Welche Mitspracherechte haben Vertreter des Radentscheids München und wie sind diese demokratisch legitimiert?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Hans Hammer, Hans-Peter Mehling, Veronika Mirlach und Alexander Reissl (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 2.9.2024
Antwort Mobilitätsreferent Georg Dunkel:
Zunächst möchten wir um Entschuldigung bitten, dass sich unsere Rückmeldung leider deutlich verzögert hat.
In Ihrer Anfrage vom 2.9.2024 legen Sie folgenden Sachverhalt zu Grunde: „Es wird bei verschiedensten städtischen Vorhaben und Planungen immer wieder betont, dass diese mit den Vertretern des Radentscheids abgestimmt wurden. Dies betrifft Projekte, die im Rahmen des Radentscheids vom Münchner Stadtrat übernommen wurden, aber mittlerweile auch davon unabhängige Projekte wie die Augustenstraße *1.
Vertreter des Radentscheids sitzen somit scheinbar in Gremien, die selbst gewählten und damit legitimierten Vertretern der Bürgerschaft, nämlich den Stadträten, vorenthalten sind und erhalten daher einen auch gegenüber anderen Interessensvertretungen privilegierten Einfluss auf Planungen und Entscheidungen der Stadtverwaltung.
Das Bürgerbegehren ‚Radentscheid‘ haben insgesamt ca. 90.000 Menschen unterschrieben. Bei der Prüfung durch das KVR, ob das nötige Quorum (33.317 Unterschriften) erreicht wurde, wurden 33.317 gültige Unterschriften nach Überprüfung von 38.555 Unterschriften auf 8.759 Unterschriftenlisten erreicht. Der Anteil ungültiger Unterschriften in der überprüften Stichprobe betrug also bis zu 14% *2.
Beim Bürgerbegehren ‚Altstadt-Radlring,‘ wurden ca. 70.000 Unterstützerunterschriften vorgelegt. Bei der Prüfung durch das KVR, ob das nötige Quorum (33.298 Unterschriften) erreicht wurde, wurden 33.298 gültige Unterschriften nach Überprüfung von 38.187 Unterschriften auf 8.616 Unterschriftenlisten erreicht. Der Anteil ungültiger Unterschriften in der überprüften Stichprobe betrug also bis zu 13% *3.
Wir können also davon ausgehen, dass im einen Fall ca. 77.000 Menschen gültig unterschrieben haben und im anderen Fall ca. 61.000. In Summe also ca. 138.000 Unterschriften. Allerdings können wir auch davon ausgehen, dass die meisten Menschen beide Begehren unterschrieben haben und daher wahrscheinlich nur 80.000-100.000 Menschen die Begehren unterstützt haben. Bei jeweils ca. 1.100.000 stimmberechtigen Personen von insgesamt 1.6 Mio. Bewohnern Münchens sind das gerade mal 7-9% der Wahlberechtigten. Allein der im Vergleich zu den Wahlberechtigten kleine Anteil an eingegan- gen Unterstützerunterschriften von 7-9% rechtfertigt eine Sonderstellung der Vertreter des Radentscheids unserer Ansicht nach also nicht.“
*1 https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/stadtviertel/augustenstrasse-bleibt-ein-dauerbrennpunkt-stadt-muenchen-aendert-nun-ihre-plaene-art-969977, zuletzt aufgerufen am 21.8.2024
*2 https://risi.muenchen.de/risi/sitzungsvorlage/detail/5551938
*3 https://risi.muenchen.de/risi/sitzungsvorlage/detail/5547973
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet: die darin aufgeworfenen Fragen beantworte ich, in Abstimmung mit dem Baureferat, wie folgt:
Frage 1:
In welchen Gremien oder Abstimmungsrunden werden Vertreter des Radentscheids eingebunden?
Frage 2:
Wie sieht diese Einbindung konkret aus?
Antwort:
Vertreter*innen des Bündnis Radentscheid nehmen an Sitzungen folgender Gremien und Abstimmungsrunden teil:
- Lenkungskreis Fuß- und Radverkehr (bei zwei von vier Sitzungen pro Jahr):
- Vorsitz: 2. Bürgermeister
Teilnehmer: Vertreter*Innen der Stadtratsfraktionen und der verschiedenen Dienststellen der LHM, Vertreter*innen des Bündnis Radentscheids
- Art der Einbindung: Information zu aktuellen Radverkehrsthemen, Möglichkeit für alle Teilnehmenden zum gegenseitigen Austausch
- Steuerungskreis Radentscheid MOR (drei bis vier Termine pro Jahr)
- Teilnahme: Sprecher*innen des Bündnis Radentscheid, Referent sowie Mitarbeiter*innen des Mobilitätsreferats
- Art der Einbindung: Austausch bezüglich grundsätzlicher Themen zur Umsetzung der Ziele
des Bündnis Radentscheid
- Vier Arbeitsgruppen zu den Themen:
1. Aktuelle Radverkehrsprojekte (Leitung Baureferat)
2. Planungsleitlinien und technische Standards (Leitung Mobilitätsrefe rat)
3. Netzplanung (Leitung Mobilitätsreferat)
4. Fahrradparken (Leitung Mobilitätsreferat)
5. Winterdienst auf Radverkehrsanlagen
- Teilnahme je nach Thema: Vertreter*innen des Mobilitätsreferats, Baureferats und des SWM Ressorts Mobilität, Branddirektion des Kreisverwaltungsreferats und Vertreter*innen des Bündnis Radentscheids
- Art der Einbindung: Austausch, um bei den verschiedenen Themenfeldern die Möglichkeiten zur Umsetzung der Ziele des Radent scheids zu erörtern.
- Abstimmungstermine des Baureferats mit dem Beraterkreis „Barrierefreies Planen und Bauen“ zu Einzelprojekten mit besonderem Bezug zum Thema Barrierefreiheit
- Teilnahme: Vertreter*innen des Baureferats, Beraterkreis barriere freies Planen und Bauen und des Bündnis Radentscheid
- Art der Einbindung: Austausch, um die Themen Barrierefreiheit und die Ziele des Radentscheids bei Planungsprojekten in Einklang zu bringen.
- Abstimmungstermine des Mobilitätsreferats sowie des Baureferats zu Einzelprojekten mit besonderer Bedeutung für den Radverkehr
- Teilnahme: Vertreter*Innen des Mobilitätsreferats und des Bündnis Radentscheid
- Art der Einbindung: Austausch, um die Möglichkeiten zur Umsetzung der Ziele des Radentscheids bei Planungsprojekten zu erörtern.
Frage 3:
Mit welchen Rechten ist die jeweilige Einbindung verbunden?
Antwort:
Dem Bündnis Radentscheid wird bei Planungsprojekten mit einer größeren Bedeutung für den Radverkehr die Gelegenheit gegeben, schriftliche Stellungnahmen zu verfassen. Diese Stellungnahmen werden im Rahmen der zugehörigen Projektbeschlüsse seitens der Verwaltung entsprechend gewürdigt. Die Verwaltung kommentiert die Stellungnahmen des Bündnisses Radentscheid dabei unter Berücksichtigung aller fachlichen Anforderungen im jeweiligen Einzelprojekt (bspw. Kosten, Verkehrssicherheit, Aufenthaltsqualität, Barrierefreiheit, Stärkung des Umweltverbunds, Bäume/Grünausstattung). So kann dem Stadtrat transparent dargelegt werden, welche Gründe zum finalen Vorschlag der Verwaltung geführt haben.
Frage 4:
Wer sind diese Vertreter?
Frage 5:
Wie und von wem werden sie bestimmt?
Antwort:
Zur Zusammensetzung des Bündnis Radentscheid wird auf die entsprechende Internetseite verwiesen:
https://www.radentscheidmuenchen.de/hintergrund/wer-wir-sind/. Je nach Thema (bspw. Netzplanung oder Fahrradparken) sind unterschiedliche Personen in den o.g. Gremien und Abstimmungsrunden anwesend, die vom Bündnis Radentscheid benannt werden.
Frage 6:
Durch wen werden sie legitimiert?
Frage 7:
Durch welchen konkreten Beschluss des Münchner Stadtrates ist diese Form der Einbindung jeweils legitimiert?
Antwort:
Die Einbindung des Bündnis Radentscheid wurde vom Stadtrat mit Beschluss der Vollversammlung „Bürgerbegehren „Altstadt-Radlring“ Bürgerbegehren „Radentscheid“ Umsetzung – Teil I“ (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 15585) am 18.12.2019 mit folgenden Antragsziffern beschlossen:
- „13. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung, das Kreisverwaltungsreferat und das Baureferat werden unter Einbeziehung von SWM/ MVG beauftragt, im Rahmen einer institutionalisierten Zusammenarbeit mit dem Bündnis Radentscheid, künftig gemeinsam weitere Maßnahmen abzustimmen und zu priorisieren und halbjährlich über den Stand der Umsetzung zu berichten.“
- „15. Das Kreisverwaltungsreferat und das Baureferat werden unter Einbeziehung von SWM/MVG beauftragt, Leitlinien für technische Standards und künftige Planungen neuer Radverkehrsanlagen zur Umsetzung des Bürgerbegehrens unter Berücksichtigung der ÖPNV-Belange zu entwickeln und diese mit den Vertretern und Vertreterinnen der Bürgerbegehren abzustimmen.“
- „16. Das Baureferat, das Kreisverwaltungsreferat und das Referat für Stadtplanung und Bauordnung werden unter Einbeziehung von SWM/MVG beauftragt, die Erprobung von kurzfristigen und provisorischen Maßnahmen zur Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur zu prüfen, mit den Vertretern und Vertreterinnen der Bürgerbegehren abzustimmen, vor Test den betroffenen Bezirksausschüssen zur Stellungnahmevorzulegen und dann zur Beschlussfassung in den Stadtrat einzubringen.“
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.