Corona-Aufarbeitung: Bürgerrat „Corona-Maßnahmen auf dem Prüfstand – Aus Fehlern lernen“
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 20.6.2024
Antwort Gesundheitsreferat:
Sie beantragen die Einberufung eines Bürgerrats „Corona-Maßnahmen auf dem Prüfstand – Aus Fehlern lernen“ mit dem Ziel, die Auswirkungen der Corona Regeln auf Bürger und Demokratie zu analysieren und Lehren für die Zukunft zu ziehen.
In der Begründung zu dem Antrag wird unter anderem ausgeführt, dass die Corona-Maßnahmen schwerwiegend in die Grundrechte, besonders bei den Schwächsten, eingegriffen hätten und die negativen Auswirkungen bis heute spürbar seien.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, teile ich Ihnen zu Ihrem Antrag vom 21.6.2024 Folgendes mit:
Pandemien erfordern – das hat die Corona Pandemie gezeigt – zu ihrer Bewältigung einen ganzheitlichen Ansatz. Um dabei möglichst effektiv wie auch effizient vorgehen zu können, ist es von besonderer Bedeutung, dass die verschiedenen föderalen Ebenen – Bund, Länder und Gemeinden – ihren verfassungsgemäßen Aufgaben und Zuständigkeiten entsprechend zusammenwirken.
Den wesentlichen rechtlichen Rahmen und somit den „Werkzeugkasten“ für die infektionshygienische Bewältigung der Corona-Pandemie stellte das aus dem Bundesseuchengesetz entwickelte und im Jahr 2000 vom Deutschen Bundestag erlassene Infektionsschutzgesetz (IfSG) dar. Dieses wurde während der Pandemie wiederholt geändert und den jeweils aktuellen infektionshygienischen und gesellschaftlichen Erkenntnissen angepasst. Das IfSG wiederum ermächtigte sowohl Bundesministerien (insbesondere das Bundesministerium für Gesundheit (vgl. z.B. § 5 Absatz 2 IfSG)) sowie die Landesregierungen (§ 32 IfSG) unter den jeweiligen Voraussetzungen zum Erlass von Rechtsverordnungen, um die Corona-Pandemie zu bewältigen. Dies ermöglichte es insbesondere den Bundesländern, besondere Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 zu treffen.
In Bayern wurde von dieser sich aus dem IfSG als Bundesgesetz ableitenden Rechtsetzungskompetenz vom Landesgesetzgeber umfassend Gebrauch gemacht. Insbesondere durch die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) sowie die Bayerische Einreise-Quarantäneverordnung (EQV) wurden Regelungen mit weitreichenden Folgen für das öffentliche Leben getroffen.
So beruhten neben Maskenpflichten im öffentlichen Raum wie auch in Schulen ebenso auf der BayIfSMV wie auch die Besuchsregelungen für Krankenhäuser. Dies gilt ebenso für die ebenfalls in der Begründung des Antrags genannte Verpflichtung zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises einschließlich der an die Vorlage eines solchen Nachweises anknüpfenden Beschränkungen des Zugangs etwa zu Krankenhäusern und Gemeinschaftseinrichtungen.
In fachlicher Hinsicht strebte das Robert Koch-Institut (RKI), ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit, danach, seiner in § 4 IfSG angelegten Rolle nachzukommen. Die Kernaufgaben des RKI sind demnach insbesondere die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten, insbesondere der Infektionskrankheiten. Auch der generelle gesetzliche Auftrag, wissenschaftliche Erkenntnisse als Basis für gesundheitspolitische Entscheidungen zu erarbeiten, wird zu den Kernaufgaben des RKI gezählt. In Erfüllung dieser Aufgaben hat das RKI die bundesweit vorliegenden Coronabezogenen Meldedaten infektionsepidemiologisch ausgewertet und den relevanten Entscheidungsträger*innen zur Verfügung gestellt. Zudem wirkte das RKI, vertreten durch den damaligen RKI-Präsidenten, als Mitglied im so genannten Corona-ExpertInnenrat der Bundesregierung mit. Dieser war während der Corona-Pandemie vom Bundeskanzleramt installiert und mit der Beratung der Bundesregierung auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zur COVID-19 Pandemie beauftragt worden. Der Corona-ExpertInnenrat hat während seines Bestehens in insgesamt zwölf veröffentlichten Stellungnahmen und 33 Sitzungen zwischen Dezember 2021 und April 2023 Empfehlungen gegeben, die in die politischen Entscheidungen eingeflossen sind (https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/bundeskanzleramt/corona-expertinnenrat-der-bundesregierung).
Entsprechend der föderalen Struktur und der (verfassungs-)rechtlichen Rahmenbedingungen (vgl. z.B. Artikel 11 Absatz 3 Verfassung des Freistaats Bayern i. V. m Artikel 8 Absatz 1 Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) i. V. m Artikel 1 Absatz 2, 4 Satz 1 Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst (GDG)) hat die LHM als kreisfreie Gemeinde auch während der Corona-Pandemie die Aufgaben des örtlichen Gesundheitsamtes als Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis wahrgenommen. Nach Artikel 58 GO obliegt den Gemeinden im übertragenen Wirkungskreis primär die Erfüllung der örtlichen Aufgaben der inneren Verwaltung, mithin die verwaltungsmäßige Umsetzung der auf Bundes- oder Landeebene gemachten gesetzlichen und sonstigen Vorgaben.
Bei Anlegung des skizzierten rechtlichen Rahmens wie auch der praktizierten fachlichen Beratungsstrukturen zeigt sich in der hier vorzunehmenden Gesamtschau, dass letztlich alle wesentlichen Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene gefällt wurden, ohne dass insoweit eine institutionalisierte Beteiligung der Kommunen vorgeschaltet worden wäre. Die durch die entsprechenden Beratungs-Gremien auf Bundes- und ggf. Landesebene getroffenen fachlichen Einschätzungen konnten so Eingang in die gesetzgeberischen Aktivitäten auf Bundes- wie auch Landesebene finden. Sämtliche dieser so entstandenen gesetzlichen Regelungen, insbesondere die in der Begründung des Antrags angesprochenen, waren nach Maßgabe ihrer inhaltlichen Voraussetzungen für die betroffenen Bürger*innen ebenso bindend wie für die die entsprechenden Regelungen vollziehenden staatlichen und kommunalen Behörden, somit auch für die Landeshauptstadt München (LHM) in ihrer Funktion als zuständige Gesundheitsbehörde (Art. 1 GDG).
Eine eigene Rechtsetzungskompetenz zu den in der Antragsbegründung aufgeführten Themenfeldern oder gar die Kompetenz, von höherrangigem Recht abweichende Regelungen zu treffen, bestand demgegenüber nicht.
Für die tatsächliche Umsetzung der sich aus Bundes- und Landesrecht ergebenden Regelungen „vor Ort“ waren die nach den jeweils einschlägigen landesrechtlichen Regelungen zuständigen lokalen Behörden unverzichtbar. Die LHM hat dabei in ihrer Ganzheit gezeigt, dass sie unverzüglich und angemessen auf Krisensituationen reagieren kann, indem sie unverzüglich den Stab für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) aktivierte. Der SAE unter Vorsitz von Herrn Oberbürgermeister Dieter Reiter ermöglichte es der LHM, schnell und umsichtig auf die sich ständig ändernden Lagen zu reagieren, indem er sämtliche relevante Referate an einen Tisch brachte. So konnte die Umsetzung der bundes- und landesrechtlichen Vorgaben zur Krisenbewältigung unter bestmöglicher Berücksichtigung aller bekannten lokal-relevanten Gesichtspunkte realisiert werden. Die vorbildliche Arbeitsweise des SAE wurde zuletzt auch dadurch gewürdigt, dass dem Leiter des SAE, Herrn Oberbranddirektor Wolfgang Schäuble, das Bayerische Feuerwehr-Ehrenkreuz in Gold auch im Hinblick auf seine professionelle Leitung des SAE verliehen wurde.
Mit Ende der Corona Pandemie wurde in München bereits frühzeitig damit begonnen, im Lichte der gewonnenen Erfahrungen die eigenen Prozesse erneut zu beleuchten und im Sinne eines Lessons Learned mögliche Potentiale für weitere Verbesserungen abzuleiten. Die entsprechenden Projekte im POR, in der Hauptabteilung IV des Kreisverwaltungsreferates, Branddirektion und im GSR verfolgen in der Regel einen umfassenden Ansatz mit dem Ziel, die Krisenfestigkeit und „Readiness“ weiter zu erhöhen. Dabei fließen im Projekt des GSR die umfangreichen Rückmeldungen sowohl der Münchner Bürger*innen, medizinischer und pflegerischer Fachkräfte und Institutionen, aber auch die des eigenen bzw. des während dieser Zeit für das GSR tätigen Personals mit ein. Auch die Gesundheitsbehörden auf Bundes- und Landesebene reflektieren systematisch die Corona Pandemie.
Vor dem skizzierten Hintergrund erscheint die Installation eines Bürgerrats „Corona-Maßnahmen auf dem Prüfstand – Aus Fehlern lernen“ auf Ebene der LHM weder zielführend noch notwendig.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.