Anlaufstelle bei Vorfällen im Bereich gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus sowie politischem und religiösem Extremismus auch an den staatlichen Schulen schaffen.
Antrag Stadträte Leo Agerer, Fabian Ewald, Hans Hammer und Manuel Pretzl (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 29.6.2023
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Mit dem vorliegenden Antrag „Anlaufstelle bei Vorfällen im Bereich gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus sowie politischem und religiösem Extremismus auch an den staatlichen Schulen schaffen“ haben Sie mich darum gebeten, mich bei dem Bayerischen Ministerpräsidenten und dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus dafür einzusetzen, dass für staatliche Schulen ebenfalls eine Anlaufstelle eingerichtet wird, bei der Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern Vorfälle im schulischen Umfeld melden können, die im Kontext gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus sowie religiösem oder politischem Extremismus stehen.
Nach §60 Abs.9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art.37 Abs.1 GO und §22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weshalb ich Ihren Antrag als Brief beantworte.
Zu Ihrem Antrag vom 29.6.2023 kann ich Ihnen Folgendes mitteilen: Ich unterstütze Ihren Antrag und habe daher den nachfolgend abgedruckten Brief an Herrn Ministerpräsident Dr. Markus Söder und Frau Kultusministerin Anna Stolz gesendet:
„Sehr geehrter Herr Ministerpräsident bzw.
Sehr geehrte Frau Kultusministerin,
Schulen sind und waren schon immer Spiegel unserer Gesellschaft. Die Zunahme antisemitischer Vorfälle in Deutschland und auch hier in München sowie an Münchner Schulen infolge des grausamen Terrorangriffs der HAMAS auf israelische Zivilist*innen und der Entwicklungen im Nahen Osten führt uns das aktuell besonders deutlich vor Augen. Doch nicht erst seit den Ereignissen der letzten Wochen ist klar: Auch in Schulen ereignen sich leider immer wieder rassistische, antisemitische und andere gruppenbezogen menschenfeindliche sowie rechte Vorfälle.Die Landeshauptstadt München hat daher Anfang 2022 die bei der Fachstelle für Demokratie angesiedelte ‚Anlaufstelle bei Diskriminierung und rechtem Hass an Münchner Schulen‘ geschaffen, um entsprechende Vorfälle strukturiert erfassen und bearbeiten zu können und auf diese Weise gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Demokratiefeindlichkeit entgegenzuwirken. Wie Sie dem als Anlage beigefügten ersten Monitoring-Bericht der Anlaufstelle entnehmen können, hat die Anlaufstelle in ihrem ersten Tätigkeitsjahr 55 solcher Vorfälle an Münchner Schulen erfasst, wobei bei einer seriösen Betrachtung davon auszugehen ist, dass weiterhin ein großes Dunkelfeld besteht.
Die Anlaufstelle bei Diskriminierung und rechtem Hass an Münchner Schulen fungiert zum einen als vertrauliche Melde- und Beratungsstelle für Schüler*innen und Erziehungsberechtigte, zum anderen bietet sie Mitarbeitenden aller Münchner Schulen Unterstützung im Umgang mit rechten, rassistischen, antisemitischen und anderen gruppenbezogen menschenfeindlichen Vorfällen an. Schulleitungen, Lehrkräfte und andere schulische Beschäftigte können bei der Anlaufstelle niedrigschwellig unter anderem fachliche und juristische Einschätzungen sowie weiterführende Kontakte erhalten, beispielsweise zu spezialisierten Beratungsstellen oder Angeboten der politischen Bildung. Die gemeldeten Vorfälle aller Münchner Schulen (städtisch, staatlich, kirchlich, privat) werden darüber hinaus anonymisiert erfasst und in einem jährlichen Monitoring-Bericht ausgewertet.
Die Erfassung von Vorfällen an den Schulen in städtischer Trägerschaft basiert dabei auch auf einer dienstrechtlich verankerten Meldepflicht für Schulleitungen. Die Meldepflicht soll sowohl dazu beitragen, Rassismus, Antisemitismus und andere Formen Gruppenbezogener Menschenfeind-
lichkeit an Schulen besser sichtbar und bearbeitbar zu machen, als auch einen konsequenten Umgang der Schulen mit entsprechenden Vorfällen sicherstellen. Auch aus Sicht von Fachleuten ist eine solche Meldepflicht – idealerweise in Verbindung mit einer Anlaufstelle – eine sehr gute Grundlage, um Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im schulischen Kontext zu begegnen. So hat sich unter anderem der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Dr. Felix Klein, jüngst erneut für eine bundesweite Pflicht zur Meldung antisemitischer Vorfälle an allen Schulen eingesetzt.
Mit der Einrichtung der Anlaufstelle und der dienstrechtlichen Verpflichtung zur Meldung rechter, rassistischer, antisemitischer und anderer gruppenbezogen menschenfeindlicher Vorfälle an städtischen Schulen in Münchenhat die Landeshauptstadt München ein deutliches Zeichen gegen Diskriminierung und rechten Hass an Schulen gesetzt. Die CSU-Freie Wähler-Fraktion im Stadtrat hat mich mit ihrem Stadtratsantrag vom 29. Juni 2023 darum gebeten, mich bei Ihnen sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus ‚dafür einzusetzen, für die staatlichen Schulen ebenfalls eine Anlaufstelle einzurichten, bei der Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern Vorfälle im schulischen Umfeld melden können, die im Kontext gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus sowie religiösem oder politischem Extremismus stehen‘. Nachdem sich in den ersten knapp zwei Tätigkeitsjahren der städtischen Anlaufstelle gezeigt hat, dass an allen Schulen – unabhängig vom Schultypus oder der Trägerschaft – Bedarf für Beratung und Unterstützung im Umgang mit menschen- und demokratiefeindlichen Vorfällen und Tendenzen besteht, halte ich die Einrichtung einer auf diese Fälle spezialisierten Anlaufstelle für staatliche Schulen für überaus sinnvoll. Ich würde mich daher sehr freuen, wenn eine entsprechende Anlaufstelle für staatliche Schulen in Bayern eingerichtet werden würde.“
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.