Lärmschutzplan für München bei Nacht: Tempolimit und Geschwindigkeitskontrollen im Stadtgebiet
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/MünchenListe) vom 20.11.2023
Antwort Christine Kugler, Referentin für Klima- und Umweltschutz:
Zunächst möchte ich mich für die gewährte Fristverlängerung bedanken.
Mit Schreiben vom 20.11.2023 haben Sie beantragt, dass die Verwaltung der Landeshauptstadt München einen „Lärmschutzplan Straßenverkehr für die Nachtstunden“ im Münchner Stadtgebiet mit den nachfolgend gennannten Schwerpunkten entwickelt:
- „Ausweisung von flächendeckenden Tempo-30-Zonen auf Hauptverkehrsstraßen im Münchner Gesamtraum mit begrenztem Tempolimit von 22 Uhr bis 6 Uhr – insbesondere Berücksichtigung von Straßen mit Wohnblocks an der Fahrbahn“ (Antragspunkt 1)
- „Ausstattung der Behörden und Einrichtung von Geschwindigkeitskontrollen in den Nachtstunden durch mobile Hochleistungs-Messapparate wie Lichtschranken-Blitzer, um Fahren in überhöhter Geschwindigkeit flächendeckend und flexibel zu verfolgen.“ (Antragspunkt 2)
- „Plan zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten bei verhaltensbedingtem Verkehrslärm (Posing-Fahrten, Tuning-Fahrten, spontane oder verabredete Autorennen, Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit, starkes Beschleunigen, Manipulationen an Abgasanlagen usw.)“ (Antragspunkt 3)
Zur Begründung haben Sie dazu Folgendes vorgetragen:
„Verkehrslärm in der Nacht stört die Nachtruhe oder Erholungsphasen der Stadtbevölkerung und reduziert maßgeblich die Lebensqualität. Verkehrslärm wirkt als Stressfaktor und begünstigt somit Erkrankungen u.a. Blutdruckanstieg, Erhöhung der Herz- und Atemfrequenz und Änderungen der Durchblutung. Diese Auswirkungen gelten als potenzielle Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Diverse Großstädte in Deutschland z.B. wie Hamburg und Berlin haben bereits gute Erfahrungen gesammelt, Verkehrslärm und Ordnungswidrigkeiten durch zeitlich begrenzte Tempolimits und Kontrollen in den Nachtstunden reduzieren.
Insbesondere in dicht besiedelten und nachts viel befahrenen Stadtvierteln, wo Wohnblöcke an Straßen heranreichen, ist es so möglich, Nachtruhe zu fördern und Lebensqualität insgesamt zu erhöhen. Akustisch halbiert sich Straßenlärm um die Hälfte bei einer Fahrt in Tempo 30. Zudem erhöhen die Maßnahmen die Sicherheit auf der Straße: Fahren in überhöhter Geschwindigkeit oder durch auch Straßenrennen führen in München immer wieder zu bestürzenden, schweren Unfällen mit Schwerverletzten und Toten wie vor wenigen Jahren an der Fürstenrieder Straße oder zuletzt im Juli 2023 am Leonrodplatz.
Auch das muss in der Stadt München mit allen Mitteln verhindert werden. Die Vision Zero der Stadt München – keine Verkehrstote im Straßenverkehr – wird durch diesen Lärmschutzplan auch in den Nachtstunden konsequent fortgeführt.“
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, teilen wir Ihnen auf diesem Wege zu Ihrem Antrag vom 20.11.2023 Folgendes mit:
Zu Antragspunkt 1:
Zunächst ist im Allgemeinen darauf hinzuweisen, dass Kommunen nicht in freiem Ermessen Geschwindigkeitsbegrenzungen anordnen können, sondern dies aufgrund der vom Bundesgesetzgeber vorgesehenen Regelgeschwindigkeit von 50km/h innerorts (§ 3 Abs. 3, Ziff 1 StVO) rechtlichen Einschränkungen unterliegt.
Die Anordnung einer geringeren Höchstgeschwindigkeit setzt immer eine über das in einer Großstadt übliche Gefahrenpotential deutlich hinausgehende Gefährdungslage voraus, sofern nicht die Möglichkeit besteht, den Straßenabschnitt in eine Tempo-30-Zone einzubeziehen.
Die Maßgaben zur Einrichtung von Tempo-30-Zonen regelt § 45 Abs. 1c der Straßenverkehrsordnung (StVO). Hiernach kommen Tempo-30-Zonen insbesondere in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf in Betracht. Voraussetzung für die Einrichtung einer Tempo-30-Zone ist ferner, dass diese nur Straßen ohne lichtzeichengeregelte Kreuzungen, Fahrstreifenbegrenzungen, Leitlinien und benutzungspflichtige Radwege umfassen darf. Eine Einrichtung von flächendeckenden Tempo-30-Zonen und insbesondere die Einrichtung von Tempo-30-Zonen in Hauptverkehrsstraßen scheidet daher aufgrund der fehlenden Rechtsgrundlage regelmäßig aus. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen kann die Straßenverkehrsbehörde eine streckenbezogene Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30km/h auch auf Grundlage von § 45 Abs. 1 Nr. 3 zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen anordnen. Voraussetzung hierfür ist, dass auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der genannten Rechtsgüter (Schutz vor Lärm) erheblich übersteigt.Erforderlich ist dabei in jedem Fall eine Einzelfallbetrachtung. Es handelt sich bei der Umsetzung der verkehrsrechtlichen Maßnahmen um eine sogenannte Ermessensvorschrift, das heißt, bei der Entscheidung sind die beteiligten Interessen gegeneinander abzuwägen. Insbesondere bei der Entscheidung über den Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm sind zum einen die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer*innen zu würdigen. Zum anderen sind auch die Interessen anderer Anlieger*innen in Rechnung zu stellen, ihrerseits von übermäßigem Lärm verschont zu bleiben, der als Folge verkehrsberuhigender Maßnahmen durch die Verlagerung des Verkehrs eintreten kann. In dieser Abwägung sind beispielsweise die unterschiedlichen Funktionen der Straßen, die Art der Nutzung der umgebenden Flächen, das quantitative Ausmaß der Lärmbeeinträchtigungen, die Leichtigkeit der Realisierung von Maßnahmen, eventuelle Einflüsse auf die Verkehrssicherheit, der Energieverbrauch von Fahrzeugen, die Immission von Luftschadstoffen, die Versorgung der Bevölkerung, eine etwaige Beeinträchtigung des öffentlichen Personennahverkehrs sowie die Auswirkungen von Einzelmaßnahmen auf die allgemeine Freizügigkeit des Verkehrs zu berücksichtigen.
Die pauschale Anordnung einer flächendeckenden Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h ist demnach entsprechend den vorstehenden Ausführungen aufgrund der bundesrechtlichen Bestimmungen nicht umsetzbar.
Im Rahmen der derzeitigen Fortschreibung des Lärmaktionsplans für München (vgl. Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 13487) wurde für die nach festgelegten fachlichen Kriterien ausgewählten Untersuchungsgebiete eine systematische Prüfung der Umsetzbarkeit einer Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30km/h vorgenommen. In diesem Zusammenhang ist bereits eine Vorabprüfung im Hinblick auf mögliche Gründe, die einer Anordnung von Tempo 30 entgegenstehen, erfolgt. Zu nennen seien hier insbesondere eine Beeinträchtigung des öffentlichen Personennahverkehrs oder eine Funktion der Straße im Primär- oder Wirtschaftsnetz und damit einhergehend die Gefahr möglicher Verdrängungseffekte in das untergeordnete Straßennetz. Im Entwurf des Lärmaktionsplans wurden sodann Prüfaufträge zur Umsetzung von Tempo 30 formuliert. Eine Detailprüfung erfolgt dann im Rahmen des Verfahrens zur verkehrsrechtlichen Anordnung durch das Mobilitätsreferat.
Für die folgenden Streckenabschnitte ist im Entwurf des Lärmaktionsplans ein Prüfauftrag für eine Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30km/h ganztags (0 bis 24 Uhr) enthalten:
- Paul-Heyse-Straße von Bayerstraße bis Landwehrstraße
- Gabelsbergerstraße von Schleißheimer Straße bis Luisenstraße
- Theresienstraße von Schleißheimer Straße bis Luisenstraße
- Schwanseestraße von Giesinger Bahnhofplatz bis Chiemgaustraße
- Schleißheimer Straße von Petuelring bis Theresienstraße
- Lerchenauer Straße von Schleißheimer Straße bis Birnauer Straße
- Maßmannstraße von Dachauer Straße bis Theresienstraße
- Aschheimer Straße/Melusinenstraße/Claudius-Keller-Straße von Grafinger Straße bis Balanstraße
- Werinherstraße/Ichostraße von Balanstraße bis Aignerstraße
- Dachauer Straße von Stiglmaierplatz bis Elisenstraße
- Balanstraße von Schlesierstraße bis Chiemgaustraße
- Karl-Theodor-Straße/Rheinstraße von Belgradstraße bis Leopoldstraße
- Potsdamer Straße von Leopoldstraße bis Ungererstraße
- Leopoldstraße von Münchner Freiheit bis Hörwarthstraße
Für die folgenden Streckenabschnitte ist im Entwurf des Lärmaktionsplans ein Prüfauftrag für eine Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30km/h nachts (22 bis 6 Uhr) enthalten:
- Schwanthalerstraße von Bavariaring bis Sonnenstraße
- Prinzregentenstraße von Prinzregentenplatz bis Vogelweideplatz
- Einsteinstraße von Kuglerstraße bis Vogelweideplatz
- Barer Straße/Nordendstraße von Theresienstraße bis Hohenzollernstraße
- Belgradstraße von Hohenzollernstraße bis Destouchesstraße
- Dachauer Straße von Leonrodstraße bis Stiglmaierplatz
- Landsberger Straße/Bayerstraße von Trappentreustraße bis Paul-Heyse-Straße
- Berg-am-Laim-Straße/Kreillerstraße von Schlüsselbergstraße bis Bertschstraße
- Ingolstädter Straße von Maria-Probst-Straße bis Anton-Will-Straße
Der Entwurf des Lärmaktionsplans wurde am 24.7.2024 durch die Vollversammlung des Stadtrats gebilligt und am 27.11.2024 final beschlossen. Die Prüfaufträge sind in der finalen Fassung des Lärmaktionsplans berücksichtigt. Nach der gemeinsamen Prüfung der Maßnahmenvorschläge durch das Referat für Klima- und Umweltschutz und das Mobilitätsreferat wird der Stadtrat vor Umsetzung der Maßnahmen erneut befasst.
Über die Maßgaben des Lärmaktionsplans hinaus prüft das Mobilitätsreferat bei Vorliegen einer konkreten Veranlassung (z.B. Bürger*innenbeschwerden, Bürgerversammlungsempfehlungen und Anträgen aus denBezirksausschüssen), ob in einem Straßenzug die Voraussetzungen für die Anordnung einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30km/h vorliegen und erlässt gegebenenfalls eine entsprechende verkehrsrechtliche Anordnung.
Zu Antragspunkt 2:
Gemäß § 88 Abs. 3 der Bayerischen Zuständigkeitsverordnung (ZustV) in Verbindung mit der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern zur Verfolgung und Ahndung von Verstößen im ruhenden Verkehr sowie von Geschwindigkeitsverstößen durch Gemeinden vom 12. Mai 2006 (Az. I C 4-3618.3011-13) sind für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG, die im ruhenden Verkehr festgestellt werden sowie Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG, die Verstöße gegen die Vorschriften über die zulässige Geschwindigkeit von Fahrzeugen betreffen, neben der Polizei auch die Gemeinden zuständig. Die räumliche und zeitliche Abgrenzung der Tätigkeiten der Gemeinde und der Polizei soll hierbei durch Vereinbarung erfolgen.
Im Stadtgebiet des Landeshauptstadt München ist die kommunale Verkehrsüberwachung zuständig für die Kontrolle des fließenden Verkehrs in Tempo-30-Zonen und sonstigen Strecken mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30km/h. Auf den übrigen Straßen der Landeshauptstadt München obliegt die Überwachung des fließenden Verkehrs der Polizei.
Das Kreisverwaltungsreferat – Kommunale Verkehrsüberwachung hat uns zu den unter Antragspunkt 2 aufgeworfenen Fragestellungen Folgendes mitgeteilt:
„Die Kommunale Verkehrsüberwachung der Landeshauptstadt München übernimmt in Abstimmung mit der Polizei München in der Regel die Geschwindigkeitsüberwachung von Tempo-30-Zonen und -Strecken. Rund 900 Straßenzüge mit entsprechenden verkehrsrechtlichen Anordnungen gehören dabei zum derzeitigen Einsatzbereich der kommunalen Geschwindigkeitsüberwachung. Es erfolgt stetig anhand von Verkehrs-, Geschwindigkeits- und Mobilitätsdaten aber auch anhand von Beschwerdelagen eruierbarer Problemstellen eine Erweiterung des bisherigen Umfangs an kontrollierbaren Örtlichkeiten. Die Mitarbeiter*innen der Kommunalen Verkehrsüberwachung werden für eine möglichst gute Abdeckung von neuralgischen Zeiten im Schichtbetrieb eingesetzt, damit Geschwindigkeitskontrollen z.B. auch am späten Abend stattfinden können.
Um die Geschwindigkeitsüberwachung technisch und personell zu flexibilisieren, hat die Kommunale Verkehrsüberwachung im Rahmen ihresBeschlusses zur strategischen Weiterentwicklung im November 2023 angestoßen, die bisher mit Fahrzeugen durchgeführte mobile Geschwindigkeitsüberwachung um teilstationäre Messanhänger zu ergänzen. Zwei dieser Anhänger befinden sich derzeit in der Beschaffung und können bis 2025 in Betrieb gesetzt werden. Sie können – einmal positioniert und ausgerichtet – autark betrieben werden und somit gerade zu Zeiten, in denen der Einsatz von Personal kosten- und zeitintensiv ist, permanente Messungen durchführen und so Geschwindigkeitsüberschreitungen feststellen. Das Kreisverwaltungsreferat ist bestrebt, den Einsatz der mobilen Messanhänger durch Datenaustausch mit anderen Referaten, wie dem Mobilitätsreferat und dem Referat für Klima- und Umweltschutz, bzw. anderen Stellen wie dem Polizeipräsidium München, zu optimieren, damit die Wirksamkeit der Geschwindigkeitsüberwachung mit Blick auf Verkehrssicherheit sowie Lärm- und Klimaschutz durch flexiblen und zielgenauen Einsatz erhöht werden kann.
In Bezug auf diese und ggf. denkbare weitere Beschaffungen ist auf die finanziell hohe Kosten auslösende Beschaffung und den wartungsintensiven Betrieb von mobilen Anlagen zur Geschwindigkeitskontrolle hinzuweisen. Ein flächendeckender Einsatz von mobilen Anlagen zur Geschwindigkeitsmessung im ganzen Stadtgebiet ist daher aus Sicht des Kreisverwaltungsreferats nicht zweckmäßig. Umso größere Bedeutung gewinnen daher Maßnahmen zur Identifizierung von Örtlichkeiten, an denen die Kontrolle der Höchstgeschwindigkeit Priorität haben sollte. Ein gegenseitiger Daten- und Analyseaustausch zwischen den zuvor genannten Stellen sollte daher vorrangig vorangetrieben werden.“
Das Polizeipräsidium München hat uns zu den unter Antragspunkt 2 aufgeworfenen Fragestellungen Folgendes mitgeteilt:
„Die Überwachung der gefahrenen Geschwindigkeit wird im Bereich des Polizeipräsidiums München primär durch die Verkehrspolizei Verkehrsüberwachung (VPI VÜ) durchgeführt. Dafür stehen der VPI VÜ modernste Einsatzmittel zur Verfügung. Geschwindigkeitsmessungen finden auch in den Nachtstunden statt.
Im Jahr 2023 passierten über 1,7 Millionen Kraftfahrzeuge die mobilen Geschwindigkeitsmessstellen der Polizei in München. In über 61.000 Fällen fuhren sie dabei zu schnell. Dies entspricht einem Rückgang um -10,5% gegenüber dem Vorjahr. Bei Geschwindigkeitsmessungen mit Handlasermessgeräten wurden weitere 6.773 Geschwindigkeitsverstöße geahndet. In drei Tunneln des Mittleren Rings (Richard-Strauss-, Petuel- und Luise-Kiesselbach-Tunnel) befinden sich stationäre Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen. Zusammen mit der stationären Geschwindigkeitsüberwachungsanlage auf der Landshuter Allee und den weiteren im Stadtgebiet verteilten stationären Geschwindigkeitsmessanlagen wurden dort im Jahr 2023 bei einem Fahrzeugdurchlauf von über 97 Millionen Fahrzeugen insgesamt knapp 109.047 Kraftfahrer beanstandet. Das entspricht einer durchschnittlichen Beanstandungsquote von 0,1%.“
Zu Antragspunkt 3:
Im Hinblick auf die thematisierte Problematik des verhaltensbezogenen Verkehrslärms ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die kommunalen Handlungsmöglichkeiten hier äußerst begrenzt sind.
Grund hierfür ist, dass die Zulassungsvoraussetzungen für Kraftfahrzeuge auf Bundesebene geregelt werden. Für Fahrzeuge im laufenden Betrieb, d.h. für die Teilnahme am Straßenverkehr, gibt es in Deutschland keine verbindlichen Lärmgrenzwerte. Entsprechende Regelungen existieren lediglich im Zusammenhang mit der Zulassung von Kraftfahrzeugen. Einschlägig hierfür sind die Maßgaben der FZV (Fahrzeug-Zulassungsverordnung) bzw. der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StZVO). Hier wird u.a. die Einhaltung der Maßgaben verschiedener EU-Richtlinien bzw. -Verordnungen als Voraussetzung für die (Typen-) Zulassung eines Kraftfahrzeugs genannt.
Im Hinblick auf die zulässigen Geräuschemissionen ist hier die Verordnung Nr. 540/2014 vom 16. April 2014 über den Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen und von Austauschschalldämpferanlagen (…) einschlägig. Diese Verordnung regelt u.a. die unter definierten Betriebsszenarien zulässigen Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen und die Prüfbedingungen, unter welchen diese zu ermitteln sind. Solche Betriebsszenarien sind z.B. das Fahren mit konstanter Geschwindigkeit bei 50km/h oder der Motorleerlauf im Stand. Für diese Betriebszustände werden genaue Bedingungen definiert, unter denen die Emissionen der zu prüfenden Kfz ermittelt und mit den festgelegten Grenzwerten abgeglichen werden. Die festgelegten Grenzwerte werden ausschließlich für die definierten Betriebszustände herangezogen, für alle anderen Betriebszustände sind daher de facto keine Grenzwerte definiert. Der Bundesgesetzgeber hat keine über die vorgenannte EU-Richtlinie hinausgehenden Regelungen im Hinblick auf die zulässigen Lärmemissionen von Kraftfahrzeugen erlassen.
Aus den o.g. Rahmenbedingungen folgt, dass Automobilentwickler Systeme konstruieren können, die zwar den definierten Prüfkriterien genügen, jedoch in anderen Betriebsszenarien einen erheblich höheren Lärmpegelerzeugen. Als Beispiel seien Klappenauspuffe genannt, die ab einer bestimmten Drehzahl bzw. Geschwindigkeit, welche von den definierten Prüfkriterien nicht erfasst werden, den Abgasstrom am Schalldämpfer vorbeileiten. Diese sind oft bereits serienmäßig bei einem bestimmten Fahrzeugtyp zugelassen. Entsprechende Fahrzeuge werden häufig von den sog. „Autoposern“ eingesetzt und erzeugen z.T. eine erhebliche Konfliktlage.
Serienmäßig zugelassene Kraftfahrzeuge können von den Kontrollorganen in der Regel nicht beanstandet werden, auch wenn diese im tatsächlichen, von den definierten Prüfbedingungen abweichenden Betrieb deutlich höhere Lärmemissionen verursachen.
Letztlich können somit zumeist nur Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen werden, die in illegaler Weise manipuliert wurden. Aus fachlicher Sicht ist somit festzuhalten, dass nur eine Verschärfung der Zulassungsvoraussetzungen für Kraftfahrzeuge auf Bundesebene eine nachhaltige Lösung der Konfliktlage ermöglichen würde.
Das Kreisverwaltungsreferat – Kommunale Verkehrsüberwachung – hat uns mitgeteilt, dass die unter Antragspunkt 3 thematisierten Problemstellungen in der Regel in Straßenabschnitten auftreten, in denen eine Höchstgeschwindigkeit von mindestens 50km/h zulässig ist und die Überwachung des fließenden Verkehrs somit der Polizei obliegt.
Das Polizeipräsidium München hat uns hierzu mitgeteilt: „Kontrollen i.S. Autoposing und Tuning:
Beamte der VPI VÜ mit fundierten Fachkenntnissen im Bereich Manipulationen an Kraftfahrzeugen kontrollieren regelmäßig Fahrzeuge, an denen technische Veränderungen durchgeführt wurden. Unzulässige Umbauten werden geahndet und die Fahrzeuge ggf. zur Erstellung technischer Gutachten sichergestellt.
Auch im Bereich Autoposing werden bereits verstärkte Kontrollen sowie Schwerpunkte durchgeführt.
Nachdem sich im Bereich des Polizeipräsidiums München und den benachbarten Polizeipräsidien Oberbayern Nord und Oberbayern Süd eine größere Gruppierung i.S. Autoposing/Tuning versucht zu etablieren, wurde eine Arbeitsgruppe unter der Federführung des Polizeipräsidiums München ins Leben gerufen, um diesem Phänomen zielgerichtet begegnen zu können.Autorennen:
Im Jahr 2023 wurden im Bereich des Polizeipräsidiums München (ohne Bundesautobahnen) 53 verbotene Kraftfahrzeugrennen festgestellt und zur Anzeige gebracht.
Bei den illegalen Kraftfahrzeugrennen handelte es sich ausschließlich um private Rennen, die sich in der Regel spontan ergaben. Etwa die Hälfte waren sog. ‚Alleinrennen‘, bei welchen sich der Täter nicht mit einem weiteren Fahrzeugführer ein Rennen lieferte, sondern alleine grob verkehrswidrig und rücksichtlos versuchte, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.
An bekannten Örtlichkeiten werden regelmäßig Kontrollen und Schwerpunkte durchgeführt.
Bei entsprechenden polizeilichen Feststellungen hat dies für die Teilnehmer an einem illegalen Kraftfahrzeugrennen u.a. ggf. die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Sicherstellung des Fahrzeugs zur Folge.“
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
Das Kreisverwaltungsreferat sowie das Mobilitätsreferat haben dieses Antwortschreiben mitgezeichnet. Das Polizeipräsidium München erhält einen Abdruck des Antwortschreibens.