Konsequenzen aus dem Sicherheitsbericht 2024 II Massiver Anstieg der Kinder- und Jugendkriminalität! Ursachenforschung und Gegensteuern nötig?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Sabine Bär, Delija Balidemaj, Beatrix Burk- hardt, Alexandra Gaßmann, Winfried Kaum, Jens Luther, Hans- Peter Mehling, Dr. Evelyne Menges, Manuel Pretzl und Matthias Stadler (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 25.3.2025
Antwort Stadtschulrat Florian Kraus:
Auf Ihre Anfrage vom 25.3.2025 nehme ich Bezug.
Sie haben Ihrer Anfrage folgenden Text vorausgeschickt:
„Der Sicherheitsbericht des Polizeipräsidiums München (PKS) weist einen dramatischen Anstieg der Gewaltkriminalität bei Kindern und Jugendlichen aus. Im Vergleich zum Vorjahr wurde ein prozentualer Anstieg von 56,4% bei den tatverdächtigen Kindern festgestellt. Im Zehnjahresdurchschnitt hat sich die Zahl damit verdreifacht (+ 200%). Bei den Jugendlichen liegt die Steigerungsquote bei 9%. Insbesondere bei den gefährlichen bzw. schweren Körperverletzung erreicht die Zahl der tatverdächtigen Kinder und Jugendlichen einen Zehnjahresrekord. Dies wirkt sich auch auf die Münchner Schulen aus. Dort ist die Zahl der Straftaten wieder um 36,1% gestiegen. Leider setzt sich damit der Trend der letzten Jahre fort und sollte alle Stellen alarmieren.“
Für die gewährte Fristverlängerung möchte ich mich bedanken. Zu den von Ihnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Welche Ursachen hat gerade die massiv steigenden Gewaltkriminalität unter Kindern und Jugendlichen in München?
Antwort:
Die Ursachen für den Anstieg der Gewaltkriminalität bei Minderjährigen in München sind komplex und nicht auf einen einzelnen Faktor reduzierbar. Unterschiedliche Einflussfaktoren werden in diversen Berichten, wie beispielsweise im Sicherheitsreport des Polizeipräsidiums München sowie im Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung, ausführlich behandelt.
Veränderungen in den Familienstrukturen, wie beispielsweise ein Anstieg der Scheidungsraten, können dazu führen, dass ein Defizit an konstanten und verlässlichen Bezugspersonen entsteht. Die Herausforderungen imIntegrationsprozess können zu sozialen Spannungen führen, die potenziell gewalttätige Auswirkungen haben könnten. Armut und soziale Benachteiligung führen dazu, dass Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Verhältnissen häufig eingeschränkten Zugang zu Bildung und Freizeitaktivitäten haben, was potenziell zu Frustration und Aggression führen kann. Die tägliche Erfahrung von Diskriminierung im Alltag, insbesondere auch von rassistischer Ausgrenzung, Beleidigung oder Erniedrigung, führt bei entsprechend vulnerablen Gruppen der Gesellschaft vielfach zu Frustration, Wut bis hin zu nachhaltiger Resignation und Angst
(siehe z.B. „München-Monitor. Executive Summary: Facetten von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Demokratiezufriedenheit und Diskriminierungserfahrungen in München“ der Fachstelle für Demokratie, November 2023, etwa Seite 9f).
Die Rechtfertigung und Normalisierung rassistischer Sprechweisen und Relativierung von Menschenrechten in Teilen von Politik und Gesellschaft sowie die zunehmende Verbreitung von Hate Speech in Social Media, nähren aktuell gesellschaftliche Spannungen und die Situation benachteiligter Menschen nur noch zusätzlich. Hierzu zählen explizit auch sexistische und LGBTIQ*-feindliche Äußerungen.
Der Anstieg psychischer Erkrankungen, der häufig durch Stress, soziale Isolation oder familiäre Probleme verstärkt wird, kann ebenfalls zu aggressivem Verhalten führen. Kinder, die in Umgebungen mit Gewalt oder Instabilität aufwachsen, werden aufgrund ihrer Erfahrungen häufiger selbst Opfer von Gewalt und neigen auch eher dazu, dieses Verhalten zu internalisieren. Die Rezeption von gewalthaltigen Inhalten in Videospielen, Filmen und sozialen Medien kann unter Umständen das Verhalten von Kindern und Jugendlichen negativ beeinflussen und zu einer Verschlechterung der zwischenmenschlichen Umgangsformen führen.
In der schulischen Umgebung tragen Mobbing und Konflikte, wie sie zwischen Schüler*innengruppen auftreten können, zur Gewaltkriminalität bei. Während der Adoleszenz sind Jugendliche durch ihre Peer-Gruppe stark beeinflussbar, was als Gruppendruck bekannt ist. Die soziale Dynamik, die individuellen Druck zur Konformität ausübt, kann potenziell riskantes Verhalten induzieren, das Gewaltakte einschließt. Schließlich kann der Zugriff auf Waffen oder gefährliche Gegenstände wie Messer oder Reizgas die Bereitschaft zur Gewaltausübung erhöhen.Auch wenn zeitlich ein mittlerweile großer Abstand zu den Einschränkungen, die die Corona Pandemie mit sich brachte, besteht, sind gerade bei den jetzt 15-Jährigen und Älteren noch Nachwirkungen zu erkennen. Kinder, die während der Corona-Pandemie aufgrund von Kontaktbeschränkungen keine Möglichkeit hatten, typische soziale Erfahrungen – auch konflikthafte – im öffentlichen Raum zu machen, holten diese mit zeitlicher Verzögerung nach. In der Grundschule lernen Kinder, mit Konflikten gewaltfrei umzugehen. Durch Schulschließungen und Homeschooling konnte dieser Lernprozess oft nicht stattfinden. Während der Pandemie fehlten Kindern verlässliche Beziehungen zu Lehrkräften und Gleichaltrigen – Bindungen, die zentral sind für emotionale Entwicklung, Selbstkontrolle und Empathie.
Auch sämtliche Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe konnten während der Pandemie nur mit Einschränkungen erbracht werden. Dies betrifft auch Verzögerungen bei der Feststellung von Beratungs- und Hilfebedarfen und präventive Maßnahmen, die gewaltbereitem Verhalten entgegenwirken.
Für viele Kinder ist die Schule ein sicherer Ort, an dem sie Schutz vor innerfamiliärer Gewalt erfahren sowie Unterstützung, wenn sie Partnerschaftsgewalt der Eltern miterleben. Es ist der Ort, wo auch Anzeichen einer Kindeswohlgefährdung erkannt werden können. Während der Lockdowns fiel diese Funktion weg – Gewalt in Familien blieb häufiger unbemerkt. Als Fazit lässt sich sagen, dass der Anstieg kindlicher Gewaltkriminalität auch durch verspätete soziale Entwicklung und den Ausfall zentraler Lern-, Beziehungs- und Schutzräume bedingt ist. Gerade bei jüngeren Jahrgängen, die ihre Grundschulzeit während der Pandemie erlebt haben, ist auch zukünftig mit Folgen zu rechnen.
Frage 2:
Wurden die im PKS genannten Präventivmaßnahmen und alle sonstigen Projekte auf ihre Wirksamkeit evaluiert?
Antwort:
Im Sicherheitsreport des Polizeipräsidiums München (PKS) werden diverse präventive Maßnahmen und Initiativen zur Reduzierung der Gewaltkriminalität bei Minderjährigen aufgeführt. Die implementierten Maßnahmen beruhen oft auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und etablierten Praktiken im Bereich der Präventionsforschung. Im Folgenden werden gängige Methoden und Programme aufgeführt, die regelmäßig in derartigen Berichten erwähnt werden:Das schulbasierte Programm „Zammgrauft“ ist ein Anti-Mobbing-Programm, das darauf abzielt, Mobbing zu reduzieren und ein positives Schulklima zu fördern. Es beruht auf der Erkenntnis, dass ein unterstützendes Umfeld das Risiko von Gewalt verringert. Solche Kompetenztrainings dienen der Förderung der sozialen und emotionalen Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen mit dem Ziel, sie in die Lage zu versetzen, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Untersuchungen in der Wissenschaft belegen, dass Jugendliche mit ausgeprägter Sozialkompetenz eine geringere Neigung aufweisen, gewalttätiges Verhalten an den Tag zu legen.
Elternbildungsprogramme, z.B. „Starke Eltern – starke Kinder“ dienen der Förderung elterlicher Kompetenzen im Hinblick auf die Entwicklung effektiver Erziehungsstrategien und die Intensivierung der Eltern-Kind-Bindung. Eine ausgeprägte Eltern-Kind-Bindung birgt das Potenzial, die Wahrscheinlichkeit von Gewalttätigkeiten zu reduzieren. Die Dienstleistungen im Bereich der Familienbildung zielen auch darauf ab, Eltern in ihrer Erziehungsfähigkeit nachhaltig zu stärken sowie Familien in Krisensituationen zu unterstützen, um bei der Bewältigung familiärer Konflikte zu helfen und gewaltsame Verhaltensweisen zu verhindern.
Stadtteilprojekte als Community-Programme, die darauf abzielen, die Gemeinschaft zu stärken und den sozialen Zusammenhalt zu fördern, können einen positiven Beitrag zur Gewaltprävention leisten. Ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl kann dazu beitragen, die Rate der Gewalttaten zu reduzieren.
Die Polizei verfügt als Teil ihrer Präventionsarbeit über speziell ausgebildete Jugendbeamte, die in Schulen und Gemeinden beratend tätig sind und Informationsveranstaltungen abhalten. Die genannten Initiativen fußen auf der Prämisse, dass eine effektive Kooperation zwischen den Polizeibehörden und Bildungseinrichtungen einen positiven Beitrag zur Prävention von Gewalt leistet.
Die Wirksamkeit von Informationskampagnen zur Aufklärung über die Risiken und Konsequenzen von Gewalt, die in Bildungseinrichtungen wie Schulen und Jugendzentren sowie über diverse soziale Medienplattformen durchgeführt werden, ist ebenfalls belegt.
Integrative Sportprojekte, die Jugendliche gemeinsam aktiv werden lassen und die Förderung von Teamarbeit zum Ziel haben, können dazu beitragen, Aggressionsbewältigung zu unterstützen und die Entwicklung sozialerKompetenzen zu fördern. Untersuchungen belegen, dass körperliche Betätigung ein effektives Mittel zur Regulation von Emotionen darstellen kann.
Die Grundlage dieser Programme beruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aus diversen Fachrichtungen wie Psychologie, Soziologie und Erziehungswissenschaften. Forschungsarbeiten zeigen, dass frühzeitige Interventionen im Kindesalter langfristig zu positiven Verhaltenseffekten führen kann.
Es ist nachgewiesen, dass soziale und emotionale Lernprogramme (SEL) die sozialen Kompetenzen der Teilnehmer verbessern und das Risiko von Gewaltverhalten reduzieren.
Die Implementierung von gemeinschaftsbasierten Ansätzen, z.B. Schüler*innenmitverwaltung (SMV), Schul- bzw. Schüler*innenparlament, die die aktive Beteiligung der Gemeindemitglieder fördern, hat sich als wirksames Mittel erwiesen, um Gewalt zu verringern und das Sicherheitsgefühl zu steigern.
Die Präventionsmaßnahmen, die in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) aufgeführt sind, beruhen auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen und verfolgen eine Vielzahl von Ansätzen zur Gewaltprävention. Evaluationen im Einzelnen obliegen den Anbietern.
Das Sozialreferat/Stadtjugendamt fördert in den Produktbereichen der geschlechts-, gewalt- und zielgruppenspezifischen Angebote zehn anerkannte Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe, die Projekte zur Gewaltprävention und -intervention an Schulen anbieten. Die vielfältigen Maßnahmen richten sich an Mädchen* und Jungen* sowie an Lehrkräfte, weitere pädagogische und psychosoziale Fachkräfte an der Schule und Eltern bzw. weitere Bezugspersonen dieser Zielgruppe. Die angebotenen Projekte können von allen Schulen in München angefragt werden. Diese Projekte sind unter anderem in der Bekanntgabe „Gemeinsam gegen Gewalt – Münchner Aktionsplan für Kinder, Jugendliche und Heranwachsende, eine Initiative der Landeshauptstadt München und des Polizeipräsidiums München“ zusammengefasst; Bekanntgabe in der Sitzung des Kinder- und Jugendhilfeausschusses voraussichtlich am 28.10.2025, Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 16050.
Die Wirksamkeit der Maßnahmen wird durch das Sozialreferat/Stadtjugendamt jährlich im Rahmen ihrer Controllinginstrumente überprüft.
Neben diesen und zahlreichen anderen Maßnahmen sind auch die Angebote der Jugendgerichtshilfe als ein wichtiger Beitrag zur sekundären- bzw. tertiären Prävention bezüglich delinquenter Entwicklungsverläufe von Jugendlichen zu sehen.Die Jugendgerichtshilfe des Stadtjugendamtes hat gemäß § 52 SGB VIII die gesetzliche Aufgabe frühzeitig zu prüfen, ob für straffällig gewordene junge Menschen Leistungen der Jugendhilfe in Betracht kommen sowie im Verfahren gem. § 38 Jugendgerichtsgesetz (JGG) mitzuwirken. Zudem prüft sie frühzeitig etwaige Kindeswohlgefährdungen nach § 8a SGB VIII sowie Jugendhilfebedarfe nach §§ 27 ff. SGB VIII, um weitere Delinquenz zu verhindern. Die Mitarbeiter*innen der Jugendgerichtshilfe beraten, begleiten und betreuen straffällig gewordene Jugendliche sowie deren Familien vor, während und nach Ermittlungs- oder Strafverfahren. Die Maßnahmen und Angebote der Jugendgerichtshilfe beugen erneuter Straffälligkeit vor und wirken Delinquenzverläufen effektiv entgegen. Sie können als jugendrichterliche Weisung auf Vorschlag der Jugendgerichtshilfe vom Jugendgericht verhängt werden. Ebenso können sie als freiwillige Leistung über die Jugendgerichtshilfe eingeleitet werden. Neben der Betreuungsweisung sind dies vor allem Soziale Trainingskurse und Gruppenangebote. Sie werden von freien Trägern der Jugendhilfe sowie dem Stadtjugendamt durchgeführt. Die Ambulanten Maßnahmen stellen nicht nur ein wichtiges Instrument im Rahmen jugendrichterlicher Sanktionen dar, sondern reduzieren nachweislich das Risiko einer erneuten Straftat.
Frage 3:
Gibt es eine milieuspezifische Zuordnung und werden mit den Präventionsmaßnahmen die Kinder und Jugendlichen erreicht, die einer solche Unterstützung bedürfen?
Antwort:
Der Sicherheitsreport des Polizeipräsidiums München betont die Wichtigkeit, Präventionsmaßnahmen entsprechend den verschiedenen Milieus anzupassen, um spezifisch auf Kinder und Jugendliche mit erhöhtem Risiko für Gewaltverhalten oder Gewaltopferung einzugehen. Im Folgenden werden relevante Aspekte bezüglich der milieuspezifischen Zuordnung und der Erreichung der Zielgruppe dargelegt:
Milieuspezifische Analyse
Die soziale Herkunft von Jugendlichen wird von der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) sowie anderen Institutionen untersucht, um spezifische soziale Gruppen zu identifizieren, die überdurchschnittlich von Gewaltkriminalität betroffen sind. Es erfolgt häufig eine Unterscheidung zwischen diversen sozialen Schichten, ethnischen Gruppierungen und Bildungshintergründen.
Die Berichte analysieren eine Vielzahl von Risiko- und Schutzfaktoren, die insbesondere in spezifischen sozialen Umfeldern verstärkt auftreten. Dazuzählen beispielsweise Armut, Bildungsdefizite, familiäre Herausforderungen sowie psychosoziale Belastungen.
Zielgerichtete Präventionsmaßnahmen
Die Anpassung von Präventionsprogrammen erfolgt häufig unter Berücksichtigung der individuellen Anforderungen und Lebensumstände der jeweiligen Zielgruppe. Bei der Entwicklung von Programmen werden soziale und kulturelle Aspekte berücksichtigt.
Die Polizeiliche Kriminalprävention arbeitet in enger Kooperation mit lokalen Akteuren wie Schulen, Jugendzentren, sozialen Einrichtungen und anderen Organisationen. Ziel dieser Zusammenarbeit ist es sicherzustellen, dass die präventiven Maßnahmen gezielt jene Jugendlichen erreichen, die besonders auf Unterstützung angewiesen sind.
Erreichung der Zielgruppen
Die Bereitstellung von Unterstützungsmaßnahmen für gefährdete Jugendliche erfolgt häufig in deren vertrauten Umgebungen wie Schulen oder Freizeiteinrichtungen, um sicherzustellen, dass sie tatsächlich Zugang zu den Programmen haben.
Der Aufbau von vertrauensvollen Beziehungen zwischen Fachkräften und Jugendlichen ist von entscheidender Bedeutung, um Letztere dazu zu ermutigen, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Initiativen, die auf Peerto-Peer-Basis operieren oder von Jugendlichen eigenständig koordiniert werden, können eine besonders hohe Effektivität aufweisen. Evaluierung und Anpassung
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) nutzt regelmäßig wissenschaftliche Evaluierungen von Programmen, um die Effektivität zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Die Durchführung von Evaluierungen trägt dazu bei, eine effektivere Ansprache der Zielgruppen zu ermöglichen und die Optimierung der bereitgestellten Angebote voranzutreiben.
Der Sicherheitsreport des Polizeipräsidiums München verdeutlicht insgesamt eine gezielte Bemühung, Präventionsmaßnahmen entsprechend den Milieus anzupassen und die angemessenen Zielgruppen zu adressieren. Die Effektivität dieser Maßnahmen ist maßgeblich von der Qualität ihrer Umsetzung sowie der Fähigkeit abhängig, die spezifischen Bedürfnisse der gefährdeten Jugendlichen zu erkennen und anzusprechen. Es ist von langfristiger Bedeutung, in regelmäßigen Abständen eine Evaluierung vorzunehmen und die Programme entsprechend anzupassen, um sicherzustellen, dass sie den beabsichtigten Effekt erzielen.Insbesondere wird auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Ausübung von Gewalt von Kindern und Jugendlichen hingewiesen. Jugendgewalt ist weit überdurchschnittlich Jungengewalt. Jugendgewalt ist zumeist spontan, situativ und in Gruppenkontexte eingebunden. Identitätsstiftende Männlichkeitskonzepte, mit denen Jungen konfrontiert werden, sind immer noch bzw. häufig wieder deutlich geprägt von Vorstellungen der Stärke und Dominanz von Männern. Dies ist auch als Ursache dafür zu sehen, dass männliche Jugendliche weit überrepräsentiert sind in der Ausübung von Gewalt, vor allem im Hinblick auf massive Gewaltformen wie direkte, körperliche Gewalt, sexualisierte Gewalt und Antifeminismus. Ebenso steigt die Gewalt, die von weiblichen Kindern und Jugendlichen ausgeht, wenn auch mit großem Abstand zu der ihrer männlichen Altersgenossen. Gleichzeitig sind männliche Kinder und Jugendliche in allen Altersgruppen auch als Opfer von Gewalt überrepräsentiert. Während männliche Kinder und Jugendliche eigene Gewalterfahrungen eher externalisieren und in fremdaggressives Verhalten überführen, was das Risiko für eigene Täterschaft erhöht (Opfer-Täter-Statuswechsel), lässt sich bei weiblichen Kindern und Jugendlichen beobachten, dass Gewalterfahrungen eher internalisiert werden und ihr Risiko für selbstverletzendes, selbstgefährdendes Verhalten steigt.
Der Großteil der schwerwiegenden (Gewalt-)Straftaten von Minderjährigen ist einer kleinen Personengruppe zuzurechnen, deren Lebensrealität gekennzeichnet ist durch eine Kumulation von Risikofaktoren und Problemlagen wie soziale Randständigkeit, Gewalterfahrungen in Familie und im engen sozialen Umfeld, schulische Probleme, deviante oder delinquente Freundeskreise sowie Alkohol- oder Suchtprobleme.
Frage 4:
Hat das Referat für Bildung und Sport Zahlen für die städtischen Schulen?
Antwort:
Die Geschäftsbereiche Allgemeinbildende und Berufliche Schulen erheben über den Sicherheitsbericht der Polizei hinaus keine eigenen Daten zu Straftaten an ihren Schulen. An den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen wurden laut Sicherheitsbericht 1.260 (1.089) Straftaten (ohne AufenthG) registriert, hierbei kann nicht detaillierter nach Schularten unterschieden werden.
Die Beratungen des Zentralen Schulpsychologischen Dienstes (ZSPD) im Referat für Bildung und Sport (RBS) in der Unterstützung von Schulen bei Krisensituationen, die mit Gewaltfällen zusammenhängen, sind zwischen2023 und 2024 nicht in außerordentlichem Maß gestiegen (2023: 41 von 362 Beratungen zu Krisensituationen, 2024: 57 von 232 Beratungen). Schulpsychologische Einzelberatung inkl. Beratung von Fachkräften zu externalisierenden Auffälligkeiten, Problemen im Umgang mit Anderen oder Konflikten hat abgenommen (2023: 143, 2024: 86 Beratungen). Hinsichtlich dieser beiden inhaltlichen Kategorien schulpsychologischer Beratung zusammen lässt sich nur ein geringer Unterschied zwischen 2023 (184 von 1016 Beratungen) und 2024 (143 von 954 Beratungen) feststellen.
Grundsätzlich ist zu erwähnen, dass die statistische Erfassung von inhaltlichen Aspekten im Rahmen von vertraulicher Beratung nicht gleichzusetzen ist mit dem tatsächlichen Auftreten von Gewalt oder Gewaltkriminalität.
Frage 5:
Welche Rolle spielen Rassismus oder Antisemitismus bei (Gewalt)-Straftaten an städtischen Schulen?
Antwort:
Rassismus und Antisemitismus stellen gesamtgesellschaftliche Herausforderungen dar, die auch innerhalb städtischer Bildungseinrichtungen, wie den Schulen, relevant sind. Diese Themen werden in den Sicherheitsreporten des Polizeipräsidiums München regelmäßig aufgegriffen. Die verschiedenen Ausprägungen von Diskriminierung haben das Potenzial, unmittelbar oder mittelbar zur Entstehung von Gewalttaten und strafbaren Handlungen im schulischen Umfeld beizutragen.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) dokumentiert Informationen über deliktische Handlungen, die in Bildungseinrichtungen begangen werden, wobei auch Straftaten mit rassistischer oder antisemitischer Motivation erfasst werden. Die vorliegenden Daten dienen der Analyse des Umfangs und der Charakteristik der vorliegenden Problematiken, um darauf aufbauend spezifische Maßnahmen zu konzipieren.
Es wurde in den vergangenen Jahren eine vermehrte Häufung von Vorfällen mit rassistischen oder antisemitischen Motiven in zahlreichen Städten, einschließlich München, beobachtet. Dieses Phänomen lässt sich auf eine weitverbreitete gesellschaftliche Entwicklung zurückführen, die sich auch in Bildungseinrichtungen, insbesondere Schulen, manifestiert.
Hierzu hat die Fachstelle für Demokratie folgende vertiefenden Informationen mitgeteilt:
Rassismus, Antisemitismus sowie weitere Formen Gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit stellen gesamtgesellschaftliche Herausforderungendar, die sich auch auf städtische Schulen auswirken. Die bei der Fachstelle für Demokratie angesiedelte Anlaufstelle bei Diskriminierung und rechtem Hass erfasst seit Februar 2022 Meldungen zu Diskriminierungen sowie rechten und gruppenbezogen menschenfeindlichen (u.a. rassistischen und antisemitischen) Vorfällen an Münchner Schulen. Im Erhebungsjahr 2024 hatten 29% der Meldungen (37 von 127 Meldungen) Sachverhalte zum Gegenstand, die im Rahmen einer juristischen Erstbewer¬tungen als strafrechtlich relevant einzustufen waren. Der Anteil der strafrechtlich relevan¬ten Sachverhalte sank damit im Vergleich zu den ersten beiden Erhebungsjahren etwas. Im zweiten Erhebungsjahr betrug der Anteil der strafrechtlich relevanten Sachverhalte 36% der Meldungen, im ersten Erhebungsjahr 35%. Bei den erfassten, strafrechtlich relevanten Sachverhalten handelte es sich insbesondere um das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (bspw. Hitlergrüße, Hakenkreuzschmierereien), Sachbeschädigungen, Volksverhetzungen sowie rassistische, antisemitische und LGBTIQ*-feindliche Beleidigungen – vereinzelt in Verbindung mit Körperverletzungen. Weitere Informationen sind den Monitoring-Berichten der Anlaufstelle (abrufbar unter www.muenchen.de/demokratie) zu entnehmen.
Frage 6:
Gibt es einen Bezug zu weltpolitischen Ereignissen wie z.B. den Angriffskrieg gegen die Ukraine oder Israels Abwehrkrieg gegen den Terror der HAMAS?
Antwort:
Die globalen politischen Geschehnisse, wie der Angriffskrieg gegen die Ukraine oder der Konflikt zwischen Israel und der Hamas, manifestieren sich in den sozialen Dynamiken Deutschlands und haben dementsprechend Einfluss auf Bildungseinrichtungen in München. Die genannten Ereignisse haben das Potenzial, in Bildungseinrichtungen, insbesondere in Schulen mit multikulturellem und vielfältigem Hintergrund, Spannungen und Konflikte hervorzurufen. So war nach dem Terrorangriff der Hamas kurzzeitig einen Anstieg von Straftaten zu verzeichnen, wie beispielsweise Schmierereien an Schulgebäuden und anonymen Bombendrohungen. Im schulischen Kontext werden weltpolitische Ereignisse, speziell im Fach Politik, von Lehrkräften bei Bedarf thematisiert, um Schüler*innen unter Berücksichtigung des Beutelsbacher Konsenses Orientierungshilfen für die Meinungsbildung und Einordnung von Ereignissen und Nachrichten zu bieten. Die emotionale Betroffenheit von Schüler*innen aufgrund unterschiedlicher Perspektiven und Meinungen kann zu Spannungen führen, die potenziell in Gewalttätigkeiten resultieren. Individuen, die als Angehörigespezifischer Ethnien oder religiöser Gruppierungen identifiziert werden, sind potenziell einem erhöhten Risiko von Diskriminierung oder Übergriffen ausgesetzt.
Hierzu hat die Fachstelle für Demokratie folgende vertiefenden Informationen mitgeteilt:
Weltpolitische Ereignisse beschäftigen selbstredend auch Schüler*innen und schulische Beschäftigte an Münchner Schulen und können potenziell auch zur Begehung von Straftaten beitragen. Im Hinblick auf den grausamen Terrorangriff der HAMAS auf israelische Zivilist*innen vom 7.10.2023 und den anhaltenden Krieg in Israel und Gaza konnte die Anlaufstelle bei Diskriminierung und rechtem Hass an Münchner Schulen deutliche Auswirkungen auf die Münchner Schulen beobachten. Dies zeichnete sich bereits wenige Tage nach dem Terrorangriff sowohl durch Meldungen über antisemitische Sachverhalte als auch durch eingehende Beratungsanfragen von schulischen Beschäftigten ab. Im Erhebungsjahr 2023 wurden insgesamt 18 antisemitische Vorfälle und Diskriminierungen erfasst und damit dreimal so viele wie im Erhebungsjahr zuvor. 14 der 18 antisemitischen Sachverhalte wurden in den Monaten Oktober bis Dezember registriert. Antisemitismus äußerte sich zum einen in Form von israelbezogenem Antisemitismus, zum anderen in Form von offenem Judenhass.
Frage 7:
Welche Rolle spielen die sozialen Medien hinsichtlich des Anstieges der Kinder- und Jugendkriminalität, insbesondere der Gewaltkriminalität an den Münchner Schulen und welche Maßnahmen ergreift das RBS?
Antwort:
Der Einfluss von sozialen Medien ist bedingt geeignet für die Erklärung des Anstiegs (Prätor & Baier, 2024) und liefert keine hinreichende Erklärung, insofern diese von nahezu allen Jugendlichen genutzt werden.
Soziale Medien nehmen eine immer wichtigere Stellung im Zusammenhang mit der Delinquenz von Kindern und Jugendlichen ein, insbesondere im Bereich der Gewaltkriminalität an Bildungseinrichtungen. Die Plattformen haben das Potenzial, sowohl Gewalt zu fördern als auch präventive und aufklärende Maßnahmen zu unterstützen. Im Folgenden werden verschiedene Gesichtspunkte beleuchtet, die sich mit der Bedeutung sozialer Medien in München sowie den Aktivitäten des RBS befassen:Die Rolle der sozialen Medien
Die Verbreitung von Gewalt und Aggression manifestiert sich insbesondere in Form von Mobbing, Cybermobbing und Hate Speech. Soziale Medien dienen als Plattform für Mobbingaktivitäten, die sich über digitale Kanäle ausbreiten. Cybermobbing hat das Potenzial, bei den Betroffenen signifikanten emotionalen Stress auszulösen und in manchen Situationen sogar zu physischen Konflikten im schulischen Umfeld zu führen.
Die Verbreitung von Inhalten, die Gewalt verherrlichen oder normalisieren, kann über soziale Medien rasch erfolgen. Jugendliche weisen häufig eine höhere Empfänglichkeit für derartige Inhalte auf, was potenziell ihre Wahrnehmung von Gewalt beeinflussen kann.
Zur Eskalation von Konflikten
Öffentliche Auseinandersetzungen können entstehen, wenn ursprünglich private Konflikte durch die Verbreitung von Informationen über soziale Medien eine breitere Öffentlichkeit erreichen und die Beteiligten in eine aggressive Auseinandersetzung verwickeln.
Die Dynamik innerhalb von Gruppen wird häufig durch soziale Medien beeinflusst, was zur Entstehung von Gruppierungen führt, die einander in aggressivem Verhalten bestätigen. Die genannte Problematik kann potenziell zu gewaltsamen Konflikten führen, insbesondere dann, wenn Jugendliche eine starke Polarisierung in ihren Ansichten und Haltungen wahrnehmen. Im Rahmen der Aktivitäten des RBS werden Präventionsprogramme wie die Medienscouts durchgeführt. Eine Aufklärung über soziale Medien erfolgt in den Schulen im Rahmen ihres Mediencurriculums durch entsprechende Maßnahmen und Aktivitäten. Beispielsweise informieren ausgebildete Medienscouts der oberen Klassenstufen jüngere Schüler*innen präventiv über die Risiken und Verantwortlichkeiten im Umgang mit sozialen Medien in Peer-to-Peer-Ansätzen. Das Ziel besteht darin, ein Bewusstsein für die Konsequenzen von Cybermobbing und aggressivem Verhalten zu generieren.
Die Durchführung von Schulungen zur Förderung der Medienkompetenz bei Jugendlichen unterstützt diese dabei, eine kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten in sozialen Medien zu entwickeln und verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen. Die Veranstaltungen werden im Kontext des fachspezifischen Unterrichts durchgeführt und sind integraler Bestandteil des Medienlehrplans jeder Schule.
Die städtischen Schulen erhalten durch das zusätzliche Unterrichtsfach „Skill“ zeitliche Ressourcen, um entsprechende Curricula umzusetzen.Die Zusammenarbeit mit externen Partnern
Die Schulen kooperieren mit den Strafverfolgungsbehörden, um Schulungen und Workshops zur Gewaltprävention und dem verantwortungsbewussten Umgang mit sozialen Medien durchzuführen, wie beispielsweise den Zammgrauft-Workshop.
Die Integration sozialer Institutionen, die über Fachkenntnisse im Bereich der Jugendhilfe und Prävention verfügen, ist integraler Bestandteil der Gewaltpräventionsstrategie des RBS und der Bildungseinrichtungen. Städtische Schulen erhalten im Rahmen des Ganztagskonzepts zeitlich als auch finanziell Kooperationsmöglichkeiten mit externen Partnern. Kooperation findet sich auch z.B. in Schüler*innenprojekten wieder, bei denen externe Referierende aus diesen Bereichen geschlechtersensible Bildungs- und Präventionsmaß-nahmen in der Schule anbieten und durchführen. Das Pädagogische Institut – Zentrum für Kommunales Bildungsmanagement (PIZKB) im RBS fördert diese Maßnahmen durch Beratung der Lehrkräfte, Prüfung und Vermittlung solcher Angebote und schließlich durch finanzielle Unterstützung.
Möglichkeiten der Intervention und Unterstützung
Schulen haben effektive Meldesysteme für Schüler*innen eingerichtet, um Vorfälle von Mobbing oder Gewalt, die über soziale Medien initiiert werden, zu melden. Dies führt zu einer zeitnahen Reaktion und Unterstützung der betroffenen Schüler*innenschaft.
Das RBS unterstützt Schüler*innen, die Opfer von Gewalt oder Mobbing geworden sind, durch entsprechende Beratungsmaßnahmen. Diese werden durch ausgebildete Lehrkräfte, Schulpsycholog*innen, Sozialpädagog*innen und unter Einbeziehen von externen Fachkräften innerhalb der Schule, als auch an externen Beratungsstellen angeboten und beziehen die betroffenen Eltern mit ein.
Soziale Medien haben einen erheblichen Einfluss auf die Gewaltkriminalität an Schulen in München, indem sie Konflikte verstärken und neue Formen von Mobbing ermöglichen. Die städtischen allgemeinbildenden Schulen reagieren auf diese Herausforderungen durch Aufklärung, Präventionsprogramme und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren, um ein sicheres und respektvolles Lernumfeld zu fördern. Der Fokus liegt darauf, die Medienkompetenz der Schüler*innen zu stärken und effektive Maßnahmen zur Gewaltprävention zu implementieren.
Der ZSPD bietet kostenfreie, vertrauliche Beratung in Ergänzung zum schulpsychologischen Angebot der Schulen auch im Bereich der (exzessiven) Mediennutzung.Mit dem Beschluss vom 7.12.2022 (Nr. 20-26/V 07896) wurde eine Stelle mit Schwerpunkt Prävention von und Intervention bei geschlechtsspezifischer Gewalt sowie einen Stellenanteil mit dem Schwerpunkt Prävention von und Intervention bei (Cyber)Mobbing am Zentralen Schulpsychologischen Dienst eingerichtet.
Die Fachkräfte unterstützen alle Betroffenen und Beteiligten bei der Bewältigung des durch (sexualisierte) Gewalt und (Cyber)Mobbing ausgelösten Belastungserlebens durch:
- Fallberatungen an den Schulen,
- Falldiagnosen mit den Beratungsfachkräften der Schule,
- Beratung von Opfern, deren Angehörigen, Zeug*innen, Begleitung und Durchführung von adäquaten Interventionen in akuten Situationen,
- Tatfolgenbearbeitung und Durchführung rehabilitierender Maßnahmen,
- Nachsorge betroffener Schüler*innen in betroffenen Klassen und unterstützen die Schulen in bei der Entwicklung von schulischen Schutzkonzepten gegen (geschlechtsspezifische) Gewalt. Die wissenschaftlich evaluierten Programme Medienhelden und Fairplayer der FU Berlin (Prof. Scheithauer) werden im PIZKB angeboten.
Das PIZKB bietet durch die Veröffentlichung im Dezember 2021 und kontinuierliche Bereitstellung des Handbuchs zum Umgang mit Grenzverletzungen und Alltagsgewalt gegen Mädchen* in der Schule „War doch nur Spaß“ Methoden zur Bearbeitung von Gewalterscheinungen in der Schule. Darin spielen soziale Medien eine wichtige Rolle, auch in Verbindung mit Körper- und Schönheitsidealen, Mobbing und sexualisierter Gewalt. Begleitend zu dem Handbuch werden jedes Schuljahr Schulungen durchgeführt, die Lehrkräfte und Schulsozialarbeit dabei unterstützen die Methoden handlungssicher anzuwenden.
Im Rahmen des 2. Aktionsplans der Landeshauptstadt München zur Umsetzung der Europäischen Charta zur Gleichstellung von Frauen und Männern mit dem Schwerpunkt Geschlechtsspezifische Gewalt bietet das PIZKB eine wiederkehrend durchgeführte Ausbildung zur Selbstbehauptungstrainer*in für Mädchen* und junge Frauen* an. Eine Ausbildung zum Selbstbehautpungstrainer* für Jungen* und junge Männer* ist in Planung. Außerdem wird die Durchführung von Selbstbehauptungskursen für Schüler*inne jeden Geschlechts an Münchner Schulen finanziell gefördert und die Koordination von Kursen aufgebaut. Digitale Gewalt und soziale Medien werden hier immer wieder thematisiert und sind ein Bestandteil qualifizierter Angebote zur Selbstbehauptung.Das RBS unterstützt und koordiniert hier die Qualifizierung der Beauftragten für Mädchen* und junge Frauen*, sowie der Beauftragten für Jungen* und junge Männer*, die es an jeder städtischen Schule gibt. Die Auswirkungen sozialer Medien im Kontext Schule werden dort thematisiert und bei Bedarf sind Schulungen für Lehrkräfte und Schulsozialarbeit möglich. Ebenso waren bereits externe Referierende zu den kontinuierlich angebotenen Vernetzungstreffen der Beauftragten eingeladen, um Informationen und Angebote zur Qualifizierung zu verbreiten, die auch den Umgang von Schüler*innen mit sozialen Medien, die Wirkung toxischer Rollenbilder und die Betroffenheit von digitaler Gewalt beinhalten.
Frage 8:
Welche Möglichkeiten hat die Landeshauptstadt München als Schulbe- hörde außerhalb der präventiven und sozial unterstützenden Maßnahmen, um den jungen Menschen die Nulltoleranz bei Straftaten klarzumachen?
Antwort:
Die Landeshauptstadt München ergreift diverse Maßnahmen durch ihre Schulbehörde, um den Jugendlichen eine strikte Ablehnung von Straftaten, insbesondere Gewaltkriminalität, zu vermitteln. Es werden neben präventiven und sozial unterstützenden Maßnahmen auch die folgenden Ansätze verfolgt:
Klare Verhaltensregeln und Konsequenzen
Die Schulaufsicht hat verbindliche Schulordnungen (GSO, RSO) implementiert, die klare Verhaltensregeln für die Schüler*innen definieren. Die vorliegenden Regeln verdeutlichen die Null-Toleranz-Politik gegenüber Gewalt und anderen strafbaren Handlungen.
Die Schulordnungen enthalten präzise und transparente Regelungen zu den Konsequenzen bei Verstößen gegen die Regeln. Die Bandbreite der Sanktionen erstreckt sich von Verwarnungen bis hin zu Disziplinarmaßnahmen wie Schulverweisen, dem Ausschluss vom Unterricht sowie der Androhung oder Festlegung der Entlassung aus der Schule.
Aufklärung und Sensibilisierung
Regelmäßige Informationsveranstaltungen, Workshops oder Elternabende zum Thema Gewaltprävention und den Folgen von Straftaten werden an den Schulen abgehalten.
Expert*innen verschiedener Fachrichtungen, darunter Polizeibeamte, Sozialarbeiter*innen und weitere Spezialisten, werden konsultiert, um detailliert über die tatsächlichen Auswirkungen von Gewalt und Kriminalität zu informieren.Werteerziehung
Es wird angestrebt, die Werte und die Gemeinschaft im täglichen Schulleben zu stärken. Die Förderung von Werten wie Respekt, Toleranz und Gewaltfreiheit ist ein integraler Bestandteil des Lehrplans und wird im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz (BayEUG) konkretisiert. Die genannten Vorgaben fungieren als Leitlinien für pädagogische Aktivitäten und den schulischen Alltag. Sie dienen dazu, ein Bewusstsein für die Wichtigkeit harmonischer sozialer Interaktionen zu schaffen und finden konkrete Umsetzung im Leitbild der jeweiligen Bildungseinrichtungen.
Im Rahmen schulischer Initiativen wird die Unterstützung von Projekten angestrebt, die das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Hierzu zählen beispielsweise die Durchführung von Wahlen für ein Schulparlament sowie kollektive Aktionen, die den Schüler*innen verdeutlichen sollen, dass sie integraler Bestandteil einer verantwortungsbewussten Gemeinschaft sind.
Zusammenarbeit mit der Polizei
Die regelmäßige Anwesenheit von Polizeibeamt*innen an Schulen oder bei schulischen Veranstaltungen kann das Sicherheitsempfinden steigern und die Ernsthaftigkeit im Umgang mit Straftaten verdeutlichen. Die Implementierung von Jugendbeamt*innen der Polizei, die in der Rolle von Kontaktpersonen für Schüler*innen, Lehrkräfte und Eltern agieren, kann dazu beitragen, Unklarheiten zu beseitigen und Vorurteile zu verringern.
Monitoring und Evaluation
Die Referatsverfügung „Handreichung zum Vorgehen bei Vorfällen mit menschenfeindlichen und volksverhetzenden Hintergründen im schulischen Bereich“ bildet die Grundlage für Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Vorfällen mit menschenfeindlichen und volksverhetzenden Hintergründen im schulischen Bereich, legt Mitteilungs- und Informationspflichten für pädagogisches Personal fest und beschreibt Melde- und Beratungsmöglichkeiten für Schüler*innen und Erziehungsberechtigte.
Förderung von Peer-Mediation
Schulungen für Schüler*innen, die als Peer-Mediatoren agieren, können dazu beitragen, Konflikte frühzeitig zu erkennen und gewaltfrei zu lösen. Viele Schulen verfügen über ein solches Mediatoren-Team. Dies fördert nicht nur die Konfliktlösungskompetenz, sondern sendet auch ein klares Signal, dass Gewalt keine Lösung ist.Geschlechterbezogene Antigewaltarbeit in den städtischen Schulen Es liegen an allen Schulen leicht zugänglich diverse Informationsflyer von Hilfestellen und Angeboten aus (Aushänge, Flyer, Schaukästen, Sticker), u. a. Werbung für das Hilfetelefon - „Gewalt gegen Frauen“. Die Ausarbeitung und Implementierung von Schutzkonzepten gegen sexuelle Gewalt auch unter Berücksichtigung des digitalen Raums zur konsequenten Umsetzung der Istanbul-Konvention findet an den städtischen Schulen sukzessive statt.
Städtische Gymnasien
Projekte und Angebote der Mädchen*- und Jungen*beauftragten an den städt. Gymnasien:
- Etablierung von Mädchen*cafés/Mädchen*pausen/Mädchen*salons/ Mädchen* Pausenchillen durch die Mädchen*beauftragten an vielen Schulen mit Gesprächs- und Informationsangeboten über die Rechte der Frau und Grenzverletzungen. Ziele sind die Steigerung des Wohlbefindens der Mädchen* an der Schule und die Eröffnung von Gesprächsangeboten zu eventuellen Grenzverletzungen etc. in geschütztem Rahmen
- Workshopangebot für Schülerinnen zum Thema Rollenbilder und Schönheitsidealen
- Workshops zum Thema sexualisierte Gewalt in Kooperation der Mädchen*- und Jungen*beauftragten mit der Schulsozialarbeit
- Projekttage zum Thema Diversität ab Jgst. 8 zur Unterstützung und Akzeptanz von queeren Jugendlichen gegen Vorurteile und Diskriminierung
- Mädchen*konferenz zur Stärkung politischer Teilhabe und Mitsprache als Prävention gegen sexuelle Gewalt
- Jgst. 10 „Lets talk about us“ – sexualpädagogischer Workshop zum Thema positive Sexualität, Emanzipation in Kooperation mit der Fachschaft Biologie
- Mottotage „orange day“ und pride week
Darüber hinaus bestehen weitere Projekte und Angebote der Mädchen*- und Jungen*beauftragten in Kooperation mit externen Anlaufstellen, wie z.B. für Jungen* der 5. Jgst. In Kooperation mit „mannigfaltig“, „sei g´scheid“ in Kooperation mit der Polizei für die Schüler*innen der Jgst. 6 und 7., mit IMMA e.V. für die Mädchen* und INkOMM für die Jungen* ab der 8. Jahrgangsstufe.
Für das Schuljahr 2025/26 sind weitere Projekte und Planungen in Vorbereitung, so die Beteiligung möglichst vieler städtischer Gymnasien an der Mädchen*konferenz des Feministischen Rathauses am 11. Oktober 2025 (https://stadt.muenchen.de/infos/feministisches-rathaus.html) oder auch die Unterstützung der Schulen bei der Einrichtung einer „orangen Bank“ in Kooperation mit ZONTA zur Steigerung der Sichtbarkeit des Themas (sexuelle) Gewalt gegen Frauen sowie die Ausarbeitung von Bildungsangeboten für Schüler*innen zum Thema finanzielle Unabhängigkeit von Frauen* in ebenfalls in Kooperation mit ZONTA.
Städtische Realschulen und Schulen besonderer Art
Analog zu den Angeboten in den städt. Gymnasien finden hier an den Schulen Angebote der Mädchen* und Jungen*beauftragten sowie vielfältige Projekte zur geschlechterbezogenen Antigewaltarbeit statt, von denen hier exemplarisch einige genannt sind.
- Etablierung von Mädchencafés an vielen Schulen mit Gesprächen über die Rechte der Frau, Grenzverletzungen, das Wohlbefinden der Mädchen* an der Schule, eventuelle Grenzverletzungen etc. in geschütztem Rahmen
- Projekt „Gewalt in der Sprache“ und das Verhalten gegenüber Mädchen*/Frauen*, Workshops nach Jungen* und Mädchen* getrennt zusammen mit dem Jungenbeauftragten
- Workshops in Zusammenarbeit mit Mira Mädchenbildung (6.,7.,8. Jahrgangsstufe)
- Unterstützung und Verbreitung der Aktion „Sichere Wiesn“ - Handlungsmöglichkeiten aufzeigen: Wie können sich Mädchen* vor Gewalt schützen? - Sicherheit und individuelles Sicherheitsgefühl der Mädchen* erhöhen - Hilfen für betroffene Mädchen* und Frauen* bekannt machen - Wahrnehmung von sexuellen Übergriffen auf dem Oktoberfest fördern - Zivilcourage und solidarisches Handeln stärken
- Amanda Projekt – Mädchen* und junge Frauen* können hier ihre Stärken und Fähigkeiten entdecken, entfalten und eine selbstbewusste Identität entwickeln
- Projekt „Sicher unterwegs“ mit IMMA
- „First Step“ mit IMMA - bewusste Auseinandersetzung mit Gewaltverhältnissen und Gewalterfahrungen
- Workshop zu sexualisierter Gewalt in 9. Klasse mit Wildwasser e.V. -
Fortbildung zum Thema sexualisierte Gewalt für Kollegium mit Wildwasser e.V.
- „Sexualpädagogik plus“ für die 10. Klassen von Amanda (gegen Gewalt in Beziehungen, Vorurteile bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen, Zwangsverheiratungen usw.)
- „rotes Zimmer“ – Projekt gegen Zwangsverheiratungen-
Ärztinnen der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung e.V. (ÄGGF) besuchen die Mädchen* 5. Jgst, hier wird der Grundstein für Körperbewusstsein und Selbstbewusstsein gelegt. Die Ärztinnen kommen erneut in Klasse 8 und 9 – auch zu den Jungen*.
-„DES“ - Dialog und Empathie in der Schule - zwei Lehrkräfte treffen sich regelmäßig mit Schülerinnen in geschütztem Rahmen
Krisenintervention
Hier stellt das RBS den Schulen Handreichungen zu den Themen Gewalt, sexuelle Gewalt, Mobbing und Bedrohung zur Verfügung. Der ZSPD bietet Fachberatung für Lehrkräfte, Zusatzqualifikationen für Beratungsfachkräfte, Fortbildungen für schulische Krisenteams und vor Ort Einsätze an, um die pädagogische Haltung der Nulltoleranz zu unterstützen. Dabei ist ein Mehr-Ebenen-Ansatz in der Intervention nach dem Konzept Aktiv gegen (Cyber) Mobbing zu empfehlen (https://www.pi-muenchen.de/aktiv-gegen-cyberm-obbing-an-schulen/)
Die Landeshauptstadt München hat und nutzt vielfältige Möglichkeiten, um den jungen Menschen eine Nulltoleranz gegenüber Straftaten zu verdeutlichen. Durch klare Regeln, Aufklärung, Werteerziehung, Zusammenarbeit mit der Polizei und die Förderung von Gemeinschaftsgefühl kann ein Umfeld geschaffen werden, in dem Gewalt und Kriminalität nicht toleriert werden. Die Umsetzung dieser Maßnahmen erfordert eine enge Kooperation zwischen Schulen, Eltern und der Gesellschaft insgesamt.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Münchner Aktionsplan für Kinder, Jugendliche und Heranwachsende „Gemeinsam gegen Gewalt“ hinweisen. Diese Initiative der Landeshauptstadt München und des Polizeipräsidiums München stellt eine stadtweite Übersicht für Präventionsangebote und Intervention dar. Der Aktionsplan entwickelt sich fortlaufend weiter, passt sich an aktuelle Gegebenheiten an und fasst bestehende Maßnahmen zusammen. Die Stadtverwaltung München hat die bestehenden Kooperationen mit der sozialen Trägerlandschaft, dem staatlichen Schulamt, der staatlichen Schulberatungsstelle für München Stadt und Landkreis sowie dem Polizeipräsidium München intensiviert. Ziel dieser Maßnahmen ist die Implementierung einer Verantwortungsgemeinschaft, die Lücken und Bedarfe im Bereich der Prävention und Intervention identifiziert und durch notwendige Angebote schließt. Die Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 16050 bietet hierzu detaillierte Informationen.
Ich gehe davon aus, dass Ihre Anfrage hiermit abschließend beantwortet ist.