Behördliche Ermessensspielräume ausschöpfen – für ein Konsumcannabisgesetz im Geiste der Erfinder*innen!
Antrag Stadtrats-Mitglieder Anja Berger, Mona Fuchs, Nimet Gökmenoglu, Marion Lüttig, Gudrun Lux, Thomas Niederbühl, Angelika Pilz-Strasser, Florian Schönemann, Christian Smolka und David Süß (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 1.8.2024
Antwort Kreisverwaltungsreferentin Dr. Hanna Sammüller-Gradl:
Vielen Dank für Ihren Antrag vom 1. August 2024.
In Ihrem Antrag beantragen Sie, dass das Kreisverwaltungsreferat seinen behördlichen Ermessensspielraum im Sinne des auf Bundesebene erlassenen Konsumcannabisgesetzes (KCanG) und seinem Gedanken der
Liberalisierung und Entkriminalisierung weitestgehend ausschöpft. Die im Bußgeldkatalog „Cannabiskonsum“ des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention genannten Bußgeldsätze sollen gemäß Ihrem Antrag mindestens halbiert bzw. nach Möglichkeit an die Regel- und Rahmensätze bei Verstößen gegen die Alkoholverbots-Verordnung angepasst werden.
Zur Begründung führen Sie aus:
„Am 1.4.2024 sind die ersten drei Kapitel des KCanG bundesweit in Kraft getreten. Quasi in vorauseilendem Gehorsam erfolgte am 25. März 2024 eine Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention über den Bußgeldkatalog ‚Konsumcannabis‘, der den Umgang mit Verstößen gegen das KCanG im Bereich der Ordnungswidrigkeiten regelt.
Die darin vorgesehene Regel- und Rahmensätze, insbesondere für einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 und 2 KCanG in Höhe von 1.000,- bzw. 500,- Euro sind unverhältnismäßig hoch und wirken politisch motiviert. Das wird insbesondere im Vergleich mit anderen Ordnungswidrigkeiten überdeutlich:
- Verzehr von Alkohol im Bereich der Alkoholverbots-Verordnung (§ 2 Alkoholverbots-Verordnung): Regelgeldbuße i.H.v. 75 Euro,
- unzulässiger Lärm (§ 117 Ordnungswidrigkeitengesetz): Regelgeldbuße i.H.v. 150 Euro,
- Abbrennen eines bengalischen Feuers in der Allianz Arena (§ 2 Arena-VO): Regelgeldbuße i.H.v. 400 Euro.
Diese Beispiele machen deutlich, dass die Bayerische Staatsregierung unter dem Deckmantel des Ordnungswidrigkeitenrechts versucht, die Intention des Bundesgesetzgebers zur Liberalisierung und Entkriminalisierung des Cannabiskonsums mit unverhältnismäßig hohen Bußgeldsätzen wieder weitestgehend außer Kraft zu setzen und dabei über das Ziel hinausgeschossen ist.
Der Landeshauptstadt München stünde es gut zu Gesicht, sich daran nicht zu beteiligen und vorhandene behördliche Spielräume im Sinne der Stadtgesellschaft zu nutzen, um so dem eigentlichen Willen des Bundesgesetzgebers gerecht zu werden.“
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weshalb eine beschlussmäßige Behandlung im Stadtrat rechtlich nicht möglich ist.
Zu Ihrem Antrag teile ich Ihnen Folgendes mit:
Im Ergebnis erscheint eine Halbierung der Regel- und Rahmensätze des Bußgeldkatalogs im Rahmen der behördlichen Ermessensausübung bzgl. der Bußgeldhöhe sinnvoll und angemessen. Eine Vergleichbarkeit der Verstöße gegen das KCanG und solcher gegen die Alkoholverbots-Verordnung wird gesehen und ist nicht von der Hand zu weisen. Eine Anpassung an die regelmäßigen Bußgeldhöhen im Rahmen des Vollzugs der Alkoholverbots-Verordnung und mithin eine Festsetzung einer Bußgeldhöhe i.H.v. regelmäßig 75 Euro würde jedoch den Rahmen des uns zustehenden behördlichen Ermessens erheblich überschreiten und scheidet daher aus rechtlichen Gründen aus. Die beabsichtigte Halbierung soll jedoch nicht auf Wiederholungstäter*innen Anwendung finden.
Der Bußgeldkatalog vom 25.3.2024 wurde vom StMGP mit BayMBl. 2024 Nr. 152 vom 28. März 2024 als eine verwaltungsinterne Richtlinie für die zuständigen Behörden erlassen.
Er sieht Regel- oder Rahmensätze bzgl. der Bußgeldhöhe für Verstöße gegen das KCanG vor, „um einen einheitlichen Vollzug bei der Verfolgung und Ahndung dieser Verstöße zu erreichen“, vgl. Ziffer 4.2. des Kataloges. Die im Katalog genannten Regel- und Rahmensätze gelten für einen vorsätzlichen Erstverstoß.
Gemäß lfd. Nr. 6 des Kataloges werden Verstöße gegen § 5 Abs. 1 KCanG, der den Konsum von Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen verbietet, mit einem Regelsatz i.H.v. 1.000 Euro belegt. Nach lfd. Nr. 7 des Kataloges sollen Verstöße gegen § 5 Abs. 2 KCanG regelmäßig mit einem Bußgeld i.H.v. 500 Euro geahndet werden.Gemäß § 5 Abs. 2 KCanG ist der öffentliche Konsum von Cannabis in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr sowie an bestimmten Orten (Schulen, Kinderspielplätze, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Sportstätten und Anbauvereinigungen) bzw. in deren Sichtweite nicht zulässig. Die Mehrzahl der bei der Bußgeldstelle des Kreisverwaltungsreferates eingegangenen Ordnungswidrigkeitenanzeigen behandelt einen Verstoß gegen die genannten Vorschriften.
Zunächst ist festzustellen, dass die Behörde nicht strikt an die Vorgaben des Kataloges bzgl. der konkreten Bußgeldhöhe gebunden ist. Rechtlich bindend für die Behörde sind die gesetzlichen Kriterien gem. § 17 OWiG, wonach Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der konkrete Tatvorwurf sowie regelmäßig auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen sind. Der Behörde kommt also ein Ermessensspielraum zu. Diesen Spielraum greift auch der Bußgeldkatalog mit lfd. Nr. 7.2 auf, wonach die Regel- und Rahmensätze des Kataloges je nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen der jeweiligen gesetzlichen Grenzen erhöht oder ermäßigt werden können. Bei fahrlässiger Tatbegehung sieht der Katalog in lfd. Nr. 7.1 selbst bereits eine Halbierung der im Bußgeldkatalog genannten Regel- und Rahmensätze vor.
Der Bußgeldkatalog ist zwar in die Ermessensentscheidung bei der Bemessung der Bußgeldhöhe miteinzubeziehen, mit sachlichen Gründen kann jedoch somit bis zu einem bestimmten Grad davon abgewichen werden.
Hinsichtlich der konkreten Höhe der Bußgelder ist zunächst zu berücksichtigen, dass gem. § 17 Abs. 1 OWiG die Geldbuße bei Verstößen gegen § 5 KCanG mindestens 5 Euro betragen muss. Die Höchstgrenze legt das Gesetz, vgl. § 36 Abs. 2 KCanG, bei 30.000 Euro fest. Innerhalb dieses Rahmens hat die Bußgeldstelle eine konkrete Bußgeldhöhe festzusetzen.
Ein Vergleich zu anderweitigen Bußgeldfestsetzungen zeigt, dass eine Ahndung für einfache Verstöße gegen § 5 Abs. 1 KCanG mit einem Regelsatz von 1.000 Euro bzw. 500 Euro bei Verletzung des § 5 Abs. 2 KCanG unverhältnismäßig wäre. Neben den zutreffend in Ihrem Antrag genannten Regelsätzen lassen sich folgende weitere Beispiele anführen:
- die Belästigung der Allgemeinheit (§ 118 OWiG) (etwa durch öffentliches Urinieren etc.): Regelgeldbuße bei Erstverstoß ab 100 Euro bei einem Bußgeldrahmen von bis zu 1.000 Euro
- das Nichtanleinen großer Hunde an einem Spielplatz (§§ 3 Abs. 2, 5 Nr. 2 HundeV):Regelgeldbuße 200 Euro bei einem Bußgeldrahmen von bis zu 1.000 Euro
- das Mitführen eines Einhandmessers (§§ 42a Abs. 1, 53 Abs. 1 Nr. 21a WaffG):
Regelgeldbuße 300 Euro bei einem Bußgeldrahmen von bis zu 10.000 Euro
Des Weiteren verdeutlicht ein Blick auf andere Bußgeldkataloge der Länder, dass mitunter deutlich niedrigere Regel- und Rahmensätze im Vergleich zum Bayerischen Bußgeldkatalog festgelegt worden sind.
So werden in Nordrhein-Westfalen folgende Sätze den Behörden als Entscheidungshilfe an die Hand gegeben:
https://www.mags.nrw/regeln-und-bussgelder-zur-cannabiskontrolle
Auch der Sächsische Bußgeldkatalog verschafft der Bußgeldstelle einen weitgrößeren Spielraum:
https://www.medienservice.sachsen.de/medien/medienobjekte/594097/download
Unter Berücksichtigung der genannten Beispiele führt eine Halbierung der Regel- und Rahmensätze des Bayerischen Bußgeldkataloges zu einer angemessenen Entscheidungshilfe bei der Ermessensentscheidung zur Festlegung der konkreten Bußgeldhöhe. Eine Halbierung trägt insbesondere dafür Sorge, dass die Bußgeldhöhe der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit im Quervergleich zu anderen Ordnungswidrigkeiten sowie dem konkreten Tatvorwurf gerecht wird, zumal eine Ahndung von bis zu 1.000 Euro in der Regel eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung für die Betroffenen darstellen würde. Dieses Vorgehen gilt insbesondere für Erstverstöße und nicht bei Wiederholungstäter*innen.Auch wenn der Genuss alkoholischer Getränke mit dem Konsum anderer berauschender Mittel wie Cannabis grundsätzlich vergleichbar ist und eine Angleichung der Bußgeldhöhen durchaus nachvollziehbar erscheint, würde eine solche Anpassung an die Bußgeldhöhe der städtischen Alkoholverbots-Verordnung den zulässigen Rahmen des behördlichen Ermessensspielraums allerdings deutlich überschreiten. Der Intention des Gesetzgebers, dem Kinder-, Jugend- und Gesundheitsschutzes beim Umgang mit Cannabis zu entsprechen, muss bei der behördlichen Ermessensentscheidung ausreichend Rechnung getragen werden. Eine Abweichung von den Rahmen- und Regelsätzen des Bayerischen Bußgeldkataloges von bis zu 90% und mithin eine regelmäßige Festsetzung eines Bußgeldes i.H.v. 75 Euro scheidet vor diesem Hintergrund somit schon aus rechtlichen Gründen aus.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.