Mietwucherentwicklung im Jahr 2024 – Wie entwickelten sich die Zahlen von 2023 auf 2024?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (Die Linke/Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 17.1.2025
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Zu Ihrer Anfrage vom 17.1.2025 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Der Beantwortung der einzelnen Fragen werden zunächst die nachfolgenden generellen Informationen vorangestellt:
Die Landeshauptstadt München verfolgt im Amt für Wohnen und Migration bereits seit 1992/1993 konsequent Verstöße gegen den § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG). Gerade in den Anfangsjahren konnte eine hohe Anzahl von Fällen erfolgreich bearbeitet werden. Sie verfügt dadurch über große Erfahrung im Bereich Mietpreisüberhöhung.
Die große Schwierigkeit bei der Verfolgung und Ahndung von Mietpreisüberhöhungen gemäß § 5 WiStG ist unter Berücksichtigung der mittlerweile ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH VIII ZR 190/03 vom 28.1.2004), dass die*der Mieter*in die „Ausnutzung des geringen Angebots“ beweisen muss, d.h., dass die*der Vermieter*in in ihrem*seinem Fall ein geringes Angebot an vergleichbarem Wohnraum ausgenutzt hat.
Die*der Mieter*in muss darlegen, welche Bemühungen sie*er bei der Wohnungssuche unternommen hat, warum diese erfolglos geblieben sind und warum sie*er mangels Alternative auf den Abschluss des (ungünstigen) Mietvertrags angewiesen war.
Die Tatsache allein, eine überhöhte Miete zu zahlen, ist für eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 5 WiStG leider nicht ausreichend. Dies wird vom Sozialreferat der Landeshauptstadt München seit Jahren thematisiert. Die Stadtspitze hat hier schon mehrfach eine Gesetzesänderung hin zum reinen Tatsachenbeweis gefordert.
Abgesehen davon spielt auch das hohe Niveau der Durchschnittsmiete im Mietspiegel für München sowie insbesondere die Furcht der Mieter*innen vor Repressalien der Vermieter*innen (wie z.B. Kündigung der Wohnung)eine Rolle für die niedrigen Fallzahlen bei der Verfolgung und Ahndung von Mietpreisüberhöhungen im Sinne von § 5 WiStG.
Die vorgenannten Problemlagen führen in der Praxis dazu, dass die Bußgeldverfahren nur in den seltensten Fällen erfolgreich sind. Sie weisen darauf hin, dass die Stadt Frankfurt am Main im Zeitraum 2020 bis 2022 1.400 Fälle verfolgt hat. Wir erlauben uns den Hinweis, dass sich diese Zahl nicht mit der offiziellen Statistik der Stadt Frankfurt deckt. Nach den uns vorliegenden Zahlen sind jährlich rund 200 Fälle in die Bearbeitung eingeflossen. Die Landeshauptstadt München steht seit Anfang 2024 im regen Austausch mit der Stadt Frankfurt, die vor der gleichen Rechtslage und Problematik im Vollzug stehen. Die Landeshauptstadt München fordert schon seit vielen Jahren, dass eine wirksame Bekämpfung überhöhter Mieten nur mit einer Gesetzesänderung einhergeht. Die Stadt Frankfurt am Main schließt sich dieser Forderung an.
Die Herausforderungen im alltäglichen Vollzug zeigten sich auch daran, dass die festgesetzten Bußgelder in Frankfurt zwar hoch waren, die tatsächlich vereinnahmten Gelder aber zum Beispiel 2022 rund 80% unter der ursprünglich festgesetzten Summe lagen. Auch hier wurden Kompromisse und Abstriche gemacht, um möglichst kein Urteil und somit gegebenenfalls ein Scheitern herbeizuführen.
Einer Einordnung bedarf auch noch die von Ihrer Partei initiierte Mietwucher-App. Diese übermittelte dem Amt für Wohnen und Migration bis dato ca. 229 Meldungen (Stand 25 26.5.2025). Auch hier zeigt sich die Problematik zwischen dem Verlangen von hohen Mieten und der Bestimmung einer mit hohen Wahrscheinlichkeit vorliegenden Mietpreisüberhöhung. Denn bisher erfüllte nur 1(!) Meldung die rechtlichen Anforderungen für eine weitere Bearbeitung durch die zuständigen Kolleg*innen im Sozialreferat. In allen weiteren Fällen wurden entsprechend Unterlagen nachgefordert, die uns bis dato noch nicht vorliegen.
Die App greift leider viel zu kurz, da wesentliche Merkmale aus dem Mietspiegel nicht abgefragt werden und somit die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete zu einem „Schnellcheck“ in der App nicht taugt. Sie wecken Hoffnungen bei den Bürger*innen, die die Verwaltung nicht erfüllen kann.
Dies liegt nicht am Unwillen der Verwaltung, sondern an den vorliegenden gesetzlichen Möglichkeiten.
Zu erwähnen sei hier unter anderem das fehlende Wohnraumaufsichtsgesetz. Das Sozialreferat sieht weiterhin die dringende Notwendigkeit, dasWohnraumaufsichtsgesetz, das bedauerlicherweise 2004 abgeschafft wurde, wieder einzuführen. Ein Instrument, das regulierend auf prekäre Wohnverhältnisse einwirken und vor übersteigerten Mietpreisen schützen kann.
Frage 1:
Wie viele Verdachtsfälle auf das Vorliegen einer rechtswidrig hohen Miete gemäß § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG) bzw. § 291 Strafgesetzbuch (StGB) wurden der Stadt im Jahr 2024 gemeldet?
Antwort:
Wie im Rahmen der Beantwortung der Anfrage von der Stadtratsfraktion DIE LINKE./Die PARTEI „Was macht die Stadt gegen Wuchermieten“ vom 9.8.2024 mitgeteilt, können Hinweise auf das Vorliegen einer Mietpreisüberhöhung im Rahmen der Prüfung von Mieterhöhungen (für die Kund*innen, für die Sozialbürgerhäuser oder die Jobcenter), aufgrund konkreter Fragen der Kund*innen zu deren Mietverhältnissen oder aufgrund von Hinweisen auf vermeintlich unangemessen hohe Mietforderungen in Zeitungs- beziehungsweise Online-Inseraten eingehen. Im Beratungsgespräch beziehungsweise in einer entsprechenden Stellungnahme wird rechtlich auf die Thematik eingegangen. Bei der städtischen Mietberatungsstelle werden nur die Fälle statistisch erfasst, in denen auch ein konkreter Antrag auf Überprüfung der Miethöhe gestellt wurde (siehe Frage 2). Selbstverständlich wird aber in allen mietrechtlichen Beratungen auch das Thema Mietpreisüberhöhung mit beraten und – falls sich Hinweise ergeben – auch konkret geprüft.
Wir möchten nochmal darauf hinweisen, dass viele Mieter*innen den Weg zur Anzeige scheuen, da sie Sorge haben, am Ende des Verfahrens ihre Wohnung zu verlieren und obdachlos werden könnten. Auf dem Münchner Wohnungsmarkt eine günstigere Wohnung zu finden und zu bekommen, ist meist aussichtslos.
Unabhängig von obigen Ausführungen erreichten die städtische Mietberatungsstelle im Jahr 2024 21 Meldungen, die über die Mietwucher-App eingingen.
Frage 2:
In wie vielen der o.g. Fälle hat das Sozialreferat bereits Ermittlungen aufgenommen?
Antwort:
Im Jahr 2024 wurden keine Anträge auf Überprüfung der Miethöhe gestellt.
Frage 3:
Wie verfährt die Stadtverwaltung, wenn ein Verdachtsfall gemäß § 5 WiStG bzw. § 291 StGB bei der Verwaltung gemeldet wird?
Antwort:
In den Fällen, in denen über die Mietwucher-App der Verdacht auf das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 5 WiStG beziehungsweise einer Straftat nach § 291 StGB an die städtische Mietberatungsstelle gemeldet wurde, wurden die Kund*innen über die Voraussetzungen von § 5 WiStG und § 291 StGB informiert und um Übersendung der notwendigen Unterlagen gebeten. Bei diesen handelt es sich insbesondere um eine Berechnung anhand des aktuellen amtlichen Mietspiegels für München sowie um Nachweise in Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal des § 5 Absatz 2 Satz 1 WiStG „Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen“. Die Nachweise sind von entscheidender Bedeutung vor Gericht, da zu klären ist, unter welchen Umständen die Wohnung angemietet wurde, welche Bemühungen bei der Wohnungssuche erfolgten, beziehungsweise ob es Ausweichmöglichkeiten als Alternative zum abgeschlossenen Mietvertrag gab.
Sobald alle notwendigen Unterlagen vorliegen, wird geprüft, ob die Voraussetzungen von § 5 WiStG gegeben sind beziehungsweise, ob ein entsprechendes Verfahren eingeleitet werden kann.
Dies entspricht der üblichen Vorgehensweise bei möglichen Mietpreis-überhöhungen gemäß § 5 WiStG.
Hinsichtlich der Verfolgung und Ahndung von Mietwucher im Sinne von § 291 StGB liegt die Zuständigkeit bei der Staatsanwaltschaft.
Frage 4:
Hat die Verwaltung einen Leitfaden für ein Musterverfahren erarbeitet und hat ein Austausch mit der Stadt Frankfurt am Main und dem dortigen Wohnungsamt, die ein effektives Verfahren entwickelt haben, stattgefunden bzw. ist ein solches Treffen geplant?
Antwort:
Die Bußgeldstelle der Landeshauptstadt München im Amt für Wohnen und Migration vollzieht seit über 30 Jahren Ordnungswidrigkeitenverfahren im Bereich § 5 WiStG und kann auf eine große Erfahrung zurückblicken.
Es findet selbstverständlich ein Austausch mit der Stadt Frankfurt und weiteren Kommunen statt. So gab es zum Beispiel im Juni 2024 ein interkommunales Treffen mit zahlreichen Städten und Gemeinden, um ein Netzwerk zu schaffen, den Fokus auf den § 5 WiStG zu stärken und einen größeren Druck auf die Gesetzesänderung auszuüben.
Frage 5:
Sieht die Stadtverwaltung die Notwendigkeit, potenzielle Fälle, in denen der Staat durch rechtswidrig überhöhte Mieten als Geschädigter in Erscheinung tritt (Wohngeld, Kosten der Unterkunft z.B. beim Bürgergeld über das Jobcenter), systematisch zu erfassen und zu verfolgen, um insgesamt Steuermittel zu sparen?
Antwort:
Grundsätzlich können neben der Gewährung der Regelsätze nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch und der Regelleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch auch die Kosten der Unterkunft und Heizung von den Ämtern übernommen werden, soweit sie angemessen sind.
Bei der Landeshauptstadt München gelten dabei seit 1. Januar 2025 folgende Mietobergrenzen, die grundsätzlich für die zuständigen Stellen hinsichtlich einer Übernahme der entsprechenden Kosten maßgeblich sind:
Eine Person mit einer Wohngröße bis 50 m²: 890 Euro Zwei Personen mit einer Wohngröße bis 65 m²: 1.092 Euro Drei Personen mit einer Wohngröße bis 75 m²: 1.286 Euro Vier Personen mit einer Wohngröße bis 90 m²: 1.569 Euro Fünf Personen mit einer Wohngröße bis 105 m²: 1.939 Euro Sechs Personen mit einer Wohngröße bis 120 m²: 2.188 Euro Bei Haushalten mit sieben oder mehr Personen sind pro weitere Person 15 m² und 310 Euro zu berücksichtigen.
Die Mietobergrenze ist für Bruttokaltmieten (= Nettokaltmiete inklusive kalte Betriebskosten) zugrunde zu legen. Heizungs- und Warmwasserkosten werden gesondert berücksichtigt.
(https://stadt.muenchen.de/infos/mietobergrenzen.html)Wird dennoch im Einzelfall die städtische Mietberatungsstelle im Rahmen von Anträgen auf Kostenübernahme bei Mietvertragsabschlüssen beziehungsweise von Mieterhöhungen mit der Ermittlung der zulässigen ortsüblichen Miete anhand des aktuellen Mietspiegels beauftragt, erhalten die jeweiligen Sachbearbeiter*innen (Sozialbürgerhäuser, Jobcenter) zeitnah Stellungnahmen, um entsprechend über die Genehmigungsfähigkeit der Anträge ihrer Kund*innen entscheiden zu können.
Sofern im Rahmen der Überprüfung von Mieterhöhungen in seltenen Fällen unangemessen hohe Ausgangsmieten festgestellt werden, wird auch dies den Sachbearbeiter*innen mitgeteilt (siehe Frage 1). Allerdings ist auch hier der Nachweis zur Ausnutzung des geringen Angebotes an vergleichbaren Wohnräumen ein Problem, zumal hier auch langjährige Mietverhältnisse gegeben sein können.
Da die von der städtischen Mietberatungsstelle ermittelte zulässige ortsübliche Miete im Rahmen der Genehmigung oder Ablehnung eines Antrags auf Kostenübernahme durch die Behörde (Sozialbürgerhäuser, Jobcenter) bereits eine gewichtige Rolle spielt, erübrigt sich damit hinsichtlich der thematisierten Einsparung von Steuermitteln eine systematische Erfassung und Verfolgung potenzieller Fälle unangemessen hoher Mieten.
Frage 6:
Wurden im Jahr 2024 gemäß § 291 Strafgesetzbuch – StGB – (Mietwu- cher) an die Staatsanwaltschaft übergeben?
Antwort:
Bei der Bußgeldstelle wurde 2024 kein Fall von Mietwucher bekannt.