Verkehrsberuhigungen anwohnerfreundlicher umsetzen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Roland Hefter, Anne Hübner und Christian Müller (SPD/Volt-Fraktion) vom 20.7.2023
Antwort Mobilitätsreferent Georg Dunkel:
In Ihrem oben genannten Antrag fordern Sie das Mobilitätsreferat auf, „die Situation für die Anwohnenden in den Verkehrsprojekten ‚Autoreduzierte Quartiere für eine lebenswerte Stadt‘ in der Südlichen Au und am Walchenseeplatz schnellstmöglich zu verbessern.
Dabei ist vor allem zu prüfen:
- eine Ausweitung der Ruhezeiten von derzeit 22 bis 7 Uhr und deren bessere Durchsetzung,
- die Ausweisung einer Kurzzeit-Lieferzone pro Straßenseite, damit die Anwohnenden ihre Einkäufe ausladen können,
- die Einrichtung von Behindertenparkplätzen direkt in der Kolumbusstraße,
- das Aufstellen einer Kiste mit Softbällen, die Kinder kostenfrei leihen können, so dass sie nicht mit harten Bällen zwischen den Wohnhäusern spielen müssen,
- die bessere Bewerbung der Stelle, der Anwohnende ihre Fragen und Anliegen mitteilen können
- und der Abbau der Schwellen, damit Radfahrende den Weg gut nutzen können und nicht auf den Fußweg ausweichen müssen. Außerdem wird das Mobilitätsreferat gebeten darzustellen, wie die Einbindung der Anwohnenden im Vorfeld der aqt-Projekte ausgestaltet war und wie diese Beteiligung künftig optimiert werden kann.“
Beim Antragsgegenstand handelt es sich um eine laufende Angelegenheit i.S.v. Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO, da die Aufgabenerfüllung der einzelnen Antragspunkte als wiederkehrendes Aufgabenfeld des Mobilitätsreferates zu werten ist. Zudem bezieht sich der Antrag auf hauptsächlich eine temporäre Maßnahme, die bereits wieder planmäßig rückgängig gemacht wurde.
Zu Ihrem Antrag vom 20.7.2023 teile ich Ihnen Folgendes mit:
Die angesprochenen Maßnahmen in der Südlichen Au und am Walchenseeplatz waren temporäre Interventionen mit geplantem Ende im Oktober 2023 im Rahmen des Forschungsprojekts „aqt - Autoreduzierte Quartiere für eine lebenswerte Stadt“ des Zukunftsclusters MCube (MCube aqt).Bei MCube aqt, an dem die Landeshauptstadt München, vertreten durch das Mobilitätsreferat und das Referat für Stadtplanung und Bauordnung, als aktive Partnerin beteiligt ist, handelt es sich um ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Forschungsprojekt im Sinne des Beschlusses „Bürgerschaftliche Projekte zur Verkehrswende“ (Sitzungsvorlage 20-26/V 06329) des Mobilitätsausschusses des Stadtrats der Landeshauptstadt München vom 1.6.2022. Mit diesem Beschluss wurde dem grundsätzlichen Vorgehen zur Pilotierung von bürgerschaftlichen Projekten und quartiersbezogenen Maßnahmen zur Verkehrswende seitens des Stadtrates zugestimmt und zudem entschieden, dass die konkrete örtliche Abwägung zur Umsetzung durch den örtlichen Bezirksausschuss getroffen wird.
Im Rahmen des Forschungsprojektes untersuchen die Technische Universität München, die die Leitung des Projekts innehat, und die Landeshauptstadt München gemeinsam mit den Stadtwerken München, der Hans Sauer Stiftung, der UnternehmerTUM und weiteren Partner*innen, wie eine stadtverträgliche, nachhaltige Mobilität in Münchens Stadtvierteln aussehen kann. Zudem sollen Schlüsse für die künftige Verteilung und Nutzung öffentlicher Räume und die Gestaltung im Sinne einer klimaresilienten und lebenswerten Stadt gezogen und eruiert werden, welche Chancen sich daraus für die Menschen und den öffentlichen Raum ergeben können.
Die Methodik des Forschungsprojekts ist dabei, Veränderungen im Stra-ßenraum temporär erlebbar zu machen und gemeinsam mit den Bewohner*innen und der Zivilgesellschaft darüber in den Austausch zukommen. Ziel war es, wirksame Angebote im öffentlichen Raum zu testen, welche die Lebensqualität im Quartier steigern, den Austausch unter den Bewohner*innen fördern und die Quartiere resilienter in Bezug auf die Herausforderungen des Klimawandels (z.B. Vermeidung von Hitzeinseln) machen. Um belastbare Erkenntnisse zu generieren, hat es eines ausreichend langen Zeitraumes zur Erprobung und Evaluierung sowie auch zur Verbesserung der Maßnahmen auf Basis des kontinuierlichen Dialogs im Rahmen der Bürger*innensprechstunden vor Ort, bedurft. Konkret erfolgten derartige Anpassungen nach Rückmeldungen aus der Bürgerschaft sowie im Austausch mit dem Bezirksausschuss des Stadtbezirks 5 Au-Haidhausen (BA 5) und des Stadtbezirks 17 Obergiesing-Fasangarten (BA 17).
Im Einzelnen Folgendes zu Ihren Fragen:
Ausweitung der Ruhezeiten von derzeit 22 bis 7 Uhr und deren bessere Durchsetzung
Im öffentlichen Raum, zu dem auch der Straßenraum gehört, können Geräuschemissionen im üblichen Maße, insbesondere durch spielende Kinder, entstehen.
Das Projektteam hatte in der Kolumbusstraße Hinweisschilder mit Verweis auf die Nachtruhe zwischen 22 und 7 Uhr und der Bitte um Rücksichtnahme gegenüber den Anwohnenden angebracht. Zur Minderung der Geräuschemissionen wurden außerdem die Sitztribünen nach Gesprächen mit Bürger*innen und auf Basis der Auswertung der Sondersitzung des Unterausschusses Mobilität des Bezirksausschuss 5 am 10.7.2023 von der Sandfläche in der Kolumbusstraße zum Schlotthauerplatz verschoben. Zuvor war dies Sitztribüne bereits gestalterisch als Ruhezone gekennzeichnet worden.
Insgesamt lagen dem Projektteam jedoch keine Anhaltspunkte vor, dass diese Geräuschemissionen jenseits dessen lagen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs als ortsüblich hingenommen werden muss. Eine durch das Mobilitätsreferat in Auftrag gegebene zweiwöchige Lärmmessung ergab keine wesentlichen Überschreitungen der in Allgemeinen Wohngebieten vorgeschriebenen Lärmpegel. Es ist zu beachten, dass im Gegensatz sogar Fahrgeräusche und Geräusche startender Motoren entfallen, was sich positiv ausgewirkt hat.
Nach Angaben der zuständigen Polizeidienststelle gab es im Zuge des Projektes lediglich einen durch eine Lärmbelästigung verursachten Einsatz. Dieser bezog sich auf eine Meinungsverschiedenheit zwischen zwei sich im Streit befindlichen Anwohner*innen (Stand 19.7.23).
Eine Ausweitung von Ruhezeiten war daher nicht erforderlich.
Ausweisung einer Kurzzeit-Lieferzone pro Straßenseite, damit die Anwohnenden ihre Einkäufe ausladen können
Die Ausweisung einer Kurzzeit-Lieferzone war pro Straßenseite im Falle der Landlstraße am Walchenseeplatz bei der Planung berücksichtigt und mit Beginn der Maßnahme umgesetzt worden. Damit wurde die örtliche Situation für das Laden, Leisten und Liefern verbessert und dem besonderen Bedarf durch die anliegende Pflegeeinrichtung (Wohnen im Viertel der GEWOFAG) Rechnung getragen. Diese wurde nach unseren Beobachtungen, insbesondere durch Paketzusteller, gut angenommen. Eine Erweiterung der Zonen erschien nicht notwendig.
Einrichtung von Behindertenparkplätzen direkt in der Kolumbusstraße
Vom Projekt in der Südlichen Au und am Walchenseeplatz waren keine Behindertenparkplätze betroffen. Die Parkplatzsituation für Menschen mit Behindertenausweis bzw. die Erreichbarkeit für mobilitätseingeschränkte Menschen generell war demnach dieselbe wie vor dem Maßnahmenzeitraum. Gleichwohl wurden die besonderen Belange von Menschen mit Behinderung bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung durch das Mobilitätsreferat besonders berücksichtigt.
Aufstellen einer Kiste mit Softbällen
Eine solche Kiste wurde, wie im Antrag vorgeschlagen, Anfang August in der Kolumbusstraße bereitgestellt.
Die bessere Bewerbung der Stelle, der Anwohnende ihre Fragen und Anliegen mitteilen können
Die Stelen, die Informationen zur Möglichkeit für digitales Feedback anzeigten und Möglichkeiten zum analogen Feedback in Form von Briefkästen bereithielten, waren gut sichtbar im Bereich der Maßnahmen platziert. Die Kontaktadresse wurde zudem auf der Website des Mobilitätsreferates „München Unterwegs“ angezeigt. Insgesamt gingen so bis Projektende 763 Rückmeldungen durch Bürger*innen ein.
Auch auf die regelmäßigen Bürger*innensprechstunden im Zeitraum vom 26.6.2023 bis 3.10.2023 wurde durch Plakate auf den Stelen hingewiesen. Bei den, im zweiwöchentlichen Rhythmus stattfindenden, Sprechstunden konnten Fragen beantwortet, Änderungswünsche vorgebracht und ggf. Konflikte sachlich diskutiert werden. Das Feedback der Bürger*innen wurde für die Evaluation gesammelt und regelmäßig im Projektteam besprochen, um Optimierungsbedarfe zu eruieren. Im Zuge der Bürgersprechstunden wurden insgesamt 65 Einzelgespräche mit Anwohnenden geführt.
Abbau der Schwellen, damit Radfahrende den Weg gut nutzen können und nicht auf den Fußweg ausweichen müssen
Die installierten Rampen an den jeweiligen Enden des Aktionsbereichs in der Kolumbusstraße sollten Radfahrenden als Hilfestellung dienen, diesen Bereich entsprechend zu durchfahren. Nach Ihrem Antrag wurde Ende Juli eine Anpassung der Rampen vorgenommen, indem diese auf 50cm verlängert wurden, sodass das Befahren für Radfahrende weiter erleichtert wurde.Zudem wurden Ende Juli sowohl in der Kolumbusstraße als auch in der Landlstraße das Zusatzzeichen 1022-10 (Radverkehr frei) zusätzlich angebracht, um noch deutlicher zu signalisieren, dass das Befahren der Aktionsbereiche für Radfahrende explizit erlaubt ist.
Wie war die Einbindung im Vorfeld des AQT-Projekts ausgestaltet?
Eine umfangreiche Bürger*innenbeteiligung vor und im Zeitraum der Maßnahmen war fester Bestandteil des Projekts MCube aqt. An dieser Stelle möchten wir noch einmal betonen, dass wir einer Beteiligung im Zeitraum temporärer Maßnahmen eine Bedeutung in mindestens dem gleichen Maße wie einer Beteiligung im Vorfeld beimessen, da vor allem dann die Diskussionen sehr konkret und auf die optimale Ausgestaltung abzielend sind.
Bezüglich der genauen Ausgestaltung der Beteiligung möchten wir auf die Sitzungsvorlage 20-26/V 10672 verweisen. Diese nimmt Bezug auf den StR-Antrag Nr. 20-26/ A 04050 von Herrn StR Hans Hammer, Frau StRin Veronika Mirlach und Herrn StR Leo Agerer vom 31.7.2023, der im Feriensenat am 9.8.2023 geschäftsordnungsgemäß behandelt wurde. In der Sitzungsvorlage legt das Mobilitätsreferat die genaue Ausgestaltung der Beteiligung sehr ausführlich dar.
Wie kann diese Beteiligung künftig optimiert werden?
Eine Auswertung und Reflexion der zivilgesellschaftlichen Beteiligung ist Teil der wissenschaftlichen Evaluation im Rahmen des Forschungsprojekts MCube aqt. Die Evaluation schließt sich an den Zeitraum der Durchführung der Maßnahmen an und wird entsprechend in den kommenden Monaten durchgeführt. Eine Ableitung und Prüfung möglicher Optimierungspotenziale kann erst auf Basis der Ergebnisse der anstehenden Evaluation vorgenommen werden. Gewonnene Erkenntnisse und Prozesswissen werden in zukünftige Planungs- und Gestaltungsprozesse einfließen.
In diesem Zusammenhang ist die Gründung einer Dialoggruppe aus Anwohner*innen in der Südlichen Au erwähnenswert. In der Dialoggruppe haben die Anwohner*innen auf nachbarschaftlicher Basis ihre Sichtweisen über das Projekt ausgetauscht und allgemein über die Zukunft ihres Quartiers diskutiert. Neben der gruppeninternen Diskussion im digitalen Raum fanden vier moderierte Termine im Quartier statt. Teilnehmende haben sehr konstruktiv miteinander über die Zukunft nachbarschaftlich initiierter Aktivitäten beraten. Dieser offene Dialog soll, in Absprache mit den Teilnehmer*innen, auch nach dem Abbau der Maßnahmen weiter wissenschaftlich begleitet werden. Für Folgeprojekte von MCube aqt wird eine nochfrühzeitigere und intensivere Einbindung des Behinderten- und Seniorenbeirats als Vertretungen vulnerabler Gruppen erfolgen.
Das Mobilitätsreferat nimmt die Stellungnahme des Facharbeitskreis Mobilität im Behindertenbeirat der Landeshauptstadt München zur Kenntnis und bedankt sich bei diesem für sein Engagement für die Stadtgesellschaft. Die Stellungnahme wurde auch beim regulären Halbjahresgespräch am 31.10.2023 mit den Beiräten auf Wunsch des Behindertenbeirates als Tagesordnungspunkt geführt. Das Mobilitätsreferat hat der dort anwesenden Vertreterin des Behindertenbeirats bereits signalisiert, nach erfolgter interner Abstimmung zu den Inhalten der Stellungnahme zu einem späteren Zeitpunkt auf sie zuzugehen. Die Stellungnahme wird daher in einem separaten Antwortschreiben beantwortet. Grundsätzlich ist zu betonen, dass das Mobilitätsreferat bei der Planung von Maßnahmen im Rahmen temporärer Projekte bestrebt ist, die Gestaltung von Aktionsflächen so barrierearm wie möglich umzusetzen und die Belange von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen unter Maßgabe der konkreten räumlichen Bedingungen bestmöglich zu berücksichtigen.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.