Das Gaspreis-Desaster der Münchner Wohnen! – Wer ist verantwortlich für die horrenden Heizkosten?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (Die Linke / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 20.2.2024
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 20.2.2024 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage führen Sie aus, dass Sie viele Zuschriften zu den Erdgaskosten in Wohnblocks der Münchner Wohnen von Bürger*innen erhalten hätten.
Betroffen seien ehemalige GWG-Wohnungen, deren Wärmebedarf über Gas-Zentralheizungen gedeckt wird. Die Süddeutsche Zeitung berichte, dass 18.792 Wohnungen (ca. 61% des Wohnungsbestandes der ehemaligen GWG) von den Folgen betroffen sind – insgesamt also ca. 30.000 Menschen. Nachzahlungen zwischen 1.000 und 3.000 Euro seien laut den Ihnen vorliegenden Unterlagen die Regel. Viele Menschen, gerade bei der Münchner Wohnen, stellten so hohe Nachzahlungen vor existenzielle Herausforderungen und lösten Existenzängste aus.
In einer Pressemitteilung habe die Münchner Wohnen dagegen versichert, dass sie „umsichtig gehandelt“ habe und „weiterhin günstige Konditionen mit den Stadtwerken“ sichern könne. Laut der Pressemitteilung wurde im November 2021 ein Tarif mit dem Namen „Business EEX“ abgeschlossen. EEX stehe für die Europäische Energiebörse. Deren Indizes spiegelten in der Regel das Marktgeschehen wider und waren in den letzten Jahren sehr schwankend. So habe sich der Index EEX -Gas im Jahr 2021 allein bis zum Vertragsabschluss der GWG bereits mehr als verdoppelt.
Die Nutzung solcher Indizes entspreche nicht der langfristigen Einkaufsstrategie der Energieversorger, sondern spiegele das spekulative Marktgeschehen wider. Daher seien solche Faktoren völlig ungeeignet für die Vertragsgestaltung von Energiepreisen für Endkund*innen. Die Mieter*innen der Münchner Wohnen müssten nun die Folgen für diese Fehlentscheidungen tragen.
Ihrer Ansicht nach hätte die Münchner Wohnen daher einen großen Einfluss auf die Mietnebenkosten und habe ganz offensichtlich höchst fahrlässig gegenüber ihrer Mieterschaft gehandelt. Großer Nutznießer des Gas-Rahmenvertrages seien die SWM. Es läge die Vermutung nahe, dass sie wesentlich mehr Geld für ihr Gas bekämen, als sie tatsächlich im Ein-kauf dafür ausgeben würden. Es stellten sich daraus die Fragen, wie ein solcher Vertrag zustande gekommen sei und wer die Schuld für dieses Desaster trage.
Zudem bekämen viele Betroffene keine Rückmeldung seitens der Münchner Wohnen.
In diesem Zusammenhang haben Sie folgende Fragen:
Frage 1:
Wo befinden sich die vom Rahmenliefervertrag Erdgas „Business EEX“ der SWM betroffenen Wohneinheiten? (Bitte die Anzahl der Wohneinheiten nach Stadtbezirken aufschlüsseln)
Antwort:
Die betroffenen Wohneinheiten sind aus der Anlage ersichtlich.
Frage 2:
Ist es korrekt, dass der Festpreisvertrag Erdgas zu Ende 2021 ausgelaufen ist? Welche Konditionen hatte dieser Vertrag zwischen der GWG und der SWM?
Antwort:
Es handelte sich um einen Festpreisvertrag mit einem festen Ende zum 31.12.2021 ohne Verlängerungsoption.
Frage 3:
Aus welchem Grund wurde der Aufsichtsrat bei einem Vertrag mit dieser grundsätzlichen Bedeutung und Auswirkung nicht von der damaligen Geschäftsführung informiert?
Antwort:
Bei den Kosten der Wärmeversorgung handelt es sich ebenso wie bei weiteren Betriebskosten um auf die Mieterschaft umlegbare Kosten und nicht um Kosten aus dem Betriebsvermögen. Bei umlegbaren Kosten ist eine Beteiligung des Aufsichtsrates üblicherweise nicht vorgesehen.
Frage 4:
Hatte die Aufsichtsratsvorsitzende der Münchner Wohnen, damals GWG, Kenntnis über den Vertragsabschluss und die Auswirkungen auf die Preise? Wurde sie von der Geschäftsführung der damaligen GWG darüber informiert?
Antwort:
Nein.
Frage 5:
Wurden im Rahmen der Inhouse-Vergabe ein Angebot und/oder Berechnungen von den SWM vorgelegt?
Antwort:
Ja, es wurde ein Vertragsangebot unterbreitet, das von der damaligen GWG innerhalb der Bindefrist angenommen wurde.
Frage 6:
Haben die SWM die Geschäftsführung der damaligen GWG über die derartig hohen Preissteigerungen aufgeklärt oder hat die Geschäftsführung der GWG selbst abschätzen können, welche hohen Preissteigerungen auf die Mieter*innen zukommen?
Antwort:
Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses waren die hohen Steigerungen der zugrunde liegenden Großhandelspreise nicht absehbar.
Frage 7:
Können die Münchner Wohnen und die Verwaltung ausschließen, dass der Vertrag nicht zu Gunsten der SWM abgeschlossen worden ist, nachdem der frühere SPD-Stadtrat Christian Amlong zum damaligen Zeitpunkt Geschäftsführer der GWG war und inzwischen bei den Stadtwerken für die Energiewirtschaft4 zuständig ist?
Antwort:
Der Vertrag kam über eine Inhouse-Vergabe zu identischen Konditionen, zu denen die meisten Kunden der Wohnungswirtschaft über indexierte Verträge versorgt werden, zustande. Auch die GEWOFAG wurde bereits seit längerer Zeit mit einem indexierten Vertrag beliefert, der auch für das Jahr 2022 galt.
In-House-Vergaben, wie sie der Gesetzgeber vorsieht, geben den öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit, keine Ausschreibeverfahren durchführen zu müssen, wenn durch die Kommune selbst (oder über eine ihrer Tochtergesellschaften) die Leistung erbracht werden kann. In München ist dies zum Beispiel auch bei der Abfallwirtschaft oder beim ÖPNV der Fall. So sollen die Unternehmen von langwierigen Ausschreibungen entlastet und dadurch auch die öffentlichen Finanzen geschont werden. Die im konkreten Fall beteiligten Unternehmen sind hundertprozentige kommunaleUnternehmen, die Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge wahrnehmen.
Bei der Münchner Wohnen entscheidet – im konkreten Fall bei Gaslieferverträgen – der zuständige Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen über die Vergabe. Sie treffen in einem Abwägungsprozess die Managemententscheidung über eine mögliche Inhouse-Vergabe, die neben den vergaberechtlichen Aspekten auch die Themen Versorgungssicherheit, die Dringlichkeit der Lieferung sowie natürlich Vorteile für die Mieter*innen und Mieter der Münchner Wohnen beinhaltet.
Frage 8:
Nach welcher Formel und welchen genauen Parametern berechnet sich der Tarif „Business EEX“ der SWM, mit dem die ehemaligen GWG-Siedlungen mit Gas-Zentralheizung beliefert werden?
Antwort:
Im Produkt M-Erdgas business EEX für Geschäftskunden ist eine quartalsweise Anpassung der Preise an die Marktentwicklung enthalten. Der Arbeitspreis ermittelt sich nach der vertraglich vereinbarten Preisformel, die sich an den an der Leipziger Energiebörse EEX veröffentlichten Settlementquotierungen, THE Natural Gas Quarter Futures, orientieren. Der jeweilige Arbeitspreis bildet sich damit zeitnah anhand der Entwicklung der Markt- bzw. Großhandelspreise. Maßgebend für die Preisbildung im jeweiligen Quartal ist dabei das arithmetische Mittel der Settlementquotierungen THE Natural Gas Quarter an jedem Handelstag des dem jeweiligen Quartal, zu dem der Preis gebildet wird, vorangegangenen Vorvormonats. Beispiel: Für das I. Quartal wird das Mittel der Settlementquotierungen THE Natural Gas Quarter Futures QI des dem 01. Januar, zu dem der Preis gebildet wird, vorangegangenen Monats November herangezogen.
Frage 9:
Bildet der „Business EEX“ Rahmentarif die tatsächlichen Einkaufspreise der Stadtwerke ab?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 8. Die Beschaffung erfolgt analog.
Frage 10:
War der GWG bewusst, dass mit dem Index EEX der Gaspreis sich an einem Index orientiert, der Börsenwerte widerspiegelt und höchst volatil und somit spekulativ ist?
Antwort:
Eine zeitnahe Orientierung der Erdgaspreise an der Entwicklung Markt- bzw. Großhandelspreise ist nicht spekulativ. Spekulativ wäre, die gesamte Erdgasmenge zu einem einzigen Zeitpunkt einzukaufen, in der nicht realisierbaren Annahme, dabei den günstigsten Einkaufszeitpunkt erwischt zu haben.
Frage 11:
Ist der Tarif „Business EEX“ eigens für die GWG geschaffen worden oder wird er auch für andere Geschäftspartner der SWM verwendet?
Antwort:
Nein! Das Produkt M-Erdgas business EEX wird überwiegend von der Münchner Wohnungswirtschaft genutzt, um nicht spekulativ Erdgas zu beschaffen.
Frage 12:
Welche Konditionen hatte die GEWOFAG beim Gaseinkauf im Abrechnungsjahr 2021, 2022 und 2023?
Antwort:
Die GEWOFAG hatte in dieser Zeit einen Rahmenvertrag mit dem Produkt M-Erdgas business EEX.
Frage 13:
Wie wird im Zuge der Fusion mit den Gasverträgen der GEWOFAG und der GWG umgegangen?
Antwort:
Die bestehenden Verträge werden fortgeführt.
Frage 14:
Warum melden sich die Münchner Wohnen nicht bei den Betroffenen zurück? Wie viele offene Kundenkontakte gibt es zum Stichtag 15. Februar 2024? Wie viel dieser Kundenkontakte beziehen sich auf Fragen zu den Nebenkosten?
Antwort:
Die Münchner Wohnen meldet sich in jedem Fall bei den Betroffenen zurück. Allerdings gab es zum Jahreswechsel längere Bearbeitungszeiten, als es die Mietenden in der Vergangenheit gewohnt waren. Diese sind vor allem begründet durch das hohe Anfragevolumen aufgrund der gestiegenen Betriebskosten.
Angesichts von ca. 150.000 Mietenden erreicht die Münchner Wohnen täglich eine Vielzahl von Anliegen. So wird allein im Kundenservice täglich eine vierstellige Zahl an Kundenkontakten bearbeitet. Nicht alle Anliegen können sofort im Erstkontakt erledigt werden, sondern bedürfen einer gewissen Bearbeitungsdauer.
Zum 15.2.2024 standen weniger als 1.000 Kundenkontakte zur Bearbeitung an, weniger als 100 betrafen dabei die Nebenkostenabrechnung.
Frage 15:
Wurde zusätzliches Personal für die Bearbeitung der stark gestiegenen Kundenkontakte und Ratenzahlungen zugeschaltet, um die Mitarbeiter*innen zu entlasten?
Antwort:
Zusätzliches Personal wurde durch die Aufstockung der Personalressourcen zugeschaltet.
Frage 16:
Die GEWOFAG und die GWG hatten zwei unterschiedliche Systeme bei der Betreuung der Mieter*innen. Welche Maßnahmen bzw. welcher Zeitplan wird verfolgt, um die beiden Systeme zusammenzuführen?
Antwort:
Die Systeme, beide SAP-basierend, werden im Rahmen der Integration zusammengeführt. Zukünftig wird es ein einheitliches System für die Betreuung der Mieterschaft geben.
Frage 17:
Welche weiteren Maßnahmen plant die Münchner Wohnen, um den „noch besseren Kundenkontakt“ zu realisieren, wie im Brief der Aufsichtsratsvorsitzenden an die Mieter*innen angekündigt?
Antwort:
Ein zentrales Kundenmanagement schafft eine stabile Erreichbarkeit über alle Kontaktkanäle, unabhängig von Abwesenheiten einzelner Mitarbeitenden – und somit eine hohe Servicequalität.
Durch geschulte Ansprechpartner*innen für die Mietenden wird eine hohe Erstlösungsquote erreicht. Der Ausbau der digitalen Kontaktmöglichkeiten, wie eine Mieter-App, ermöglicht es den Mietenden, die Anliegen unabhängig von Öffnungszeiten abzusetzen. Für Notfälle wurde eine zentraleHotline etabliert, die rund um die Uhr erreichbar ist. Die Informationsmöglichkeiten werden durch laufende Optimierungen der Homepage, wie z. B. in den FAQs ausgebaut.
Die Anlage „Aufstellung Wohneinheiten nach Stadtbezirken“ kann unter https://risi.muenchen.de/risi/dokument/v/8433383 abgerufen werden.