe kein Altrecht, ist daher schlicht und ergreifend unerheblich.
Der Umweltausschuss des Bayerischen Landtags ignoriert mit seiner Entscheidung zulasten des Trinkwasserschutzes der Landeshauptstadt München die geltende Rechtslage, auf die im Übrigen das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) in einer dem Umweltausschuss vorliegenden Stellungnahme deutlich hingewiesen hat. Sofern Sie eine Möglichkeit sehen, außerhalb des jahrelangen Rechtsstreits zu einer Einigung zu gelangen, stehe ich für ein Gespräch selbstredend zur Verfügung.“
Chronologischer Abriss über den bisherigen Verlauf des Verfahrens
1964
Das LRA Miesbach (LRA MB) weist Wasserschutzgebiete für alle Wassergewinnungsanlagen der LHM/SWM in der Mangfallregion durch zwei Bescheide aus. Entgegen Schutzgebietsvorschlag des Landesamts für Wasserversorgung von 1959 werden keine „weiteren Schutzzonen“ ausgewiesen. Geschützt wird lediglich der Fassungsbereich der Quellen und die engere Schutzzone. Die Festsetzung von „weiteren Schutzzonen“ bleibt vorbehalten.
1964 bis 1999
Das Landesamt für Wasserversorgung (später: Landesamt für Wasserwirtschaft) überarbeitet mehrfach die Schutzgebietsbemessung. Das neu bemessene Schutzgebiet soll durch Verordnung ausgewiesen werden. 1985 legt das Landesamt einen Schutzgebietsvorschlag vor. 1988 macht das LRA Miesbach den Entwurf einer Schutzgebietsverordnung im Amtsblatt bekannt. Fachbehörden beschließen nach Erörterungen Trennung in zwei Schutzgebietsverfahren, eines für die Mühlthaler Hangquellen und eines für Reisach/Gotzing/Thalham (R/G/T).
2000
Das LRA Miesbach erlässt die Verordnung für das Wasserschutzgebiet Mühlthaler Hangquellen. Der BayVGH bestätigt im Jahr 2002 die Rechtmäßigkeit der Schutzgebietsverordnung und verwirft damit hiergegen gerichtete Klagen; Nichtzulassungsbeschwerde wird vom BVerwG zu-
rückgewiesen.
1999 bis 2008
StMUV, Landesamt für Wasserwirtschaft, LRA Miesbach und SWM schließen fachliche Bewertung des Schutzgebiets R/G/T ab und bereiten Planauslegung in Kommunen vor. LRA MB versendet Unterlagen, Kom-
munen verweigern Auslegung der Unterlagen. Etablierung Runder Tisch (LRA MB, LHM, SWM, Fachbehörden, Kommunen, etc.). LRA MB verfasst daraufhin Neuentwurf einer Schutzgebietsverordnung sowie Entwurf einer Kooperationsvereinbarung. Kooperationsvereinbarung wird nur von Gemeinde Weyarn unterzeichnet (2006), übrige Kommunen (Miesbach, Valley, Warngau) sind dazu nicht bereit. Auslegung der Unterlagen unterbleibt.
2009 bis 2011
Besprechungen zwischen Beteiligten über Sachstand zum Schutzgebietsverfahren. Auf Anregung des LfU und LRA MB beauftragt SWM
Gutachter mit Anpassung der 1999 eingereichten Schutzgebietsunterlagen an zwischenzeitlich erfolgte Änderungen des Technischen Regelwerks. Die Rechtswirksamkeit des Wasserschutzgebiets von 1964 wird vom LRA MB bezweifelt. LHM und SWM teilen diese Ansicht nicht.
StMUV teilt LRA Miesbach mit, dass von der Rechtswirksamkeit des Wasserschutzgebiets auszugehen ist. Im Anschluss Gespräche zwischen Beteiligten zur Erläuterung der Notwendigkeit der Fortführung des Wasserschutzgebietsverfahrens. Im Jahr 2011 teilt Präsident der Regierung von Oberbayern mit, dass Schutzgebiet notwendig, das Verfahren zügig fortzuführen und zum Abschluss zu bringen ist.
2012 bis 2019
SWM aktualisiert Fachunterlagen und stellt diese im März 2013 zur Fortführung des Wasserschutzgebietsverfahrens zur Verfügung. Kommunen und Vereine „Unser Wasser“ und „Verein der Wasserschutzzonengeschädigten“ stellen Bestand der Altrechte der SWM in Frage. Umweltministerium fordert LRA MB zur Prüfung des Status der Altrechte auf. LRA MB bestätigt im Jahr 2017 Bestand der Altrechte der SWM. Anschließend Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung zum Entwurf einer Wasserschutzgebietsverordnung und zugehörigen Fachunterlagen. Es findet 2018 – erstmals seit 1989 – eine öffentliche Erörterung statt. Im Anschluss Petition von Kommunen u.a. an Landtag auf Nichtfortführung des Schutzgebietsverfahrens wegen behaupteter Verfahrensmängel. Annahme der Petition durch Landtag. Anschließend Unterbrechung des Schutzgebietsverfahrens.
2020 bis 2022
ROB fordert das LRA MB auf, im sensiblen Nahbereich der Anlage Reisach ein Verbot von Beweidung und Düngung anzuordnen (2020). Betroffene vor Ort versuchen dies durch ein Gegengutachten zu entkräftigen. Das Gegengutachten wird von den Fachbehörden wegen fachlicher Mängel nicht anerkannt. ROB kündigt Selbsteintritt in das Schutzgebietsverfahren an. Betroffene bringen beim Landtag eine Petitionen gegen die Anordnung und gegen den Selbsteintritt ein (2021). Der Umweltausschuss des Landtag nimmt die Petition an (2022).
2022
Regierungspräsident (ROB) bestätigt Bestand der Altrechte der SWM und fordert Landrat auf, Schutzgebietsverfahren fortzusetzen. LRA MB fordert SWM im Jahr 2022 auf, für die Wassergewinnung aus der Reisacher Grundwasserfassung einen wasserrechtlichen Gestattungsantrag zu stellen. Klage der SWM gegen diesen Bescheid; Verfahren vor dem VG München läuft. Landrat des LK MB versichert im November 2022 gleichwohl, das Schutzgebietsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt zeitnah zu führen.
seit 2023
2023 wird dem LRA MB ein mit den beteiligten Behörden abgestimmter überarbeiteter Schutzgebietsvorschlag vorgelegt. 2024 nimmt der Umweltausschuss des Bayerischen Landtags eine weitere verfahrensaufschiebende Petition an.