Klimafreundliche Parktoiletten auch für München nutzen
Antrag Stadträtinnen Alexandra Gaßmann und Ulrike Grimm (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 18.6.2024
Antwort Baureferentin Dr.-Ing. Jeanne-Marie Ehbauer:
Sie haben am 18.6.2024 Folgendes beantragt:
„Die Landeshauptstadt München (LHM) wird aufgefordert, die Entwicklung des Pilotprojekts ,Klimafreundliche Parktoiletten für Berlin‘ des Landes Berlin zu beobachten, die genaueren Ergebnisse der ersten Testphase anzufragen und auch den noch in diesem Jahr erscheinenden Abschlussbericht auszuwerten. Sollte die Prüfung der LHM zum Berliner Projekt positiv ausfallen, wird ein analoges Pilotprojekt ‚Klimafreundliche Parktoiletten für München‘ initiiert.“
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlauben wir uns, Ihren Antrag mit Schreiben zu beantworten und teilen Ihnen Folgendes mit:
Stadtweit werden derzeit etwa 130 öffentliche Toilettenanlagen betrieben. Zudem errichtet das Baureferat zahlreiche neue Toilettenanlagen, vorwiegend in Park- und Grünanlagen. Zuletzt hat der Bauausschuss mit Beschluss vom 3.12.2019 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 16785) das Baureferat beauftragt, auf der Grundlage des vorgestellten Kriteriensystems, 29 neue Toilettenanlagen, vier im öffentlichen Verkehrsraum und 25 in öffentlichen Grünflächen, zu errichten und als Standard festgelegt:
„Bei den Toiletten handelt es sich um vollautomatische Unisex-Toiletten, behindertengerecht nach DIN 18040-1 (Norm Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude) mit aufklappbarem Babywickeltisch. Die Kabinen sind zudem ausgestattet mit einem unterfahrbaren Waschbecken, Seifenspender, Handtrockner und Ablage, einem Desinfektionsmittelspender, einem Urinal sowie einer Notrufeinrichtung. Die Reinigung der Toilettenkabinen erfolgt nach jedem Toilettengang vollautomatisch. Dabei werden die Sitzbrille und Schüssel gereinigt, desinfiziert und getrocknet. Der Fußboden wird nach jedem zehnten Toilettengang über ein Düsen- oder Hochdruckreinigungssystem nass gereinigt. Zudem erfolgen zusätzlich Kontrollen und Reinigungen durch Personal vor Ort. Der unmittelbare Außenbereich ist nachts beleuchtet.“
Die im Rahmen des Projektes „Klimafreundliche Parktoiletten für Berlin“ errichteten Anlagen wurden von der Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt an zwei Unternehmen vergeben. Es handelt sich dabei um so genannte Komposttoiletten. Beide Toilettentypenentsprechen nicht den Ausstattungsvorgaben des Beschlusses des Bauausschusses vom 3.12.2019, insbesondere hinsichtlich der geforderten Barrierefreiheit nach DIN 18040-1 (Norm Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude) sowie des Fehlens eines mit Trinkwasser gespeisten Handwaschbeckens.
Nach Rücksprache mit der zuständigen Ansprechpartnerin bei der Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt wurde bestätigt, dass die Anlagen lediglich einer Anlehnung an die DIN 18040-1 entsprechen und die Speisung der Handwaschbecken über zurückgehaltenes Regenwasser erfolgt. Die Handwaschbecken wurden mittlerweile aufgrund hygienerechtlicher Vorgaben außer Betrieb genommen, als Ausgleich wurde ein Desinfektionsmittelspender installiert. Weiterhin wurde uns mitgeteilt, dass es sich bei dem Pilotprojekt „Klimafreundliche Parktoiletten für Berlin“ um ein Forschungsprojekt handelt. Es ist nicht sichergestellt, dass der Betrieb nach Abschluss des Projekts weitergeführt wird.
Die Münchner Stadtentwässerung führt Folgendes aus: „Sofern ein städtischer Kanal vorhanden ist, besteht nach der Münchner Entwässerungssatzung Anschluss und Benutzungszwang. Ein Toilettenhäuschen ist in diesem Fall zwingend an den Kanal anzuschließen. (…) Wir sehen große Bedenken hinsichtlich der Hygiene, der Geruchsentwicklung und des Betriebs derartiger Toilettensysteme, insbesondere angesichts der in München zu erwartenden teils hohen Nutzerzahlen. Dabei sollte auch das Gesundheitsreferat (GSR) zu den Belangen der Hygiene um Stellungnahme gebeten werden. Auch die Frage der Entsorgung bzw. Weiterverwendung sehen wir kritisch.“
Seitens des Gesundheitsreferats erhielten wir folgende Rückmeldung: „Die vorrangige Aufgabe des Gesundheitsreferats ist in diesem Zusammenhang die Beurteilung infektionshygienischer Fragestellungen. Hiernach ist die Nutzung von Komposttoiletten nach derzeitigem Kenntnisstand aus hygienischer Sicht grundsätzlich möglich, da aus der bestimmungsgemä-ßen Nutzung einer nach hygienischen Gesichtspunkten konstruierten Komposttoilette kein erhöhtes Hygienerisiko resultiert. Voraussetzung hierfür ist jedoch die strikte Beachtung konstruktiver Vorgaben, die eine Reinigung und Desinfektion der Toilette und eine schadlose sowie für die Nutzer*innen durchgängig kontaktfreie Ableitung der Fäkalien gewährleisten. Auch muss sichergestellt sein, dass eine Fehlbedienung der Toilettenanlage ausgeschlossen ist und eine belastbare Infrastruktur zur Entsorgung des Toilettenabfalls zur Verfügung steht.
Sofern Wasser zur Händereinigung verwendet wird, muss dieses die Qualitätsanforderungen der Trinkwasserverordnung einhalten (vgl. § 2 Nr. 1aTrinkwV). Die Nutzung von Regenwasser zur Händereinigung – wie im Werbematerial des Anbieters aus Berlin beschrieben – ist nach den Vorgaben der Trinkwasserverordnung nicht zulässig.
Neben den hygienischen Anforderungen an die Nutzung entsprechender Einrichtungen ist jedoch auch die Entsorgung des anfallenden Fäkaliengemisches und die damit verbundenen Anforderungen an dessen schadlose Beseitigung von infektionshygienischer Relevanz, da auch hierdurch Gesundheitsgefährdungen für die Bevölkerung resultieren können. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz machte dazu im Juni 2022 folgende Ausführungen, denen sich das Gesundheitsreferat fachlich vollumfänglich anschließt:
„… Nach Auffassung des BMU (Anm. GSR: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz) können menschliche Fäkalien zusammen mit Sägemehl/Säge-Späne, Stroh und Toilettenpapier grundsätzlich eine aerobe biologische Behandlung (Kompostierung) durchlaufen. Jedoch ist ein solcher Kompost nicht für eine Verwertung auf Böden geeignet. Die infektionshygienische Unbedenklichkeit des aus dem Festanteil menschlicher Fäkalien hergestellten Komposts kann nicht gewährleistet werden, zumindest nicht mit den praxisüblichen Kompostierungsverfahren. Insbesondere die nach dem Stand der Technik bestehenden Vorgaben zu Behandlungsdauer und -temperatur erscheinen zur Gewährleistung der infektionshygienischen Unbedenklichkeit des Feststoffs menschlicher Exkremente, also einer Inaktivierung/Abtötung menschlicher Krankheitserreger/Humanpathogener, nicht ausreichend. Zu bedenken ist ferner, dass mit einem biologischen Behandlungsverfahren, wie der Kompostierung, in menschlichen Fäkalien enthaltene Arzneimittelrückstände und Hormone nicht bzw. nicht hinreichend abgebaut werden können. Arzneimittelrückstände und Hormone verbleiben weitgehend im kompostierten Material; aufgrund des bei der Kompostierung eintretenden Volumenverlustes tritt sogar eine Aufkonzentrierung dieser Substanzen ein. Eine bodenbezogene Nutzung des Komposts würde diese Rückstände in den Boden, das Grundwasser und Pflanzen weitergeben. Schließlich sind bei einer bodenbezogenen Verwertung von kompostierten menschlichen Fäkalien auch ästhetische Aspekte, vor allem im Hinblick auf die Aufbringungsflächen, zu berücksichtigen. So ist die Aufbringung von Klärschlämmen und Klärschlammkomposten auf Ackerbau-, Obstanbau-; und Sonderkulturflächen, also Flächen zum Anbau von Lebensmitteln und Futtermitteln, u.a. aus ästhetischen Gründen verboten. … “.
Die Aufstellung von Komposttoiletten in öffentlichen Grünanlagen ist demnach aus folgenden Gründen nicht möglich:
- Die als städtischer Standard definierten Ausstattungsvorgaben des Beschlusses des Bauausschusses vom 3.12.2019, insbesondere die der Barrierefreiheit, werden nicht eingehalten.
- Der Anschluss- und Benutzungszwang an das städtische Kanalnetz gemäß der Entwässerungssatzung der Landeshauptstadt München wird nicht eingehalten.
- Die Qualitätsanforderung an das zur Händereinigung verwendete Wasser wird gemäß den Bestimmungen der Trinkwasserverordnung nicht eingehalten.
- Die Verwertung von Kompost, der aus menschlichen Fäkalien hergestellt wurde, ist gemäß den Ausführungen des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz für Böden nicht geeignet.
Fazit:
Neben den funktionalen Defiziten sind auch hinsichtlich ökologischer Aspekte und Klimafreundlichkeit keine Vorteile der in Berlin pilotierten WC-Modelle erkennbar.
Das Baureferat (Gartenbau) wird den Ausbau von Toilettenanlagen im öffentlichen Raum gemäß den Vorgaben des Beschlusses des Bauausschusses vom 3.12.2019 weiter vorantreiben, jedoch ebenso die Entwicklungen am Markt weiter beobachten und ggf. sinnvolle Produkte erproben.
Die Gleichstellungsstelle für Frauen (GSt) und das Gesundheitsreferat (GSR) haben dieses Antwortschreiben mitgezeichnet.
Die Gleichstellungsstelle für Frauen befürwortet die weitere Marktbeobachtung des Baureferats und weist darauf hin, dass neue ökologische Lösungen entsprechend wie die aktuellen neuen Toilettenanlagen im öffentlichen Raum auch in Bezug auf geschlechter- und gleichstellungsbezogene Nutzungsmuster, Hygiene- und Sicherheitslösungen geprüft werden müssen.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass der Antrag damit abschließend behandelt ist.