Mehrweggebot bei Veranstaltung auf städtischen Flächen – Änderung der Hausmüllentsorgungssatzung
Antrag Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Mona Fuchs, Nimet Gökmenoglu, Anna Hanusch, Gunda Krauss, Sofie Langmeier, Gudrun Lux, Thomas Niederbühl, Angelika Pilz-Strasser, Florian Schönemann, Christian Smolka und Sibylle Stöhr (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 13.8.2024
Antwort Kommunalreferent Edwin Grodeke:
Mit Ihrem Antrag fordern Sie die Landeshauptstadt München (LHM), Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM), auf, die Hausmüllentsorgungssatzung mit dem Ziel, unnötigen Abfall bei Veranstaltungen auf städtischen Flächen zu vermeiden, zu ändern und das Mehrweggebot dahingehend zu konkretisieren, dass bereits beim Befüllen der Mehrwegbecher vor Ort aus Mehrwegflaschen eingeschenkt wird.
Sie begründen den Antrag damit, dass das gegenwärtige Mehrweggebot bei Großveranstaltungen auf städtischen Flächen trotz der derzeitigen satzungsrechtlichen Regelung ins Leere laufe, da Mehrwegbecher vor Ort oft mit Getränken aus Einwegflaschen gefüllt würden.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag als Brief zu beantworten.
Zu Ihrem Antrag vom 13.8.2024 teile ich Ihnen Folgendes mit:
1. Änderung des Abfallortsrechts
Gemäß § 4 Abs. 8 Gewerbe- und Bauabfallentsorgungssatzung dürfen bei Veranstaltungen, die auf Grundstücken oder in Einrichtungen der Stadt durchgeführt werden, Speisen und Getränke nur in pfandpflichtigen, wiederverwendbaren Verpackungen und Behältnissen sowie nur mit Mehrwegbesteck ausgegeben werden. Diese Pflicht gilt auch für Verkaufsflächen, die im Eigentum der Stadt stehen.
Mit dieser vom Münchner Stadtrat im Jahre 1992 getroffenen Satzungsregelung sollte dem zunehmenden Einsatz von Einwegbechern und Einweggeschirr bei großen Veranstaltungen, wie beispielsweise dem Oktoberfest oder den Christkindlmärkten, Einhalt geboten werden.
Durch das Mehrweggebot ist es insbesondere auf dem Münchner Oktoberfest, aber auch bei den Christkindlmärkten, die auf öffentlichem Grund stattfinden, gelungen, die Abfallmengen nachhaltig zu reduzieren. EineAusweitung der Mehrwegpflicht auf diejenigen Produkte, die zur Verteilung oder zum Ausschank kommen, war zu keinem Zeitpunkt vorgesehen.
1.1 Rechtliche Zulässigkeit eines „erweiterten Mehrweggebots“
Fraglich ist, ob die Erweiterung des Mehrweggebotes auch auf die Produkte, die vom Letztvertreiber zur Befüllung von Mehrwegbechern/Mehrweggebinden an den Endverbraucher verwendet werden, rechtlich zulässig ist.
Der erweiterte Umfang des Mehrweggebots müsste zum einen noch in der Zuständigkeit der LHM liegen und dürfte zum anderen nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Dabei gilt insbesondere der Grundsatz, dass das allgemeine Recht zum Erlass von Satzungen den Gemeinden jedenfalls dann nicht gestattet, ohne besondere Rechtsgrundlage in Grundrechte ihrer Bürger*innen einzugreifen, wenn nicht spezifisch örtliche, gerade nur diese Gemeinde betreffende Vorgänge geregelt werden (BayVGH vom 3.9.1992 – Az. 7 NB 2/92).
1.2. Fehlende Zuständigkeit der LHM für die ergänzende Regelung des Mehrweggebots
Die Gemeinde kann das Mehrweggebot nur insoweit ausgestalten, soweit dieses die Benutzung der öffentlichen Einrichtung der Abfallentsorgung regelt.
Aufgrund der Befugnis, die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen der Abfallentsorgung zu regeln (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 BayGO), können die Gemeinden Bestimmungen nur über solche Vorgänge erlassen, die im weitesten Sinne als Benutzung gelten können, nicht aber über das Vorfeld der Benutzung (BayVGH vom 22.1.1992 – 20 N 91.2850).
Die Ergänzung des Mehrweggebots auf das Verbot der Nutzung von Einwegverpackungen für die angebotenen Speisen und Getränke vor der Ausgabe dieser an die Besucher*innen von Veranstaltungen, kann als eine Regelung im Vorfeld der Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtung angesehen werden. Denn mit Anfall der Einwegverpackungen, welche im Vorfeld der Ausgabe an die Besucher*innen von den Standbetreibern, sog. Letztvertreibern, genutzt werden, liegt noch keine Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtung vor. Die Abfallentsorgungseinrichtung wird benutzt, wenn Abfälle dieser überlassen werden (BayVGH vom 22.1.1992 – 20 N 91.2850). Die mit Getränken befüllten Einwegverpackungen für den Ausschank/die Ausgabe in Mehrwegbechern werden jedoch nicht im Laufe der Veranstaltung dem öffentlich-rechtlichen Entsorger (örE) überlassen, sondern allenfalls nachgelagert. Zum einen befinden sich in den Verpa-ckungen während der Veranstaltung noch Speisen und Getränke, so dass von einem Produkt gesprochen werden muss, zum anderen werden die Abfälle erst im Anschluss der Veranstaltung dem örE überlassen. In dem Zeitpunkt, an dem der Letztvertreiber die leeren Verpackungen an seinem Stand lagert, hat der Letztvertreiber keinen Entledigungswillen (subjektiver Abfallbegriff nach § 3 Abs. 1 KrWG). Von einem fehlenden Entledigungswillen ist insbesondere dann auszugehen, wenn die Einwegverpackungen mit einem sog. Einwegpfand nach § 31 VerpackG belegt sind (z.B. PET-Flaschen für Wasser, Säfte, Limonaden etc.).
Anders ist dies bei den vom Mehrweggebot erfassten Verpackungen bei der Ausgabe an die Endverbraucher*innen zu sehen, welche unmittelbar auf dem Veranstaltungsgelände zu Abfall werden und dem örE, etwa durch die Nutzung von Abfalleimern, überlassen werden oder einfach auf die Straße geworfen werden. Die Regelung der Nutzung von Einwegverpackungen im Vorfeld, ehe diese zu Abfall werden und die Gefahr besteht, dass Besucher*innen von Veranstaltungen diese auf der Straße entsorgen, ist nicht Gegenstand der Benutzung der Abfallentsorgung (vgl. BayVGH vom 22.1.1992 – 20 N 91.2850).
Die fehlende Zuständigkeit der LHM für eine entsprechende Satzungsregelung ergibt sich auch daraus, dass keine Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtung geregelt wird, sondern der Schwerpunkt der Regelung mit einem Produkt-Verkaufsverbot zu vergleichen ist, welches keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist und in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes liegt (sog. konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes gem. Art. 72 Abs. 1 GG, Art. 74 Nr. 24 GG).
Sogenannte Produktveräußerungsverbote werden in der Regel auf Grundlage von EU-Verordnungen in nationales Recht umgesetzt, wie dies etwa bei der Einwegkunststoffverbotsverordnung zur Umsetzung von Art. 5 der Richtlinie (EU) 2019/904 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.6.2019 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt erfolgt ist.
1.3 Ergebnis der juristischen Überprüfung
Die fehlende Zuständigkeit der LHM für den Erlass eines erweiterten Mehrweggebots ergibt sich daraus, dass keine Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtung geregelt wird, sondern der Schwerpunkt der Regelung mit einem Produktverkaufsverbot zu vergleichen ist, welches keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist und in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes liegt.2. Vergleich mit dem Mehrweggebot in Satzungen anderer Gemeinden
Die aktuelle Regelung des § 1 Abs. 2 der Hausmüllentsorgungssatzung ist in vergleichbarer Form auch in anderen Gemeinden zum Einsatz gekommen und findet sich so in einigen Satzungen dieser Gemeinden wieder.
Soweit andere Gemeinden ein Mehrweggebot in ihren Abfallsatzungen geregelt haben, was insbesondere in Bayern seit Jahrzehnten schon der Fall ist, greift dieses erst bei den Verpackungen, welche an die Besucher*innen von Veranstaltungen herausgegeben werden, nicht jedoch bereits bei den Verpackungen, in welchen die Speisen und Getränke vor Ausgabe gelagert werden. Die Mehrweggebote anderer Gemeinden sind somit mit dem bestehenden Mehrweggebot der LHM vergleichbar, gehen aber nicht weiter. Zum Teil sind diese sogar weniger weitreichend, da vermeintlich umweltfreundliche Verpackungen weiterhin genutzt werden können. Dies kann als Indiz dafür gewertet werden, dass eine weitergehende Regelung, wie bereits dargelegt, auch bei anderen Gemeinden rechtlich kritisch gesehen wird.
3. Alternativen zum erweiterten Mehrweggebot - Zero Waste Maßnahmen der Landeshauptstadt München
Mit Beschluss des Stadtrats vom 27.7.2022 (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 06600) hat der Stadtrat der LHM zum einen die Umsetzung des Konzepts „München gegen Ressourcenverschwendung“ beschlossen und zum anderen, dass München Zero Waste Europe Candidate City werden soll.
Im Rahmen dieser Vorlage wurden zahlreiche Maßnahmen beschlossen, die zur Erreichung des Ziels „Zero Waste City“ beitragen sollen. Unter anderem wurde die Maßnahme EV.2 „Städtische Events konsequent an Zero Waste Maßstäben ausrichten“ und EV.3 „Zero Waste Standard für Events auf städtischen Flächen“ vom Stadtrat beschlossen und zur weiterführenden Bearbeitung dem Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW) zugewiesen.
In Umsetzung dieser vom Stadtrat beschlossenen Maßnahmen teilte das RAW zum Sachstand der Bearbeitung Folgendes mit:
Modellprojekt mit Corso Leopold
Vor dem Hintergrund des Klimaneutralitäts- sowie des Zero Waste Ziels der LHM führt das RAW seit vielen Jahren sog. Modellprojekte zum nachhaltigen Wirtschaften durch. Im Rahmen dieser Maßnahme begleitet das RAW Betriebe und Unternehmen bei einer individuellen Fragestellung im Kon-text Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft. Nach Möglichkeit sollen dabei innovative Lösungsansätze entwickelt und erprobt werden.
Über die Projektlaufzeit von ca. einem halben Jahr erhalten die teilnehmenden Unternehmen individuelle und qualifizierte Beratung sowie Sparring und Zugang zu Expertise, Innovationsmöglichkeiten und Wissen. Die Ergebnisse sollen auf andere Unternehmen oder Branchen übertragen werden können. Sie werden online präsentiert und sollen so zum Nachahmen motivieren.
In den vergangenen Jahren wurden Modellprojekte in unterschiedlichen Themenfeldern abgeschlossen (bspw. Energieeffizienz, Logistik, Klimaanpassung, Mitarbeitendenmotivation).
Für das Jahr 2024 wurde u.a. ein Modellprojekt im Bereich Veranstaltungswirtschaft ausgeschrieben, für das das Straßenfestival Corso Leopold gewonnen werden konnte.
Ziel des Modellprojektes mit dem Corso Leopold ist es, gemeinsam mit den Verantwortlichen, konkrete Umsetzungsvorschläge und Maßnahmen für eine nachhaltigere Gestaltung des Festivals abzuleiten. Zentraler Bestandteil der Beratungsleistung sind die Workshops zur Entwicklung, Planung und – soweit möglich – ersten Durchführung der Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Begleitend findet eine Datenerhebung zum Ist-Stand beim Corso Leopold statt, um aktuelle Maßnahmen sowie die Treibhausgasbilanz der Veranstaltung zu erheben (auf Grundlage des Festivals im September 2024).
Schwerpunktthemen sind dabei neben der Mobilität der beteiligten Stakeholder sowie der Erstellung einer Treibhausgasbilanz auch Materialeinsatz, Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft.
Das Modellprojekt zahlt somit auch auf die Maßnahme EV.3 „Zero Waste Standard für Events auf städtischen Flächen“ ein. Das RAW ist in enger Abstimmung mit dem AWM, um die Expertise des AWM in die Beratung des Corso Leopold, die Abschlussberichterstattung und die Maßnahmenableitung einfließen zu lassen.“
Wenn die vom Stadtrat beschlossenen Zero Waste Maßnahmen EV.2 „Städtische Events konsequent an Zero Waste Maßnahmen ausrichten“ und EV.3 „Zero Waste Standard für Events auf städtischen Flächen“ umgesetzt würden, könnte es gelingen, zumindest teilweise Abfälle zu vermei-den, indem die Veranstalter*innen bereits im Vorfeld mit Beratung durch die zuständigen Dienststellen der LHM entsprechende, an den Leitfäden der Stadt orientierte Entsorgungskonzepte auf freiwilliger Basis erstellen. Möglichkeiten zur Abfallvermeidung bestehen bei Veranstaltungen nicht nur bei der Ausgabe von Speisen und Getränken, sondern indem der Veranstalter beispielsweise darauf hingewiesen wird, wiederverwendbare Bauteile, Dekoartikel für den Stand zu verwenden oder auf wenig nachhaltige Werbematerialien (sog. Streuartikel) zu verzichten.
Letztlich erweist sich das vom Stadtrat beschlossene Konzept gegen Ressourcenverschwendung und die sukzessive Umsetzung der einzelnen Maßnahmen als fachlich richtig. In diesem Rahmen werden in stadtweiten, dienststellenübergreifenden Arbeitsgruppen, bestehend aus Kolleg*innen des RAW und des Kreisverwaltungsreferats alle Möglichkeiten eines möglichst abfallarmen Events erarbeitet und auf ihre Umsetzbarkeit, Akzeptanz, ökologische Effekte sowie Wirtschaftlichkeit überprüft, sodass zum einen dem Wunsch der LHM, Zero Waste City zu werden und die Abfallmengen nachhaltig zu reduzieren, aber auch den Interessen der Veranstalter*innen hinreichend Rechnung getragen wird.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.