Schaffung vom zusätzlichem Wohnraum VI – Vergabe an Generalbauunternehmer
Antrag Stadtrats-Mitglieder Andreas Babor, Alexandra Gaßmann, Heike Kainz, Winfried Kaum, Hans-Peter Mehling, Manuel Pretzl, Alexander Reissl und Thomas Schmid (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 26.6.2023
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Gemäß Ihrem Antrag vom 26.6.2023 wird die Landeshauptstadt München gebeten, zu prüfen, ob und inwieweit es möglich ist, Bauvorhaben der städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG Städtische Wohnungsgesellschaft München mbH (GWG München) und GEWOFAG Holding GmbH (GEWOFAG) – zur Beschleunigung der Realisierung von Wohnungsbauvorhaben – auch an Generalunternehmer*innen zu vergeben. Die Prüfung soll außerdem eine Darstellung darüber enthalten, in welchen Bereichen des Wohnungsbaus die Vergabe an Generalunternehmer*innen rechtlich zulässig und somit möglich ist.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt.
Zu Ihrem Antrag vom 26.6.2023 teilt Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mit:
Zusammengefasst können wir Ihnen mitteilen, dass die städtischen Wohnungsbaugesellschaften – sofern vergaberechtlich möglich – Wohnungsbauvorhaben bereits durch die Vergabe an Generalunternehmer*innen realisieren.
Im Allgemeinen bezeichnet eine Vergabe an Generalunternehmer*innen (GU) eine gebündelte Vergabe von Planungs- und Bauleistungen. Dabei übernimmt eine auftragnehmende Person (GU) eine Vielzahl dieser Leistungen und führt diese zumindest teilweise selbst durch.
Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG München und die GEWOFAG (die Stellungnahmen wurden vor der Umfirmierung in Münchner Wohnen GmbH zum 1.1.2024 eingeholt) sind öffentliche Auftraggeberinnen nach § 99 Nr. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und unterliegen dadurch dem Vergaberecht.Ein Grundsatz des Vergaberechts ist die Vergabe von Leistungen aufgeteilt in der Menge (Teillose) und getrennt nach der Art der Fachgebiete (Fachlose), § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB. Dieser Vergaberechtsgrundsatz dient dem Schutz des Mittelstandes, dessen Interessen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen sind, § 97 Abs. 4 Satz 1 GWB.
Vorteile einer kumulativen Vergabe
Für die kumulative Vergabe von Planungs- oder Bauleistungen sprechen nachfolgende Aspekte:
Organisatorische Aspekte
Bei einer Vergabe an eine*n Generalunternehmer*in werden weniger Personalressourcen gebunden. Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels spielt dies eine wichtige Rolle.
Je nachdem in welcher Projektphase ein*e Generalunternehmer*in eingeschaltet wird, verringert sich die Schnittstellenkoordination.
Zu Beginn des Projekts ist ein hoher Aufwand für die Klärung der zu beauftragenden Leistungen nötig. Nach der Vergabe an eine*n Generalunternehmer*in verringert sich der Aufwand jedoch erheblich.
Qualitative Aspekte
Qualitative Aspekte sind, dass die Ausstattungsstandards der städtischen Wohnungsbaugesellschaften vor Planungsbeginn festliegen, sodass qualitativ hochwertige Ausschreibungsunterlagen erstellt werden können. Geeignete Vertragspartner*innen liefern bei einer kooperativen Zusammenarbeit Mehrwert bei unerwarteten Problemen. Insbesondere Arbeitszeiten können sich hier verkürzen, da unter anderem auch die Vereinbarung von Beschleunigungsmaßnahmen durch die Korrespondenz mit nur eine(r)*m Vertragspartner*in verhältnismäßig einfach ermöglicht wird.
Kostenaspekte
Für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften kann eine relativ frühe Kostensicherheit und damit auch eine erhöhte Sicherheit zur Einhaltung des Projektbudgets bestehen.
Terminaspekte
Die Vereinigung von Gewerken ermöglicht eine effizient aufeinander abgestimmte Projektorganisation, wodurch erheblich kürzere Planungs- und Bauzeiten realisiert werden können. Dies führt insbesondere zu einer erhöhten Sicherheit in Bezug auf die Einhaltung des Projektterminplans.Die aufgezählten Aspekte sind nicht abschließend, die Möglichkeit der kumulativen Vergabe muss jeweils projektbezogen im Einzelfall geprüft und begründet werden.
Vergaberechtliche Vorgaben
Die rechtliche Zulässigkeit von GU-Vergaben richtet sich im Oberschwellenbereich nach § 97 Abs. 4 S. 2 GWB. Entscheidend ist das Vorliegen von wirtschaftlichen und bzw. oder technischen Gründen, die das Absehen von einer Losvergabe zu Gunsten der Gesamtvergabe rechtfertigen. Nach dem Wortlaut des § 97 Abs.4 S.1 GWB bildet die stets zu prüfende Fachlosvergabe im Sinne eines an die*den Auftragsgeber*in gerichteten bieterschützenden vergaberechtlichen Gebots den Regelfall, von dem nur in begründeten Ausnahmefällen des S.2 abgewichen werden darf. Hintergrund ist die Förderung kleiner und mittelständischer Betriebe, die gemäß ihrer Leistung zur Erfüllung des jeweiligen Auftrags nur aufgrund der Aufteilung in Lose auch imstande sind.
Eine zusammengefasste Vergabe mehrerer Teil- und Fachlose kann durch wirtschaftliche und technische Gründe deshalb nur ausnahmsweise erfolgen. Kommt eine solche Ausnahme von dem Regelfall der Fachlosvergabe in Betracht, hat sich die Auftraggeberin in besonderer Weise mit dem grundsätzlichen Gebot einer Fachlosvergabe und den im konkreten Fall dagegensprechenden Gründen auseinanderzusetzen.
Wirtschaftliche Gründe gem. § 97 Abs. 4 S. 2 GWB, welche eine Vergabe an eine*n Generalbauunternehmer*in rechtfertigen, sind beispielsweise unverhältnismäßige Kostennachteile. Kostennachteile können nur dann als wirtschaftliche Gründe geltend gemacht werden, wenn die*der Auftraggeber*in diese im Einzelfall im Hinblick auf den konkreten Auftrag kalkuliert hat. Insbesondere müssen die Kostennachteile so groß sein, dass die Bildung von Losen bei objektiver Betrachtung ausscheidet, da die losweise Vergabe eine unwirtschaftliche Zersplitterung des Auftrags zur Folge hätte. Ein wirtschaftlicher Grund kann insbesondere auch bei einer Verzögerung des Gesamtvorhabens vorliegen.
Technische Gründe gem. § 97 Abs. 4 S. 2 GWB liegen insbesondere vor, wenn auf der Seite der*des Auftraggeber(s)*in das Risiko besteht, durch losweise Vergabe nicht zusammenpassende Teilleistungen zu erhalten, welche in ihrer Gesamtheit nicht geeignet sind, den Beschaffungsbedarf in der angestrebten Qualität zu befriedigen.
Das Risiko darf insbesondere nicht durch die inhaltliche Gestaltung der Vergabeunterlagen vermeidbar sein.Die reine Annahme einer angeblich höheren Wirtschaftlichkeit von GU-Vergaben reicht somit nicht aus. Von der Rechtsprechung und herrschenden Meinung ist anerkannt, dass Gegebenheiten wie die Entlastung der*s Auftraggeber(s)*in von der Koordinierung (Erleichterung in der Organisation), Erleichterung in der Leitung der Baudurchführung, einfachere Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen und die Eilbedürftigkeit eines Projekts (Ausnahmen können evtl. bei einer Vertragsstrafenregelung im Kaufvertrag gelten) nicht als Begründung für eine Gesamtvergabe angeführt werden können.
Dadurch steigen die Begründungsanforderungen an eine Gesamtvergabe an eine*n Generalunternehmer*in.
Im Rahmen der Begründung bedarf es einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Belange, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden wirtschaftlichen oder technische Gründe überwiegen müssen.
Im Ergebnis muss eine gründliche und konkrete Einzelfallprüfung sowie Dokumentation unter Berücksichtigung der oben dargestellten Aspekte erfolgen.
Bei Vorliegen eines wirtschaftlichen bzw. technischen Grundes ist sodann eine Gesamtvergabe vergaberechtlich möglich.
Anwendungspraxis bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften
Die GWG München teilt beispielsweise mit, dass es nach einer vorhergehenden umfassenden Abwägung aller Umstände für den Einzelfall zweckmäßig sein kann, abweichend vom Regelfall der Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis, zusammen mit der Bauausführung auch den Entwurf für die Leistung dem Wettbewerb zu unterstellen, um die – kumulativ – technisch, wirtschaftlich und gestalterisch beste sowie funktionsgerechteste Lösung der Bauaufgabe zu ermitteln.
Dies kommt beispielsweise in Frage, wenn es verschiedenartige technische Systeme am Markt gibt und die Auftraggeber*in Angebote, deren technische Lösungen sich hinsichtlich der Aufgabenerfüllung unterscheiden können, ermöglichen will.
Dann kann die Leistung durch ein Leistungsprogramm dargestellt werden (§ 7c EU Abs. 1 VOB/A bzw. § 7c Abs. 1 VOB/A) – auch funktionale Leistungsbeschreibung genannt.
Liegen die Voraussetzungen einer funktionalen Leistungsbeschreibung vor, ergibt sich gleichzeitig ein technischer Grund zum Verzicht auf die Auftei-lung in Lose im Sinne des § 97 Abs. 4 GWB, da die Auftraggeber*in eine Aufteilung in Lose in diesen Fällen nicht vornehmen kann. Denn die*der Auftraggeber*in kann nicht absehen, in welcher Weise die*der Auftragnehmer*in (bzw. die*der Bieter*in im Vergabeverfahren) das vorgegebene Leistungsprogramm ausführen wird.
Diese Abwägung und Darstellung der technischen Gegebenheiten im Einzelfall erfordert jedoch gerade mit Blick auf mögliche Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer oder interner bzw. externer Revision viel Aufwand in der Begründung und Dokumentation.
Die GWG München teilt außerdem mit, dass – um insbesondere einer möglichen Rückforderung von Fördergeldern vorzubeugen – diese Einzelfallbegründungen überdies vorab mit der Förderstelle abgesprochen werden müssen.
Gesamtvergaben stellen daher nach Auffassung der GWG München immer nur Einzelfalllösungen dar.
Die GEWOFAG zeigt ebenfalls auf, dass neben der Abwägung der Vor- und Nachteile einer Umsetzung einer Baumaßnahme mit einer*m Generalunternehmer*in aufgrund bestehender Risiken und möglicher weitreichender Folgen jeweils die Ausschreibung und Beauftragung im konkreten Fall vergaberechtlich kritisch geprüft wird. In der Vergangenheit konnten einige Projekte, bei denen die Beauftragung eines Generalunternehmers rechtlich möglich und auch tatsächlich gegenüber einer Einzellosvergabe vorteilhaft war, mit einer*m Generalunternehmer*in umgesetzt werden. Hierunter fallen beispielsweise die Projekte Prinz-Eugen-Park WA13, die Parkplatzüberbauung Dantebad und das Folgeprojekt mit Parkplatzüberbauung am Reinmarplatz sowie das Azubiwohnen am Hanns-Seidel-Platz.
Die Abweichung von der Losaufteilung ist dabei stets mit einem gewissen Risiko behaftet. Jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, kann die Einhaltung der Vergabevorschriften über ein Nachprüfungsverfahren überprüfen lassen, § 160 Abs. 2 GWB. Im Falle eines Nachprüfungsverfahrens besteht das Risiko einer Verzögerung der Beauftragung und damit der Umsetzung des Bauprojekts oder gar des Stillstands der jeweiligen Baumaßnahme.
Fazit
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die städtischen Wohnungsbaugesellschaften die Möglichkeiten einer Vergabe an Generalunternehmer*innen unter Berücksichtigung der vergaberechtlichen Vorgaben und Abwägung der Vor- und Nachteile entsprechend der oben genannten Ausführungen bereits ausschöpfen.
Die Stellungnahme ist mit der GWG München sowie mit der GEWOFAG abgestimmt.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.