Biotumen für München?
Antrag Stadtrat Manuel Pretzl (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄH-LER) vom 27.10.2023
Antwort Baureferentin Dr.-Ing. Jeanne-Marie Ehbauer:
Sie fordern das Baureferat in Ihrem Antrag vom 27.10.2023 auf, zu prüfen, ob für städtische Straßenbauprojekte und Reparaturarbeiten in Zukunft sogenannter „Biotumen“ anstelle von klassischem Bitumen verwendet werden kann.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit i. S. von Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO und § 22 GeschO, deren Erledigung dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 27.10.2023 kann Ihnen das Baureferat jedoch Folgendes mitteilen:
Im Rahmen zukünftiger kommunaler Klimastrategien verfolgt das Baureferat mit großem Interesse auch die Entwicklungen rund um alternative, von der Ölindustrie unabhängige innovative Bindemittel im Asphaltstraßenbau. Vor dem Hintergrund der ab 2025 verpflichtenden allgemeinen Absenkung der Herstellungs- und Einbautemperaturen für Asphaltmischgüter (Niedrigtemperaturasphalte) mit dem Ziel der CO2-Reduktion sowie der Verbesserung des Arbeitsschutzes durch Emissionsminderung, steht auch das von Ihnen genannte „Biotumen“ seit längerem im Fokus des Baureferates. Mit dem Hersteller des „Biotumens“ und Gründer des Start-Ups B2Square befindet sich das Baureferat bereits seit gut anderthalb Jahren im fachlichen Austausch. Im Rahmen einer Masterarbeit im Baureferat wird derzeit u.a. das CO2-Einsparpotenzial von Asphalten mit „Biotumen“ im Vergleich zu Asphalten mit Standardbitumen beleuchtet. Zudem werden die bereits vereinzelt hergestellten Flächen privater Bauherren mit Interesse beobachtet.
Aus nachfolgend genannten Gründen ist derzeit eine großflächige Verwendung des „Biotumens“ für städtische Straßenbauprojekte und Reparaturarbeiten in München noch nicht zielführend.Das „Biotumen“ ist ein synthetisch zusammengesetztes Bindemittel aus natürlich vorkommendem Naturasphalt (Asphaltene) und verschiedenen, aus nachwachsenden Rohstoffen (Cashew-Schalen) extrahierten Kohlenwasserstoffen (Maltene). Eine geringere Abhängigkeit von „rohstoffreichen Diktaturen“ ist damit nicht zwangsläufig gegeben, da geeignete Naturasphalte weltweit in wenigen abbauwürdigen Lagerstätten vorkommen (z. B. Trinidad, Venezuela, USA). Auch im Fall des „Biotumens“ stammen die Asphaltene aus Übersee.
Bei der Vermarktung des „Biotumens“ wird eine weltweite Verfügbarkeit hervorgehoben, dennoch ist bei der Verarbeitung zum Endprodukt Asphalt eine entsprechende Infrastruktur an Mischanlagen unerlässlich. Dabei sind sowohl entsprechende anlagentechnische Voraussetzungen als auch spezifische Schulungen des Personals nötig. Beispielsweise verfügen die in der Münchener Umgebung ansässigen Asphaltmischguthersteller nur teilweise über die notwendige Anlagentechnik. Das „Biotumen“ kann dementsprechend nur in enger Absprache mit den Mischanlagenbetreibern verarbeitet werden.
Die derzeitigen Produktionskapazitäten von Asphalten mit „Biotumen“ sind laut Aussage von B2Square noch gering, sodass Mischgutmengen für eine großflächige Verwendung aktuell nicht ausreichend produziert werden können. „Biotumen“ wird momentan etwa mit dem drei- bis vierfachen der Kosten im Vergleich zu handelsüblichem Straßenbaubitumen beaufschlagt. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten stellt dieses Nischenprodukt derzeit noch keine konkurrenzfähige Alternative dar.
Zum heutigen Stand wurde/wird das „Biotumen“ in Deutschland nahezu ausschließlich in Teststrecken bzw. Baumaßnahmen privater Bauherren eingesetzt, da keine baurechtlichen Normierungen respektive bauaufsichtlichen Zulassungen für den Einsatz im öffentlichen Straßenbau existieren. Bei den bestehenden Testflächen liegen bislang noch keine Langzeiterfahrungen vor, wie sich der Asphalt unter Verwendung von „Biotumen“ unter höheren Verkehrsbelastungen, entsprechenden Witterungsverhältnissen respektive unter Verwendung unterschiedlicher Zugabemengen an Ausbauasphalt verhält.
Öffentliche Auftraggeber sind bei der Herstellung von Bauwerken und dem Einsatz von Bauprodukten angehalten, die geltenden straßenbautechnischen Vorschriften und Regelwerke (z. B. DIN-Norm, FGSV-Regelwerke etc.) einzuhalten. Formal ist daher die technische Eignung des mit „Biotumen“ hergestellten Asphaltmischguts nicht nachgewiesen, was eine großflächige, standardmäßige Verwendung bei öffentlichen Baumaßnahmennicht ermöglicht. Das Haftungs- und Gewährleistungsrisiko läge vollständig auf der Seite des Bauherrn (LHM). Somit wäre nur ein begrenzter Einsatz in Pilotprojekten bzw. Testrecken denkbar.
Derzeit laufen Absprachen, um die Möglichkeiten für einen Einsatz des „Biotumens“ auf einer begrenzten Testfläche im untergeordneten Verkehrsnetz im kommunalen (LHM) oder überörtlichen Raum (OBB) auszuloten. Das Baureferat wird bei Vorliegen geeigneter Rahmenbedingungen unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit, die Realisierung von Testflächen unter Verwendung von „Biotumen“ zu unterstützen, um die Entwicklung innovativer und ökologischer Ansätze zu fördern.
Das Baureferat wird die zukünftigen Entwicklungen in enger Zusammenarbeit mit B2Square, der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr (OBB) und den lokalen Mischgutherstellern weiterverfolgen, ob und ggfs. wann ein Einsatz im größeren Stil realisierbar ist.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass der Antrag damit abschließend behandelt ist.