Wie digital ist München (VIII) Welche Erfolge verzeichnet die Open-Source Strategie der LHM?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Leo Agerer, Sabine Bär, Fabian Ewald, Ulrike Grimm und Hans Hammer (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 5.3.2024
Antwort IT-Referentin Dr. Laura Dornheim:
In Ihrer Anfrage haben Sie folgenden Sachverhalt vorausgeschickt: „Die Landeshauptstadt München realisiert seit 2021 ‚selbst entwickelte Software unter Berücksichtigung aller relevanten und rechtlichen Faktoren als Open Source Lösungen und beschafft priorisiert Open-Source-Lösun- gen, wo immer technisch und finanziell sinnvoll‘.“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Wie wird das Open Source Angebot der Landeshauptstadt München angenommen?
Antwort:
Die Landeshauptstadt München nutzt Open-Source-Software, unterstützt Open-Source-Software und entwickelt Software, die als Open-Source-Software öffentlich zur Verfügung gestellt wird. Alle Aktivitäten rund um das Thema Open-Source sind auf https://opensource.muenchen.de/de/publish.html#ubersicht einsehbar. Dieser Bericht stößt bei anderen Behörden auf Interesse.
it@M entwickelt Fachanwendungen für seine Kunden nur dann, wenn es keine Lösung am Markt gibt oder die wirtschaftliche Bewertung deutlich schlechter ausfällt als bei einer Eigenentwicklung. Die Eigenentwicklungen werden in enger Abstimmung mit den Referaten entworfen und umge-
setzt. Im Vergleich zu rein internen Eigenentwicklungen hat sich für die Kunden von it@M durch die Veröffentlichung nichts geändert – lediglich der Quellcode der Software ist nun öffentlich einsehbar. Die Referate sind nach wie vor sehr zufrieden mit den Eigenentwicklungen von it@M.
Außerhalb der Landeshauptstadt München gibt es einige Anfragen von Kommunen, die Interesse an der Nutzung unserer Software haben, wie z.B. dem Fachverfahren zur Auswertung von Verkehrszählungen (DAVe). Ein Cloud Provider der Kommunen prüft momentan die Nutzungsmöglichkeiten.Durch kleine Fehlermeldungen und Feature-Wünsche können wir auch eine Nutzung durch andere herauslesen. So wurde beispielsweise das letzte Update der Software https://kiwi.muenchen.de auf die aktuelle zugrundeliegende Norm von einem Oberlandesgericht angefragt. Wir konnten die Änderung umsetzen und den Fachbereich der LHM sowie die externe Behörde zufriedenstellen.
Des Weiteren befindet sich unsere Software „digiwf“ bereits in der Prüfung bei einer deutschen Kommune, einem europäischen Land und einem kommunalen IT-Provider.
Ein Plug-In für unsere Identity-Software, damit sich Bürger*innen mit der BayernID anmelden können, wird auch von der Stadt Fürth genutzt. Die Identity-Software ist weit verbreitet und wird auch vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie empfohlen. Technisch gesehen wird das Plug-In fast unverändert auch für die Bund-ID einsetzbar sein.
Auch wenn die Nachnutzung unserer Open-Source-Software bisher
erst in überschaubarem Rahmen stattfindet, so erkennt der Öffentliche Dienst immer mehr das hohe Potential von Open-Source-Software in der Verwaltung. Die KGSt verweist in ihrem Bericht „Open Source in Kommunen“ auf die vielen Vorteile von Open-Source-Software hin und hebt die interkommunale Zusammenarbeit auch auf Basis von Quellcode als wesentlichen Erfolgsfaktor hervor (https://www.kgst.de/projekt-open-source-in-kommunen).
Auch die AKDB ist mittlerweile der Open-Source-Business-Alliance beigetreten und begründet das damit, „dass gerade in der kommunalen und in der Bundesverwaltung der Einsatz von Open-Source-Software zukunfts-weisend ist.“ (https://www.akdb.de/newsroom/pressemitteilungen/akdb-tritt-der-open-source-business-alliance-bei/)
Frage 2:
Wie läuft die Community-Unterstützung? Welche Resultate sind hier vorzuweisen?
Welche Kosten entstehen hier jährlich? Wer erhält die Gelder?
Frage 3:
Welche Open-Source Projekte erhalten wie viel Mitteleinsatz? Welche Resultate sind vorzuweisen?
Antworten zu 2. und 3.:
Gemäß dem Stadtratsbeschluss 20-26/V 11273 zur „Strategie zur Finanzierung städtisch genutzter Open-Source-Bibliotheken und -Software“ vom 15. November 2023 haben wir seit Januar dieses Jahres zwei Communi-ties gesponsert. Wir planen gemäß Beschluss 85.000 Euro pro Jahr aufzuwenden.
Aktuell sponsern wir Vuetify, eine User-Interface-Bibliothek, und Vue.js, eine JavaScript-Webframework. Beide werden für fast alle Eigenentwicklungen genutzt und mit je 500 $ pro Monat gesponsert.
Außerdem sponsern wir das Robot Framework mit 3.000 $ p.a., ein generisches Automatisierungs-Framework, welches bei der LHM sowohl für Testautomatisierung als auch für Robotic-Process-Automation genutzt wird.
Der Digitale Zwilling besteht aus einer Vielzahl einzelner Open-Source-Komponenten. Der Geodatenservice München zahlt 5.000 Euro p.a. für die Teilnahme an der Implemementierungs-Partnerschaft und 5.000 Euro p.a. wird von it@M für Umsetzungsaufwände in der Implementierung gezahlt.
Die meisten Open-Source-Projekte für den Einsatz in der Verwaltung werden weniger durch Spenden finanziert als durch verschiedene Geschäftsmodelle. Diese Modelle können von Produkt zu Produkt und von Anwendungsfall zu Anwendungsfall sehr unterschiedlich sein und reichen von der Bereitstellung von Support und Schulungen bis hin zur Entwicklung von maßgeschneiderten Lösungen für Kunden.
Daher werden bei der Beschaffung von Lösungen priorisiert Open-Source-Optionen geprüft, wo immer dies technisch und finanziell sinnvoll ist.
Das Open-Core-Modell ist ein Geschäftsmodell zur Finanzierung von kommerziell produzierter Open-Source-Software. Dabei wird eine „Kernfunktionalität“ oder funktionsbeschränkte Version des Softwareprodukts als freie und Open-Source-Software angeboten, während kommerzielle Versionen oder Addons als proprietäre Software verfügbar sind. Beispiel hierfür ist die Monitoring-Lösung CheckMK, die uns mit ihrer Open-Source-Lösung eine Kombination aus Support und Enterprise-Features bieten.
Die Stadt München nutzt dieses Modell, um Software schneller zu testen und das FOSS-Ökosystem zu fördern. Durch die Unabhängigkeit von einem einzelnen Hersteller vermeiden wir finanzielle Abhängigkeiten und können die Software eigenständig betreiben.
Beispiel hierfür ist Zammad für den Bürger*innen Service. Bei der Zusammenarbeit mit Zammad wurden von der LHM gewünschte Features in den Zammad-Stack integriert. Weitere Details zur Unterstützung von Open-Source-Projekten können auf https://opensource.muenchen.de/de/improve.html#finanzierung eingesehen werden.
Frage4:
Welche Erfolge wurden in den letzten18 Monaten erzielt?
Antwort:
Im Rahmen unserer Eigenentwicklungen hat it@M 110 Code-Repositories (https://github.com/it-at-m) veröffentlicht, an denen über 90 Mitarbeiter*innen arbeiten. Durch die öffentlichen Repositories wird die gegenseitige Hilfe der internen Entwickler*innen-Community sehr stark vereinfacht und gefördert. Die Veröffentlichung der Repositories vereinfacht außerdem auch die Zusammenarbeit mit Expert*innen außerhalb der LHM und erhöht die Qualität unserer Software. Die Veröffentlichung unserer Software ist außerdem die Voraussetzung für zukünftige Kooperationen.
Unter anderem ist der Quellcode zu folgenden Fachanwendungen veröffentlicht:
- Datenbank und Auswertung von Verkehrszählungen (DAVe),
-I nformationssystem für soziale Infrastruktur (ISI),
- Wahllokalsystem (WLS, Wahlkoffer),
- Wirtschaftliche Jugendhilfe (WJH),
- Mobilitätsdatenplattform für München (MobidaM),
- Digital Workflows (digiWF),
- Konfliktbegleitungs-App (KoBIT-App),
- Terminvereinbarung (eappointment),
- BayernID-Plugin und Elster-NEZO-Plugin für Keycloak,
- Indoor-Navigation (epitaph),
- WC-Finder.
Das Open Source Program Office (OSPO) wurde im Januar 2024 gegründet, um die Verwendung von Open-Source-Software in der Stadtverwaltung zu fördern und zu unterstützen. Aktuell ist unser OSPO in die Governance-Prozesse für Beschaffung integriert worden.
Mit dem Open Source Sabbatical soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass sich professionelle Programmierer*innen für drei oder sechs Monate ganz auf die Fortentwicklung eines Open-Source-Projektes konzentrieren können und dafür mit einem städtischen Stipendium unterstützt werden. Verschiedene Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung wurden evaluiert. Aktuell wird ein Pilot mit digital@M favorisiert und mit einem ersten Kandidaten verhandelt.
Sowohl 2023 als auch 2024 haben Vertreter*innen des IT-Referats an der FOSS-Backstage-Konferenz teilgenommen.
- Keynote 2023 – Cooperation and Inclusion through Open Source,
- Talk 2024 – OSS Excellence: Munich‘s Journey towards Public Code,
- Recording-Sponsor 2024, so dass wir im Abspann aller aufgenommen Vorträge bei Youtube auch über die Konferenz hinaus sichtbar bleiben (7.800 Euro Netto).
Die zweitägige Konferenz widmet sich allen Themen rund um FOSS Governance und Zusammenarbeit in Open-Source-Projekten, wie Best Practices für die Leitung von Open-Source-Projekten, Community-Management, Open-Source-Projektmetriken, Open-Source-Strategien für Unternehmen, die Einführung von Open-Source-Zusammenarbeit in Unternehmen, rechtliche Fragen im Umgang mit Open Source. Auf der Konferenz wurden viele Kontakte geknüpft, die u.a. Potenzial für gemeinsame Open-Source-Projekte mit anderen Kommunen haben. Außerdem zielt unser Engagement auf die Sichtbarkeit der LHM als Arbeitgeberin für IT-Fachkräfte ab.
Des Weiteren sind wir mit dem Open-Source-Projekt KernUX (https://www.kern-ux.de/) in Kontakt, dass eine einheitliche Oberfläche für Behörden-Portale erstellt. Dieses Projekt bietet eine einfache und unbürokratische Möglichkeit einheitliche Oberflächen für alle deutschen Behörden zu schaffen und somit maßgeblich das EfA-Prinzip zu fördern. Aktuell engagieren sich das Bundesministerium des Inneren, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, die AKDB und die Datenverarbeitungszentrale Mecklenburg-Vorpommern am Projekt.
Nach einer Pause nimmt die KGST-Initiative „Open-Source-Big 3“ wieder Fahrt auf, dass die Zusammenarbeit der Städte Berlin, Dortmund und München zum Thema Open-Source fördern will.
Bei der Beschaffung von Software haben wir uns für die Monitoring-Lösung CheckMK und die Bürger*innen-Service-Software Zammad entschieden, wie bereits oben erwähnt.
Außerdem diskutieren wir mit der Firma demokratie.today über die Open-Source-Software Consul (https://unser.muenchen.de/) mit dem Ziel, Synergien zwischen Kommunen besser zu fördern.
Frage 5:
Wie wird die selbst entwickelte Open Source Software von den Beschäftigten der LHM in der Praxis angenommen? Sind die Lösungen kosten- und prozesseffizienter im Vergleich zu Software, die auf dem freien Markt hätte erworben und angepasst werden können?
Antwort:
Der konkret vergleichbare Fall tritt i.d.R. nicht auf, weil vor der Entscheidung, eine Fachanwendung selbst zu entwickeln, zuerst geprüft wird, ob Produkte am Markt verfügbar sind. Erfüllen die Produkte die Anforderungen unsere Fachbereiche, so werden die Produkte beschafft. D.h. Eigenentwicklungen werden nur dann forciert, wenn kein für die LHM brauchbares Kaufprodukt verfügbar ist. Ausnahmen können vorkommen, wenn die Lizenzkosten einer Kauf-Software so hoch sind, dass eine Eigenentwicklung deutlich günstiger wäre.
Weitere Details zu unseren Open-Source-Aktivitäten können auf unserer Webseite https://opensource.muenchen.de/de/ eingesehen werden.