Kaffeegenuss an der Isar
Antrag Stadtrat Manuel Pretzl (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄH-LER) vom 21.7.2023
Antwort Kreisverwaltungsreferentin Dr. Hanna Sammüller-Gradl:
Mit Schreiben vom 21.7.2023 haben Sie folgenden Antrag gestellt:
„Die Stadtverwaltung stellt dem Stadtrat dar, ob und unter welchen Voraussetzungen sog. „Coffeebikes“ entlang der Isar eingesetzt und betrieben werden können.“
Als Begründung gaben Sie an, dass der Bayerische Rundfunk vor kurzem berichtet hat, „dass an der Isar aktuell widersprüchliche Regelungen hinsichtlich sog. ‚Coffeebikes‘ und ‚Waffeleisfahrräder‘ bestehen. Während der Eisverkauf an der Isar durch Waffeleisfahrräder aufgrund eines Antrages der CSU-Stadtratsfraktion vom 8.6.2018 erlaubt ist, ist es den Inhabern von Coffeebikes verboten, Kaffee an die Erholungssuchenden zu verkaufen. Gerade bei schönem Wetter strömen die Bürgerinnen und Bürger an die Isar und nutzen den Fluss und die Auen zur Erholung. Die Stadt soll prüfen, ob der Betrieb von Coffeebikes zum Verkauf von Kaffee entlang der Isar möglich und zulässig ist.
Dies könnte neben dem kulinarischen Mehrwert auch einen kleinen Beitrag zur Müllvermeidung leisten, da einzelne Betreiber den Kaffee nur im Glas, das nach Gebrauch in einer Gastro-Küche gespült wird, oder im Mehrwegbecher, dem Münchner RECUP, anbieten. Die Coffeebikes sollen in Vorbildfunktion für die Erholungssuchenden und zum Schutz der natürlichen Boden- und Vegetationsflächen nur die befestigten, asphaltierten Wege benutzen.
Das Kreisverwaltungsreferat als zuständiges Referat für die Erteilung von Ausnahmeerlaubnissen in städtischen Grünanlagen hat bereits 2019 mitgeteilt, dass die Voraussetzung hierfür stets das Einverständnis des Grundeigentümers – in diesem Falle nahezu ausschließlich des Baureferates erforderlich sei.
Das Baureferat stimmte 2019 der Genehmigung von mobilen Eisfahrrädern im Isar-Hochwasserbett grundsätzlich zu. Ebenfalls sah das Referat für Stadtplanung und Bauordnung keine direkte Betroffenheit der landschaftsschutzrechtlichen Schutzzwecke durch Waffeleisfahrräder. Auch aus Sicht der Lebensmittelüberwachung des Kreisverwaltungsreferates war der Betrieb von Eisfahrrädern zum Verkauf von Speiseeis in der Waffel grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Weshalb dies bei Coffeebikes anders sein sollte, ist nicht ersichtlich. Im Falle einer Ablehnung dieses Antrages bitten wir die entsprechenden Stellen zu begründen, weshalb beim Kaffeeverkauf durch Coffeebikes ein anderer Maßstab anzusetzen ist.“
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, teile ich Ihnen zu Ihrem Antrag vom 21.7.2023 Folgendes mit:
Das Kreisverwaltungsreferat hat zur Beantwortung Ihres Antrags auch das Baureferat sowie das Referat für Klima- und Umweltschutz als fachlich betroffene Referate mit eingebunden.
Das Baureferat teilt hierzu mit:
„Die Stadt München trägt für ihren Hauptfluss Isar und damit unmittelbar für diesen Landschaftsraum ein hohes Maß an Verantwortung. Selbstverständlich gehört der Isarraum mit zu den ersten Landschaftsschutzgebieten, deren Schutz und Erhalt sich der Stadtrat bereits 1964 zur vorrangigen Aufgabe gemacht hat. In jüngster Zeit wurde der Schutzstatus ergänzt durch die Ausweisung der Isar mit ihren Auen und Freiflächen in weiten Teilen des Stadtgebietes nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) im europäischen Netz NATURA 2000. …
Aus dieser Verantwortung heraus gilt es ganz besonders sorgfältig abzuwägen, welche Aktivitäten im Isarraum zugelassen werden können. Die hohe Zahl an Anfragen und Anträge, welche auf private und kommerzielle Veranstaltungen im Bereich der Isar abzielen, sind besonders in den Sommermonaten schon heute kaum mehr zu bewältigen. Von den vielen Dienststellen der Landeshauptstadt München sind tagtäglich große Anstrengungen nötig, um eine schleichende Zerstörung und zunehmende Kommerzialisierung des großteils idyllischen und ökologisch-naturschutzfachlich wertvollen Landschaftsensembles der Isar durch umfangreiche und verschiedenste Nutzungsansprüche zu verhindern und zugleich eine verträgliche und landschafts-gerechte Erholungsnutzung für alle Erholungssuchenden weiterhin zu ermöglichen.
Diese Verantwortung ernst zu nehmen bedeutet, einer Vermarktung der innerstädtischen Natur für ökonomische Nutzungen gemeinsam und eindeutig entgegenzutreten und keine Präzedenzfälle zu schaffen. Nachdem im unmittelbaren Umfeld, insbesondere an den Brückenköpfen und in den isarnahen Straßen, Kioske zur Versorgung der Erholungssuchenden vorhanden sind, sehen wir keinen unabweisbaren Bedarf für eine mobile Verkaufseinrichtung.
Aufgrund des sehr hohen Besucheraufkommens nicht nur in heißen Wetterphasen, ist der Spagat zwischen gestiegenen Bedarfen und dem besonderen Schutz des Isarbereichs zu bewältigen. Das Referat für Klima undUmweltschutz bewertet im Zuge der Genehmigungsverfahren gewerblicher Nutzungen, inwiefern die jeweilige gewerbliche Nutzung für den Isarbereich schädlich sein kann.“
Das Referat für Klima- und Umweltschutz hat zu Ihrem Antrag zurückgemeldet, dass aus landschaftsschutzrechtlicher Sicht die Entscheidung über die Zulässigkeit von „Coffeebikes“ entlang der Isar immer vom konkreten Einzelfall und von der konkreten Örtlichkeit abhängig ist. Im Bereich der Isarauen gelten zwei unterschiedliche Landschaftsschutzverordnungen (LSV), die im Hinblick auf gewerbliche Nutzungen sowie auch das Betreiben von mobilen Verkaufsständen, unterschiedliche Regelungen enthalten.
Im Bereich nördlich des Isarrings sieht die Verordnung der Landeshauptstadt München über das Landschaftsschutzgebiet (LSG) „Hirschau und Obere Isarau“ vom 2.8.2013 für die Ausübung einer wirtschaftlichen oder gewerblichen Nutzung bzw. das Betreiben von Verkaufsständen grundsätzlich eine Erlaubnispflicht vor. Eine Erlaubnis ist auf Antrag zu erteilen, wenn mit dem beantragten Vorhaben keine Schädigung des LSG einhergeht oder schädigende Wirkungen durch Auflagen vermieden werden können. Soweit „Coffeebike“-Betreiber*innen ausschließlich vorhandene und geeignete Wege nutzen und die Betreiber*innen erforderliche Maßnahmen zur Abfallvermeidung beziehungsweise -entsorgung vorsehen, kann eine entsprechende Erlaubnis aus landschaftsschutzrechtlicher Sicht nicht versagt werden.
Für den Bereich der südlichen Isar, der aufgrund des Freizeitverhaltens sicherlich verstärkt im Fokus des Antrags steht, gilt die Landschaftsschutzverordnung der Landeshauptstadt München vom 9.10.1964. Das Betreiben von „Coffeebikes“ ist in diesem Bereich grundsätzlich erlaubnisfrei möglich, zumindest soweit die „Coffeebikes“ unmotorisiert betrieben werden bzw. nicht als Kfz zu klassifizieren sind. Es gilt lediglich die generelle Anzeigepflicht des § 4 Abs. 1 LSV, die der unteren Naturschutzbehörde aber auch bei erlaubnisfreien Vorhaben, im Falle von schädigenden Eingriffen, ein Einschreiten ermöglicht. Soweit vorhandene Wege genutzt werden und die Betreiber*innen dafür Sorge tragen, dass kein zusätzliches Abfallaufkommen entsteht, kann der Einsatz von „Coffeebikes“ allerdings auch im Bereich der südlichen Isar auf der Grundlage der LSV nicht untersagt werden.
Keine der beiden Verordnungen verbietet damit grundsätzlich das Betreiben von „Coffeebikes“. Maßstab bei der Beurteilung der Zulässigkeit ist unabhängig davon, ob eine Erlaubnispflicht gilt oder lediglich eine Anzeigean die Untere Naturschutzbehörde erfolgen muss, der Charakter des gesamten Schutzgebietes und der mit der jeweils geltenden Landschaftsschutzverordnung verfolgte besondere Schutzzweck. Soweit diesbezüglich keine schädigenden Wirkungen zu befürchten sind, kann eine erforderliche Erlaubnis aus landschaftsschutzrechtlicher Sicht grundsätzlich nicht versagt werden oder eine lediglich anzeigepflichtige Handlung nicht untersagt werden. Allerdings bleibt zu beachten, dass unter Umständen auch die Summationswirkung, also die Anzahl bzw. das Gesamtaufkommen der
mobilen Verkaufsstände in einem Gebiet, eine Rolle bei der Beurteilung der Verträglichkeit der Nutzung spielen kann.
Ganz allgemein sind gewerbliche Aktivitäten in den Landschaftsschutzgebieten aus naturschutzfachlicher Sicht unter anderem dann kritisch, wenn sie ein zusätzliches Abfallaufkommen zur Folge haben, da hinterlassene Abfälle Tiere, Pflanzen, Lebensräume und die Erholungsnutzung beeinträchtigen können. Insofern müssten etwaige mobile Verkaufsstände in den Landschaftsschutzgebieten in angemessenem Umfang zur Vermeidung von Abfällen beitragen, wie dies auch von stationären Kiosken verlangt wird.
Vor allem für die Ausgabe von Getränken ist die Verwendung von Mehrwegbechern und ihre effektive Rücknahme für die Reduzierung des Abfallaufkommens in den Landschaftsschutzgebieten erforderlich und steht – auch außerhalb von Landschaftsschutzgebieten – im Einklang mit dem Ziel, unsere Stadt zirkulärer zu gestalten. Seit Januar 2023 müssen auch kleine Betriebe die Vorgaben des Verpackungsgesetzes beachten.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das RKU keine Möglichkeiten hat, mobile Verkaufsstände aus naturschutzfachlicher Sicht abzulehnen, soweit ihre Anzahl mit Landschaftsschutz und Erholung verträglich ist, ausschließlich die vorhandenen und geeigneten Wege genutzt werden und die Betreiber*innen insbesondere alle erforderlichen Maßnahmen zur Abfallvermeidung beziehungsweise -entsorgung sicherstellen.
Aus Sicht der zum Kreisverwaltungsreferat gehörenden Lebensmittelüberwachung wäre es zum Schutz der Verbraucher*innen erforderlich, dass die Vorschriften zu Hygiene und Lebensmittelsicherheit bei der Abgabe von Kaffee eingehalten werden. Vor einer Genehmigungserteilung ist in jedem Einzelfall durch Vorlage eines Hygienekonzeptes zu prüfen, ob die lebensmittelrechtlichen Vorgaben auch konkret vor Ort umgesetzt werden können. Bei der Erstellung eines Hygienekonzeptes sind die einschlägigenlebensmittelrechtlichen Bestimmungen, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 852/2004, einzuhalten.
Die Betrachtungsweise des Kreisverwaltungsreferats als Genehmigungsbehörde für Ausnahmegenehmigungen von der Grünanlagensatzung hat sich – nachdem das Baureferat keinen unabweisbaren Bedarf für die Nutzung der Isarauen durch Coffeebikes sieht und auch das Referat für Klima und Umwelt darauf hinweist, dass unter Umständen auch die erhöhte Anzahl an mobilen Verkaufsständen in diesem Gebiet, eine Rolle bei der Beurteilung der Verträglichkeit der Nutzung spielen kann – im Hinblick auf die Genehmigung von Coffee-Bikes nicht geändert.
Anfragen von Betreiber*innen von Coffee-Bikes und Waffeleisrädern sind nur auf den ersten Blick vergleichbar. Die Differenzierung ist aber nicht willkürlich. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass zunächst jedwede gewerbliche Betätigung in öffentlichen Grünanlagen nach der städtischen Grünanlagensatzung untersagt ist, da sie dem Zweck der öffentlichen Grünanlagen zuwiderläuft. Ebenso lassen die städtischen Sondernutzungsrichtlinien in der Regel die Aufstellung von Imbiss- und Verkaufsständen/-wägen, -fahrrädern etc. auf öffentlichem Grund nicht zu.
Die Ausnahme für Waffeleisräder am Isarufer wurde aufgrund des besonderen Bedürfnisses der Nutzer*innen in den heißen Sommermonaten erteilt, in denen die Nachfrage nach Eis zur Erholung und Entspannung in den Grünanlagen besonders hoch ist. Die Regelungen der Grünanlagensatzung dienen auch gerade dem Schutz ihres Erholungs- und Freizeitcharakters.
Der Verkauf von verpacktem Speiseeis ist dabei im Interesse der Müllvermeidung generell nicht erlaubt. Anders als Getränke insgesamt und Kaffee etwa in Thermoskannen, können die Grünanlagennutzer*innen Eis auch nur sehr schlecht selbst mitbringen und transportieren. Die Versorgung ist in vielen Bereichen auch nicht durch ein bereits bestehendes Angebot abgesichert, gerade in den Isargrünanlagen sind die Wege bis zur nächsten Eisdiele weit.
Selbst bei der Verwendung von Mehrweggeschirr zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass es für die Umwelt sowie auch das Stadtbild durchaus zu negativen Begleiterscheinungen kommt.
Trotz des umfangreichen Angebots an Müllsammelbehälter werden im Sommerhalbjahr gerade in den Isarauen regelmäßig große Mengen an weggeworfenen Pfandflaschen sowie auch Mehrweggeschirr, selbst mitPfandgebühr, vorgefunden. Diese müssen dann von der Stadt aufwendig gesammelt und entsorgt werden.
Eine weggeworfene Waffeleistüte hingegen geht nach kurzer Zeit in die Verrottung über.
Auch ist der flächenmäßige Verkauf von Getränken schon wegen der Lärmproblematik nicht gewünscht und lässt sich aufgrund der Vielzahl der notwendigen Auflagen auch nur schwer kontrollieren.
Insgesamt lassen sich die Erwägungen, die zur Ausnahmegenehmigung der Waffeleisräder geführt haben, im Ergebnis wie dargestellt auch nicht auf andere Lebensmittel wie Kaffee übertragen. Im Gegenteil würde die Erlaubnis von Coffee-Bikes einen Präzedenzfall auch für andere Imbiss- und Verkaufsständen/-wägen, -fahrrädern etc. schaffen, da zwischen diesen eine Differenzierung möglicherweise willkürlich wäre.
In der Vergangenheit gab es bereits verschiedene Anträge zu Coffee-Bikes, die das Kreisverwaltungsreferat mit der mitgeteilten Begründung ablehnen musste. Bei einer Öffnung der Grünanlagen für das Gewerbe wird befürchtet, dass die ohnehin bereits unter hohem Nutzungsdruck stehenden Grünanlagen überlastet werden könnten.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.