Die von den Bewohner*innen selbst zu tragenden Gesamtkosten (Eigenanteile) in den vollstationären Pflegeeinrichtungen steigen seit Jahren. Der im Herbst dem Stadtrat vorgelegte Marktbericht Pflege zeigte schon, dass der Eigenanteil im Einzelzimmer in München im Dezember 2022 im Median bei 3.154,84 Euro pro Monat im ersten Jahr des Aufenthalts der Bewohner*innen in der vollstationären Pflegeeinrichtung lag. Die finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen durch die Eigenanteile wird dieses Jahr voraussichtlich weiter massiv steigen. Ein Großteil dieser Steigerungen ist auf gesetzliche Änderungen und die Tarifsteigerungen im TVÖD ab 1. März 2024 zurückzuführen. Diese Kostensteigerungen treffen alle Pflegeeinrichtungen in Bayern.
Oberbürgermeister Dieter Reiter: „Es ist richtig, dass beruflich Pflegende gut bezahlt werden müssen. Aber es kann nicht sein, dass diese Kosten dann auf die zu Pflegenden abgewälzt werden. Die Langzeitpflege ist unterfinanziert. Das gefährdet die pflegerische Infrastruktur. Die Eigenanteile steigen. Und damit auch der Anteil der Menschen, die irgendwann in der Sozialhilfe landen, weil die Kosten für die Pflege ihr gesamtes Erspartes und ihr Einkommen auffrisst. Deshalb mein dringender Appell an die Bunderegierung: Wir brauchen endlich die längst überfälligen Reformen zur Finanzierung der Pflegeversicherung – mindestens eine echte Begrenzung der Eigenanteile sowie einen Ausgleich der Kostensteigerungen, aber am besten die Einführung einer Pflegevollversicherung.“
Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) und das nachfolgende Pflege-Unterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) tragen nur teilweise zu einer Begrenzung der Eigenanteile bei. Die diesjährige Beitragserhöhung wird spätestens 2025 zur Finanzierung der Pflegeversicherung nicht mehr ausreichen.
Bei der letzten Pflegereform wurden zudem viele der zentralen Vorhaben des Koalitionsvertrags nicht umgesetzt, zum Beispiel:
- die Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen, wie die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige oder die Sicherung der Pflegeinfrastruktur in der Corona-Pandemie,
- die Herausnahme der Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen der zu Pflegenden, die ambulant oder stationär versorgt werden,
- die Umfinanzierung der medizinischen Behandlungspflege. Diese war kurzfristig durch die gesetzliche Krankenversicherung in der vollstationären Pflege übernommen worden, kommt nun wieder in die Pflegesätze. Dies führt zu höheren Kosten für die Bewohner*innen. In der ambulanten Pflege ist dies eine ärztliche Verordnung und wird durch die Krankenkasse bezahlt.
Auch die pflegenden An - und Zugehörigen müssen dringend besser entlastet werden. Hier fehlen in Bayern – anders als in anderen Bundesländern – beispielsweise verschiedene Modelle und vor allem auch regionale Angebote der Nachtpflege.
Mit Einführung der Pflegeversicherung zielte der Gesetzgeber bewusst darauf ab, einen Pflegemarkt im Wettbewerb zu schaffen. Diese Orientierung hin zur Marktwirtschaft kritisiert die Landeshauptstadt München schon lange und fordert vom Bund die Einführung einer Pflegevollversicherung mit gedeckelter Eigenbeteiligung. Eine für Pflegebedürftige bezahlbare, für Träger finanziell auskömmliche sowie eine grundsätzlich ausreichende pflegerische Infrastruktur kann sonst nicht sichergestellt werden.
Sind Bewohner*innen nicht in der Lage die Kosten selbst zu bezahlen, so können sie Sozialhilfe, Hilfe zur Pflege, beantragen. Für Menschen, die zuletzt in München gelebt haben, ist dies der zuständige Sozialhilfeträger der Bezirk Oberbayern (https://www.bezirk-oberbayern.de/Soziales/Menschen-mit-Pflegebedarf/Informationen-zum-Antrag-br-f%C3%BCr-Hil-fe-zur-Pflege/Antragstellung).
Darüber hinaus gibt es die Münchner Pflegebörse, an die sich ältere Erwachsene mit oder ohne Pflegebedarf sowie deren An- und Zugehörige in München und im Landkreis München wenden können. Sie bietet einen Überblick über Beratungs- und Versorgungsangebote im Alter sowie über freie stationäre Pflegeplätze Infos unter www.muenchnerpflegeboerse.de.