Kahlschlag in der Lindenschmitstraße: Droht ein weiterer Ausverkauf der Innenhöfe?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Nicola Holtmann, Dirk Höpner und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 31.7.2025
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 31.7.2025 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„In der Lindenschmitstraße 25 (Sendling) droht ein Kahlschlag und der Verlust von Lebensqualität und ökologisch wertvollen Rückzugsorten für Flora und Fauna. Konkret soll der begrünte Innenhof des denkmalgeschützten Anwesens bebaut werden. Dort befindet sich u.a. eine etwa 100 Jahre alte Linde, die gemeinsam mit weiteren Bäumen einen wertvollen ökologischen, klimatischen und sozialen Beitrag zur Wohnqualität in diesem verdichteten Viertel leistet. Eine Baugenehmigung wurde erteilt, woraufhin am 28. Juli die Fällung der Bäume vorgenommen werden sollte. Erfreulicherweise hat sich das beauftragte Gartenbau-Unternehmen geweigert, die Fällarbeiten durchzuführen, da der Baumbestand zu schützenswert sei. Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) verbietet außerdem zwischen dem 1. März und 30. September Fällungen aus Artenschutzgründen. Das Vorgehen des Investors und der städtischen Referate wirft Fragen auf. Wie kann es sein, dass ein privates Gartenbau-Unternehmen, das mit der Fällung des Baumes Geld verdient hätte, den Baumschutz höher priorisiert als die städtischen Stellen? Es ist nicht nachvollziehbar, wie angesichts der immer dramatischer werdenden Hitzesommer und einer erklärten städtischen Strategie zum Schutz und Erhalt von Grün- und Freiflächen noch immer grüne, klimawirksame Innenhöfe für Nachverdichtungen geopfert werden sollen. Innenhöfe sind keine wertlosen Restflächen, sondern Lebensräume für Mensch, Tier und Stadtklima. Noch in der letzten Amtsperiode wurde dies von der Stadtbaurätin Prof. Dr. Merk regelmäßig betont. Innenhöfe sind besonders schützenswert und tragen zur Lebensqualität in der immer dichter werdenden Stadt bei. Was ist aus dieser Haltung geworden? Angesichts der aktuellen Vorgänge drängt sich der Verdacht auf, dass diese Schutzprinzipien zunehmend aufgeweicht werden. Die wirtschaftlichen Interessen einzelner Investoren wiegen wohl schwerer als die Lebens- und Wohnqualität der Münchner Bevölkerung.“
Frage 1:
Wurde für die betroffenen Bäume im Innenhof der Lindenschmitstraße 25 eine Fällgenehmigung beantragt? Wurde diese erteilt? Falls ja: Warum wurde eine Genehmigung erteilt, obwohl das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in der Zeit vom 1. März bis 30. September eine Fällung grundsätzlich untersagt?
Antwort:
Im Rahmen der Baugenehmigung vom 7.3.2025 wurde auf Antrag die
baumschutzrechtliche Gestattung für die Fällung von 5 Bäumen im rückwärtigen Grundstückbereich erteilt, da deren Erhalt aufgrund der Baukörpersituierung und nachgewiesenem schlechten Vitalitätszustand zweier außerhalb des geplanten Baukörpers stehender Bäume nicht möglich war. Die Vorschriften zum allgemeinen Artenschutz liegen nicht im Prüfungsumfang des Baugenehmigungsverfahrens. Das gesetzliche Verbot des § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG, Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschneiden, gilt also unabhängig von anderen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen – also auch unabhängig von einer erteilten Fällgenehmigung oder Baugenehmigung. Es liegt in der Verantwortung des Bauherrn, auch trotz erteilter Baugenehmigung und einer möglicherweise darin enthaltenen baumschutzrechtlichen Fällgenehmigung, eigenverantwortlich sicherzustellen, dass das Vorhaben mit dem Artenschutzrecht vereinbar ist. Dementsprechend enthalten Baugenehmigungen, die zugleich auch Baumfällungen gestatten, auch einen entsprechenden Hinweis darauf, dass die artenschutzrechtlichen Bestimmungen eigenverantwortlich vom Bauherrn zu prüfen und einzuhalten sind.
Die Baugenehmigung ersetzt also weder die Prüfung der artenschutzrechtlichen Vorschriften noch hebt sie diese auf.
Auch für bereits genehmigte Bauvorhaben bedeutet dies konkret: Wenn keine der in § 39 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG genannten, gesetzlich vorgesehen Ausnahmen von den Artenschutzverboten greift, ist der Zeitpunkt der Fällung und damit ggf. auch der Baubeginn auf den Zeitraum nach der Vogelbrut (Anfang Oktober bis Ende Februar) zu verschieben. Eine Missachtung kann zu rechtlichen Konsequenzen, Baustopp oder Bußgeldern führen.
Im Fall der in der Baugenehmigung gestatteten Baumfällungen in der Lindenschmitstraße 25 hat eine von der unteren Naturschutzbehörde am 29.7.2025 durchgeführte Ortseinsicht ergeben, dass keine der gesetzlichen Ausnahmen zu den Vorschriften des allgemeinen Artenschutzes in § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG einschlägig ist.
Frage 2:
Liegt für die geplante Innenhofbebauung eine rechtskräftige Baugenehmigung vor? Falls ja: Auf welcher Grundlage wurde die Bebauung genehmigt? Wurde dabei auf § 34 BauGB (Einfügung in die Umgebungsbebauung) Bezug genommen, obwohl eine solche Innenhofbebauung im Umfeld nicht ortsüblich erscheint?
Antwort:
Für das Vorhaben wurde mit Bescheid vom 7.3.2025 die beantragte Baugenehmigung erteilt. Das Vorhaben ist planungsrechtlich nach § 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) zu beurteilen. Als Bezugsfall dienen dem Vorhaben insbesondere auch die vorhandenen Rückgebäude im Geviert. Das Vorhaben fügt sich in diesen Rahmen ein und ist planungsrechtlich zulässig.
Frage 3:
Welche denkmalrechtlichen Belange sind im Zusammenhang mit dem Gebäude oder dem Ensemble zu berücksichtigen? Wurde der Denkmalschutz fachlich einbezogen?
Antwort:
Das Vordergebäude auf dem Grundstück ist ein Einzelbaudenkmal nach Bayerischem Denkmalschutzgesetz (BayDSchG). Die Baugenehmigung
erging daher unter Beteiligung der Unteren Denkmalschutzbehörde. Es wurden Auflagen zum Instandsetzungskonzept das Vordergebäude betreffend, zur Gestaltung des Neubaus, der Mauer im Hof und zum Schutz der Ausstattungsdetails festgesetzt sowie ein Verweis auf zusätzliche Erlaubnisverfahren nach dem BayDSchG soweit Maßnahmen über die Darstellungen in den genehmigten Plänen hinaus geplant sind.
Frage 4:
Ist die Anleiterung im Brandfall durch die Feuerwehr bei einer zusätzlichen Bebauung des Innenhofs gewährleistet? Falls nein: Wie soll die Feuerwehr im Einsatzfall agieren?
Antwort:
Der geplante Neubau wird als Gebäude der Gebäudeklasse 4 eingestuft. Eine bauaufsichtliche Prüfung des Brandschutznachweises durch die Untere Bauaufsichtsbehörde bzw. eine Bescheinigung durch einen Prüfsachverständigen für Brandschutz ist für Gebäude der Gebäudeklassen 4 nicht erforderlich (Art. 62b Abs. 2 BayBO).Da der Rettungsweg von der öffentlichen Verkehrsfläche durch das Vordergebäude (Gebäudeklasse 5) führt, ist die Prüfung des Brandschutznachweises auf Vollständigkeit und Richtigkeit erforderlich. Dies erfolgt durch Bescheinigung eines von der Bauherrin beauftragten Prüfsachverständigen. Die Prüfung des Brandschutznachweises liegt damit nicht im Prüfungsumfang des Baugenehmigungsverfahrens. Hinsichtlich des Rettungswegs lag dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung bereits im Baugenehmigungsverfahren eine positive Stellungnahme der Branddirektion München an die Prüfsachverständige vor.
Mit Baubeginnsanzeige ist die Vollständigkeit und Richtigkeit des Brandschutznachweises durch Vorlage der Bescheinigung Brandschutz I des beauftragten Prüfsachverständigen nachzuweisen.
Frage 5:
Wie wird in der bestehenden oder geplanten Baugenehmigung mit dem wertvollen Baumbestand umgegangen?
Antwort:
Für die betroffenen Bäume im rückwärtigen Bereich wurde eine Fällungsgenehmigung erteilt, da diese nicht erhalten werden können (s. auch Antwort zu Frage 1). Es wurden für die entfallenden Bäume eine Ersatzpflanzung von 5 standortgerechten Laubbäumen der Wuchsklasse I und der Wuchsklasse II festgesetzt.
Frage 6:
Wurden für das Vorhaben Stellplätze nachgewiesen bzw. wie wurde mit den Anforderungen des Stellplatzrechts umgegangen?
Antwort:
Die Regelungen des Stellplatzrechts sind erfüllt, wobei z.T. eine Realherstellung und eine Ablöse erfolgt.
Frage 7:
Das Grundstück befindet sich im Geltungsbereich einer städtischen Erhaltungssatzung. Der derzeitige Eigentümer soll 2019 eine Abwendungserklärung unterzeichnet haben, um das Grundstück erwerben zu können. Deckt diese Erklärung auch die nun beabsichtigte Innenhofbebauung und den zuvor bereits erfolgten Dachausbau? Wurden diese Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit der Erhaltungssatzung überprüft, und was war das Ergebnis?
Antwort:
Die Lindenschmitstraße 25 befindet sich im Erhaltungssatzungsgebiet „Sendling“. Mit Abschluss der Abwendungserklärung verpflichtete sich der*die Eigentümer*in unter anderem Modernisierungen in diesem Anwesen zu unterlassen, die über den in der Landeshauptstadt München allgemein üblichen Standard hinausgehen. Jedoch erfassen diese Verpflichtungen der Abwendungserklärung nur das Bestandsgebäude, demzufolge alle bereits bestehenden Wohnungen im Gebäude. Bei dem Dachgeschossausbau und dem geplanten Neubau im rückwärtigen Grundstücksteil der Lindenschmitstraße 25 handelt es sich um nach Unterzeichnung der Abwendungserklärung neu geschaffene Flächen. Diese fallen nur dann unter die Vorgaben der Abwendungserklärung, wenn im Zuge der Aufstockung oder des Neubaus mehr als 600m² Geschossfläche neu geschaffen werden (Bagatellgrenze). Sofern die Bagatellgrenze überschritten wird, fallen 30% der Neubebauung unter die Vorgaben der Abwendungserklärung. Wird die Bagatellgrenze unterschritten, ist der neu geschaffene Wohnraum nicht von den Verpflichtungen der Abwendungserklärung erfasst. Der Dachgeschossausbau und auch die beabsichtigte Innenhofbebauung fallen nicht unter die Vorgaben der Abwendungserklärung, da die Bagatellgrenze unterschritten ist. Einer erhaltungssatzungsrechtlichen Prüfung bedurfte es weder für den Dachgeschossausbau noch für den Neubau im Hinterhof der Lindenschmitstraße 25, da die Erhaltungssatzung „Sendling“ nur für bereits bestehenden Wohnraum anwendbar ist.